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Mary Adkins

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Beschreibung

A woman's world Auf dem Campus einer Südstaaten-Universität kreuzen sich die Lebenswege dreier Frauen. Die schüchterne Annie stammt aus einer Kleinstadt und blüht an der renommierten Carter University auf. Bea studiert Jura und hat als Tochter einer schwarzen Mutter und eines weißen Vaters früh gelernt, dass Recht nicht unbedingt Gerechtigkeit bedeutet. Stayja arbeitet als Kellnerin im Campus-Café. Seit ihre Mutter erkrankt ist, reicht das Geld kaum, um die Miete zu bezahlen. Ihre Schickale verbinden sich auf unerwartete Weise durch die Begegnung mit dem wohlhabenden Studenten Tyler Brand. Tyler, der bei Stayja täglich so charmant seinen Kaffee kauft; der Annie auf einer Party sexuell genötigt haben soll; und von Bea juristisch beraten wird… Ein kraftvolles Buch über Mut und #metoo und drei junge Frauen in einer Welt, die nicht für sie gemacht ist.

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Seitenzahl: 478

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Ähnliche


Mary Adkins

Das Privileg

 

 

Aus dem Englischen von Marie Rahn

 

Über dieses Buch

A woman’s world

 

Auf dem Campus einer Südstaaten-Universität kreuzen sich die Lebenswege dreier Frauen. Die schüchterne Annie stammt aus einer Kleinstadt und blüht an der renommierten Carter University auf. Bea studiert Jura und hat als Tochter einer schwarzen Mutter und eines weißen Vaters früh gelernt, dass Recht nicht unbedingt Gerechtigkeit bedeutet. Stayja arbeitet als Kellnerin im Campus-Café. Seit ihre Mutter erkrankt ist, reicht das Geld kaum, um die Miete zu bezahlen.

Ihre Schickale verbinden sich auf unerwartete Weise durch die Begegnung mit dem wohlhabenden Studenten Tyler Brand. Tyler, der bei Stayja täglich so charmant seinen Kaffee kauft; der Annie auf einer Party sexuell genötigt haben soll; und von Bea juristisch beraten wird …

 

Ein kraftvolles Buch über Mut und #metoo und drei junge Frauen in einer Welt, die nicht für sie gemacht ist.

Vita

Mary Adkins studierte Jura, arbeitete lange als Anwältin und unterrichtet heute Storytelling in New York. Sie ist preisgekrönte Autorin diverser Theaterstücke und hat für zahlreiche Zeitungen, u. a. die New York Times, geschrieben. 2019 erschien ihr Debütroman «Wenn du das hier liest».

 

Marie Rahn, 1965 in Mülheim an der Ruhr geboren, studierte und lehrte Literaturübersetzen in Düsseldorf. Sie übersetzt seit vielen Jahren Belletristik aus dem Englischen, Französischen und Italienischen. Mit ihrem Mann und zwei Söhnen lebt sie in Mülheim an der Ruhr.

Impressum

Die englische Originalausgabe erscheint 2021 unter dem Titel «The Privilege» bei Harper Collins, USA.

 

Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Hamburg, Februar 2021

Copyright © 2021 by Rowohlt Verlag GmbH, Hamburg

«Privilege» Copyright © 2020 by Mary Adkins

Redaktion Johanna Schwering

Covergestaltung ZERO Werbeagentur, München

Coverabbildung Nicolas Balcazar/EyeEm/Getty Images

ISBN 978-3-644-00752-9

 

Schrift Droid Serif Copyright © 2007 by Google Corporation

Schrift Open Sans Copyright © by Steve Matteson, Ascender Corp

 

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt, jede Verwertung bedarf der Genehmigung des Verlages.

 

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www.rowohlt.de

Für meine Eltern, die uns genug liebten,

um die ganze Welt für uns zu wollen

Würdest du sie hypen und teilen,

sie würde enttäuschen.

Pixel und Schleier.

Eine E-Mail mit dem Betreff ‹re›

würde sie nicht überleben.

Du würdest sie auschecken, dir den Kopf zerbrechen und dich fragen, wie sie zu verstehen ist.

Weißt du, was komisch ist? Wie oft

ich einen Sonnenaufgang sehe und denke,

es ist ein Sonnenuntergang.

Als hätte ich die Zeit vergessen, oder als hätte die Zeit kurz vergessen, mich zu nerven,

und ich sehe

den Anfang und das Ende

des Lichts.

Auch sie, reduziert auf ein Thumbnail,

hat ihre Version der Geschichte zu erzählen.

Denn sie war wach die ganze Zeit,

sie war eine Frau.

 

That Girl

Von P.K. Fox

Teil 1Hoffnung

The Carter Chronicle

Donnerstag, 24. August

Willkommen am Carter! 10 Ratschläge für Erstsemester

Vom Respektlosen Rooster

 

Kikeriki! Hier ist O-Woche1, und der Campushof füllt sich mit neuem, prächtigem Frischfleisch, das in Massen anrollt und Kofferräume der Marken Tesla2, Prius3 und Dodge4 auslädt.

Wenn ich mich vorstellen darf: Ich bin der Respektlose Rooster.

Auf dem Plan heute: meine 10 besten Ratschläge für euch, um das Beste aus eurem ersten Jahr an dieser wundersamen Institution zu machen.

Lest meine Kolumne.

Versucht gar nicht erst herauszufinden, wer ich bin. Ich bin alle hier und keiner.

Andererseits ist alles, was mit mir zu tun hat, wahrscheinlich eine gute Idee.

Im Rooster kriegt man anständigen Kaffee. Aber Finger weg von den Croissants!5

Wie wir alle wissen, ist dieser Campus mit vielen Wasserspeiern geschmückt. Aber wenn ihr das nächste Mal am Eingang zum Stoling6 vorbeikommt, werft doch mal einen Blick nach oben. Dann werdet ihr zwei Gargoyles entdecken, die eindeutig neu sind.

Schreit entsetzt auf!

Nein, das ist keine Halluzination. Diese Wasserspeier sind echt und, ja, sie haben reale menschliche Gesichter.

Wer sind diese Menschen/Wasserspeier? Diese Gargoyles sapientes? Diese Gargohominiden?

Warum in aller Welt tragen sie moderne Kleidung? Wieso hängen die dort über dem Eingang zu einem Gebäude? Und worum ging’s noch mal in dieser Kolumne?

Das Mojito, an der Kreuzung von Beech und Smith hinter dem Südlichen Campus, hat die besten Tacos – und von einem Big Boss7 wird man frühestens ab ein Uhr nachts zur Schnecke gemacht.

Willkommen am Carter, wo die Studentenverbindungen immer noch das Sagen haben, die Wasserspeier immer noch mutieren und ich mich jede Woche in diesem Forum über alles8 lustig mache.

Kikeriki!

Genug für heute –

Glossar:

O-Woche heißt Orientierungswoche – nicht, was ihr denkt!

Tesla: Gefahren von den Eltern, die erfolgreicher sind, als ihr je sein werdet.

Prius: Gefahren von den Eltern, die wünschten, sie wären erfolgreicher, als ihr je sein werdet, und sich damit begnügen, euch krass unter Druck zu setzen.

Dodge: Gefahren von den Eltern, die ein Stipendium für euch beantragt haben.

Croissants aus dem Rooster: Trocken wie Professor Hendricks Vorlesung zur Theorie der rationalen Entscheidung in den Wirtschaftswissenschaften.

Stoling: ein neues Wohnheim auf dem Westlichen Haupthof, denn am Carter findet man immer Gelegenheit, das Geld reicher Spender auszugeben.

Big Boss: Angeber in Segelschuhen und Karoshorts, der in Manhattan aufgewachsen ist und die Sommerferien mit dem Kennedy-Clan verbringt. Zeitvertreib: Saufen und Grapschen.

Alles = Ihr. Ich mache mich über euch lustig.

1Annie

Freitag, 25. August

Meine Geschichte über Tyler Brand beginnt an dem Tag, als ich ihn kennenlernte, in der ersten Woche meines zweiten Jahrs am Carter College. An diesen Tag kann ich mich noch lebhaft erinnern, bestimmt auch deswegen, weil ich wie elektrisiert war von dem Gefühl frischer Luft auf meinen Beinen und von der Aufregung, meine Narben zum ersten Mal seit Jahren nicht zu verstecken.

Meine Beine waren immer das Attraktivste an mir, oder hatten es zumindest sein sollen. «Ich habe gebetet, dass du die Beine deines Vaters bekommst, und das hast du», erzählte meine Mutter mir immer und immer wieder. Ich würde einmal eine gute Läuferin abgeben, sagte sie, vielleicht würde ich groß genug werden, um Basketball zu spielen oder als Supermodel zu arbeiten. Wenn ich erst in meine Beine hineingewachsen wäre, würde ich mit ihnen die Jungs verrückt machen, ganz egal, welche Schuhe ich trug.

Und dann, gerade als ich tatsächlich begann, in meine Beine hineinzuwachsen, wurden sie gegrillt. In den Sommerferien nach der achten Klasse saß ich im Garten, als der Grill umkippte und die Decke neben mir Feuer fing. Mir wurde ein viertel Quadratmeter Haut transplantiert – das meiste von einem Spender und ein bisschen von meiner linken Pobacke – und auf meinen linken Unterschenkel, mein rechtes Knie und meinen rechten Innenschenkel verteilt.

Nachdem Aufruhr und Schmerzen sich gelegt hatten, dauerte es eine Weile, bis ich begriff, dass ich von nun an mit ganz anderen Augen angeschaut werden würde. Zuerst war ich verwirrt über die Traurigkeit der anderen. Erkannten sie denn nicht, dass ich das Schlimmste überstanden hatte? Ich hatte das Feuer überlebt.

Meine Zehen, Hände und Brüste waren suboptimal, das hatte ich schon vor dem Unfall begriffen. Aber die Narben gehörten doch nicht richtig zu mir. Sie waren mehr wie ein Accessoire, wenn auch nicht besonders schmeichelhaft: So wie wenn jemand hässliche Ohrringe trägt, aber darum ja nicht selbst als hässlich bezeichnet wird. Die Narben waren nicht von meinem Körper hervorgebracht worden, sondern kamen von außen, von dem unglücklichen Umstand, dass ich zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen war.

Aber als sie weder verschwanden noch verblassten, sondern im Gegenteil sogar dunkler und härter wurden, wurde ich eines Besseren belehrt. Und ich begriff, dass das hier nicht mit Ohrringen oder Impfnarben vergleichbar war. Meine Beine, die eigentlich übers Basketballfeld rennen und Jungs verrückt machen sollten, sorgten für aufgerissene Augen, Grimassen und offene Münder. Also begann ich, sie unter Jeans zu verstecken. Bei Partys, am Pool und am Strand, auf dem Schulabschlussball: Ich trug nichts anderes mehr. Sogar sonntags in der Kirche trug ich Jeans, nachdem ich meiner Mom gedroht hatte, Atheistin zu werden, falls sie weiter darauf bestand, dass ich ein Kleid anzog.

Als ich «mit Brandnarben leben» googelte, empfahl mir das Internet Verbrennungswitze. Also entschied ich mich die folgenden sieben Jahre für die Strategie, meine Beine zu ignorieren: Von der Taille abwärts existierte ich praktisch nicht mehr.

Meine Heimatstadt Pineville als ‹klein› zu bezeichnen, wäre noch übertrieben. Wir haben ein Red Lobster, ein mickriges Einkaufszentrum und ein paar baufällige Kirchen, die der Staat Georgia als Baudenkmäler deklariert hat. Auf einem Schild zum Highway 280 prangt das Motto der Gemeinde: ‹Fast weg, aber nicht vergessen›. In meinem Jahrgang gab es 45 Schüler, von denen sechs den Nachnamen Cooper hatten.

Aber selbst in Kleinstädten gibt es sozialen Druck. Als Teenager erkannte ich nicht, dass meine Narben nicht nur Fluch, sondern auch Segen waren. Denn ich war so deutlich mit einem Makel behaftet, dass ich gar nicht erst Gefahr lief, mich über mein Aussehen zu definieren. Da ich aus der Kategorie ‹hübsches Mädchen› herausfiel, konnte ich mich auf andere Dinge konzentrieren. Ich entschied mich für die Musik und gewann mit meinem Fagott Wettbewerbe, zuerst in Pineville, dann im ganzen Land. Einmal flog ich sogar mit dem National Youth Orchestra nach Washington D.C., um vor dem Präsidenten zu spielen. Annie Stoddard, Fagottspielerin, Brandopfer, Jeansfanatikerin. Dass mein Körper im besten Falle unsichtbar und im schlimmsten grauenerregend war, rettete mich in gewisser Weise. Ich bekam mit, wie Freundinnen hungerten, sich den Finger in den Hals steckten oder sich ritzten. Wie sie weinten, weil sie auf Instagram zu wenig Likes erhielten. Ich nicht. Warum sich quälen, wenn einen sowieso niemand ansieht? Gesegnet sind die Unattraktiven.

 

Und dann geschah das Unfassbare. Ich wurde am Carter angenommen.

Vom Carter College hatte ich seit dem National Youth Orchestra geträumt, weil mir die erste Flöte, Klassensprecherin der Abschlussklasse einer Privatschule in Michigan, erklärte, sie wollte dorthin gehen, genau wie ihre ältere Schwester, deren Collegefreunde so gebildet waren, dass ihre Eltern keine Ahnung hatten, wovon sie sprachen, wenn sie in den Ferien nach Hause kamen und sich am Abendbrottisch unterhielten. Obwohl sich das Carter in North Carolina befand, nur zwei Staaten von uns entfernt, hatte es laut meiner Studienberaterin Ms. Flo noch niemand aus meiner High School besucht. Als ich ihr sagte, ich würde mich um einen Platz bewerben, zog sie eine Augenbraue in die Höhe.

«Willst du nicht lieber auf die Universität von Georgia? Wahrscheinlich kämst du dort aufs Honors College», nuschelte sie (wir waren ziemlich sicher, dass sie Alkoholikerin war) und nuckelte an dem mit Lippenstift beschmierten Strohhalm in ihrem riesigen To-go-Becher, den sie immer dabeihatte.

Aber Ms. Flo unterschätzte, was es bedeutete, in einer Welt aus Cellistinnen und Violinistinnen Fagottspielerin zu sein. Ich wurde nicht nur am Carter angenommen, sondern bekam sogar drei Viertel des Studiengelds vom College erlassen. Meine Eltern weinten beide vor Erleichterung, weil die Rücklagen für mein Studium im Jahr zuvor für eine Notoperation an der Gallenblase meines Bruders draufgegangen waren.

«Aber woher sollen wir den Rest nehmen? Und das Geld für Unterkunft und Verpflegung?», fragte ich und drehte das Schreiben um, als könnte sich auf der Rückseite ein Scheck verstecken.

«Das kriegen wir schon hin», sagte mein Vater und nahm mir stolz den Brief aus der Hand, obwohl er ihn bereits gelesen hatte. (In den folgenden fünf Jahren gab er Privatunterricht, um Schüler auf den Studieneingangstest vorzubereiten: sechs Stunden am Samstag und drei am Sonntag. Damit verdiente er die restlichen achtzehntausend Dollar pro Jahr und ersparte es mir, einen Studienkredit aufnehmen zu müssen.)

An meiner High School verbreitete sich die Nachricht schnell. Selbst jüngere Schüler, die ich nur flüchtig kannte, blieben auf den Gängen stehen, um mir zu gratulieren.

«Das ist Annie Stoddard. Sie geht aufs Carter», erklärte mein Mathelehrer dem neuen Bioreferendar in der großen Pause auf dem Gang.

«Meine Güte, dann bist du bestimmt extrasmart», erwiderte der und zwinkerte mir zu. Den Rest des Tages sagte ich das immer wieder leise vor mich hin, weil mir der Begriff ‹extrasmart› gefiel. Zwar hatte ich in der High School nur Bestnoten erzielt, aber ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass ich außerhalb der Pineville High als besonders intelligent gelten könnte.

In der Woche vor meinem Abschluss überreichte mir mein Englischlehrer Mr. Royles leicht verlegen einen Artikel, den er aus dem Internet ausgedruckt hatte und der den Titel trug: VIERZIG KLASSIKER, DIE MAN GELESEN HABEN MUSS.

«Das hätten wir dir eigentlich hier in der High School beibringen sollen», sagte er.

Also ackerte ich in den Sommerferien vier davon durch: Der große Gatsby, Was vom Tage übrig blieb, Mrs. Dalloway und Moby Dick, für den ich den gesamten August brauchte. Als ich das Buch tatsächlich zu Ende gelesen hatte, war ich so stolz wie nie zuvor.

Mein erstes Jahr am Carter bestand nur aus Seminaren, Orchesterproben und meinem Job im Campus-Buchladen. Zwar verabredeten sich ein paar Leute aus dem Orchester am Wochenende, aber ich war nie dabei. Wenn ich nicht lernte, verbrachte ich die Zeit mit meinem besten Freund Matty und meiner Zimmergenossin Samantha. An den Samstagabenden sahen wir uns Dokus über White Supremacy, die größten Opfer des Klimawandels und die Schattenseiten des Kapitalismus an. Meine Zeit am Carter war eine einzige Herausforderung. Im Mai fühlte ich mich wie ein vollkommen anderer Mensch, der nichts mehr mit der Annie gemein hatte, die im August voller Stolz Moby Dick beendet hatte. Ich war den Campus Progressives beigetreten und auf meiner ersten Demo gewesen; ich war von Englisch zu Psychologie als Hauptfach gewechselt, weil ich erkannt hatte, dass ich in den Literaturseminaren noch verlorener war, als Mr. Royles befürchtet hatte; in meinem Jahrgang hatten alle viel mehr gelesen als ich, während der Psychologieprofessor meine Hausarbeiten in höchsten Tönen lobte. Es kam mir zweitrangig vor, ob ich mich für das Fach interessierte oder nicht.

Ich lernte unzählige Stunden im Leseraum des Wohnheims und sah durchs Fenster, wie andere Studenten Fußball spielten oder in der Sonne lagen und sich unterhielten. Ich wollte wie sie sein, wusste aber nicht, wie ich das anstellen sollte. Ich wusste nur, wie man sich hinter Büchern verbarrikadierte, wie man unauffällig und zu Hause blieb. Ich bekam Bestnoten und war einsam. Auf dem College war ich genau wie in der Pineville High nur das schlaue Mädchen mit den Brandnarben.

Eines Nachmittags Ende Februar erzählte mir mein Orchesterleiter, dass eine Frau aus dem Ort jemanden suchte, der ihrem Sohn das Fagottspielen beibrachte, und zwar für 65 Dollar pro Stunde – für mich eine unfassbare Summe. Außerdem wollten die Eltern des kleinen Danny Yeager, dass ich dreimal pro Woche kam. Der pflichtbewusste Zwölfjährige verpasste keine einzige Stunde. Als ich in den Semesterferien Ende Mai nach Hause fuhr, hatte ich über zweitausend Dollar verdient.

Ich wusste ganz genau, was ich damit machen wollte.

Ein Dermatologe in Atlanta empfahl mir eine Farbstofflaserbehandlung, die man so über den Sommer verteilt legen konnte, dass meine Beine im Herbst wesentlich besser aussehen würden. Da ich einen Ferienjob als Babysitterin hatte, würde ich ohnehin die meiste Zeit mit dem Baby auf dem Sofa verbringen.

«Die Narben werden nicht hundertprozentig verschwinden», sagte der Dermatologe, «aber mindestens zu siebzig Prozent.» Behandlungen dieses Umfangs kosteten normalerweise über zehntausend Dollar, doch der Arzt erließ mir einen Großteil davon, weil der Laser ein neues Modell war und ich an einer Vorher-nachher-Studie teilnehmen konnte. Das machte mir zwar ein wenig Angst, aber er versprach, dass ich absolut anonym bleiben würde.

Ich lag auf einer mit Papier bedeckten Liege, während die Laser sich ihren Weg über meine transplantierte Haut bahnten und dabei klangen wie schnalzende Gummibänder. Immer wieder blies eine Praktikantin über einen Schlauch kalte Luft auf die behandelten Stellen. Man hätte meinen können, der Geruch von verbranntem Fleisch würde Erinnerungen an den Unfall wachrufen, aber so war es nicht. Dieses Mal fühlte ich mich auf meiner Arztliege wie eine Superheldin, der gerade ihr Kostüm geschneidert wurde.

Der gesamte Prozess erforderte drei Behandlungen im Abstand von jeweils drei Wochen. Mit der Regenerationszeit dauerte es insgesamt zwölf Wochen, bis die neuen, von den Lasern verursachten Wunden langsam verheilten. Mit jeder Behandlung sahen meine Beine besser aus als seit Jahren.

Meine Eltern unterstützten mich so sehr, dass es fast beschämend war. Am Tag, bevor ich aufs College zurückkehrte, gingen meine Mom und ich Klamotten für den Herbst einkaufen. Meine Beine waren jetzt heller: pfirsichfarben und hauchzart an Stellen, die vorher rot und wulstig gewesen waren; wo sich früher fast lilarote Flecken deutlich abzeichneten, sah man jetzt nur noch rosa Haut mit hellroter Naht. Damit konnte ich leben.

An den Ausverkaufständern griff ich nach Klamotten, die ich normalerweise gemieden hätte: einem kurzen Kleid, Shorts und, nur aus Spaß, einem Minirock aus türkisfarbenem Leder. Zwar war ich kein Mädchen, das Minilederröcke trug, aber ich ahnte, dass ich eines Tages vielleicht eines sein konnte.

Als meine Mutter (eine erfahrene Schnäppchenjägerin) meine Kleiderwahl sah, nahm sie mich lächelnd in die Arme.

«Ich hab sie noch nicht anprobiert», rief ich ihr nach, als sie die Sachen zur Kasse trug, aber sie ignorierte mich und reichte der Kassiererin die Kreditkarte, noch bevor diese überhaupt die Preisschilder gescannt hatte. «Das kannst du zu Hause machen», erklärte sie.

Am Ende dieses Sommers war meine Mutter voller Hoffnung. Genau wie ich.

 

Am ersten Freitag des neuen Studienjahrs stand ich vor dem Schrank meines altmodischen Zimmers mit der hohen Decke, das nun mir allein gehörte. Meine Zimmergenossin Samantha war im August nach Stanford gewechselt und hatte ihre Geige, ihre Kaugummis und ihren bis in die Nacht das Zimmer erleuchtenden Laptop mitgenommen. Am Carter hatte es ihr nie gefallen; für sie als Tochter eines Filmemachers von der Westküste war dieses College so einengend wie eine Zwangsjacke, und sie war zum zweiten Studienjahr nicht zurückgekehrt, sondern hatte mitten in den Ferien ihre Pläne geändert. Da zu der Zeit jedoch alle Zimmer schon verteilt waren, hatte ich jetzt ein heißbegehrtes Einzelzimmer auf dem Haupthof des Campus.

Jackpot.

«Hast du ein Glück!», rief mein Freund Matty und warf sich auf mein Bett. «Ich meine, natürlich wird Samantha uns fehlen, blablabla, aber ganz ehrlich: ein Einzelzimmer? Umsonst?»

«Umsonst ist was anderes», erklärte ich von meinem Schrank aus.

«Ohne Einzelzimmerzuschlag, meine ich.»

Im Schrank lagen hauptsächlich Jeans und Tanktops, aber darunter, direkt neben meinem Fagott, war das Bord, auf dem ich meine neuen Sachen aufbewahrte: das Sommerkleid, den Minirock und die Shorts.

Ich zog meine schwarze Jogginghose aus und eine der Shorts an. Dann wickelte ich ein Handtuch um meinen Oberkörper und kam hinter der Schranktür hervor.

Matty, der an die Wand gelehnt auf meinem Bett saß, blickte von seinem Laptop auf.

«Was denkst du?», fragte ich. In Modedingen hatte ich ihn noch nie um Rat gefragt – so lief das nicht zwischen uns. Manchmal fragte er mich um Rat, vor allem wenn er mich überreden wollte, mit ihm in Schwulenclubs zu gehen. Ich hingegen trug meine College-Uniform, seit wir uns kannten, also gab’s von meiner Seite aus nichts zu besprechen.

«Vielleicht solltest du dir obenrum noch was anziehen», bemerkte er.

Darauf ging ich nicht ein. Ich drehte mich von ihm weg zum großen Spiegel. Da waren meine Beine.

«Wenn du die Shorts meinst», sagte Matty schließlich – und seine Stimme verriet, dass er genau wusste, was ich gemeint hatte – «dann wird es wirklich höchste Zeit, dass du dich dem Wetter entsprechend anziehst. Es ist heiß in North Carolina. Und du hast ein ganzes Jahr gebraucht, um das zu kapieren.»

Ich rührte mich nicht. Er sah mich im Spiegel an.

«Du schaffst das», sagte er.

So fing es an.

2Bea

Freitag, 25. August

Zu Beginn ihres letzten Schuljahres hatte Bea den nächsten Schritt in ihrem Leben geplant. Sie wollte ein medizinisches Vorstudium an der Miss Porter’s School absolvieren und nach dem Abschluss ihrer besten Freundin Lorn nach Vassar, Amherst oder Dartmouth folgen – mit ein wenig Glück vielleicht sogar nach Harvard oder Yale, wo sie in die Fußstapfen ihrer Mutter treten und Medizin studieren würde. Beas Mom war Gynäkologin und Chirurgin gewesen, bevor sie die Leitung eines Krankenhauses übernahm, und während Beas Kindheit hatte sie kleine, glänzende Statuen mit Goldinschrift gesammelt, die von ihren Verdiensten um die Gesundheit der weiblichen Bevölkerung zeugten. Wie sollte Bea da einen anderen Weg einschlagen?

Aber dann, im September ihres Abschlussjahres, hatte Mr. Canon im Politikkurs das Buch «Radical Justice» von Lou Friedman durchgenommen. Der Strafverteidiger und Juraprofessor hatte sich in liberalen Kreisen durch sein weithin bekanntes Werk gegen die Todesstrafe einen Namen gemacht. In seinem Buch stellte er Männer aus fünf Generationen einer schwarzen Südstaaten-Familie vor. Angefangen mit dem versklavten Ururgroßvater, gefolgt von seinen Nachkommen während der Sezessionskriege und der Wiedereingliederung der Südstaaten in die USA, dann während der Jim-Crow-Ära mit den Rassentrennungsgesetzen bis zu den 1990er Jahren, wo der jüngste Spross der Familie zwei Jahre im Gefängnis auf seinen Prozess wegen Diebstahls warten musste, weil er sich die Kaution nicht leisten konnte, und schließlich Selbstmord beging. Letzten Endes wurde die Anklage fallen gelassen. Friedman legte dar, dass die Inhaftierung und der Selbstmord dieses Mannes sinnbildlich für die über ein Jahrhundert währende strukturelle Misshandlung seiner Familie waren.

Angesichts der systematischen Misshandlung der schwarzen Bürger forderte Friedman, dass das staatliche Rechtssystem bewusst und vollkommen auf den Aspekt der Vergeltung verzichten müsse. Um zu gewährleisten, dass die schwarze Bevölkerung nicht weiter unterdrückt würde, konnte Lou Friedman zufolge eine annehmbare Definition von Gerechtigkeit nur aus zweierlei bestehen: Täter-Rehabilitierung und Wiederherstellung von Opferwürde. Sein Ansatz von auf Versöhnung basierender restaurativer Gerechtigkeit wurde weltweit rezipiert.

Bea war so begeistert vom idealistischen Ton und von der Tiefe des Autors, dass sie das Buch während einer Oktobernacht in einem Rutsch las. In den Abschnitten, die sie am berührendsten fand, erzählte er die Geschichten von Opfern schlimmster Gewalttaten, die in Zusammenarbeit mit ihren Peinigern eine Art Aussöhnung erreichen konnten. Die Familie einer bei einem Einbruch getöteten Frau konnte sich dazu durchringen, dem einundzwanzigjährigen Einbrecher zu vergeben, der danach Zimmermann wurde und Theaterstücke schrieb.

«Ich werde in meinem Aufsatz die Parallelen zu Jesus aufzeigen», hatte Beas beste Freundin Lorn gesagt, nachdem Bea ihr den Inhalt des Buches zusammengefasst hatte. Denn Lorn hatte es weder so großartig gefunden noch zu Ende gelesen, was ihr Probleme bei ihrem zweiseitigen Aufsatz bescherte.

«Aber Jesus hat doch keine Stücke geschrieben», sagte Bea.

«Er war Zimmermann», gab Lorn zurück. «Klau mir die Idee ja nicht.»

Bea hatte die Idee nicht geklaut, sondern aus einer Laune heraus über Friedman selbst geschrieben. Sein Buch war ein New York Times-Bestseller geworden, genau wie einige seiner darauffolgenden Werke. Bea war auf einen Artikel gestoßen, in dem Friedman versprach, die Einnahmen aus dem Buch einer gemeinnützigen Organisation zu spenden, die sich um eine Reform des Strafrechts bemühte. Allerdings fragte sich Bea – und formulierte diese Frage auch in ihrem Aufsatz –, wieso Friedman, wenn er doch so am Ende der systematischen Unterdrückung der Schwarzen interessiert war und dies anhand der Darstellung einer einzelnen Familie dargelegt hatte, nicht ihnen das Geld gab. Schließlich war er Teil des Prozesses, über den er geschrieben hatte, und profitierte als Weißer von der Unterdrückung Schwarzer. Er war Teil des Systems. Das Versprechen, sein Honorar zu spenden, trug kaum zur Lösung des Problems bei, erklärte Bea, da es an eine Organisation ging, die er ausgesucht hatte. Ein Zyniker hätte mutmaßen können, dass er finanzielle oder andere Verbindungen zu dieser Organisation hatte oder dass es ihm bei der ‹Spende› mehr um seinen Ruf ging als um alles andere – und zwar, um genau der Art Kritik zu entgehen, die Bea gerade übte. Sie schrieb ihren Aufsatz in einem Rutsch, sehr von sich und ihrem kritischen Geist eingenommen, und gab ihn einen Tag vor der Deadline ab.

Eine Woche später verkündete Mr. Canon eine Überraschung: Dr. Friedman war ein Mitschüler von ihm gewesen und würde der Klasse einen Besuch abstatten.

Friedman – «Lou», wie er sich vorstellte – wirkte jünger, als Bea angenommen hatte. Er war in seinen Vierzigern, hatte sehr kurze Haare und gestikulierte lebhaft mit den Händen, als er den Schülern von seiner Arbeit erzählte: von einer kürzlichen Reise nach Rom, wo er einen Kurs für New Yorker Studenten gegeben hatte, die das italienische Rechtssystem studierten; von dem Buch, an dem er gerade schrieb, und von einem juristischen Programm, das er an der Carter University in North Carolina anbot.

Bea war wie gebannt. In der Gegenwart dieses Mannes fühlte sie sich genauso wie früher in der ihrer Mutter: Sie erlebte hautnah die Präsenz eines bedeutenden Menschen. Dies weckte den Wunsch in ihr, noch länger in seiner Gegenwart sein zu dürfen, als könnte dadurch irgendwann ein Teil der Energie, die ihn befeuerte, auf sie abfärben.

Dabei wusste sie es doch besser. Wie falsch diese Vorstellung war, hatte sie zwei Jahre zuvor beim Tod ihrer Mutter erkannt. Phaedra war ganz plötzlich gestorben: Herzstillstand bei einer scheinbar gesunden Zweiundfünfzigjährigen. Nach dem Tod ihrer Mutter empfand Bea neben ihrer Trauer noch etwas anderes: Sie fühlte sich haltlos, innerlich leer. Nicht nur ihre Seele war zerschmettert, sondern auch ihre Identität. Ohne die Verbindung zu ihrer charismatischen, überlebensgroßen Mutter kam sich Bea so verloren vor wie ein Luftballon, der seinem Besitzer versehentlich aus der Hand gerutscht ist. Nach mehreren Monaten erkannte sie, dass dies im Grunde immer so gewesen war: Eigentlich war es schon damals an ihr selbst gewesen, ihre Zukunft zu gestalten. Doch als ihre Mutter noch lebte, hatte Bea die Welt unbewusst nicht besonders ernst genommen. Es hatte sich alles wie ein Spiel angefühlt.

Sie wusste nicht, dass Mr. Canon Dr. Friedman die Aufsätze der Kursteilnehmer gezeigt hatte. Und ganz gewiss war ihr nicht klar gewesen, dass sie ihm danach gegenübertreten musste. Doch als sie nach seinem Vortrag das Klassenzimmer verlassen wollte, sprach der Mann mit den freundlichen Augen sie an.

«Bea?»

«Ja?», sagte sie leicht erschrocken.

«Danke für deinen Aufsatz. Danke, dass du dir so viele Gedanken gemacht hast.» Er gab ihr seine Karte, und sie eilte in ihr Wohnheim.

Später an diesem Tag erfuhr sie, dass sie den National Science Award gewonnen hatte – als sechste Schülerin der Porter’s, die das jemals geschafft hatte. Die Direktorin verkündete es beim Mittagessen und ließ ein Foto von ihr machen, auf dem sie mit einem Taschenrechner an einem Brunnen stand.

Am Abend checkte sie die Facebookseite der Schule. Während sie durch die Kommentare scrollte, entdeckte sie, dass es genauso viele Anspielungen auf ihre Mutter gab wie Glückwünsche und Ermutigungen.

«Deine Mutter wäre so stolz auf dich!»

«Du trittst in die Fußstapfen deiner Mutter!»

«Ganz die Tochter ihrer Mutter! Phaedra war so eine bemerkenswerte Frau. Möge sie in Frieden ruhen.»

Gereizt schloss Bea den Tab und griff nach Dr. Friedmans Visitenkarte.

Sie rief ihr E-Mail-Programm auf und fing an zu schreiben: dass sie nie gedacht hätte, er würde ihren Aufsatz lesen, und dass sie andernfalls niemals so unhöflich gewesen wäre; dass es eine Freude gewesen sei, von seiner Arbeit zu erfahren, vor allem von dem juristischen Begabtenprogramm am Carter, dass sie es gegoogelt hätte und interessant fände – rasch änderte sie Letzteres in ‹faszinierend›.

Sie schickte die E-Mail ab und ging zu Bett.

Am nächsten Morgen hatte er ihr schon geantwortet und sie zu einem Kaffee nach New York eingeladen.

 

Während der Zug langsam den Bahnhof von Greenwich, wo sie bei Lorns Eltern untergekommen war, Richtung New York verließ, notierte Bea sich eine Liste von Fragen über Dr. Friedmans Programm am Carter, allerdings hauptsächlich, um im Gespräch vorbereitet zu wirken. Ein bisschen was hatte sie schon selbst im Internet gefunden. Sie wusste, dass nur zehn bis zwölf Bewerber angenommen wurden, dass drei bis vier davon ein Teilstipendium als «Begabte» bekamen und dass das Programm ein festgesetztes Curriculum mit Erstsemesterkursen zum Thema Recht und Gerechtigkeit hatte. Und dass Dr. Friedman eines dieser Seminare leitete.

Wie viel Zeit lässt das Programm noch für andere Aktivitäten?

Hilft es den Studierenden bei der Praktikumsplatzsuche?

Bea schloss die Augen. Sie wusste nicht, warum sie sich immer wieder dabei ertappte, von einem College zu träumen, das sie noch nie besucht hatte. Sie stellte sich vor, wie sie mit einem Stapel Bücher über Strafrecht einen begrünten Innenhof überquerte. In ihrer Phantasie wusste niemand, dass sie Phaedras Tochter war. Sie war ein unbeschriebenes Blatt.

Als sie das Johnny’s erreichte, ein altes Diner im West Village, hatte Dr. Friedman es sich schon mit seinem Laptop in einer der Sitznischen bequem gemacht.

«Bea, hi!» Er klappte den Laptop zu und schob ihn in einen Stoffrucksack, während sie ihm gegenüber Platz nahm. «Wie war Ihre Reise?»

«Angenehm», sagte sie. Es war nichts Neues für sie, von New England nach Manhattan zu pendeln. Als Bea in der siebten Klasse war, hatte ihre Mutter eine Weile in New York gearbeitet, bevor sie nach Boston zurückkehrten. Gewohnt hatten sie an der Upper East Side, am Park, und Phaedra hatte Bea erlaubt, am Wochenende mit dem Zug ihre Freunde zu besuchen – allein, mit zwölf. Damals hatte sie sich unglaublich erwachsen gefühlt und das Zugfahren lieben gelernt. Sie fand die Fahrpläne, das Rattern der Züge und den muffigen Geruch in den Abteilen tröstlich.

Dr. Friedman bestellte Grillhähnchen und Hüttenkäse bei einer Kellnerin mit Schürze. Bea nahm nur einen Blaubeermuffin und einen Kaffee.

«Ich muss Sie warnen, der Kaffee ist hier nicht besonders gut», sagte er.

An einem Tisch auf der anderen Seite des Gangs unterhielten sich lautstark vier Männer mittleren Alters.

«Ich hab ihr verdammt noch mal gesagt – ich – ich – ich hab ihr gesagt, verdammt …» Einer der Männer wollte unbedingt eine Geschichte erzählen, wurde aber ständig von seinen Begleitern unterbrochen.

«Verzeihung, Miss!», rief ein anderer der Kellnerin nach, die in der Küche verschwand. «Was denn, muss sie da erst die verfickte Kuh melken?», fragte er seine Kumpel.

«Was das Justice Scholar Program betrifft», setzte Bea an und versuchte, die Männer zu ignorieren. «Ich habe mich gefragt, ob eine Teilnahme die Chance auf ein Sommerpraktikum erhöht.»

Dr. Friedman nickte und faltete seine großen Hände auf dem Tisch. Während er sprach, lehnte er sich vor und sah ihr direkt in die Augen. Seine Aufmerksamkeit und Offenheit beruhigten sie.

«Wir ermutigen all unsere Studierenden, sich ein Praktikum in der Strafjustiz zu suchen, aber momentan können wir nur ein einziges anbieten, das bezahlt ist. Nämlich bei mir in New York. Das heißt, unter anderem bei mir. Beim CJRI, das ist meine Organisation, das Criminal Justice Reform Institute. Von den drei Monaten verbringt man einen Monat bei mir mit Recherche, einen Monat mit der Interessenvertretung und einen in der Rechtsberatung. Der Praktikant vom letzten Jahr veröffentlicht gerade einen Aufsatz im Journal of Criminal Justice. Das ist für jemanden ohne Abschluss ziemlich ungewöhnlich. Normalerweise bringen Jurastudenten nicht oft etwas zustande, das sich veröffentlichen lässt. Aber Kyle ist etwas ganz Besonderes. Seine Studie zu medikamentöser Intervention und Rückfallquote bei Jugendlichen ist bereits vor Gericht zitiert worden. In Colorado. Ist das zu fassen? Im Herbst fängt er an der Columbia mit Jura an.»

«Ein Richter hat sich auf seinen Aufsatz bezogen?», fragte Bea verblüfft.

«Yes, Ma’am.»

«Wow», sagte sie. «Aber es gibt nur einen Praktikumsplatz pro Jahr.»

Dr. Friedman hob bedauernd die Schultern. «Das Auftreiben von Fördermitteln ist ein ewiger Kampf, meine Liebe. Strafrecht ist in den Augen von Philanthropen nicht besonders sexy. Die Leute wollen für gute Arme spenden, nicht für böse.» Er lachte leise. «Aber Sie und ich wissen, dass der Druck des Systems zu kriminellem Verhalten führt. Außerdem verliert die Bezeichnung ‹kriminell› ihr Gewicht, wenn man bedenkt, wer sie festlegt. Haben Sie je den Spruch gehört: ‹Wenn die da oben die Regeln bestimmen, dann haben die da unten keine Chance›? Die Sache ist die: Es braucht Zeit, ein Programm wie unseres zu entwickeln. Wir bauen etwas auf. Aber langsam. Ich hoffe, dass irgendwann einmal all unsere Studenten bezahlte Praktika bekommen.»

Als ihr Kaffee und ihr Muffin kamen, hatte sich Bea gerade über seine Wortwahl ‹Sie und ich› gefreut. Er hatte sie mit eingeschlossen! Sie teilte ihren Muffin in zwei Hälften und zupfte am Zuckerguss, während ihre Tischnachbarn sich ein paar Meter entfernt bei der Kellnerin beschwerten, ihr Kaffee sei kalt.

«Also, werden Sie sich für das Programm bewerben?», fragte Dr. Friedman.

«Ich denke darüber nach», antwortete Bea, ohne zu wissen, weshalb sie nicht einfach ja sagte.

«Warum?»

«Warum es mich interessiert? Oder warum ich nicht sicher bin?»

«Beides.»

Als sie sich eine Blaubeere in den Mund steckte, die auf den Tisch gerollt war, begriff sie, warum sie nicht sofort ja gesagt hatte: Sie hatte einfach keine gute Antwort auf die Frage nach dem Grund. Sie persönlich hatte nie negative Erfahrungen mit dem Gesetz oder etwas in dieser Richtung gemacht – sie hatte noch nicht einmal einen Strafzettel bekommen. Im Gegenteil: In der fünften Klasse hatte sie peinlicherweise den Preis für den ‹Folgsamsten Schüler› gewonnen. Als sie einmal herausgewunken wurde, weil sie mit Lorns Wagen unangeschnallt zum Supermarkt gefahren war, hatte der Polizist ihren Gipsarm gesehen (sie war vom Pferd gestürzt, und damit war alles, was mit Pferden zu tun hatte, ein für alle Mal abgehakt) und sie die zwei Meilen zurück zum Haus der Birches begleitet.

Aber eine Sache war da doch. In den Sommerferien nach der neunten Klasse, in den Hamptons, mit Lorn und ihrer Familie. Sie und Lorn hatten sich gegen Mitternacht rausgeschlichen und sich mit ein paar Jungs am Strand getroffen, deren Familien ebenfalls Häuser in East Hampton besaßen. Sie hatten vergeblich versucht, ein Lagerfeuer zu machen, und Hugh, der einzige andere Schwarze in der Clique, war zum Wagen zurückgelaufen, um mehr Zeitungspapier zu holen. Nach zwanzig Minuten war er immer noch nicht zurück und reagierte weder auf Anrufe noch auf Textnachrichten. Erst Stunden später hörten sie etwas von ihm. Jemand hatte gesehen, wie er den Kofferraum eines Wagens durchwühlte, und die Polizei gerufen, um einen Einbruch zu melden. Die beiden Beamten, die daraufhin auftauchten, glaubten Hugh nicht, dass der Wagen seinem Freund Tom gehörte. Sie riefen Toms Dad an, der natürlich dachte, der Wagen würde in der Einfahrt stehen. (Damals waren sie alle erst fünfzehn und durften noch gar nicht Auto fahren.)

Es war eine Geschichte, die sie jahrelang zum Besten gaben: von der einen verrückten Nacht, in der Hugh verhaftet wurde, weil sie alle jung und unvernünftig waren. Aber niemand verlor ein Wort über den darin verborgenen Rassismus. (Einmal hatte Bea es Lorn gegenüber erwähnt, aber dann nie wieder, weil Lorn erwidert hatte: «Du weißt doch gar nicht, ob sie deshalb die Bullen gerufen haben.»)

«Ich habe einen Freund, der mal für etwas verhaftet wurde, das er gar nicht getan hatte», sagte sie jetzt. «Deswegen interessiere ich mich für das Thema.»

«Haben Sie schon von den studentischen Beiständen gelesen?», fragte Dr. Friedman, worauf Bea den Kopf schüttelte.

Dr. Friedman erklärte ihr, dass am Carter Studierende, die auf dem Campus in ein juristisches Verfahren verwickelt waren, studentische Anwälte zur Seite gestellt bekamen, Mitstudenten, die sie während des Prozesses unterstützten. Wer ins Justice Scholar Program aufgenommen wurde, kam automatisch auf die Liste der studentischen Beistände.

«Sie meinen», sagte Bea, «man ist dann der Anwalt eines Kommilitonen? Als Erstsemester?»

«Nein», lächelte er. «Aber man unterstützt den Kommilitonen bei seinem Prozess. Man macht eine richtige Ausbildung, wo man alle Einzelheiten lernt. Man vertritt die betreffende Seite nicht vor Gericht, sondern dient eher als Rückhalt. Dennoch vermittelt es einen wertvollen Eindruck in die Arbeit eines Anwalts in einem kontradiktorischen System.» Dr. Friedmans Essen war immer noch nicht gekommen. «Ich sehe, Sie genießen den vorzüglichen Kaffee», sagte er und wies auf ihren nicht angerührten Becher. Sie lachten.

«Was Ihren Aufsatz betrifft», bemerkte er unvermittelt.

«Oh …», stotterte sie. «Wie ich schon in meiner E-Mail geschrieben habe, hätte ich nie erwartet, Sie persönlich –»

Er unterbrach sie. «Die Wahrheit ist folgende: Ich konnte es nicht … nicht öffentlich. Würden Sie vielleicht wollen, dass alle Welt erfährt, wenn Sie plötzlich reich sind? Mit dem ganzen Druck, der darauf folgt? Der öffentlichen Aufmerksamkeit? Denken Sie nur an die Lottogewinner, die schon nach ein, zwei Jahren wieder pleite sind: Liegt das daran, dass sie nicht mit Geld umgehen können? Weil sie es einfach nicht im Griff haben?»

An seinem Ton konnte Bea erkennen, dass für ihn die Antwort nein lautete, aber eigentlich war das genau das, was Bea immer über solche Leute gedacht hatte.

«Natürlich nicht», sagte er. «Sie haben das Geld gekriegt, Bea.»

«Was?», fragte Bea.

«Natürlich haben die Washingtons das Geld gekriegt. Aber ich habe es ihnen auf indirektem Weg zukommen lassen, um sie nicht in die Öffentlichkeit zu zerren. Über einen Treuhandfonds.»

«Oh.» Bea spürte, wie sich etwas in ihrer Brust löste. Erst jetzt erkannte sie, dass die Sache mit dem Geld sie gegen ihn eingenommen hatte.

Mit einem Mal fiel ihr auf, dass einer der Männer am Nebentisch sie anstarrte. Er trug eine zerrissene Jeans, ein Tarnshirt und eine Sonnenbrille. Obwohl sie verspiegelt und pink gefärbt war, konnte Bea seinen brennenden, herrischen Blick spüren.

Bea war empfindlich gegenüber solchen Blicken, seit sie ein kleines Mädchen war und die Leute sie musterten, als fragten sie sich, ob sie zu der Frau gehörte, deren Hand sie hielt. Sie konnte förmlich spüren, wie sie dachten: Das Kind ist nicht weiß, aber die Frau ist wesentlich dunkler. Manchmal waren sie auch so dreist gewesen, Phaedra zu fragen, ob sie das Kindermädchen war.

«Kann ich Ihnen helfen?», sprach Bea den Mann mit der Spiegelbrille an. Der Mann zog die Augenbrauen hoch und grunzte.

«Sie starren mich an, also frage ich Sie, ob ich Ihnen helfen kann», insistierte Bea.

Als einer seiner Kumpel hämisch lachte, zuckte der Mann nur die Achseln. Dr. Friedman beobachtete schweigend die Szene und stand nach ein paar Sekunden auf. Er holte seine Brieftasche hervor und legte zwanzig Dollar auf den Tisch. Sein Essen war immer noch nicht gekommen.

«Gehen wir», sagte er zu Bea und beäugte die Männer am Nebentisch.

Sie folgte ihm ins Freie, peinlich berührt davon, vor Friedmans Augen die Beherrschung verloren zu haben.

Auf dem Bürgersteig drehte er sich zu ihr um. «Ist alles in Ordnung?»

«Ach, ich …» Sie wurde nur noch verlegener dadurch, dass er eine Geschichte hinter der Szene vermutete. «Ich hab einfach ein Problem damit, angestarrt zu werden.»

«Verstehe», sagte er nach kurzem Schweigen. Er blickte an ihr vorbei und lächelte plötzlich verschmitzt. «Hey, sehen Sie mal. Noch ein Café. Ist das denn die Möglichkeit? Wundersames New York.»

Die großen Schaufenster auf der gegenüberliegenden Straßenseite wurden von warm leuchtenden Lampen erhellt. Die roten Bistrotische drinnen waren alle unbesetzt. MOCHA stand auf dem Schild darüber.

Bea lachte.

«Das wollte ich sehen», bemerkte er. Er legte ihr eine Hand auf den Rücken und führte sie zur Ampel. Sie war grün.

 

Nur elf Tage, nachdem sie ihre Bewerbung für das JSP eingeschickt hatte (die gleichzeitig als Bewerbung für das Carter College galt), bekam sie eine E-Mail der stellvertretenden Direktorin mit dem Glückwunsch, dass sie angenommen war. Im Frühling erhielt sie eines der Begabtenstipendien des Programms. Zwar waren es nur zehntausend Dollar im Jahr, die gerade mal ein Fünftel der Studiengebühren abdeckten, aber im Grunde brauchte sie es ohnehin nicht, da sie ihr Erbe und ihre Lebensversicherung hatte. Das Carter war allerdings unfassbar teuer, also war das Stipendium nicht schlecht. Und zehn Monate später, am Freitag vor Vorlesungsbeginn, saß Bea auf dem Rücksitz eines Taxis und fuhr vom Flughafen in Greensboro, North Carolina, nach Cartersboro, um ihr erstes Studienjahr zu beginnen.

Da vibrierte ihr Handy.

SCHON IM WAGEN???

Lorns Mutter Audrey, seit Phaedras Tod Beas Vormund, war wesentlich gluckenhafter, als Beas Mutter es je gewesen war. Bea fand ihre ständigen Nachfragen per WhatsApp – die alle in Großbuchstaben geschrieben waren – irritierend und wusste oft nicht, wie sie darauf antworten sollte.

«Ja», tippte sie und blickte dann wieder aus dem Fenster. Die Kiefernwälder in North Carolina waren ganz anders als die Mischwälder in Connecticut, obwohl sie nicht genau sagen konnte, inwiefern. Waren sie größer? Dichter?

«Ma’am, in welchem Wohnheim kommen Sie unter?», fragte der Taxifahrer. Sie sah über den Rückspiegel, wie er sie anzwinkerte. Das war also der berühmte Südstaatencharme. «Ich kann Sie zwar zum Carter fahren, aber dann müssen Sie mir weiterhelfen.»

«Natürlich», sagte sie, holte die Einführungsmappe aus der Tasche und gab ihm die Karte, auf der ihr Wohnheim angemarkert war. «Hier.»

«Oh, oh, brauche ich da meine Lesebrille?», fragte er schmunzelnd.

«Nein, da, wo das Kreuz ist.»

«Alles klar», nickte er.

Um den Südlichen Campus zu erreichen, wo sich die Erstsemester-Wohnheime befanden, mussten sie unter der berühmten Carter-Brücke hindurchfahren, die im College-Prospekt abgebildet war und von den Studierenden nur ‹Die Brücke› genannt wurde. Das Campus-Wahrzeichen war ein von bunten Graffiti bedeckter Betonbogen. Jetzt allerdings hingen darüber die Plakate der verschiedenen Studentengruppen, die um die Neuankömmlinge warben:

Du willst im Chor singen? Komm zu den Scarlets!

Vereinigung Schwarzer Studenten: Erstes Treffen 12. Sept.

Campus Crusade for Christ: Bibelstunde dienstags 19 Uhr. Geisteswiss. 4. OG

Beas Handy vibrierte in ihrer Hand. In Erwartung einer weiteren Nachricht von Audrey senkte sie den Blick, stattdessen jedoch sah sie eine Nachricht ihrer neuen Zimmergenossin Early, mit der sie Nummern ausgetauscht und in den Ferien ein paar organisatorische Dinge geklärt hatte.

Gleich sehen wir uns, Mitbewohnerin!!!! ☺☺☺☺☺

3Stayja

Freitag, 18. August

Diese verdammte Nicole! Stayja hastete über den Hof, einen Becher Urin in der Hand. Sie schob sich durch die massiven Glastüren des Gebäudes und stieg die Treppe hinauf zur Krankenstation des Colleges, wo ihre Cousine auf der Toilette hockte.

Wo bleibst du? Langsam fällts auf!

Gleich da, antwortete Stayja und bog um die Ecke des mit Teppich ausgelegten Gangs, um durch eine weitere geräuschlose Schwingtür zu gehen. Ein Mädchen in Stayjas Alter, vermutlich eine Studentin, saß hinter einem großen weißen Empfangstisch. Ihre seidig glatten Haare schimmerten im Neonlicht.

«Kann ich dir helfen?», fragte sie Stayja.

«Ich wollte nur … wenn ich, also, einen Schwangerschaftstest machen müsste, das bietet ihr doch auch an, oder?»

«Bist du … Studentin?», fragte das Mädchen und hob seine Stimme um eine ganze Oktave.

«Ich arbeite im Rooster Roast», erklärte Stayja. Das Mädchen runzelte verwirrt die Stirn. «Im Café vom Studentenzentrum.»

«Oh! Ach so, ich wusste nicht, dass das einen Namen hat. Äh …»

Das Mädchen trommelte ratlos mit den Fingern auf den Tisch. Das war Stayjas Plan, und er funktionierte. Als Stayja ihr Gewicht ein wenig verlagerte, schwappte der Urin in dem Kaffeebecher, den sie so hielt, als wäre ein Heißgetränk darin. Der Becher war fast so warm, als wäre wirklich Kaffee darin. Warum machte sie bloß immer den ganzen Scheiß für ihre Familie? Erst hatte sie Nicole einen Job im Campusbuchladen besorgt, und jetzt konnte ihre Cousine nicht mal den verdammten Drogentest alleine bestehen. Kein Wunder! Nicoles Urin war schon seit ihrem vierzehnten Geburtstag nicht mehr clean. Nur Gott wusste, was für eine Mixtur aus Pot und anderem Zeug sich gerade in ihrer Blase befand.

«Also bist du hier versichert?» Das Mädchen hatte einen dunklen Teint der indischstämmigen Art, die Stayja bei ihrer Arbeit am Carter zum ersten Mal gesehen hatte und die ihre Mutter ‹Punktgesichter› nannte – während sie indianische Ureinwohner als ‹woo-woos› bezeichnete.

«Nein», sagte Stayja.

Das Mädchen presste die Lippen zusammen und schwenkte leicht mit ihrem Stuhl hin und her. Ja, los. Du musst bei deinem Boss nachfragen.

«Da muss ich erst mit meinem Vorgesetzten reden. Eine Sekunde.»

Vorgesetzter. Das klang wesentlich feiner als Boss. Wie aus dem Nichts tauchte plötzlich Nicole auf, mit ausgestreckter Hand stürzte sie aus dem Gang.

«Her damit, los!» Ihre Cousine entriss ihr den Becher und verschwand genau in dem Augenblick wieder durch die Tür, als die Studentin mit den Shampoo-Werbung-Haaren zurückkehrte.

«Also, du bist nicht über das College versichert?»

Stayja war deshalb nicht versichert, weil sie wegen ihrer reduzierten beziehungsweise gestrichenen Arbeitszeit während der Semesterferien (denn das Café war den Sommer über geschlossen) nicht mal mit Überstunden die erforderliche jährliche Stundenzahl erreicht hätte, um in den Genuss von Sozialleistungen zu kommen.

«Nein», wiederholte sie.

«Tja, leider können wir hier nur Krankenversicherte behandeln», sagte das Mädchen und nahm wieder auf seinem hochlehnigen Stuhl Platz. «Aber ein paar Meilen weiter östlich gibt es einen Notdienst –» Sie warf einen Blick auf einen Zettel, den sie vorher noch nicht in der Hand gehabt hatte. «Auf der Wythe Avenue.»

«Cool. Danke», sagte Stayja und wandte sich zum Gehen.

«Willst du das mitnehmen?» Die Studentin hielt ihr den Zettel entgegen.

«Nein danke», erwiderte Stayja über ihre Schulter hinweg und stieß die Tür auf.

Als sie über den Hof eilte, warf sie einen Blick auf die Uhr. Noch drei Minuten Pause. Gerade genug Zeit für eine Zigarette.

Sie atmete durch die Nase ein, so tief, bis ihr Bauch vollständig mit Luft gefüllt war, und dann wieder aus. Noch mal: Einatmen, ausatmen.

Diesmal würde sie durchhalten. Eine Krankenschwester kann echt nicht rauchen, ermahnte sie sich, als sie den grünen, sonnenbeschienenen Rasen überquerte. Zwei Jahre lang hatte sie das Rauchen damit gerechtfertigt, dass sie ja noch in der Ausbildung war und aufhören würde, sobald sie eine richtige Stelle als Krankenschwester bekäme, dabei wusste sie, dass das nur eine dämliche Ausrede war. Allerdings war sie wegen Nicole und deren unheimlichem Talent, Stayjas Lebenspläne zu versauen, immer noch zwei Jahre von ihrem Abschluss entfernt. Mindestens – wenn es nicht noch weitere Krisen gab und Nicole weiter so einen Scheiß baute, wie wegen Drogenmissbrauch am Steuer eingebuchtet zu werden und nur auf Kaution wieder rauskommen zu können.

Ihr Handy vibrierte.

Mom. Wo geht’s auf der Morehead zum Krankenhaus?

Stayja stöhnte und rief ihre Mutter an.

«Nach links oder nach rechts?», fragte Donna.

«Nimm den Bus, Mom.»

«Der fährt nicht. Ich laufe. Nach links oder rechts?»

Zusätzlich zu ihrem Diabetes hatte Donna jetzt auch noch COPD, eine chronische Lungenerkrankung. Ihre einst so lebendige Mutter saß nun den ganzen Tag im Wohnzimmer, weil sie nur noch mühsam atmen konnte. Während Stayjas gesamter Kindheit war Donna eine Naturgewalt gewesen: Jeden dritten Juli war sie mit Stayja und Nicole zur Grenze nach South Carolina gefahren, um illegale Feuerwerkskörper einzuschmuggeln, die sich wild drehten, Funken sprühten und lautstark explodierten. Im Laufe ihres Lebens hatte sie siebenundzwanzig verschiedene Jobs gemacht, indem sie ihren Lebenslauf mit erfundener Berufserfahrung in jeder nur denkbaren Branche aufpoliert hatte, und noch während der Schwangerschaft hatte sie ihren Mann verlassen, weil sie fand, dass er nicht mal den Platz in ihrem Bett verdiente. Einmal hatte sie bei Target einer Frau ins Gesicht geschlagen, weil diese sie als ‹white trash› beschimpft hatte. Mit neunundfünfzig schließlich bekam Donna die Quittung dafür, dass sie seit über vier Jahrzehnten rauchte. Und letzte Woche hatte ihr Arzt befunden, dass sie von nun an einmal pro Woche eine Bluttransfusion brauchte. (Zu Stayjas Verblüffung wurden die tatsächlich von der Versicherung für Erwerbsunfähigkeit übernommen.)

Stayja wusste, dass ihre Mutter ihre gesundheitlichen Probleme am liebsten ignoriert hätte. Als sie mit ihr und Nicole nach Asheville gefahren war und dann auf dem Weg zu ihrem Motelzimmer eine Treppe hinaufsteigen musste, hatte Donna behauptet, sie sei zu müde, um mit ihnen zum Abendessen zu gehen. Stayja wusste nicht, ob sie damit Geld sparen oder vermeiden wollte, sich danach wieder die Treppe hinaufzuschleppen, aber eines von beidem musste es sein, denn Donna liebte nichts mehr, als auswärts zu essen. Als sie ihr Calamari mitbrachten, stellte sie ihnen tausend Fragen über das Restaurant, den Service und die Getränke. War das Eis in Würfeln oder gecrusht? Waren die Brötchen warm?

Theoretisch konnte Donna noch Auto fahren, aber Stayja brauchte den Wagen für die Arbeit. Also musste Donna den Bus nehmen, wenn sie irgendwohin wollte.

«Warte an der Bushaltestelle, ich komme», erklärte Stayja.

«Ich gehe zurück nach Hause und warte da auf dich.» Donna legte auf.

Stayja betrat das Studentenzentrum durch den Haupteingang und eilte den langen Gang hinunter. Zwar begannen die Vorlesungen erst in einer Woche, aber Hunderte von Studenten kamen schon früher zurück auf den Campus. Die Gründe dafür hatte Stayja im Laufe der Jahre herausgefunden: Zum Beispiel mussten sie mit ihrer Gruppe noch für einen Auftritt üben, oder sie waren im Verbindungsfieber.

Studenten mit hellen Leder-Flip-Flops und überdimensionalen Sonnenbrillen standen in Grüppchen zusammen und umklammerten ihre neu gekauften, makellosen Lehrbücher. Die Quittungen guckten noch zwischen den Seiten hervor und flatterten im Wind. Sie ging an den bronzefarbenen Briefkästen der Studenten und an den Besprechungsräumen der Verwaltung vorbei. Das Rooster Roast hatte keine Wände oder Türen: Der Gang endete einfach in einem Raum mit sechs runden Tischen, drei geometrisch gemusterten Sofas und einer Kaffeebar. Trotz des laminierten Schildes ‹Bin gleich zurück›, das Stayja auf die Theke gestellt hatte, wartete schon eine kleine Schlange aus drei Personen auf sie. Die erste war eine hellblonde Studentin, die an einem Niednagel zupfte. Ihr Pferdeschwanz klebte ihr im Nacken.

«Was darf’s sein?», fragte Stayja, während sie gleichzeitig eine Nachricht an ihren Chef Frank schrieb.

Mir ist total übel geworden, muss nach Hause. Sorry.

Sie blickte auf.

«Ein kleiner Latte mit Hafermilch, bitte.»

Stayja verdrehte die Augen, aber erst, als die Studentin es nicht mehr sehen konnte. Rasch arbeitete sie die Schlange ab, stellte das Schild wieder auf die Theke und machte sich auf den Weg nach Hause.

 

Als sie in die Schottereinfahrt bog, wartete ihre Mutter schon vor dem Haus.

«Nicht aussteigen!», rief Donna und hievte sich von dem rostigen Metallstuhl, den sie eigens für solche Gelegenheiten dort aufgestellt hatte. Donna mochte es nicht, wenn ihretwegen jemand warten musste. Lieber saß sie schon draußen und betrachtete die Backsteinmauer vom Haus ihrer Schwester, als jemanden an der Tür klingeln zu lassen.

Noch zwei Jahre zuvor war Donna, mit der unvermeidlichen Zigarette zwischen den Fingern, ständig in Bewegung gewesen und hatte in beeindruckendem Tempo Jobs begonnen und wieder verloren. Sie wurde von einem Reinigungsunternehmen eingestellt, hatte aber recht bald einen Holztisch mit Bleichmittel versaut und wurde gefeuert. Ihr Job bei 7-Eleven endete, als sie einem Kunden zwanzig Dollar aus der Kasse lieh. Und ihre Stelle in der Bibliothek, wo sie Bücher in die Regale zurückräumen musste, gab sie auf, weil ihr Boss ‹ein blöder Wichser› war. Bei der Gelegenheit hatte Donna Stayja auch erklärt, dass sie generell ‹nichts von Bossen hielt›.

«Zumindest von den meisten Bossen. Von keinem, den ich bis jetzt hatte», hatte sie eingeschränkt. «Ich halte nichts davon, für jemanden zu arbeiten, der dümmer ist als ich. Und bislang war jeder Boss, den ich hatte, dümmer als ich!»

Donna hatte sich vergeblich bemüht, ihre Neigung, Regeln zu umgehen und Vorgaben und Erwartungen zu missachten, die sie als nutzlos oder unangenehm empfand, an ihre Tochter weiterzugeben.

«Dir ist schon klar, dass du einfach so tun kannst, als ob, oder?», hatte sie erwidert, als Stayja ihr mitteilte, sie wolle eine Ausbildung zur Barkeeperin machen. «Dazu brauchst du keine Ausbildung, du musst dir einfach nur merken, wie die Drinks gemacht werden. Ich schreib dir einen Lebenslauf.» Sie suchte sich eine Vorlage im Internet und füllte sie mit Erfindungen. Demnach hatte Stayja schon seit sieben Jahren als Barkeeperin gearbeitet – also seit ihrem vierzehnten Lebensjahr. Stayja hatte zu viel Angst gehabt, mit dem gefälschten Dokument beim Vorstellungsgespräch aufzutauchen, also erzählte sie ihrer Mutter, sie hätte den Job nicht bekommen. Ihre Mom sollte sie nicht für feige halten.

Dies war die Frau, die jetzt schwer atmend mit einem bunten Stock und zerknitterter cremefarbener Bluse zum Wagen gehumpelt kam. Selbst die kleinsten Bewegungen kosteten sie Kraft. Sie hatte in zwanzig Monaten mindestens ebenso viele Kilos zugelegt.

«Na dann, Töchterchen», stöhnte Donna, als sie sich auf den Beifahrersitz fallen ließ. «Holen wir uns ein bisschen frisches Blut.»

Sie fuhren durch ihr Viertel, vorbei an Häusern, die wie ihr eigenes verzogene Fensterrahmen und abblätternde Fassaden hatten, außerdem zugewucherte Vorgärten mit vor sich hin rostenden Geräten, die zu teuer gewesen waren, um sie einfach wegzuwerfen, die aber im Haus nicht mehr zu gebrauchen waren. Stayja bog auf die Straße ein, die zur Klinik führte. Keine von beiden sagte ein Wort.

«Was hast du, Süße?», ächzte ihre Mutter schließlich.

«Nichts», antwortete Stayja. Kurz darauf fuhr sie auf den Parkplatz der Kardiologie und steuerte die Doppeltür des Gebäudes an. «Ich bring dich hin, dann lerne ich im Wagen.»

Ihre Mom murmelte, sie würde Stayja eine Nachricht schicken, wenn sie fertig wäre, und hievte sich mit pfeifendem Atem von ihrem Sitz.

Stayja parkte den Wagen weit weg vom Eingang, am Rand des Parkplatzes, wo das Kommen und Gehen der Patienten sie nicht stören würde und wo die sengende Sonne des Nachmittags von einem anderen Klinikgebäude abgeschirmt wurde. Sie griff auf den Rücksitz und wühlte durch die in Folie eingeschlagenen Romane der Bibliothek, um das Anatomiebuch für Fortgeschrittene zu finden, das sie sich im Semester zuvor gekauft hatte, bevor sie die Ausbildung hatte abbrechen müssen. Wenn sie nicht an den Kursen teilnehmen konnte, musste sie eben allein lernen. Sie ertastete das Buch am Gewicht und legte es zum Lesen aufs Lenkrad. Da leuchtete auf ihrem Display Franks Name auf.

Wann geht’s dir wieder besser brauch dich heute Abend. Trudy trotz Kündigungsfrist einfach abgehauen.

Stayja quiekte auf.

Fühl mich schon besser (nicht ansteckend), kann heute Spätschicht übernehmen. Kann ich die generell haben?, gab sie ein und zögerte kurz, weil ihr aufging, wie anstrengend es wäre, fünf Tage die Woche bis zehn Uhr abends zu arbeiten. Aber dann konnte sie tagsüber lernen oder sich noch einen zweiten Job suchen. Oder, wie jetzt, ihre Mutter zu ihren Arztterminen fahren.

Ich kann beide Schichten übernehmen, bis du jemanden für die Frühschicht findest … Sie wusste, Frank sah es gar nicht gern, wenn jemand Überstunden machte – sie bekam für jede Stunde, die vierzig Wochenstunden überstieg, fünfzig Prozent mehr, aber wenn er in der Klemme steckte, würde er es machen.

Pünktchen, Pünktchen, Pünktchen.

Die Pünktchen verschwanden.

Sie schrieb: Mir geht’s besser. Bin um 5 zurück.

Pünktchen.

Okay, aber nur, bis ich jemand finde.

Sie legte ihr Anatomiebuch beiseite und überschlug noch mal die Berechnungen, die sie immer und immer wieder angestellt hatte. Von insgesamt neunzehn Kursen hatte sie sechs geschafft, was hieß, es blieben noch dreizehn. Eigentlich war das Ganze als Vollzeitausbildung gedacht. Es war wie Tetris auf hohem Niveau, ihre circa zwanzig Arbeitsstunden pro Woche um die Anforderungen der Ausbildung herumzubauen: Drei Kurse wurden nur im Sommer angeboten, und die dafür erforderlichen Vorkurse gab es nur im Herbst und Frühling. Wenn sie also einen Vorkurs im Frühling verpasste, hatte das Auswirkungen auf den Sommer und Herbst und warf sie ein ganzes Jahr zurück.

Im Rooster verdiente sie 16500 Dollar im Jahr. Glücklicherweise wurden ihre laufenden Kosten zum größten Teil von Donnas Erwerbsunfähigkeitsrente gedeckt. Stayja steuerte etwa 200 Dollar pro Monat zu anderen Rechnungen und 100 Dollar pro Woche zu den Lebensmitteln bei, die sie nicht mit Donnas Lebensmittelmarken bekamen. Damit konnte sie ungefähr 1500 Dollar pro Semester für drei Kurse im Frühling, zwei im Sommer und zwei im Herbst zurücklegen. (Ihr Sommerferienjob im Open-Air-Kino reichte gerade mal, um ihre Handyrechnungen zu bezahlen.)

Sie und Donna machten, was sie immer gemacht hatten, wenn das Geld knapp wurde: Im Supermarkt bedienten sie sich am Tisch der reduzierten Waren, nutzten Sonderangebote bei Walmart oder nahmen sogar die fünfundvierzig Minuten Fahrt raus zu Sam’s Club auf sich, um in großen Mengen tiefgekühlte Hühnerbrüste für 1,88 Dollar zu kaufen.

Aber bei all ihren Berechnungen hatte Stayja die Zigaretten vergessen. Eine Schachtel kostete 5,45 Dollar, über ein Drittel ihres gemeinsamen täglichen Budgets für Essen. Sie musste realistisch sein: Bislang hatte sie nie richtig aufhören können. Wenn sie eine halbe Schachtel pro Tag rauchte, verschwendete sie ungefähr 80 Dollar pro Monat für das verdammte Rauchen. Da sie sich das nicht leisten konnte, fühlte sie sich nur noch elender, weil sie es einfach nicht schaffte aufzuhören.

Sie blickte in die Ferne, zu dem Wäldchen, das den Klinikparkplatz vom Highway trennte, und ihre Augen begannen zu brennen. Das ist die Müdigkeit, redete sie sich ein. Sie weinte nur, wenn sie müde war.

 

Als es am Fenster klopfte, wachte sie auf. Sie langte nach dem Griff und drückte die Beifahrertür ihres alten Corolla auf, die nur von innen geöffnet werden konnte.

«Tut mir leid, Mom. Bin eingeschlafen», sagte sie.

«Ein Glück, dass du mich hier nicht vergessen hast», erwiderte Donna und keuchte vom anstrengenden Weg quer über den Parkplatz. Stayja hatte sieben Nachrichten verpasst, drei von ihrer Mutter, vier von Nicole. Es war 16:29 Uhr.

«Wie war’s?», fragte sie und startete den Wagen.

«Keine große Sache», antwortete ihre Mutter. «Die meinen, ich könnte es auch allein zu Hause machen, aber ich weiß nicht.»

«Warum nicht? Probier es doch mal.»

Offenbar hatte Stayja zu hoffnungsvoll geklungen, denn Donna zog ihre Augenbrauen in die Höhe.

«Dass ich dich ja nicht zu sehr belaste, mein Fräulein.»

Stayja fuhr vom Parkplatz. «Es wäre nur gut, wenn ich nicht ständig von der Arbeit wegmüsste. Ich werde deswegen noch gefeuert.»

«Wer soll dich denn feuern? Bislang bist du doch noch nie gefeuert worden. Dich kann man gar nicht feuern. Dazu kannst du alles viel zu gut.» Donna schaltete das Radio ein. Es ertönte Popmusik, ein Lovesong aus den 80ern, den sie mitsummte.

«Heute irgendwelche passablen Kerle getroffen?», fragte sie nach einer Weile.

«Ich habe heute kaum jemanden gesehen, Mom», erwiderte Stayja.

«Was? Es ist doch schon Nachmittag!»

«Aber die Vorlesungen haben noch nicht angefangen.»

«Du brauchst jemanden auf deinem Niveau», sagte Donna, als Stayja in ihr Viertel einbog.