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Studienarbeit aus dem Jahr 2002 im Fachbereich Kulturwissenschaften - Allgemeines und Begriffe, Note: 1,0, Humboldt-Universität zu Berlin, Sprache: Deutsch, Abstract: Mit Nietzsches Denken werden für gewöhnlich vier Etikette in Verbindung gebracht. In beliebiger Reihenfolge werden der „Tod Gottes“, der „Wille zur Macht“, der „Übermensch“ und die „ewige Wiederkunft“ als diejenigen Aspekte aufgezählt, ohne die über ihn nicht zu reden sei. Die Verkündung vom „Tod Gottes“ und die damit einhergehende Rede vom „Antichristen“ sind aufgrund ihrer provokanten Art zu Berühmtheit gelangt. Der „Übermensch“ und der „Wille zur Macht“ sind zwei Begriffe, die zu ideologischer Propaganda missbraucht wurden. Die „ewige Wiederkunft“ dagegen hatte für Nietzsche selbst die größte Bedeutung. An diesem „Gedanken der Gedanken“1 hat er sich die letzten acht Jahre seines bewussten Lebens abgearbeitet. Er hat diesen Gedanken förmlich gelebt und gelitten. Zu großen Teilen bleibt das unter diesem Begriff Zusammengefasste eine Privatangelegenheit Nietzsches. In den Nachgelassenen Fragmenten seiner Werke finden sich etliche Passagen, die sich mit diesem Gedanken auseinandersetzen. Dort findet auch fast ausschließlich die Erörterung des naturwissenschaftlichen Potentials des Gedankens statt, während in den Veröffentlichungen das existentiell Bedrohliche und das moralisch Entmutigende zur Sprache kommt. Das Ziel dieser Arbeit ist es, diese beiden sehr unterschiedlichen Aspekte des für Nietzsche so wichtigen Gedankens herauszustellen und zu erörtern. Zunächst wird der Gedanke in den literarischen Veröffentlichungen gesucht und erklärt werden. Daraufhin werden die für diesen Gedanken bedeutendsten Stellen des Nachlasses dazu verwendet, die mathematischnaturwissenschaftliche Dimension aufzuweisen. Es wird der Frage nach der Plausibilität der zu dem Gedanken gehörenden Argumente gestellt werden. Zusätzlich wird auf die Konsequenz für die Metaphysik und den Identitätsbegriff eingegangen. Zum Schluss der Arbeit wird schließlich das merkwürdige Nebeneinander von autorisierter Veröffentlichung und privatem Nachlass diskutiert. Es wird nach Gründen gesucht werden, die diese Trennung im Werk Nietzsches erzeugt haben könnten.
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Seitenzahl: 72
Veröffentlichungsjahr: 2008
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Mit Nietzsches Denken werden für gewöhnlich vier Etikette in Verbindung gebracht. In beliebiger Reihenfolge werden der „Tod Gottes“, der „Wille zur Macht“, der „Übermensch“ und die „ewige Wiederkunft“ als diejenigen Aspekte aufgezählt, ohne die über ihn nicht zu reden sei. Die Verkündung vom „Tod Gottes“ und die damit einhergehende Rede vom „Antichristen“ sind aufgrund ihrer provokanten Art zu Berühmtheit gelangt. Der „Übermensch“ und der „Wille zur Macht“ sind zwei Begriffe, die zu ideologischer Propaganda missbraucht wurden. Die „ewige Wiederkunft“ dagegen hatte für Nietzsche selbst die größte Bedeutung. An diesem „Gedanken der Gedanken“1hat er sich die letzten acht Jahre seines bewussten Lebens abgearbeitet. Er hat diesen Gedanken förmlich gelebt und gelitten. Zu großen Teilen bleibt das unter diesem Begriff Zusammengefasste eine Privatangelegenheit Nietzsches. In den Nachgelassenen Fragmenten seiner Werke finden sich etliche Passagen, die sich mit diesem Gedanken auseinandersetzen. Dort findet auch fast ausschließlich die Erörterung des naturwissenschaftlichen Potentials des Gedankens statt, während in den Veröffentlichungen das existentiell Bedrohliche und das moralisch Entmutigende zur Sprache kommt.
Das Ziel dieser Arbeit ist es, diese beiden sehr unterschiedlichen Aspekte des für Nietzsche so wichtigen Gedankens herauszustellen und zu erörtern. Zunächst wird der Gedanke in den literarischen Veröffentlichungen gesucht und erklärt werden. Daraufhin werden die für diesen Gedanken bedeutendsten Stellen des Nachlasses dazu verwendet, die mathematischnaturwissenschaftliche Dimension aufzuweisen. Es wird der Frage nach der Plausibilität der zu dem Gedanken gehörenden Argumente gestellt werden. Zusätzlich wird auf die Konsequenz für die Metaphysik und den Identitätsbegriff eingegangen. Zum Schluss der Arbeit wird schließlich das merkwürdige Nebeneinander von autorisierter Veröffentlichung und privatem Nachlass diskutiert. Es wird nach Gründen gesucht werden, die diese Trennung im Werk Nietzsches erzeugt haben könnten.
1Nachlaß 1881, KSA 9, 11 [143], S. 496.
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2.1 Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben
Als Publikation findet sich der Gedanke der ewigen Wiederkehr erstmals in vagen Andeutungen in der zweitenUnzeitgemäßen Betrachtung.In dem philosophischen EssayVom Nutzen und Nachteil der Historie für das Lebenmacht sich Nietzsche zum Fürsprecher des Vergessens und des Unhistorischen. Er unterscheidet in seiner Kritik des historischen Bewusstseins ein dreifaches Verhältnis des historischen Wissens zum Leben: das „monumentalistische“, das „antiquarische“ und das „kritische“.2
Die monumentalische Art der Historie zu begegnen, dient der Erörterung zufolge jenem gegenwärtig Lebenden, dem der Sinn nach großen Taten steht. Eine zyklische Kosmologie schleicht sich hier als Bedingung für eine solche Betrachtungsweise ein. Der Blick in die Geschichte und der von dort erklingende Ruhm herausragender Persönlichkeiten lehre, dass Großes schon einmal möglich war und noch einmal möglich sein könnte. Dies ist aber nur dann selbstverständlich, wenn die Geschichte periodisch begriffen wird:
„Im Grunde ja könnte das, was einmal möglich war, sich nur dann zum zweiten Mal als möglich einstellen, wenn die Pythagoreer Recht hätten zu glauben, dass bei gleicher Constellation der himmlischen Körper auch auf Erden das Gleiche, und zwar bis auf’s Einzelne und Kleine sich wiederholen müsse
(…).“3
Innerhalb eines solchen zyklischen Kosmos herrscht eine Art vollkommener Kausalität, so dass jedes monumentale Ereignis als ein „Effekt“ (in) der Historie gesehen werden muss. Das Feiern eines historischen Mo(nu)ments gilt dann einem „Effekt an sich“, d.h. einem sichtbar gewordenen Referenzpunkt der Geschichte - einem Beweis der Ewigkeit der historischen Wiederholung.
Nietzsche ist sich der Gültigkeit dieser kosmischen Bedingung nicht sicher. Daher redet er im Konjunktiv. Es scheint ihm aber nicht ausgeschlossen, dass darüber einmal vollständige wissenschaftliche Klarheit herrschen wird. Dazu ist es nötig, dass „die Astronomen wieder zu Astrologen“4werden, dass also aus Wähnen Wissen wird. Dann besteht aber die Gefahr, dass die monumentalistische Betrachtung hinfällig wird. Ist sie doch eine Vernachlässigung dercausaezu Gunsten dereffecti.Die ganze Wahrheit über jede einzelne Tatsache und jeden ein-
2Vgl.HL II, KSA 1, S. 258.
3HL II, KSA 1, S. 261.
4Ebd.
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zelnen Zusammenhang von Ursache und Wirkung würde das historische Gebirge mächtig einebnen und den Monumenten ihre Eigentümlichkeit und Einzigartigkeit nehmen.
2.2 Die fröhliche Wissenschaft