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Studienarbeit aus dem Jahr 2000 im Fachbereich Kulturwissenschaften - Allgemeines und Begriffe, Note: 1,0, Humboldt-Universität zu Berlin (Institut für Kultur- und Kunstwissenschaften), Veranstaltung: Ästhetik, Sprache: Deutsch, Abstract: Die Thematik dieses Aufsatzes läßt sich nach gehöriger Vereinfachung auf die alte und allgemein bekannte Frage „Was war zuerst da: die Henne oder das Ei?“ herunterdividieren. Wer eine solche Frage stellt, erntet wahrscheinlich entweder ein betretenes Schweigen oder eine Gegenfrage. Zumeist wird sie ohnehin als rhetorisches Mittel eingesetzt, um von der deprimierten Konstitution des Fragers auf eine vermeintlich deprimierende allgemeine Weltsituation zu verweisen. Mit dem Verweis auf diese Fragestellung wird stets eine Resignation geäußert, die von einer ausweglosen Situation herrührt. Nicht viele Fragen haben es zu einer solchen Popularität auch und gerade in der Welt des alltäglichen Umgangs gebracht. Sicher kommt diese Popularität von der allgemeinen Faszination und Ehrfurcht gegenüber Paradoxien. Daß diese von der Wissenschaft nicht mehr panisch gemieden, sondern bewußt untersucht und integriert werden, das soll dieser Aufsatz bezeugen. „Was war zuerst da - die Henne oder das Ei?“ - Das Interesse dieser Frage drückt auf populäre Art und Weise die fundamentale Frage nach dem Anfang aus, ein Thema, das sicher schon viele Autoren beschäftigt und viele Blätter Papier gefüllt hat. Die Autoren, die hier zurate gezogen werden sollen, scheinen auf den ersten Blick nicht viel miteinander gemein zu haben. Im Gegenteil gelingt es sogar, sie unter dem Gegensatz Konstruktion vs. Dekonstruktion einzuordnen. Der englische Mathematiker George Spencer-Brown, der lange Zeit aufgrund seines geringen Bekanntheitsgrades in geisteswissenschaftlichen Gefilden für das Alter Ego Niklas Luhmanns gehalten wurde, steht mit seinen Beiträgen zu Mathematik, Logik und Ingenieurwesen dem radikalen Konstruktivismus sehr nahe. Jacques Derrida dagegen gilt als Denker der Dekonstruktion, die er sich durchaus auch selbst auf die Fahnen schreibt. Doch dies sind nur die Gegensätze zweier Etikette. Daß sich ein Konstruktivismus im Zweifelsfall mit derselben Thematik beschäftigt, wie ein Dekonstruktivismus, ist nicht erst bekannt, seit dies zwei Stilrichtungen der Architektur sind. Wenn sich Konstruktion und Dekonstruktion gegenüberstehen, ist schon anhand der Ausdrücke evident, daß es sich um eine begriffliche Emanation handeln muß. Ob die Konstruktion aus der Dekonstruktion folgt oder umgekehrt, steht im Moment noch nicht zur Debatte, auch wenn diese Frage scheinbar schon beantwortet ist. Doch sie weist bereits direkt in den Kern der Thematik dessen, was dieser Aufsatz erörtern will...
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Veröffentlichungsjahr: 2008
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Zu George Spencer-Browns und Jacques Derridas ArbeitamAnfang
von Axel Schubert
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Die Thematik dieses Aufsatzes läßt sich nach gehöriger Vereinfachung auf die alte und allgemein bekannte Frage „Was war zuerst da: die Henne oder das Ei?“ herunterdividieren. Wer eine solche Frage stellt, erntet wahrscheinlich entweder ein betretenes Schweigen oder eine Gegenfrage. Zumeist wird sie ohnehin als rhetorisches Mittel eingesetzt, um von der deprimierten Konstitution des Fragers auf eine vermeintlich deprimierende allgemeine Weltsituation zu verweisen. Mit dem Verweis auf diese Fragestellung wird stets eine Resignation geäußert, die von einer ausweglosen Situation herrührt. Nicht viele Fragen haben es zu einer solchen Popularität auch und gerade in der Welt des alltäglichen Umgangs gebracht. Sicher kommt diese Popularität von der allgemeinen Faszination und Ehrfurcht gegenüber Paradoxien. Daß diese von der Wissenschaft nicht mehr panisch gemieden, sondern bewußt untersucht und integriert werden, das soll dieser Aufsatz bezeugen.
„Was war zuerst da - die Henne oder das Ei?“ - Das Interesse dieser Frage drückt auf populäre Art und Weise die fundamentale Frage nach dem Anfang aus, ein Thema, das sicher schon viele Autoren beschäftigt und viele Blätter Papier gefüllt hat. Die Autoren, die hier zurate gezogen werden sollen, scheinen auf den ersten Blick nicht viel miteinander gemein zu haben. Im Gegenteil gelingt es sogar, sie unter dem Gegensatz Konstruktion vs. Dekonstruktion einzuordnen. Der englische Mathematiker George Spencer-Brown, der lange Zeit aufgrund seines geringen Bekanntheitsgrades in geisteswissenschaftlichen Gefilden für das Alter Ego Niklas Luhmanns gehalten wurde, steht mit seinen Beiträgen zu Mathematik, Logik und Ingenieurwesen dem radikalen Konstruktivismus sehr nahe. Jacques Derrida dagegen gilt als Denker der Dekonstruktion, die er sich durchaus auch selbst auf die Fahnen schreibt. Doch dies sind nur die Gegensätze zweier Etikette. Daß sich ein Konstruktivismus im Zweifelsfall mit derselben Thematik beschäftigt, wie ein Dekonstruktivismus, ist nicht erst bekannt, seit dies zwei Stilrichtungen der Architektur sind. Wenn sich Konstruktion und Dekonstruktion gegenüberstehen, ist schon anhand der Ausdrücke evident, daß es sich um eine begriffliche Emanation handeln muß. Ob die Konstruktion aus der Dekonstruktion folgt oder umgekehrt, steht im Moment noch nicht zur Debatte, auch wenn diese Frage scheinbar schon beantwortet ist.
Doch sie weist bereits direkt in den Kern der Thematik dessen, was dieser Aufsatz erörtern will. Mit Hilfe des Denkens von Spencer-Brown und Derrida, soll der Frage nach dem Ursprung und des Anfangs nachgegangen werden, die sich auch bei der Gegenüberstellung von Konstruktion und Dekonstruktion ergeben könnte, wären diese Termini nicht eindeutige Titel einer epochal fixierten Abfolge. Es soll sich zeigen, daß nach dem Denken dieser beiden Autoren keine einfache Abfolge von Gegebenheiten mehr gelten kann und daß von einem linearen Zurückverfolgen einer Spur zu einem Anfang und Ursprung nicht die Rede sein kann.
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Um einen Anfang zu machen, werde ich zunächst in groben Zügen George Spencer-Browns Denken anhand seines mittlerweile zu gewisser Berühmtheit gelangten Buches „Laws of Form“1darlegen. Im Anschluß daran folgt eine nicht weniger grobe Präsentation des Denkens Jacques Derridas, eingegrenzt auf die Thematik derdifférancebzw. das, was ich in Anlehnung an Dirk Baecker die „Logik des Supplements“ nenne.2Dabei werden Derridas „Grammatologie“ und der Vortrag zurdifférancedie Hauptgrundlagen der Untersuchung sein. Da jede Textinterpretation selektiv vorgeht, wird auch diese nur in Auszügen das dargelegen können, was eigentlich als das Denken der beiden Autoren gelten könnte. Die Auswahl ist, wie leicht festzustellen sein wird, mit Absicht so getroffen, daß Parallelen sichtbar werden. Bewußt werden bei Spencer-Brown Punkte herausgearbeitet, die ausgezeichnete Anknüpfungspunkte für die Interpretation Derridas bieten. Dabei wird sich herausstellen, daß beide Denker, obwohl sie sich offensichtlich nicht zu rezensieren scheinen und obwohl sie in so verschiedenen Disziplinen eingeordnet werden, ein auffallend ähnliches Grunddenken verfolgen, das sich letztlich gar den selben Vorwürfen ausgesetzt sieht.
Das Gewicht dieser Arbeit liegt auf dem, was sich gleicht bzw. ähnelt, obwohl sein Thema die Unterscheidung ist. Indem beide Autoren von Unterscheidungen sprechen und diese höchstwichtig als Grundlage ihrer Theorien bestimmen, gleichen sie sich und sind sich doch verschieden. Denn spätestens nach dem Lesen dieses Aufsatzes wird selbst die einfache Rechnung Eins und Eins nicht mehr das ergeben, was sie bisher zu ergeben schien.
1Obwohl das Buch seit einigen Jahren in deutscher Übersetzung vorliegt und diese auch die Grundlage dieser
2Arbeit ist, werde ich, wie in der Literatur üblich, den Titel des englischen Originals übernehmen. Der Titel der deutschen Übersetzung nennt beides, den englischen Originaltitel und die deutsche Übersetzung. Derrida selbst spricht meines Wissens selbst nicht von einer „Logik des Supplements“. Vgl. hierzu Baecker, Dirk: Einleitung. In: ders. (Hrsg.) Kalkül der Form. Frankfurt am Main, 1993. S. 13.
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