Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Es ist das Jahr 2025 ... Die letzten Urwälder der Erde sind in Gefahr …, auf ihnen soll Palmöl gepflanzt werden ... CIA-Agentin Uta Fedderson ist einem weltweit verzweigten Palmölsyndikat auf der Spur ... Ein mächtiger Geheimbund agiert im Hintergrund mit dem Ziel, die Weltherrschaft an sich zu reißen … Eine nie dagewesene Eiszeit in Europa ... Ein Wiener Möbelkonzern, in dem seltsame Dinge vor sich gehen ... Ein neues Virus, das schrecklicher ist, als alle bekannten Viren …
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 536
Veröffentlichungsjahr: 2015
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Barbara Hainacher
Das Palmölsyndikat
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
22. Kapitel
23. Kapitel
24. Kapitel
25. Kapitel
26. Kapitel
27. Kapitel
28. Kapitel
29. Kapitel
30. Kapitel
31. Kapitel
32. Kapitel
33. Kapitel
34. Kapitel
35. Kapitel
36. Kapitel
37. Kapitel
38. Kapitel
39. Kapitel
40. Kapitel
41. Kapitel
42. Kapitel
43. Kapitel
44. Kapitel
45. Kapitel
46. Kapitel
47. Kapitel
48. Kapitel
49. Kapitel
50. Kapitel
51. Kapitel
52. Kapitel
53. Kapitel
54. Kapitel
55. Kapitel
56. Kapitel
57. Kapitel
58. Kapitel
59. Kapitel
60. Kapitel
61. Kapitel
62. Kapitel
63. Kapitel
64. Kapitel
65. Kapitel
66. Kapitel
67. Kapitel
68. Kapitel
69. Kapitel
70. Kapitel
71. Kapitel
72. Kapitel
73. Kapitel
74. Kapitel
75. Kapitel
76. Kapitel
77. Kapitel
78. Kapitel
79. Kapitel
80. Kapitel
81. Kapitel
82. Kapitel
83. Kapitel
84. Kapitel
85. Kapitel
86. Kapitel
87. Kapitel
88. Kapitel
89. Kapitel
90. Kapitel
91. Kapitel
92. Kapitel
93. Kapitel
94. Kapitel
95. Kapitel
96. Kapitel
97. Kapitel
98. Kapitel
99. Kapitel
100. Kapitel
101. Kapitel
102. Kapitel
103. Kapitel
104. Kapitel
105. Kapitel
106. Kapitel
107. Kapitel
108. Kapitel
109. Kapitel
110. Kapitel
111. Kapitel
112. Kapitel
113. Kapitel
114. Kapitel
115. Kapitel
116. Kapitel
117. Kapitel
118. Kapitel
119. Kapitel
120. Kapitel
121. Kapitel
122. Kapitel
123. Kapitel
124. Kapitel
125. Kapitel
126. Kapitel
127. Kapitel
128. Kapitel
129. Kapitel
130. Kapitel
131. Kapitel
132. Kapitel
133. Kapitel
134. Kapitel
135. Kapitel
136. Kapitel
137. Kapitel
138. Kapitel
139. Kapitel
140. Kapitel
141. Kapitel
142. Kapitel
143. Kapitel
144. Kapitel
145. Kapitel
146. Kapitel
147. Kapitel
148. Kapitel
Impressum neobooks
Ungeachtet des dichten Urwaldes wuchtete sich das gelbe Fahrzeug mit seinen riesigen Scheren schwer durch die wundervolle Landschaft. Es walzte alles nieder! Es hatte keine Augen, kein Herz und keine Seele, …
Furchtbare Schreie durchdrangen das Dickicht des indonesischen Regenwaldes. Eine Kakophonie verdammter Seelen, die zum Tode verurteilt waren. Dann herrschte eine unheimliche Ruhe. Die Zeit schien für einen Moment stillzustehen. Ein kurzer Friede, der so weit weg war wie Schnee. In der Ferne loderte das Feuer, das aus dem dichten Dschungel qualmend emporstieg. Dunkle Kaskaden bäumten sich auf, während schrille Tierlaute die Hitze erschütterten. Beißende Rauchschwaden zogen über die zerstörten Hütten der Waldbewohner hinweg. Das Feuer peitschte und züngelte sich mit aller Macht durch den Urwald.
Comang Surabana schürzte behände seine Armbrust und Pfeil und Bogen und machte sich bereit. Sein Clan stand hinter ihm und sah ihm nach. Schnell drehte er sich um und winkte ihnen zum Abschied. Doch er sah nur ihre entsetzten Blicke und hörte ihr Wehklagen. Dann lief er, so schnell er konnte, in den Dschungel. Er war nackt bis auf seinen Penisköcher. Die Holzfäller hatten wieder zugeschlagen. Comangs Herz war so sehr von Trauer erfüllt, dass es ihn zu erdrücken drohte. Doch er konnte nicht aufgeben! Er wollte kämpfen!
Flink rannte er über Stock und Stein. In der Ferne leuchtete das hässliche, schmutzige Gelb der großen Drachen. Sie kämpften sich mit viel Lärm durch den Wald. Er hörte das Wehklagen der Bäume, die gefällt wurden und die verzweifelten Schreie der großen roten Waldaffen, die sich hoch oben in den Bäumen mit letzter Kraft festhielten.
Trotz des Loderns der brennenden Baumstümpfe, nahm er die Geräusche der Motorsägen wahr und wusste, in welche Richtung er gehen musste. Nach einer Weile ging er auf allen Vieren, geduckt wie ein Tier. Nach weiteren fünf Minuten war er den Holzfällern nun sehr nahe. Die Hitze war gewaltig. Seine Haut schien zu brennen. Bäume lagen überall auf der Erde. Die gelben Drachen bewegten sich unerschütterlich weiter in die Richtung, wo ihre zerstörten Hütten auf der Erde lagen.
Er dachte an die Zeit, als er alleine nach Hamburg gefahren war. Die Reise dauerte über drei Wochen. Er schlich sich heimlich als blinder Passagier auf ein Schiff, das nach Hamburg fuhr. Und dann hatte er sich nackt, bis auf seinen Penisköcher vor den riesigen Konzern, der direkt am Hafen lag, gestellt, um zu demonstrieren. Ganz alleine! Um die Rechte seines Clans zu schützen, um ihren Wald zu erhalten. Und die Tiere, die ihre Lebensgrundlage waren.
Obwohl er ein Waldmensch war, wusste er doch, wer für die Abholzung des Regenwaldes verantwortlich zeichnete. Dieser Konzern mit Namen Lamir, ein deutsch französisches Unternehmen, das weltweit einer der größten Hersteller von Verbrauchsgütern war und bei dem Konzern Weidemar, einem der größten Palmölkonzerne, einkaufte. Dieser Konzern hatte seinen Standort in Deutschland, Hamburg.
Der Konzern kaufte von Weidemar Palmöl in großen Mengen. Der Konzern hatte seine Palmölplantagen in ihrem Wald, nach Abholzung der Tropenbäume, im großen Stil gepflanzt. Man hatte schon so viele Palmen angebaut, dass der ursprüngliche Wald nur mehr aus einseitigen Plantagen bestand. Und jetzt wollten sie auch das Stück Land bepflanzen, wo sie wohnten.
Wieder dachte er an Hamburg. Nach einer langen Fahrt stand er in einer mit riesigen Häusern bedeckten Stadt und staunte, als er zum Haus des Konzerns blickte. Er war nackt und es war sehr kalt! Viele Menschen hatten sich um ihn versammelt und sahen ihn seltsam an. Dann hatte man ihn ins Haus geholt und ihm versprochen, dass der Konzern nicht mehr bei Weidemar einkaufen würde und dass ihre Dörfer wieder aufgebaut werden würden. Dazu hatten sie eine Frist vereinbart.
Doch der Konzern Lamir hatte sein Versprechen gebrochen. Die Frist war verstrichen, ohne dass auch nur ein Dorf wieder aufgebaut worden war. Für Surabanas Sippe, die ihr Land verloren hatten und jetzt obdachlos waren, spitzte sich die Lage zu.
Als er genug von der weiteren Zerstörung des Waldes gesehen hatte, schlich er zurück zu seinem Clan. Hinter ihm hörte er plötzlich Schritte. Er drehte sich um und sah weiße Männer in Anzügen, die Polizei im Schlepptau.
Comang Surabana wusste, was das zu bedeuten hatte. Er lief wie ein Hase durch den Wald. Geschickt hüpfte er über Stock und Stein. Er musste seinen Clan warnen. Die Polizei war ihm dicht auf den Fersen. Comang lief, so schnell er konnte. Er war klein und wendig. Es verschaffte ihm einen gewissen Vorsprung gegenüber der Polizei, aber er konnte sie gut hören. Sie schienen ebenfalls schnell zu sein. In der Ferne sah er seinen Clan. Seine Frau sah erschrocken zu ihm. Er deutete ihr, sich zu verstecken. Er sah seine Frau, die die anderen Mitglieder des Clans anwies, fortzulaufen. Alle sprangen wild durcheinander. Gehetzt wie Hasen schlugen sie Haken und liefen in alle Himmelsrichtungen. Doch als er ganz nahe bei ihnen war, hatte ihn die Polizei eingeholt und umzingelte auch die anderen Flüchtenden. Dann umstellten sie die provisorisch aufgestellten Zelte von Surabanas Familienclan, setzten ihn fest und verhörten ihn. Abseits von den anderen Familienmitgliedern musste er sich auf einen Stein legen. Sie banden ihm die Hände auf dem Rücken zusammen und stellten ihm Fragen, warum er ihre Palmölplantagen zerstört hatte. Comang Surabana antwortete. <Wir haben nichts zerstört. Ihr habt den Wald getötet, unser zu Hause, unsere Hütten! Ihr habt uns alles genommen! Alles!>
Daraufhin murmelte einer der Herren in seinem feinen Anzug einem gleich Aussehenden ins Ohr. <Wir haben versucht, ihnen Geld anzubieten, damit sie freiwillig ihre Hütten verlassen, als das nichts nützte, haben wir versucht, sie einzuschüchtern, indem wir ihre Hütten niederbrannten. Aber sie sind sehr stur. Sie wollen kein Geld und sie wollen sich nicht vertreiben lassen. Viele Palmen wurden zerstört! Wir müssen diese Wilden anders zähmen!> <Tötet sie!> schloss der andere Mann. <Das wird nicht so einfach sein, denn mittlerweile haben sich schon zu viele Demonstranten zusammengeschlossen. Der Widerstand der Bevölkerung wächst von Tag zu Tag. Letzte Woche besetzten tausende Aktivisten aus ganz Sumatra die Plantage unserer Weidemar-Tochter „Weidemar Poseidon“.> <Ja, ich weiß, aber die Wilden müssen verschwinden! Überlegen Sie sich etwas!> sagte der Mann streng und drehte seinem Gesprächspartner den Rücken zu. Er musste Ulmhoff anrufen, dass es Probleme gab!
Der Mann im Anzug blickte seinem Gesprächspartner hinterher. Er musste die Wilden bei einer Nacht und Nebelaktion verschwinden lassen. <Lasst sie gehen!> befahl er den Polizisten.
Comang Surabana stapfte wütend mit seinem nackten Fuß auf die Erde. Er würde weiterkämpfen für sein Volk, wenn es sein musste, noch einmal auf so einem fremden, kalten, fernen Kontinent wie Europa.
Zwei Tage darauf versammelten sich viele Menschen zu einer Demonstration in einer Provinz nahe der des Clans von Comang Surabanas Sippe, um mit blutverschmierten Transparenten gegen die Gewalt und Vertreibung durch Weidemar und die Polizei zu protestieren. <Wir fordern Lamir auf, sofort die Verträge mit Weidemar zu kündigen. Lasst unseren Wald stehen!>, rief Comang Surabana. Die anderen Demonstranten schlossen sich mit Sprechchören an.
Doch am nächsten Tag waren sie wieder da! Die gelben Drachen, die alles niederwalzten. Die eine Straße in den Urwald schlugen. Todesschwadronen, die Männer, Frauen und Kinder seines Clans niedermetzelten! Blut, das überall klebte. Tod und Verwesung. Kahles, ödes Land, Rauchschwaden, die über die schwarze Erde hinwegzogen. Tote Tiere, darunter die großen roten Waldaffen. Sie lagen blutend auf der verwüsteten Erde genau wie seine Frau und seine Kinder! Comang schrie herzzerreißend und schlug um sich. Sie waren immer ein friedliches Volk. Genauso friedlich wie die Orang-Utans. Sie waren zufrieden und ernährten sich nur vom Wald. Sie benötigten nicht viel von der Natur. Sie lebten in Harmonie mit dem Wald und den Tieren. Aber was nun? Es war nicht mehr viel Wald übrig! Und sein Volk blutete!
Es war kalt. Die Zelle war kahl und dreckig. Man hatte sie eingesperrt. Sie wusste, dass sie nicht lange hierbleiben musste, doch die Schmach, hier zu sitzen, machte sie wütend. Es würde sich auf ihre berufliche Laufbahn nicht gerade gut auswirken. Sie verstand die Welt nicht mehr! Warum sie? Sie hatte für etwas demonstriert, das gut war! Doch anscheinend war sie jemandem auf die Füße getreten! Doch wem? Wer war dagegen, dass sie eine Demonstration gegen Umweltzerstörung veranstaltete? Konzerne, die durch die Vernichtung von Regenwäldern und durch die Pflanzung von Ölpalmen großen Profit erwirtschafteten? Oder …
<Uta Fedderson! Sie sind frei! Es wurde Kaution für sie hinterlegt>. Uta Fedderson hüpfte von der dreckigen Bank auf und ging schnurstracks aus der Zelle. Andere Häftlinge riefen ihr Obszönitäten hinterher. <Wer hat die Kaution hinterlegt?> fragte Uta den Gefängniswärter. <Es war ein Mann, doch er wollte anonym bleiben.> antwortete der Wärter.
Vor dem Gefängnis blieb sie stehen und steckte ihren Wappenring, auf dem ein Wiedehopf mit einer Krone zu sehen war, ein Familienerbstück, wieder sorgfältig an ihren Ringfinger. Sie rieb sich ihr linkes Auge und blinzelte. Die Sonne schien wärmend auf sie herab.
Ihre langen blonden Wimpern und ihr schwedisches Aussehen hatten ihr wieder einmal geholfen. Irgendein netter Mann, dem sie gefiel, hatte Kaution bezahlt. Es konnte nur so sein, denn sie kannte noch nicht viele Menschen hier in New Haven. Ihr schwedisches Aussehen hatte ihr bei der Männerwelt immer wieder Vorteile verschafft. Auch bei den Tutoren und Studenten der Yale Universität, in die sie sich vor kurzem erst inskribiert hatte, war sie schon bekannt.
Ihr Intelligenzquotient war überdurchschnittlich. Sie würde ihren Abschluss mit magna cum laude absolvieren, ohne auf fremde Hilfe angewiesen zu sein. Manchmal verfluchte sie ihr Aussehen. Noch dazu war sie sehr groß und fiel dadurch noch mehr auf. Doch einige Male war dies auch nützlich. Denn sie organisierte, wie gerade eben Demonstrationen, die sich gegen die Umweltzerstörung und den Schutz der Arten richteten. Sie hatte immer immensen Zustrom, wobei sie nicht ganz sicher war, ob es ihretwegen oder wegen der Umwelt und den Tieren war.
Zwischen ihren Semesterarbeiten an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg, wo sie zwei Jahre zuvor studiert hatte und davor ein Jahr auf der Stockholm University, verbrachte sie mehrere Jahre in Ländern wie Indonesien, dem Amazonas und Afrika.
Sie machte sich selbst ein Bild über die Zerstörung der Umwelt und es wurde jedes Jahr schlimmer. Was ihr auffiel war, dass die Palmölplantagen immer mehr zunahmen. Sie hatte dies heute bei der Demonstration zur Sprache gebracht. Möglicherweise war ein Palmölkonzern empört von ihrer Demo. Der musste aber gute Beziehungen zu einigen Regierungsmitgliedern haben, denn ihre Demonstration war friedlich. Der Grund, den sie für ihre Verhaftung nannten, war für sie nicht in Ordnung. Unruhestiftung! Was sollte das? Sie hatte nicht Unruhe gestiftet! In keinster Weise. Sie hatte die Demonstration eine Woche zuvor angekündigt und diese war genehmigt worden! Alles war im grünen Bereich! Schließlich kannte sie sich bei den Gesetzen aus!
Uta dachte wieder an ihren Auslandsaufenthalt In Australien. Hier verstand sie den Zusammenstoß und die Drohungen der Holzfäller, aber hier in Amerika? Uta zuckte mit den Schultern.
Letztes Jahr war sie nach Tasmanien gereist, um den tasmanischen Teufeln zu helfen. Dort waren sie auf illegale Holzfäller gestoßen. Diese hatten ihnen gedroht, dass sie nicht lange fackeln werden, wenn sie ihnen noch mal in die Quere kommen würden.
Auf der südaustralischen Insel Tasmanien fielen immer mehr tasmanische Teufel einem mysteriösen Gesichtskrebs zum Opfer. Sie und andere Freiwillige hatten junge gesunde Exemplare der Beuteltiere von den Kranken abgesondert, um das Überleben der Art zu garantieren. Mindestens die Hälfte des Bestands von vor zehn Jahren war der Krankheit zum Opfer gefallen. Anstatt sechs bis sieben Jahre lebten die befallenen Teufel nur zwei Jahre und produzierten somit auch weniger Nachwuchs.
Uta musste grinsen. Sie hatten nicht nur gute Arbeit geleistet. Bei dieser Arbeit in Australien lernte sie einen Amerikaner kennen. Er hatte einen Bart, blaue Augen und braune Haare. Sein Name war Trever Mac Shirley und sein Lächeln war extrem verführerisch. Er strahlte Ruhe, Intelligenz und Leidenschaft aus, die sie noch nie zuvor bei einem anderen Mann erlebt hatte. Er konnte von Herzen lachen und war sehr tierlieb. Er hatte Chemie und Medizin studiert. Man musste sich einfach in ihn verlieben! Doch er wohnte in Genf. Er war um einiges älter als sie, aber er war nicht verheiratet. Er erzählte ihr von seinen vielen Tieren, die er in seinem Zuhause in Genf pflegte. Leider riss der Kontakt ab, wie es so üblich war, wenn man so weit voneinander entfernt wohnte. Doch Uta musste immer wieder an ihn denken.
Als man ihr vor ein paar Monaten als Austauschstudentin die Partner-Universität Yale angeboten hatte, hatte sie keinen Augenblick gezögert und war nach Connecticut, New Haven übersiedelt. Trever hatte sie gefragt, ob sie zu ihm nach Genf kommen würde. Doch die Chance in Yale zu studieren, konnte sie nicht ablehnen. Sie wollte erst ihr Studium beenden und danach nach Genf übersiedeln. Das hatte sie sich vorgenommen.
Vor noch nicht allzu langer Zeit hatte sie sich in Yale immatrikuliert. In den Studienrichtungen, die sie gewählt hatte, waren einige attraktive Jus Studenten. Manche waren sehr direkt und wollten mit ihr ins Bett, doch sie sträubte sich innerlich. Trever Mac Shirley, der Amerikaner mit dem süßen Grinsen ging ihr einfach nicht aus dem Sinn. Aber es war sehr schön hier in New Haven und sie genoss es, diese fremde Stadt zu erforschen. New Haven hatte viel zu bieten. Yale mit ihren neugotischen Bauten war nicht nur außen eine Attraktion. Zur Universität gehörten auch die Yale University Art Gallery, das älteste Kunstmuseum einer Universität der westlichen Hemisphäre und eine ganze Ansammlung von alten Papyrusrollen.
Die Yale-Universität war nach der Harvard University in Cambridge, Massachusetts und dem College of William and Mary in Williamsburg, Virginia die drittälteste amerikanische Hochschuleinrichtung. 1716 zog die Collegiate School nach New Haven um und wurde 1718 aufgrund einer umfangreichen Spende von Elihu Yale in Yale College umbenannt. 1887, nachdem man das College um eine Reihe weiterführender Institutionen erweitert hatte, wurde der Gesamtkomplex dieser Institutionen in Yale University umbenannt.
Dann gab es noch bedeutende andere Museen und großzügige Alleen, die das Stadtzentrum prägten. Uta liebte diese Stadt! Und nun hatte sie auch schon das Gefängnis von innen kennengelernt. Naja, nicht die tollste Erfahrung, aber als Umweltaktivistin würde sie sich noch an so etwas gewöhnen müssen!
Sie war ganz in Gedanken versunken, als ihr plötzlich jemand von hinten auf die Schulter klopfte und „Skull and Bones“ sagte. <Akzeptierst Du?> Uta blickte ihn an. Das musste einer der Senioren sein, einer der fünfzehn Studenten, die im Jahr zuvor zu Knochenmännern wurden. Uta wusste, was das zu bedeuten hatte. Sie wurde getappt, das war der erste Schritt auf dem Weg zum Bonesman.
Uta war verwirrt. Wie sollte sie sich entscheiden? Sie hatte natürlich von der Studentenverbindung, die sich die Bonesman, die Knochenmänner nannten, gehört, und auch von den anderen Vereinigungen, zu denen die Scroll and Key, Wolf’s Head, Book and Snake und Berzelius zählten. Doch sie wusste nicht so viel, dass sie sich ein genaues Bild über diese Vereinigungen machen konnte.
Hatte er wirklich sie gemeint? Sie war erstens eine Frau. Frauen waren bis jetzt nicht in diesem Kreis aufgenommen worden. Und dann war sie nicht mal aus einem dieser guten Häuser, deren Eltern auch schon zu den Bonesman gehörten. Sie war Schwedin. Ihre Eltern hatten weder studiert, noch waren sie Mitglieder der Bonesman!
Aber nachdem nur fünfzehn Studenten in jedem Jahr ausgewählt wurden und diese nur aus den besten Familien stammten, stimmte sie zu. <Ja, ich akzeptiere.> sagte sie mit fester Stimme. Dann überreichte ihr der Senior eine Papierrolle, die mit einer schwarzen Schnur und mit dem Wachssiegel der Skull & Bones versehen war. <Halte Dich am 30. April bereit und trage kein Metall am Körper!> Er grinste, dann schlich er von dannen. Was für eine Wandlung. Gerade noch im Gefängnis und im nächsten Moment Mitglied einer der mächtigsten Vereinigungen der Welt! Uta musste grinsen. Ihre Stirnfransen hingen ihr in die Augen. Sie blies sie durch ihre Zahnlücke auf die Seite. Was für ein Tag!
Ulmhoffs Handy klingelte leise. <Wird sie Mitglied?> fragte der Großmeister der Illuminati in den Hörer. <Ja, Meister!> erklang die Stimme am anderen Ende der Welt. <Gut. Dann bereite alles für das Zeremoniell vor. Ich komme am 30. April mit dem Flieger von Kapstadt. Bis dahin rekrutiert die anderen vierzehn Mitglieder, die wir besprochen haben!> <Verstanden, Sir.>
Der Diplomat legte den Hörer auf die Gabel. Er hatte mit Ulmhoff vierzehn weitere Mitglieder auserwählt. Es war eine hohe Ehre für ihn. Er musste nur noch den Seniors Bescheid geben, damit diese, wie es bei den Bonesman so üblich war, die gerade Inskribierten mittels Schulterklopfen einluden.
Ihre Organisation war geheim. Offiziell hießen sie die „Freelance Foundation“. Nach außen hin wusste keiner, dass es sich hierbei um die berüchtigten Illuminati handelte. Die Bonesman waren eine Zentrale der Illuminati in Amerika. Aber sie wurden nie mit den Illuminati in Verbindung gebracht. Sie wurden als die Loge mit dem zweiten Rang bezeichnet. Die Illuminati waren die Ranghöchsten.
Außer ihm wusste auch keiner von den anderen Mitgliedern, wer der Großmeister war. Nur der engste Kreis, die sogenannte Eliteeinheit, kannte Ulmhoff. Und er war das wichtigste Verbindungsglied zu den Mitgliedern der Illuminati und dem Großmeister.
Max Ulmhoff war für ihn ein Genie. Er hatte einen industriellen Hintergrund. Sein Vater hatte sich einen kleinen Möbelkonzern in Hamburg aufgebaut, aber Ulmhoff hatte diesen Konzern weltweit ausgebaut. Das Unternehmen hatte seinen Beginn in Hamburg, aber vor langer Zeit war Ulmhoff nach Kapstadt ausgewandert, nachdem er in Los Angeles, Brasilien und in anderen Ländern gewohnt hatte, und leitete von dort seine Geschäfte. Vor ein paar Jahren hatte er weitere Möbelriesen in Österreich, Frankreich und Italien aufgekauft und diese in seinen Konzern integriert.
Dr. Max Ulmhoff war ein sehr kluger und gewitzter Geschäftsmann. Er hatte in Yale studiert, wie auch sein Vater und Großvater. Er fiel durch seine große Statur und seine blonden Haaren überall auf. Sein Auftreten war nobel und elegant. Er strahlte eine Autorität aus, die manche frösteln ließ. Sein Alter, er war nun 70 Jahre und seine aufrechte Statur wirkten noch autoritärer als früher.
Neben seiner Doktorarbeit in den Bereichen Wissenschaft und Wirtschaft war er auch mit einer sehr guten Nase fürs Geschäft auf die Welt gekommen und so war er immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort.
1964 gründete Max Ulmhoff kurz nach seiner Doktorarbeit zusammen mit einem Partner eine kleine Erdölraffinerie nördlich von Los Angeles. Das Unternehmen stieß nach ein paar Probebohrungen auf sehr viel Öl und war sehr erfolgreich. Es wuchs immer weiter, bis Ulmhoff es 1988 reorganisierte und den Namen Ozeanus pacificus Oil Corporation gab. Den Partner zahlte er aus und war fortan alleiniger Besitzer der Erdölraffinerie.
Das war der älteste Vorgänger der Ulmhoff Oil Corporation, die mittlerweile ihren Sitz in Genf hatte.
1971 gründete Ulmhoff, die Morelia Oil Company, ein Unternehmen das sich in Yukatan, Mexiko befand. 1982 erhielt die Ozeanus pacificus Oil Corporation von Saudi-Arabien die Konzession zur Ölsuche, wobei sie zu Beginn des 20. Jahrhunderts fündig wurden.
Schon 1993 kaufte sich die Regierung von Saudi-Arabien bei ihnen ein und um 2001 wurde eine Firma mit dem Namen Fuel & Oil SAU in Saudi Arabien gegründet.
2002 kam es zur bis dahin größten Fusion zwischen Ozeanus pacificus Oil Corporation und Morelia oil company. 2007 erschloss die Ozeanus pacificus Oil Corporation das weltweit größte Ölfeld in Saudi-Arabien.
Um den Ansprüchen von Kartellbehörden gerecht zu werden, wurden diverse Ölstationen im Golf und eine Raffinerie an der Ostküste der USA verkauft. Als Teil der Fusion änderte Ulmhoff den Namen in Ulmhoff Oil Corporation.
Ulmhoff war stolz auf die Ulmhoff Oil Corporation. Der Möbelkonzern lief nebenher. Die Ulmhoff Oil Corporation wuchs zu einem weltweit operierenden Energiekonzern heran. Er gehörte zu den weltgrößten Ölkonzernen und war der größte Produzent von geothermischer Energie. Nebenbei beschäftigte er sich auch noch mit chemischer Fertigung und dem Verkauf sowie der Erschließung und Gewinnung von Rohöl, mit Marketing, Transport als auch mit der Energiegewinnung. Auch die Methode des weltweiten Schiefergasabbaus in Form von Fracking ließ er sich nicht entgehen.
Der Hauptsitz seines Ölimperiums lag in Genf, wo sich auch die Hauptzentrale der Illuminati befand.
Jetzt war er offiziell immer noch mit dem Erd- und Rohölabbau beschäftigt. Das Hauptquartier lag früher in Kalifornien, wo er nach seinem Studium wohnte. Doch Genf hatte sich als optimaler Ort herauskristallisiert, weil hier auch noch das letzte Erdöl gehandelt werden würde und er dort zwischen den anderen Ölmagnaten nicht auffallen würde. Außerdem war sein Konzern noch in mehr als 180 Ländern aktiv.
Durch seine Ölförderungen weltweit konnte sich Ulmhoff schon früh einen Überblick darüber verschaffen, wie viel Öl tatsächlich noch vorhanden war. Seinen damaligen wissenschaftlichen Expertisen zufolge würde das Erdöl und Erdgas vielleicht schon in zehn, spätestens aber in zwanzig Jahren verebben.
Deshalb beschäftigte er sich schon früh mit Alternativenergien. Ölpalmen würden die nächste Generation der Energiegewinnung nach Erdöl darstellen. Dazu hatte er einige Konzerne gegründet, die unter anderen Namen liefen wie Weidemar oder PT Saluga Alam. Zusätzlich hatte er sämtliche Palmölkonzerne mittels Strohmännern gekauft, die weiterhin auf ihren alten Namen liefen. Diese waren für den Aufbau und Export des Palmöls verantwortlich. Und das im großen Stil. Das war die Zukunft und er hatte Recht.
Dass er wegen Menschenrechtsverletzungen und Umweltverschmutzungen sämtliche Gerichtsverfahren am Hals hatte, störte ihn nicht. Ein paar Menschen mussten sterben. Aber das waren Waldmenschen, vergleichbar mit Tieren und die hatten keinen Stellenwert für ihn! Und wenn ein bisschen Erdöl in den Regenwald floss und Menschen und Tiere vergiftet wurden, was zu Krankheiten und Todesfällen unter den Ureinwohnern führte. Na und? Wen kümmerte das schon?
Deshalb verklagten 30.000 Anwohner seinen Konzern Weidemar. Doch er weigerte sich, für die Folgen aufzukommen. Zum Glück wusste keiner darüber Bescheid, dass ihm der Konzern gehörte. So musste er sich vor niemandem rechtfertigen.
Im September 2010 schlug er, besser gesagt die Konzernleitung zurück. Er initiierte mit der Konzernleitung ein Gerichtsverfahren in New York, um diese Umweltaktivisten, Journalisten und Anwälte als kriminelle Vereinigung zu deklarieren. Er wollte einfach ein Zeichen setzen!
Wo gearbeitet wurde, fielen Späne! Es musste Opfer geben! In diesem Spiel war er der König und die Bauern hatten das Feld zu räumen!
Am 7. November 2012 traten bei Bohrungen vor dem brasilianischen Bundesstaat Rio de Janeiro mehrere tausend Barrel Öl aus und verschmutzen das Campos-Becken. Sein Pressesprecher erklärte der Presse, dass es falsche Druckberechnungen für die Probebohrungen gegeben habe. Nach dreizehn Tagen konnte das Leck geschlossen werden. Brasilien forderte daraufhin 20 Milliarden Dollar Schadensersatz. Alle wollten sie Geld von ihm! Diese Idioten!
Der Konzern bekam eine Strafe von zunächst 20 Milliarden US-Dollar wegen angeblichen Umweltschäden, aber das war ein Klax! Das waren Peanuts. Das konnte er sich schon leisten! Zusätzlich sollte sich der Konzern in Zeitungsanzeigen in Brasilien und den Vereinigten Staaten binnen 15 Tagen öffentlich entschuldigen, ansonsten drohte die Strafe verdoppelt zu werden. Die kannten ihn nicht! Er würde sich nie bei irgendjemandem für irgendetwas entschuldigen! Nicht er! Nicht der Großmeister der Illuminati! Nicht der reichste und bald mächtigste Mann der Welt!
Auch beim Schiefergasabbau in Form von Fracking gab es immer wieder Probleme, so unter anderem in einigen osteuropäischen Staaten und der Ukraine. Im November 2013 schloss er mit der Ukraine einen Vertrag zur Schiefergasproduktion über 15 Milliarden US-Dollar.
Und wieder warfen ihm diese Umweltaktivisten vor, sich nicht oder zu wenig um die Auswirkungen des Gasabbaus auf die Umwelt und das Trinkwasser zu kümmern. Die großflächigen Wasserentnahmen aus zu kleinen Flüssen, der als Stützmittel eingesetzte, sehr feine, karzinogene, Staublunge-auslösende Quarzsand und die nach Jahrzehnten - manchmal auch nach Jahren wieder an die Oberfläche kommenden eingesetzten Wassermassen mit Schwermetallen und Kohlenwasserstoffverbindungen versetzt, das waren einige ihrer Kritikpunkte. Lauter Schwachsinn! Ulmhoff ärgerte sich sehr, aber niemand konnte ihm was anhaben. Dann zahlte er, besser gesagt seine Konzerne Geldstrafen, kein Problem. Er hatte genug davon.
Was beschwerten sich denn diese dummen Umweltaktivisten wegen der kleinen Mengen Erdöl, die aus den alten Förderstätten in den Boden versickerten und den Regenwald anscheinend verseuchten? Sie mussten sich ja nicht gerade dort aufhalten! Es gab noch andere Regenwälder! Doch mittlerweile waren schon sehr viele Wälder in seinem Besitz. Ulmhoff grinste vor sich hin. Es gab nur mehr wenig Regenwald und bald würde alles ihm gehören!
Dann bekamen mehrere seiner Konzerne auch noch für das jahrelange Ablehnen jeglicher Verantwortung für Umweltschäden den Lifetime Award des Public Eye on Davos verliehen!
Das war ihm so was von egal. Lustig hingegen fand er den Kampf von Syrien, dem Irak, USA, Russland und Libyen, die sich für die wichtigsten Ölförderländer hielten. Die sollten sich ruhig die Köpfe einschlagen. Die waren alle so kurzsichtig! Aber schön langsam kamen auch sie auf den Geschmack von Palmöl. Doch es war zu spät. Er hatte alles im Griff. Auch die letzten Urwälder würden in ein paar Jahren ihm gehören! Seine Schachfiguren waren sehr gut aufgestellt. In der Zukunft würde es „Schach Matt“ heißen und er wäre der König des Schachbretts!
In seinen Reihen hatte er ebenso einen Berater des WWF. Mangold war ein hochrangiges Mitglied der Illuminati.
Er verschaffte seinem Konzern Ulmhoff Oil Corporation immer wieder positive Berichte in Zeitungen. Das Kataman-Ölfeld erwähnte er geradezu löblich und verschaffte Ulmhoff Oil Corporation dadurch einen einwandfreien Bericht über seine umweltfreundlichen Bohrungen. „Eigentlich ist das Kataman-Ölfeld, in dem Ulmhoff Oil Corporation seine Bohrungen schon seit längerem durchführt, der bei weitem größte und am strengsten kontrollierte Nationalpark in Papua-Neuguinea, dass sogar Tiere, die kurz vor dem Aussterben waren, sich dort wieder angesiedelt haben.“ Dass Ulmhoff Oil Corporation auch die Ausschreibung Norwegens zur Entwicklung eines Öl- und Gasfeldes in der Nordsee gewonnen habe, führte Mangold auf ihren guten Ruf in Sachen Umweltschutz zurück.
Dann hatte er noch die Außenministerin der USA und andere wichtige Leute auf seiner Seite. Sogar im Weißen Haus tummelte es nur so von den Bonesman. Der Präsident war kein Knochenmann. Es war schwierig für ihn, Forderungen zu stellen oder Gesetze durchzubringen, da er nicht die richtigen Leute hinter sich hatte.
Aber Ulmhoff hatte die richtigen, mächtigsten Männer und Frauen weltweit hinter sich.
Mit seinem guten Riecher hatte er sich nach und nach an der Börse ein enormes Vermögen erworben und es in den Ausbau seiner Unternehmen investiert. Er war der reichste Großindustrielle der Welt, mächtiger als in früheren Zeiten Rockefeller. Und der mächtigste Mann der Illuminati.
Doch das mit dem Palmöl, das war eine Zukunftsvision, der letzte Meilenstein in seinem Puzzle, das durfte ihm niemand vereiteln. Deshalb hatte er diese Uta Fedderson zu den Bonesman eingeladen und ihre Kaution bezahlt. Wenn sie erst Mitglied war, wäre sie auf seiner Seite und würde nicht mehr gegen ihn arbeiten. Demonstrationen gegen seine Palmölplantagen! Puhl! Solche Leute konnten ihm gefährlich werden. Aber das Leben bestand aus Schachzügen und er war der beste Schachspieler!
Der Urwald glitzerte im Sonnenlicht, das zerstreut durch die dichten Bäume des Kibale Forest schien. Die zwanzigjährige Anna Mikal und ihr achtzehnjähriger Bruder Swen fotografierten einen Baby Schimpansen, der etwa zehn Meter über ihnen in den riesigen Bäumen hing und hin und her schaukelte. Der kleine Affe hüpfte fortwährend von einem Ast zum anderen und kreischte dabei laut. Dann hielt er inne. Er lauschte einige Sekunden, dann purzelte er rücklinks über das Gehölz und reckte seinen Kopf nach unten. Geschickt umklammerten seine linke Hand und sein linker Fuß die Liane. Die andere Hand und den zweiten Fuß streckte er so weit wie möglich von sich. Sein Gesicht wirkte wie eine Maske. Er blickte neugierig auf die Menschen hinab. Es schien, als würde er sie genauso beobachten wie sie ihn. <Wundervoll!> staunte Anna und sah ihren Bruder und ihren Vater liebevoll an. Annas rote lange Haare hingen in dichten Wellen von ihrem Kopf bis zu ihrer Taille hinab. Sie hatte ein Teleobjektiv der Marke Canon bei sich und wusste damit umzugehen. Anna sah ihrem Bruder liebevoll zu. Swen Mikal sah einen Moment auf und strahlte seine Schwester an. Ihr Vater hingegen war so vertieft in seine Kamera, mit der er den Schimpansen fotografierte, dass er seine Tochter gar nicht hörte. Sein ganzer Körper war angespannt. Mit vollster Konzentration versuchte er, das Köpfchen des Babyaffen mit seiner Spiegelreflexkamera ganz nahe heranzuzoomen. Er war ein Perfektionist. Die Kamera hatte eine Brennweite von 800, sodass er jedes Detail des Affenauges präzise erkennen konnte. Als das Auge immer größer auf das Display traf, sah Peter Mikal die Iris des einjährigen Schimpansen, die dunkel funkelte. Dann hielt er die Kamera plötzlich noch weiter nach oben, denn hinter dem kleinen Äffchen stach ihm etwas ins Auge. Etwas, das seine ganze Aufmerksamkeit beanspruchte. Er zoomte noch näher. <Was zum Teufel …!> stieß er leise aus.
Hinter dem kleinen quirligen Geschöpf stach Peter Mikal ein Baum ins Auge, den er auch von tausenden Tropenbäumen heraus erkennen würde. Dieser Baum war wie ein Volltreffer im Lotto. Ein Mpingo Baum. Ein Baum, der so selten und kostbar war wie ein großer Diamant. Die Euphorie von Mikal war groß, die Wertschätzung für das Leben des Baumes klein. Vergessen waren die Schimpansen. Er musste diesen Baum unbedingt haben, egal was es kostete. Eine Idee manifestierte sich in seinem Kopf.
Große Schmetterlinge in leuchtenden Farben flogen ihnen immer wieder um die Nase, Anna und Swen fotografierten sie mit Freude. Doch der Vater nahm sie nicht mehr wahr. Er war in Gedanken versunken. Plötzlich kreischte es sehr laut in der Höhe. Alle drehten ihren Kopf in die Richtung, aus der das Geräusch kam. Die mit saftigen grünen Blättern berankten Äste der Urwaldbäume wirbelten herum. <Anna, Swen,> flüsterte Peter Mikal aufgeregt. <Seht nur, der dunkle Fleck in den Bäumen. Da ist ein riesiges Männchen!> Anna blickte angestrengt nach oben. Das Gesicht des großen Schimpansen war nur schwer in dem dunklen Grün des Blätterwaldes auszumachen.
Doch nur kurz traf den Vater ein Anflug von Begeisterung. Dann nahm er seinen Feldstecher und richtete das Fernglas auf den Tropenbaum. Mit dem Zoom suchte er nach weiteren Bäumen derselben Art, doch dieser Baum schien der Einzige in der ganzen Umgebung zu sein. <Now we have to go back.> sagte ihr schwarzer Führer in gutem Englisch. <Just one minute!> sagte Peter Mikal in strengem Ton und nahm seine Kamera wieder zur Hand. Der Guide blieb stehen und sah nach oben. Er wartete geduldig, bis der Mann seine Fotos geschossen hatte. Mikal knipste den Baum aus der Nähe und aus der Ferne. Dann nickte Mikal und die Gruppe machte sich auf den Weg.
Peter Mikal hatte von Schweden aus einen Guide, einen ortsansässigen Ugander angeheuert, der ihn und seine Tochter und seinen Sohn zu den Schimpansen und den Gorillas führen sollte. Die Mutter war in Schweden geblieben. Sie war früher oft nach Afrika mitgefahren. Aber mittlerweile ekelte sie sich einfach vor diesem schmutzigen Land.
Auf dem Weg nach Bwindi zu den Berggorillas fuhren sie an einigen Dörfern vorbei. Peter Mikal blickte konzentriert aus dem Fenster des Allradfahrzeuges. Am Straßenrand fielen ihm immer wieder sehr dunkle Schüsseln und andere Gefäße aus Holz auf, die auf bunten Decken auf dem Boden lose herumlagen. <Halt! Stopp!> schrie er laut. Der Guide legte eine Vollbremsung mitten auf der sandigen roten Straße ein. Der Jeep kam abrupt zum Stehen. Roter Sand wirbelte auf und hüllte das Dorf in roten Nebel. Einige Frauen wickelten sich schnell ihre bunten Stoffbahnen als Schutz gegen den Staub um Haare und Gesicht, sodass nur mehr die Augen herausschauten. Andere wiederum balancierten große, aus Bananenblatt geflochtene Körbe auf dem Kopf, von denen Ananas oder Mangos hervorquirrlten. Sie gingen ganz ruhig weiter. Manche der Kinder trugen dicke Reisigstöcke auf ihrem Haupt, die sie mit der Hand zusätzlich festhielten. Einige nur mit Lendenschurz bekleidete Männer standen in kleinen Gruppen zusammen und schauten zu dem Allradfahrzeug.
Als der Jeep hielt, versammelten sich alle Dorfbewohner in Windeseile um das gelbe Automobil, und als sich der rote Sand wieder gelegt hatte, sahen sich die Mikals von lauter dunkelhäutigen Menschen umringt, die sie neugierig musterten. Nackte Kinder kamen von allen Ecken des Dorfes angelaufen und schrien schrill „Hello, hau ju!“. Peter Mikal öffnete die Türe des Jeeps und stieg aus. Die Einheimischen wichen einige Schritte zurück. Mikal sagte zu dem Guide auf Englisch, dass er wissen möchte, woher die Menschen dieses Holz hätten, aus denen die Schüsseln und Trommeln gefertigt waren. Er war sich hundert prozentig sicher, dass dieses Holz von demselben Baum stammte, den er in Kibale Forest gesehen hatte. Der Guide übersetzte die Frage. Die Dorfbewohner sprachen wild durcheinander und deuteten Richtung Kibale. Der Guide übersetzte und berichtete der Familie von einem Wald, der in der Nähe von Kibale lag, von wo sie gerade gekommen waren. Dieser gehörte noch zum Nationalpark Kibale. Dort gab es diese einzigartigen Bäume. Doch den Namen konnte der Guide nicht übersetzten. Doch Peter Mikal wusste, um was für eine Art Baum es sich handelte. Er hatte sich sein ganzes Leben lang mit Tropenhölzern beschäftigt. Er hatte immer schon ein Faible für Außergewöhnliches und Schönes. Swen war ebenfalls ausgestiegen und betrachtete die Schüsseln.
Plötzlich lief ein Dorfbewohner von seinem Haus, das auf einer Anhöhe lag, schreiend auf Anna zu, die noch im Jeep saß und sich im letzten Moment umdrehte. Erschrocken und mit weit aufgerissenen Augen sah sie aus dem Fenster des Jeeps und wich vom Fenster zurück.
Der Schwarze hatte einen Stein in der Hand und schrie furchterregend. Anna Mikal war vor Schreck ganz bleich geworden. Peter und Swen Mikal waren wie erstarrt. Der Guide reagierte sofort und ging ruhig, aber mit schnellen Schritten um den Jeep herum. Er redete mit fester, ernster, geradezu fordernder Stimme auf den Mann ein. <Come on, what's wrong?> Dann diskutierten die beiden Männer in einer sehr fremd klingenden Sprache miteinander. Die Mikals verstanden kein einziges Wort. Der Fremde wirkte eingeschüchtert, doch im nächsten Moment holte der Schwarze aus und schlug dem Guide ins Gesicht. Der Guide taumelte nach hinten, dann hielt er sich das rechte Auge. Nach einem kurzen Augenblick hatte er sich wieder gefasst, holte aus und versetzte dem Angreifer einen Schlag in die Rippen, sodass dieser auf die rote Erde stürzte und liegenblieb. Nachdem sich der Angreifer wieder aufgerappelt hatte, hob er als Friedensangebot die Hände und verzog sich in sein strohgedecktes Haus, das neben einer Anzahl von weiteren Häusern auf einer Anhöhe einen Meter vom Straßenrand entfernt stand. Zwischen und hinter den Häusern wuchsen Bananen und Maispflanzen.
Peter Mikal nickte dem Guide zu. Anna Mikal hatte noch immer Herzklopfen. Ihr Magen rebellierte. Mit schnellem Griff öffnete sie die Türe und erbrach sich in die Latrine am grünen Straßenrand. Die Dorfbewohner wichen sofort zurück. Peter Mikal war im nächsten Moment bei seiner Tochter und reichte ihr ein Taschentuch. Auch der Guide und Swen boten ihre Hilfe an. Nach einigen Minuten ging es Anna wieder besser. Sie lächelte ihren Vater und Swen zaghaft an. Peter Mikal schüttelte dem Guide die Hand. Normalerweise mochte er die Schwarzen nicht sonderlich, aber er musste eingestehen, dass dieser Mann etwas Besonderes war. Ein Beschützer in einem fremden Land. Ein Verbündeter, ein Freund.
Auf der langen Fahrt nach Bwindi überlegte Peter Mikal angestrengt. „Hm, so könnte es funktionieren“. Anna Mikal beobachtete ihren Vater von der Seite. Sie kannte diesen Gesichtsausdruck. Diesen Ausdruck hatte er immer, wenn er Geschäfte machte, doch hier in ihrem Urlaub schien ihr der Ausdruck fehl am Platz. <Vater, Du siehst aus, als würdest Du über ein Geschäft nachdenken.> <Hm, Du hast Recht. Ich habe da so eine Idee.> <Ach Daddy, das ist der erste Urlaub seit zehn Monaten. Den solltest Du genießen!> sagte Anna Mikal und sah ihren Vater mitfühlend an. <Natürlich genieße ich meinen Urlaub! Anna, genieße einfach Deinen Urlaub! Ich bin da auf etwas gestoßen.> <Na gut, aber Du kannst mir Dein Geheimnis ruhig anvertrauen!> lächelte Anna sanft. <Na, wenn Du es unbedingt wissen willst. Ich habe vor, auch aus dieser Gegend Tropenholz nach Wien zu importieren. Ich kenne dieses Holz, aus dem die Schüsseln am Straßenrand geschnitzt wurden.
Das Holz heißt Mpingo, African Blackwood, ein blühender Tropenbaum aus der Familie Fabaceae. Ein edles, äußerst seltenes Holz, das nur hier und in Ruanda wächst. Es ist so selten, dass es kostbarer als ein großer Diamant ist. Es ist wasserabweisend, resistent gegen sämtliche Pilze und hat einen Härtegrad, den noch vielleicht zwei weitere Baumarten auf der Welt aufweisen.> <Vater, genügt es Dir denn nicht, dass Du schon von Indonesien und Indien Tropenholz importierst? Warum nimmst Du nicht einfach unsere heimischen Hölzer? Ich verstehe Dich nicht, dass Du nicht auf die Umwelt schaust!> rief Anna entsetzt, die Stirn in Falten gezogen. <Ganz einfach! Die Kunden wollen nun mal Tropenhölzer! Wir müssen ja im Geschäft bleiben. Es ist schließlich einmal Eure Firma. Ich habe nicht alles umsonst aufgebaut und Du musst umdenken, um zu überleben! Sieh Dir nur Swen an, der ist nicht so wie Du! Er ist ein Geschäftsmann wie ich! Wir werden diese Tropenhölzer importieren und wir brauchen Strohmänner, die für uns die Arbeit erledigen! Studiere Du ruhig Psychologie und lass Deinen Bruder das Geschäft übernehmen! Dann musst Du Dich nicht mehr aufregen!>, damit wendete er sich von seiner verärgerten Tochter ab und blickte augenzwinkernd zu seinem Sohn. Mit einem Grinsen im Gesicht deutete er mit dem Kopf zu dem Guide, der nichtsahnend den Jeep lenkte. Swen grinste zurück.
Der Senior neben ihr klopfte an die schwere Eisentür. Mit einem Seufzer öffnete sich das Tor einen Spalt und dann ging alles sehr schnell. Uta wurde von einer Hand ins Innere des Hauses gezogen. Sie kniff die Augen zusammen. Im Inneren des Tempels, der sogenannten Gruft, war es bis auf ein paar Fackeln an der Wand dunkel. Die Flammen projizierten ein sehr sanftes Licht an die Wände. Schädel lagen überall verstreut am Boden. Menschenschädel und -knochen!
Aus der Dunkelheit traten plötzlich Männer mit schwarzen Masken ins Licht, Uta wollte schreien. Zuerst hatte sie sie gar nicht wahrgenommen. Nun sah sie die zwanzig Männer oder Frauen, die hinter schwarzen Teufelsmasken ihre Gesichter verbargen. Die Situation wirkte unwirklich, geradezu schockierend. Uta fühlte sich unwohl in ihrer Haut. Hatte sie einen Fehler gemacht? Dies hier fühlte sich wie eine Sekte an. Wozu die Verkleidung? Was geschah hier?
An der Wand gegenüber von ihr sah sie ein Wappen, einen Schädel mit gekreuztem Knochen, darunter stand die Zahl 322. Über dem Wappen stand in deutscher Sprache „Wer war der Tor, wer Weiser, Bettler oder Kaiser? Ob arm, ob reich, im Tode gleich“. Unter dem Wappen fiel ihr ein sehr großer maskierter Mann auf. War das der Großmeister?
Uta hatte den Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, da packte sie jemand an der Schulter und schüttelte und schubste sie hin und her. Sie versuchte, sich aus dem Griff ihres Angreifers zu wehren. <Was soll das?> fragte sie gereizt. Im selben Moment ertönte verschwörerisch eine andere Stimme <schwörst Du Verschwiegenheit, Uta Fedderson?> Uta wollte am liebsten davonlaufen, doch irgendetwas an dem Szenario faszinierte sie. Deshalb spielte sie mit <Ja, ich schwöre!> sagte sie mit bebender Stimme. Das Ganze musste ein Scherz sein. Sie würde einfach mitspielen und dann mit den anderen zusammen über diese gruselige Situation lachen. Da war sie sich sicher! Nachdem viele reiche und einflussreiche Menschen bei dieser Vereinigung dabei waren, konnte das hier nur ein Scherz sein! <Ja, ich schwöre!> sagte Uta ein zweites Mal. <Wenn Dich jemand auf das Thema „Skull and Bones“ anspricht, dann musst Du den Raum verlassen und nichts dazu sagen! Schwöre es!> sagte die tiefe Stimme des großen Vermummten, der unter dem Wappen stand. Er klang irgendwie nicht wie ein Amerikaner. Bei diesem Mann spürte sie Macht. Er strahlte etwas aus, das sie frösteln ließ. Sogar unter dieser Maskerade. Wahrscheinlich war es seine Stimme und die Haltung oder der Körperbau! <Ja, ich schwöre!> sagte Uta wieder. Von der Seite trat ein weiterer Maskierter auf sie zu und schlug ihr mit dem Teufelsschwanz ins Gesicht. <Küss den linken weißen Schuh des Papstes!> forderte die Stimme des Mannes, der vor ihr stand, Uta auf. Was? Was für ein Papst? Dann trat ein Mann aus der Dunkelheit, er war als Papst verkleidet und hatte einen weißen Schuh an seinem linken Fuß. Uta schüttelte den Kopf! Das war nun nicht mehr lustig! Was sollte sie tun? Am liebsten würde sie allen die Masken vom Kopf reißen und die Gesichter entlarven. Hatten die anderen Mitglieder etwa ähnliche Erfahrungen gemacht? Sie hatte gehört, dass auch berühmte Persönlichkeiten, sogar Präsidenten bei den Bonesman waren. Beim besten Willen konnte sie sich nicht vorstellen, dass diese sich so demütigen ließen! Sie würde den Schuh küssen oder es andeuten, aber dann war Schluss!
Uta ging auf den, als Papst verkleideten zu, kniete sich neben seinen linken Schuh und deutete einen Kuss an. Von hinten ertönten leise Gesänge, die an Volumen langsam zunahmen. Es war ein Lied, das Uta bekannt vorkam, eine Melodie. Aber keine Amerikanische. Nein, deutsch vielleicht, aber die Texte wurden in Englisch gesungen. Da packte sie wieder eine Hand und zerrte sie zu einer Wanne, die im hinteren Bereich stand. Es war ziemlich dunkel, deshalb konnte sie nicht sehen, ob die Wanne mit Wasser gefüllt war. Mehrere Knochenmänner drängten sich um Uta und hoben sie in die Wanne. Sie wehrte sich noch mit Händen und Füßen, aber es war zu spät. Uta hievte ihre im Schlamm steckende Hand heraus und dann ihre Zweite. Sie versuchte, sich aus der Wanne zu befreien. Doch einige der Knochenmänner hielten sie fest, andere krakeelten obszöne Sprüche, die sie immer und immer wieder wiederholten. Als Uta nach fünf Minuten in der Wanne freigelassen wurde, strampelte sie sich nach oben. Ihre Kleidung war matschig. Sie hasste das, was man ihr antat. Was nun? Sie wollte aus dieser matschigen Kleidung schlüpfen. Alles klebte an ihrem Körper. Die Jeans hatte sich vollgesaugt. Wild schüttelte Uta den Dreck ab. <Zieh Dich aus!> sagte die tiefe Stimme des großen Knochenmannes, den Uta für den Großmeister hielt. Er stand neben ihr und seine Anwesenheit ließ sie frösteln. Langsam zog sie das T-Shirt und die Jeans aus. Sie hatte nur noch ihre seidene Unterwäsche an, die ebenfalls nass war. Jemand überreichte ihr eine schwarze Kutte. Uta nickte. Sie zog sie über und streifte ihre Unterwäsche ab. Gemischte Gefühle schienen sie zu übermannen. Einerseits fühlte sie eine immense Wut. Eine Wut, die sie noch nie zuvor gefühlt hatte. Andererseits spürte sie eine Scham. Nackt, nur mit einem Umhang bekleidet, stand sie vor den Vermummten, sie fühlte sich ausgeliefert. Von hinten kam einer der Knochenmänner und packte sie am Genick. Dann drehte er sie zu sich und stieß ihr ein Messer an die Kehle. Uta hielt den Atem an. Mit dem Leben hatte sie noch nie jemand bedroht. Die Klinge des Messers tat weh. Sie hatte Angst. Sie wusste nicht, wie weit die Knochenmänner gehen würden. Im fahlen Schein der Flammen sah Uta aus den Augenwinkeln, wie die anderen Knochenmänner mit den Totenschädeln und Menschenknochen hantierten. Der Augenblick war gespenstisch. Langsam ließ sie der Knochenmann wieder los. Uta sprang so weit wie möglich von dem Knochenmann fort. Sie drückte sich gegen die steinerne Wand und atmete erleichtert auf. Mit einer Hand fasste sie sich an die Kehle. Sie spürte eine kleine Fleischwunde. Dann führte sie die Hand vor ihre Augen. Im gespenstischen Licht der Fackeln sah sie, dass Blut an ihrem Finger klebte. Da wurde ihr bewusst, wie ernst die Lage war. Sie musste tun, was die sagten, sonst wäre ihr Leben in Gefahr. Sie hatte panische Angst. Wo war sie da nur hineingeraten? Sogleich kam wieder einer der maskierten Männer. Wieder packte er sie mit festem Griff und zog sie noch weiter hinein in die dunkle Gruft. Die anderen Knochenmänner beleuchteten den hinteren Raum mit ihren Fackeln. War das etwa ein Sarg da hinten? Was sollte das nun? Uta wurde panisch. Sie verkrampfte sich, hielt den Atem an. Wie krank waren diese Leute nur? Wenn ihr das vorher jemand erzählt hätte, hätte sie es nicht für möglich gehalten, dass im 21. Jahrhundert noch solche geheimen Sitzungen abgehalten wurden! Sie versuchte, sich gegen den Knochenmann zu wehren. Doch er war kräftig. Sie hatte keine Chance. Er ging mit ihr geradewegs auf den Sarg zu. Uta wollte schreien! Pure nackte Angst packte sie. Sie versuchte, sich an der Wand festzukrallen. Es half nichts, außer dass sie sich die Nägel abbrach. Beim Sarg angekommen, kamen weitere Knochenmänner hinzu und packten sie an Armen und Beinen. Sie wurde gegen ihren Willen in den Sarg gelegt. Den Umhang hatten sie ihr vorher noch vom Körper gestreift. Nun lag sie nackt im Sarg. Sie fühlte sich so ausgeliefert, als wäre sie ein Kleinkind, das gleich misshandelt würde. Niemand konnte sich diese Qualen vorstellen, die sie in diesem Moment durchlitt. Gedemütigt, erniedrigt, bis auf die Knochen blamiert. In ihrer Persönlichkeit demontiert. Sie würde nie wieder ihr Spiegelbild ansehen können, ohne an diese Schmach denken zu müssen. Sie fühlte sich in ihrer Persönlichkeit verletzt. Langsam drang die Stimme des großen Bonesman an ihr Ohr. <Nun musst Du ein Geständnis ablegen. Du musst uns alles über Dein Sexualleben berichten, bis ins kleinste Detail. Dann erst bist Du eine richtige Knochenfrau! Los!>
Endlich war sie in Schweden angekommen. Der Aufenthalt in Uganda war sehr schön, aber sie freute sich auch wieder auf ihre alte Heimat und die Oma! Nach langer Zeit einmal Pause vom Studium! Anna streckte ihre Glieder von sich. Es war einfach himmlisch. Endlich war sie wieder hier in ihrer alten Heimat. Sie war mit ihrem Vater und ihrem Bruder gestern aus Uganda angereist. Ihre Mutter Swenja war bereits hier. In einer halben Stunde würde sie ihre beste Freundin Uta Fedderson wiedersehen. Sie war schon gespannt, wie Uta nun aussah. Sie hatten sich seit über zehn Jahren nicht mehr gesehen, nur ab und zu Briefe geschrieben. Aber sie war keine Briefschreiberin. Auch Uta schrieb nur selten. Sie wusste nur, dass Uta in Amerika studierte und auch in diesen Ferien nach Schweden kam.
Der alte Fiat glänzte frisch geputzt vor dem Haus ihrer Großmutter, bei der sie nun die ganzen Ferien verbrachte. Ihre Eltern und ihr Bruder würden nur eine Woche bleiben. Sie mussten wieder zurück zu ihrem Möbelgeschäft. Annas Großmutter war für Anna wie eine Mutter. Ihre eigene Mutter hatte wenig Zeit für sie wegen dem Möbelgeschäft. Anna fühlte sich von ihrer Großmutter sehr geliebt. Sie hatten ein sehr inniges Verhältnis und Anna konnte ihr alles erzählen. Die Großmutter hatte ein sehr großes Haus, es lag in Värmland. Ein großer Garten mit Schafen umrundete das Anwesen.
In frühen Zeiten hatte ihr Vater mit der Familie ein Holzfloß gebaut und damit ließen sie sich an einigen wenigen Wochenenden auf dem ruhigen Fluss treiben. Unter der fachkundigen Anleitung ihres Vaters errichteten sie ein stabiles Floß mit Seilen und Rundhölzern. Doch sie, ihre Mutter und ihr Bruder durften nur die ganz leichten Aufgaben übernehmen, wie dem Vater das Werkzeug reichen. Ihr Vater war immer schon ein Perfektionist. Deshalb sah das Floß perfekt und besser aus, als jedes gekaufte. Alle Nachbarn wollten dann auch so eines haben und hatten bei ihrem Vater massenweise Flöße in Auftrag gegeben. Dann kamen Leute von anderen Städten, die auch welche kaufen wollten. Und so entstand neben dem Möbelgeschäft ein neuer Geschäftszweig, den ihr Vater ausbaute und sogar bis nach Amerika exportierte. Er war immer schon ein Geschäftsmann aus Leidenschaft. Leider blieb immer weniger Zeit für sie und ihren Bruder. Anna schüttelte bei dem Gedanken den Kopf und rief Colli. Colli war ein Welpe, ein Mischlingshund mit cognacfarbenem Fell. Er war Annas Liebling. Sie hatte ihn seit drei Monaten.
Colli hüpfte auf den Beifahrersitz des alten Fiats. Das frischpolierte Auto sah zwar alt aus, aber es ging noch gut. Anna öffnete die Türe des Fahrersitzes. Innen war er auch alt, grinste Anna. Sie schmiss die Tasche auf den Beifahrersitz. Alles war einfach himmlisch. Ihre Großmutter war noch so spritzig. Anna war begeistert, die Oma, die alte Heimat und die Umgebung zu sehen. Uta würde sie beim Klarälven treffen.
Der Klarälven war im Oberlauf ein Wildfluss, der durch einsame Wald-, Berg- und Hügellandschaften floss. Im Unterlauf war er ein zahmer Fluss, nur der letzte Abschnitt floss durch dichter bebaute Gegenden.
Der Klarälven war der letzte schwedische Fluss, auf dem noch Flößerei betrieben wurde. Als Erinnerung an diese Zeit gab es zwischen den Orten Branäs und Edebäck noch immer Floßfahrten für Touristen.
Bis in die 1990er Jahre wurde der Fluss im unteren Bereich zum Transport von Holz benutzt. Dabei wurden die Baumstämme einfach ins Wasser geworfen und bei Karlstad wieder herausgenommen und zu Papier weiterverarbeitet.
Die Großmutter stand an der Türe und winkte Anna zu. <Anna!> ertönte plötzlich die Stimme ihrer Mutter laut. <Ja,..> sagte Anna leise. Sie befürchtete, dass ihre Mutter wieder etwas benötigte. Am liebsten wollte sie so tun, als hörte sie sie nicht. Doch in dem Augenblick kam sie zur Türe heraus. <Anna, kannst Du bitte noch für Oma einkaufen gehen und den Müll rausbringen!> Die Großmutter winkte ab. <Nein, das kann ich doch erledigen! Lass Anna doch ihre Freundin treffen! Sie freut sich doch schon so!> <Oh, Ma! Ich treffe mich doch mit Uta in einer halben Stunde. Ich muss jetzt losfahren, sonst komme ich nicht mehr rechtzeitig zum Klarälven! Kann das Einkaufen nicht Swen übernehmen?> <Anna, Du weißt doch, dass Swen heute noch mit Vater Tennis spielen geht! Er hat keine Zeit.> <Ich kann ja später für Großmutter einkaufen gehen!> damit startete sie den Motor. <Anna, wir benötigen aber jetzt ein paar Lebensmittel, damit wir das Essen zubereiten können!> <Ok, ich rufe Uta an. Hoffentlich ist sie nicht schon losgefahren!> schnaubte Anna wütend. Immer musste sie herhalten. Ihr lieber Bruder wurde wieder verschont! Anna knurrte. Colli stimmte sofort mit ein. Da musste Anna von Herzen lachen. Die Großmutter lachte auch und schüttelte den Kopf. Anna winkte ihr zu, dann wandte sie sich an Colli <Ja, mein Lieber, mit Dir ist die Welt viel schöner!> damit streichelte sie Colli den Kopf. Dieser japste vor sich hin und drückte den Kopf an Annas Hand. Anna gab dem Welpen einen Kuss und holte ihr Handy hervor. <Hallo Uta, ja, Du ich muss noch einkaufen! Meine Mutter, Du weißt schon! Ich komme ein paar Minuten später!> <Ok, alles klar. Treffen wir uns um 12.00 Uhr beim Parkplatz?> <Ja, super, bis dann!> Anna war froh, dass Uta so verständnisvoll war.
Am Parkplatz in der Nähe des Klarälven stieg Uta aus ihrem Auto aus und betrachtete die Färbung des Blätterwaldes. Alles war so schön in ihrer alten Heimat! Der Parkplatz lag mitten in einem sehr einsamen Waldstück, das nur die wenigsten kannten.
Endlich war sie wieder in Schweden. Das Geständnis über ihr Sexualleben lag noch nicht so lange zurück. Sie wäre jetzt eine Knochenfrau. Doch diese Vereinigung war ihr zuwider! Sie hatte es geschafft, sich von ihnen zu trennen. Sie hatte Angst vor ihnen, Angst, dass diese noch etwas Schlimmeres von ihr verlangten, das sie später bereuen würde. Kurz nach der Abdankung bei den Bonesman, wurde sie vom Präsidenten höchstpersönlich zu einem Gespräch gerufen. War der etwa auch ein Bonesman? Sie hoffte nicht! Doch im Gegenteil. Er hatte von ihrer Umweltdemonstration gehört und dass sie gegen die Palmölplantagen war und deshalb unterbreitete er ihr ein Angebot, dass sie nicht ablehnen konnte. Eine Anstellung nach ihrem Studium bei der CITES in Genf! Genf, wo Trever wohnte!
Doch der eigentliche Hintergrund dieser Anstellung war, dass er sie als CIA Agentin ausbilden wollte. Eine Agentin, die, alibimäßig für die CITES arbeitete. Diese Organisation war für den Artenschutz verantwortlich. Doch im Geheimen würde sie im Kampf gegen das weltweite Palmölsyndikat arbeiten, um diese zur Strecke zu bringen. Eine gute Tarnung, fand Uta. Somit konnte sie zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Die Ereignisse in Amerika überschlugen sich geradezu. Vor ihrer Ausbildung als CIA-Agentin neben ihrem Studium, wollte sie noch eine kurze Auszeit. Deshalb besuchte sie jetzt in den Ferien ihre alte Heimat Schweden. Anna hatte ihr geschrieben, dass auch sie nach ihrem Ugandaurlaub nach Schweden kommen würde und so hatten sie für heute ein Treffen vereinbart.
Da wurde sie plötzlich von einem lauten Motorengeräusch aus ihren Gedanken gerissen, in der Ferne sah sie ein Fahrzeug, das sich allmählich näherte. Sekunden später konnte Uta Anna erkennen, die in einem spritzigen blauen alten Fiat saß und knatternd in den Parkplatz einbog. <Uta!> rief Anna laut und mit vollem Mund, als sie die Türe mit einem Quietschen aufstieß und raushüpfte. Hinter ihr sprang ein kleiner, flauschiger Hund aus dem Auto. <Hallo! Hey, gut siehst Du aus! Oh, das hier ist Colli. Ich hab ihn erst seit einem halben Jahr. Hey, es ist so schön, dass wir uns endlich wiedersehen!> Die beiden lagen sich stürmisch in den Armen. Uta hielt Anna eine Armlänge von sich fern. <Na, lass Dich mal ansehen! Du siehst auch sehr gut aus, Mädel! Wie geht’s Dir denn so? Du musst mir alles erzählen!> Uta kraulte Colli den Kopf. Dann drückten sich die beiden Mädchen wieder ganz fest.
<Komm, lass uns den Fluss entlang spazieren!> sagte Uta nach einer Weile. Dann holte Anna einen Muffin und ein paar Kekse für Colli aus ihrer Umhängetasche. <Colli, komm her! Nicht in den Wald!> rief Anna. <Nun erzähl mal Anna, wie geht’s Dir so? Wie ist es in Österreich, in Wien?> fragte Uta voller Enthusiasmus. Anna gab nicht sofort eine Antwort. Doch als Colli endlich kam, wurde sie ernst.
<In Österreich ist es toll, ja wirklich. Mir geht’s auch sehr gut! Ich werde sehr von meinen Eltern verwöhnt. Mit meinem Psychologiestudium geht es gut voran. Aber ich vermisse die Heimat und Dich! Wir haben in Wien ein schönes Haus mit Garten, da kann Colli herumtollen. Du musst uns endlich besuchen!> rief Anna enthusiastisch und warf Colli ein Stöckchen hin. Colli brauste davon und wirbelte Staub auf. Es schien ihm sichtlich Spaß zu machen. <Ja, ich habe es mir schon oft vorgenommen, aber nun da ich in Amerika studiere… Übrigens, wie geht es Deinen Eltern und Deiner Großmutter? Wohnt Ihr jetzt bei ihr in den Ferien?> <Ja, der Großmutter geht es gut. Sie ist immer noch rüstig für ihr Alter! Und meine Eltern! Hm, immer dasselbe! Du kennst sie ja. Voll im Geschäft, für alles andere haben sie keine Zeit. In ein paar Tagen reisen sie schon wieder nach Wien. Dann hab ich wenigsten die Omi für mich! Aber, da rede ich immer nur von mir. Du musst mir unbedingt alles von Dir erzählen!> <Mir geht’s gut! Ich bin die beste unseres Studiengangs. Stell Dir vor, bei einer Demonstration, die ich organisiert habe, wurde ich verhaftet!> <Wie bitte?> fragte Anna entsetzt. <Ich war einen halben Tag im Gefängnis von New Haven und dass kurz nach meiner Inskription!> <Sag mal, gegen wen hast Du denn demonstriert? Etwa gegen die Waffenlobby oder etwas Ähnliches?> <Nein, gegen Umweltzerstörung! Gegen die Pflanzung von Palmöl!
Ich hab mir selbst ein Bild davon gemacht, was die Brandrodung in Ländern wie Afrika, Indonesien und am Amazonas für einen Schaden anrichtet. Ganze Landstriche, riesige Flächen sind kahl und verwüstet. Es existiert kein Leben mehr! Egal, ob in Afrika oder Indonesien. Es ist überall dasselbe. Und viele Gebiete wurden abgeholzt, um die wertvollen Bäume an reiche Industriestaaten zu verkaufen und die abgeholzten Flächen wurden dann in Palmölplantagen umgewidmet, wie in Indonesien und Brasilien. Auch Thailand, Malaysia und viele andere Länder werden für den Palmölanbau von den Syndikaten missbraucht. Nach einer kurzen Reifezeit wird dann das Palmöl aus diesen Palmen gewonnen und unter dem Decknamen „Bioheizmittel“ nach Europa exportiert. Rapsöl wäre genauso effizient, aber es ist wesentlich teurer als Palmöl. Aber auch große Lebensmittelkonzerne wie Nogi und so weiter verwenden Palmöl für ihre Produkte. Du musst mal die Inhaltsstoffe bei den Schokoriegeln, Schokocremen, fertigen Suppen, Kosmetikprodukten, Waschmitteln, et cetera durchlesen!> <Ach, das wusste ich gar nicht! Da muss ich mal bei uns in Wien nachsehen, ob da auch Palmöl verwendet wird!> sagte Anna entsetzt.
<Aber ich weiß, was Du meinst, Uta. Das mit dem Tropenholz ist auch furchtbar! Ich hab meinem Vater gesagt, dass ich gegen die Verwendung von Tropenhölzern bin. Und ich werde niemals welche importieren, falls ich mal die Firma eines Tages übernehme, das sag ich Dir!> sagte Anna wütend und schüttelte ihre roten langen Haare nach hinten. <Es ist einfach schrecklich! In unserer Werkstatt kann jedes Holz verarbeitet werden. Kannst Du Dich noch an die Holzschüssel erinnern? Die aus Hartholz, die dunkle?> fragte Anna traurig. <Ja, die habe ich nie vergessen. Die war so schön! Einzigartig! Die stand in eurem Möbelgeschäft gleich neben dem Eingang.> <Genau die! Aber das ist Holz, das in Urwäldern wächst. Ich war gerade mit meinem Vater und Swen in Uganda. Unser Vater hat uns sehr viel gezeigt. Auch schon in früheren Jahren lernten wir alles über Tropenhölzer und ihre Eigenschaften, die Namen, den Härtegrad. Alles was man so wissen muss.
Mein Vater will jetzt auch noch mit Uganda einen Tropenholzhandel aufbauen! Wir haben uns wieder gestritten!> <Furchtbar Anna! Und Du und Swen, streitet Ihr auch noch immer wie früher? Oder hat er sich Dir schon unterworfen?> <Du bist gemein!> lächelte Anna ihre Freundin liebevoll an und zog eine Grimasse. <Du bist noch genau wie früher! Nein, wir streiten nur mehr wenig. Er geht seine Wege, ich meine! Irgendwie ist er auch vom Geld besessen, wie meine Eltern. Er arbeitet schon seit zwei Jahren in der Firma!> <Wirklich Anna, wie alt ist er denn?> <Er ist jetzt achtzehn. Er wollte nicht mehr in die Schule gehen. Jetzt macht er eine Lehre bei uns in der Firma.> sagte Anna und gab ihrer Freundin ein Stück von dem Muffin.