DAS PROZEDERE - Markus Kasper - E-Book

DAS PROZEDERE E-Book

Markus Kasper

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Beschreibung

"Nicht nur die Kehle wurde durchtrennt, sondern der Hals bis zur Wirbelsäule – mit einem Schnitt. Das machen nur Profis. Vornehmlich jene, die in einem Krieg oder so ähnlich gekämpft haben – aber auch Partisanen. So was macht man mit Verrätern!" meinte die Gerichtsmedizinerin Frau Wieninger professionell. Der Uhrmacher und Juwelenexperte Raab aus Bad Ischl war tot. Von dort ausgehend bekommt der Krimi eine europaweite Dimension. Die EU spielt einer Rolle genau so wie Brieftauben. Kommissar Bergsmann gerät in die Mühlen der Geheimdiplomatie...

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Ähnliche


Markus Kasper

DAS PROZEDERE

EU-Krimi

 

 

 

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Impressum neobooks

Prolog

DAS PROZEDERE

Europa-Krimi

Dr. Markus Kasper

Wie das Prozedere laufen lernte

Lt. Google:

Prozedere, das

Ansatz · Arbeitsweise · Art und Weise · Herangehensweise · Methode · Methodik · Prozedere · Technik · Verfahren · Verfahrensweise · Vorgehen · Vorgehensweise · Vorgangsweise österr.

In dem alten Bauernhaus, einem ehemaligen Weingut im Zentrum des Naturparks Quercy zwischen St Cirq-Lapopie und Rocamadour, nahe Toulouse, war reges Treiben. Es wurde geputzt und geschrubbt, die Gästezimmer auf Vordermann gebracht. Teppiche und Vorhänge gereinigt, Betten frisch bezogen. In den Zimmern wurden frische Blumen arrangiert und in der Küche wurde die Speisekammer aufgefüllt – der Menüplan war besprochen.

Im Innenhof und im kleinen Garten hinter dem Haus wurden Blumen gepflanzt, der Kies gerecht und die Sträucher ausgezupft. Schlicht – aus einem eher ungepflegten, alten Steinhaus wurde ein Schmuckkästchen zum Verlieben.

Dieses alte Steinhaus, stand in einem dicht bewachsenen Park mit Kastanien und Platanen – wunderbare kühlende Schattenspender, die dem Anwesen einen herrschaftlichen Anstrich gaben. Das Haus und weite Teile des Parks waren von außen nicht einsehbar, was für den Umstand der Ereignisse von Vorteil war.

Der Hausherr erwartete angenehmen Besuch für das verlängerte Wochenende rund um Pfingsten.

Vier Herren und vier Damen waren zu einem politischen und kulturellen Plausch angesagt. Die meisten kannten sich, weil sie ungefähr gleichen Alters waren und sie sich während ihrer Karrieren, entweder nicht aus den Augen verloren oder öfter getroffen hatten. Ja, man könnte sagen, dass es sich durchwegs um Freundschaften im Schatten der Europadiplomatie handelte. Namen tun hier eigentlich nichts zur Sache.

Es sollte ein Entspannungswochenende werden. Alle freuten sich, unter dem Vorwand einer EU-Besprechung, Anknüpfungen an längst vergangene Tage zu finden.

Zwischen dem Nachmittagskaffee und dem Abendessen trudelten die Damen und Herren tröpfchenweise ein.

Jedes Mal, wenn man am Kies, das noble Knirschen von dicken Autoreifen hörte, stürmten alle hinaus, um die Neuankömmlinge innig zu begrüßen.

„Hallo, Pierre, Du siehst aber gut aus. Hast dich überhaupt nicht verändert!“

„Liebe Cindy, meine Teure, wie oft in der Woche gehst Du trainieren. Deine Figur, wie eh und je!“

Küsschen da, Händchen halten und Seufzen dort. Fast wie bei einem Maturatreffen...

Der Hausherr, nennen wir ihn Jean, hatte alle Hände voll zu tun, die Zimmer der bunten Gruppe zuzuweisen. Keiner sollte benachteiligt werden. Aber das war bei dem Zustand des Hauses bei keinem der Fall. Jedes Zimmer war liebevoll gestaltet worden, teils im Haupthaus, teils in den schönen Nebengebäuden. Einzig die Dielen und so manche Kastentür knarrten, was eher belustigt aufgenommen wurde.

Die Frühankömmlinge waren nach dem Kaffee oder Tee im Park spazieren. Sie hielten sich bei den Händen, gingen eingehängt quer durch die Landschaft und genossen den Frieden der Umgebung.

„Abendessen um 19:00 Uhr!“ rief Jean den Spaziergängern nach.

Fast pünktlich nahmen die Gäste ohne Sitzordnung rund um einen alten dunklen Holztisch mit sehr dicker Tischplatte Platz. Der Raum wurde nur mehr von Kerzen erhellt. Genug, um alle gut sehen zu können.

Es gab gebratene Tauben in Rotweinsauce mit Rotkraut und Kartoffelknödel. Dazu einen hervorragenden Vin rouge aus der Region. Das Tratschen und Lachen wollte kein Ende nehmen. Alle halfen gemeinsam beim Abräumen und trafen sich danach im Nebenzimmer vor dem Kamin um den Abend bei Cognac, Whiskey oder Rum ausplätschern zu lassen.

Jean übernahm das Wort: „Ich freue mich unbändig, Euch alle so wohlbehalten bei mir begrüßen zu dürfen. Nach so vielen Anläufen, haben wir es nun doch geschafft. Ich möchte einen Toast auf Euch und Eure Freundschaft ausbringen!“

Alle hoben die Gläser und stimmten ihm zu.

„Übrigens, Rauchen ist erlaubt. Wem’s nicht passt muss kurzfristig hinausgehen!“ rief er, der Stimmung entsprechend, aus.

Kurzes Gemurmel – aber keine Gegenstimme.

„Wir können ja zwischendurch lüften, dann is‘ auch ok!“ meinte Simone, die für ihren gesunden Lebensstil und ihre Athletik bekannt war. Sie wollte die Stimmung auf keinen Fall trüben und meinte, ohne Rauchen wäre dieses Treffen wie Woodstock ohne Gras...

„Nun, meine Lieben“, mischte sich Sven ein. „Wie ist es Euch in den letzten Jahren ergangen? Über den einen oder der anderen, weiß ich doch gut Bescheid. Mit manchen bin ich auf diversen Meetings zusammengetroffen.“

Die Kaminstimmung war perfekt. Die Szene wurde fast ausschließlich durch das Holzfeuer erhellt. Links und rechts vom Kamin standen je eine Stehlampe, die ebenfalls gedämpftes Licht aussandten. Die Damen kuschelten sich mit angezogenen Beinen in die Stühle. Die Herren verwendeten die herumstehenden Hocker für die Beine oder überschlugen sie. Das Kaminfeuer machte tanzende Schatte an der Wand und gab allen Gesichtern einen interessanten und entspannten Ausdruck.

In Reihenfolge der Sitzanordnung begann jeder aus seinem persönlichen Umfeld zu erzählen, von Partnerschaften, Ehen, Trennungen, Kindern, Unfällen, diversen Coronainfektionen etc. Es war ein guter Querschnitt, sowie ihn viele kennen. Nichts Besonderes. Trotzdem haben alle den Weg in die oberen Etagen der Macht bzw. der Entscheidungsträger geschafft. Wenn nicht gerade in die erste Reihe, aber zumindest gleich dahinter...

Schließlich meinte Hugo, dass er eigentlich ein wenig unzufrieden sei mit seiner Karriere.

„Ich bin doch der, der alles aufbereitet, Entscheidungen vorweg ahnt und einleitet, die großen Projekte andenkt und organisiert und trotzdem verbuchen andere den Erfolg für sich. Vor allem Politiker, die vorgeben etwas zu arbeiten. Nicht, dass es mir schlecht geht, aber eigentlich habe ich mir mehr erwartet!“ meinte er wenig melancholisch und ein bisschen trotzig.

Fast alle stimmten ihm zu. Sie wurden von der medialen Öffentlichkeit nicht wirklich wahrgenommen. Andere stehen im Scheinwerferlicht...“

Phillippe warf ein: „Ich möchte jetzt nicht altklug oder sarkastisch klingen, aber wenn du das gewollt hättest, wäre einer politischen Laufbahn doch nichts im Wege gestanden. Mehr Engagement in diese Richtung und du wärst heute Minister – oder besser gesagt: Minister a.D. ...“ er lachte laut auf.

Hugo sah ein wenig betreten zu Boden. „Eigentlich hast Du ja recht – ja, zur Karriere, aber auch ja, zur ruhigen Kugel...“

Phillippe war durch seinen Einwand und durch den hervorragend Cognac sehr inspiriert: „Wir sind doch allesamt eine sehr intelligente Truppe. Geschult in Strategie und Weitblick und wir sind hervorragend kaufmännisch aufgestellt...“

„Und?“ kam es aus mehreren Seiten.

„Und? Naja, wie man es nimmt. Wieso nützen wir unsere Fähigkeiten und Berufserfahrungen nicht mal für uns? Zu unserem Vorteil?“

„Ich hör dir eigentlich nur zu, weil ich ähnlich viel getrunken habe wie du, mein Lieber!“, meinte Alexandria.

Doch aus Phillippe blubberte es nur so heraus: „Mir schwebt da ein wirklich großer Coup vor! Wenn wir uns abstimmen und unsere Talente besonders in der Kommunikation einsetzten, könnten wir das europäische Schiff gemeinsam in eine ganz andere Richtung steuern!“

„Du meinst wir sollten groß abzocken?“ fragte Jean. „Dazu bräuchten wir zunächst einmal ein lukratives Opfer und einen langfristigen Plan. Europa kann man nicht von der diplomatischen Seite alleine her aufrollen. Dazu benötigen wir strategische Partner...“

Bislang schien es ein sanftes Geplauder mit roten Ohren zu sein, wie bei einem Treffen der Uniabsolventen nach Sponsion. Der spannende Kick, den Jean soeben eingebracht hatte, rüttelte alle ein wenig auf.

„Ich würde das Gespräch gerne weiterführen, bin aber leider zu betrunken. Bevor ich mir jetzt Unmengen an Kaffee reinschütte - was haltet Ihr davon wenn wir morgen, nach dem Frühstück, ein wenig an dem Plan feilen. Wenn es nix wird, auch gut! Würde aber bestimmt einen Mordsspaß machen! Morgen ist ja erst Samstag!“ meinte Alexandria beschwingt.

Nachdem es schon knapp vor Mitternacht war, gingen alle schlafen. Bis auf Jean und Phillippe. Die beiden blieben noch beim Kamin sitzen und schenkten sich Cognac nach.

Jean unterbrach die eingetretene Stille: „Es bleiben die drei großen Fragen der EU – Das Flüchtlingsproblem, die Europäische Zentralbank und Osteuropa – das russische Vakuum...“

Als die Uhr über dem Kamin drei Uhr schlug, gingen auch sie zu Bett. Der Plan war schon fast fertig. Der Cognac war dann auch schon leer.

Kapitel 1

Bergsmann & Raab

Georg Bergsmann öffnete die Eingangstür zum vorderen Geschäftsraum des Uhrmachers. Die Messingglocke schellte laut, doch niemand rührte sich. Er öffnete und schloss die Tür ein zweites Mal. Wieder nichts.

„Herr Raab?“ rief Bergsmann.

Er ging einige Schritt tiefer in das Geschäft. Zuerst war es nur ein Schuh, der nicht in die erwartete Szenerie passte, dann das verdrehte Bein, an dem er baumelte und in den Türrahmen ragte.

„Herr Raab, um Himmels willen!“ Bergsmann stürmte vor - ganz gegen seine besonnene Polizistenart. Er blieb abrupt stehen und wählte auf seinem Handy nacheinander den Rettungs- und den Polizeinotruf. Bergsmann stand über den am Bauch liegenden Leichnam, steckte langsam das Telefon ein und legte zwei Finger der Rechten an die Halsschlagader des Uhrmachers. Nichts. Er war auch schon kalt.

Die weinrote, zähe Lacke die sich unter Kopf und Rumpf von Raab ausbreitete, zeugte von enormem Blutverlust. „Wiederbelebungsversuche eher sinnlos“, konstatierte der erfahrene Kriminalbeamte. Seine langjährige Erfahrung bei der Mordkommission in Wien lehrte ihn, eher nichts anzugreifen als durch unbeholfene Maßnahmen Spuren zu verwischen. So würde er es auch in seinen Bericht schreiben, beziehungsweise den zuständigen Kollegen mitteilen.

Es dauerte nur zehn Minuten und die Rettung raste heran und bremste quietschend vor dem kleinen Laden an der Bad Ischler Promenade. Zwei Sanitäter mit Koffer und Bahre stürzten herein, gefolgt von einem langsam trottenden Arzt. Bergsmann wies ihnen stumm den Weg zum kalten Patienten.

„Keine Atmung, kein Puls, sehr kalt!“

Der Notarzt bemühte sich auch nicht weiter. Mit „Des woas dann!“ diagnostizierte er das Ableben den beliebten Uhrmachers. „Er woa a liaba Kerl! Und fleißig...“

„Pack‘ ma z’samm, Burschen! Foa‘ ma wieder!“

„Ich denke, den Rest werden wir der Polizei und der Gerichtsmedizin überlassen! Die kommen sicher gleich!“ Wie auf ein Zeichen öffnete sich die Tür und zwei uniformierte Polizisten betraten sie Szene.

„Na, ned der Raab! Des tuat ma oba lad! Den Raab hat jedes Kind kennt.“ murmelte Revierinspektor Haberzettl zu seinem Adlatus, Inspektor Riedinger. Riedinger nickte betroffen.

Haberzettl: „Mia zwa werden jetzt den Tatort sichern. Des is‘ doch a Tatort?“ Er blickte verlegen zu Major Bergsmann, den er wegen der langen Urlaubstreue zu Bad Ischl schon ewig kannte. „So lang‘ wir nichts Näheres wissen, behandeln wir das hier als Tatort! Geht’s, rufts doch gleich die Spurensicherung an. Ich werd‘ mich mal drum kümmern, wer den Tod des Herrn Raab untersucht.“

Die beiden Polizisten sahen Bergsmann ungläubig an, doch der wehrte gleich heftig ab: „Ich nicht, nein, nein, ich bin auf Urlaub in Ischl und sonst nix!“ Etwas enttäuscht drehten sie am Absatz um, öffneten die Eingangstür und wollten zum Dienstwagen laufen. Plötzlich blieb Revierinspektor Haberzettl stehen, drehte sich langsam um, sah Bergsmann mit finsterer Miene an: „Apropos, Herr Major. Ned das I wos glaubat, oba warum san se eigentli‘ do im G’schäft?“

„Gut, dass Sie mich das fragen. Ich wollte meine, zur Reparatur abgegebene, Meistersinger-Z1-Uhr abholen – wie vereinbart. Da ist der Abholschein.“ Bergsmann holte den kleinen verknüllten Zettel aus der Anzugtasche und reichte ihn dem peinlich berührten Polizisten. Der nahm den Abholschein nicht an, weil er wusste, dass Bergsmann selbstverständlich die Wahrheit sagte. „Na, na! Scho‘ guat!“

Beide Polizisten liefen eilig zum Polizeiwagen, drehten das Blaulicht ab und holten alle wichtigen Utensilien zum Absperren des Uhrmachergeschäftes.

Bergsmann trat auf die Esplanade vor dem Laden und bemerkte, dass im Haus vis-a-vis am anderen Ufer der Traun ein Vorhang im ersten Stock abrupt zugezogen wurde.

„Hmm,“ dachte er. „Nachdem es da sicher keine Überwachungskameras gibt, sind wir wohl auf Augenzeugen angewiesen. Vielleicht kann ich den Kollegen ja ein bisschen zur Hand gehen - wenn sie das wollen.“

Gleichzeitig mit der Spurensicherung, eine Frau und drei Mann hoch, kam die Nachricht, dass sich die Bad Ischler Polizei um den Fall kümmern sollte. Es war doch sicher ein eindeutiger Raubmord.

Revierinspektor Haberzettl war über diese Mitteilung nicht gerade erfreut. Es war Sommer und Bad Ischl quoll über vor Touristen. Wo viele Gäste, gibt’s viele Probleme...

Er quittierte die Fallübernahme indem er seinen Uniformrock straffte und auf den Zehenspitzen wippte.

Bergsmann machte sich gemütlich auf den Weg zur Villa am anderen Flussufer. Langsam überquerte er die Traun über die Grazer Brücke. Es überraschte ihn einigermaßen, dass der Vorhang zur Richard-Tauber-Villa gehörte. Ihm wäre ein etwas unauffälligeres Haus lieber gewesen. Aber erstens wusste er nicht warum und zweitens gab es im Bad Ischler Zentrum kein unauffälliges Haus. Immer hatte irgendwann ein Prominenter für mehrere Sommer eine Villa bewohnt oder war bloß daran vorbeigegegangen...

Bergsmann dachte, dass das Haus unbewohnt war und nur an Kurgäste vermietet wird. Aber schon bei der Glocke fand er ein sauberes Messingschild „Dr. R. Wannemacher, Rechtsanwalt“.

Er läutete. Nichts rührte sich. Er hatte ein Déjà-vus, wie er lächelnd bemerkte. Nach dem zweiten Läuten hörte er aber ein Rumoren an der Treppe und das unterdrücktes Bellen eines größeren Hundes. „Ruhig, Happy! Sei still, alles in Ordnung!“

Von innen ein knappes „Hallo? Wer ist da?“

„Polizei im Urlaub! – Keine Angst!“ rief Bergsmann mit freundlichem Unterton. Irgendwie glaubte er, dass „der Innere“ erleichtert war, das zu hören.

Ein Mann, so Mitte 60, von kultivierter Erscheinung, öffnete zügig die Tür, blickte den Urlaubspolizisten etwas fragend an:

„Keine Angst! Ich...“ „Ich habe keine Angst!“

Bergsmann kam ein wenig ins Stottern: „Also, wo war ich?“

„Ich sollte keine Angst haben...!“

Kapitel 2

Der Unfall - 2022

Der Einschlag der Taube, links, knapp vor dem Cockpit, war nicht nur für den Rennfahrer eine Schrecksekunde. Der vorgesehene Empfänger der Taube sah den Grand Prix von seinem Balkon nahe des Casinos live – und daher auch den Unfall. Für den Fahrer des RedBull-Boliden war es damit auch abgetan. Für Monsieur Eugene Milltois jedoch nicht. Wie ein Blitz durchfuhr es ihn. Ein kurzer aber hoher Ton drückte sich durch seine Kehle. Gefolgt von einer Art Schüttelfrost, der alle Härchen auf seinem Körper aufrichten ließ. „Um Himmels Willen! Das darf doch jetzt nicht wahr sein. Mit allem haben ich gerechnet, doch damit nicht!“ Er zog sich rasch in das Innere seiner Wohnung im 2. Stock des Empiregebäudes zurück. Er musste seine Sinne wieder in Ordnung bringen und dann dringend telefonieren.

Auf der Jacht „Alivine 2“, die seit 3 Wochen in Monte Carlo vor Anker lag, verfolgte die ganze eingeladene Gesellschaft das Rennen live oder auf dem großen Bildschirm am Achterdeck. Drinks, Kaffee und Canapes wurden gereicht. Man war in sehr guter Stimmung.

Heuer waren es weniger große Yachten im Hafen, weil, bedingt durch den Ukrainekrieg, die superreichen russischen und ukrainischen Oligarchen ausgeblieben waren. Einerseits waren die Schiffe beschlagnahmt, andererseits hatten sich viele in Vorausschau in russische bzw. „befreundete“ Gewässer verzogen, um vor dem Zugriff der EU-Finanzpolizei in Sicherheit zu sein.

Ersatzweise wurde der Hafen aber doch mit französischen und italienischen Yachten gefüllt. Die Eigner wurden schlichtweg zu Diskontpreisen eingeladen, was diese gerne annahmen.

Der Rennkommentator des französischen Fernsehens, machte wegen der Taube auch kein großes Aufsehen. „Eine Schrecksekunde für Perez!“ rief er. „Gott sein Dank ist ihm nichts passiert! Es sieht wie ein sicherer Sieg für den Mexikaner aus!“

Mr. Augusto Deggenhardt, der Besitzer der „Alivine 2“, die unter argentinischer Flagge fuhr, reagierte dagegen schon etwas heftiger. „Wenn das bloß nicht unser Kurier war!“ Im selben Moment meldete sich sein Telefon mit einem sanftem Vibrieren.

Er hob ab. „Ja?“ sagte er überrascht.

„Hallo, Augusto, Du wirst es nicht glauben, was passiert ist. Der Rennwagen von Perez ist mit unserer Taube kollidiert! Ich glaube er ist... nein, sie ist tot!“

Augusto hatte einen spontanen Schwindelanfall. Zu viel stand auf dem Spiel. Jahre hatten sie auf diesen Moment hingearbeitet. Sie hatten sich damals, 2015, für die Kuriertauben entschieden, weil sie weder abgehört und noch gehackt werden konnten. Gut, sie brauchten ein wenig länger als das Internet, aber dafür waren sie auch unauffällig und hinterließen keine Spuren – fast keine Spuren...

Während der Pandemie waren sie genauso zuverlässig wie vorher und nachher.

Die Taube, die in Monaco einen tödlichen Zusammenstoß mit einem F1-Boliden hatte, trug am rechten Bein einen Brieftaubencontainer, in dem sie, auf einem handbeschriebenen Zettel, einen Code transportierte. Dieser Code sollte den großen Coup autorisieren und finalisieren.

Kapitel 3

Liza (2013)

Liza Sommerauer saß schon seit 8 Jahren in der Justizvollzugsanstalt Neudeck ein:

Zu Ihrem Leidwesen war ihr Mann früher nach Hause gekommen, als geplant und hatte sie im Koitus mit einem Fremden vorgefunden. Außer sich, war er auf den Widersacher los gegangen und ihn mit einer Sektflasche, die am Tischchen vor dem Bett gestanden hatte, erschlagen. Liza hatte sich noch dazwischen geworfen, ihren Mann mit der Faust an der Schläfe getroffen, so dass dieser, sicher etwas unglücklich, wiederum seinen Schädel an der Bettkante zerbrochen hatte.

Beim Gerichtsverfahren hatte sie die Unfalltheorie nicht einwandfrei untermauern können – es waren starke Zweifel geblieben - und so wurde Liza des Mordes für schuldig gesprochen.

Die ersten Jahre in der Zuchtanstalt waren von Resignation, Depressionen mit Suizidgefährdung geprägt gewesen. Mit einer unvergleichlichen Aggressivität war Sie ständig in provozierte Kämpfe mit Kolleginnen und dem Wachpersonal verstrickt worden. Sie hatte die verzweifelte Hoffnung gehabt, dass sie jemand eines Tages in Jenseits prügeln würde. Unglücklicherweise war aber immer nur Einzelhaft die Folge gewesen, was ihr letztlich auch lieber gewesen war als dumme Gesellschaft. Sie konnte die anderen, die „Kühe“ nicht ausstehen, was wohl auf Gegenseitigkeit beruhte. Irgendwie würde sie sich an der Gesellschaft rächen, weil sie ihr die besten Jahre ihres Lebens gestohlen haben. Die Tage hatte sie mit Body Building verbracht. Jedes Gewicht mit 4 Sätzen zu 30 Wiederholungen und danach 2 x 100 Situps in der Zelle. So hatte sie sich am besten abreagieren können. Innerhalb kurzer Zeit war ihr Körper so gestählt, dass sie die Attacken der Mitgefangenen nicht mehr fürchten musste. Sie hatte aber auch keine Clique hinter sich gehabt. Liza war eine Einzelgängerin.

Sie war erst 28 Jahre, als sie eher zufällig die Zeitschrift des Deutschen Brieftaubenzuchtvereins zu lesen bekam. Darin war der Adventstollen verpackt, den ihr der Bruder vorbeigebracht hatte.

Sie empfand es als Wink, möglicherweise als gute Wendung Ihres Schicksals, zumindest als positiven Aspekt in Ihrem tristen Dasein, war doch schon ihr Großvater Brieftaubenzüchter in der Deutschen Wehrmacht gewesen. Die Armee des Dritten Reiches brachte es immerhin auf bis zu 850.000 Brieftauben. Sie waren abhörsicher und äußerst zuverlässig. Ihre Nachrichtenquote lag bei 90 %, wurden sie doch von schlechtem Wetter, Bomben und Raketen in ihrer Treffsicherheit sehr gestört. Das war beachtlich im Vergleich zu den elektromagnetischen Informationswegen. Der Feind setzte auch Raubvögel gegen die Brieftauben ein. Ein Luftkrieg der besonderen Art, wie der Großvater hochbetagt immer wieder erzählt hatte. Stundenlang schwelgte er in Erinnerungen der Zucht, Aufzucht und Übungen mit den Brieftauben und wie wundervoll diese Tiere waren. Natürlich führte er, wie jeder gute Deutsche genaueste Aufzeichnungen über Zuchtpaarungen, Zuchterfolge, Nahrung, Nahrungsergänzung, Freiflugübungen und Langstreckenflüge. Im Zuge seiner Tätigkeit füllte er so über 40 Notizbücher - eng beschrieben. Ein wahrer Schatz, wer es zu gebrauchen wusste. Die Tauben ließen ihn das Kriegsgeschehen fast vergessen oder zumindest als nicht so schlimm empfinden. Immerhin war er mit dem Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes mit Eichenlaub bedacht worden.

Auf diese Weise war er sich nicht so unnütz vorgekommen, in einem Krieg der so vielen wunderbaren Menschen, das Leben oder die Würde gekostet hatte.

Wäre Liza das Malheur mit ihrem Mann nicht passiert, wer weiß, vielleicht wäre sie auch Brieftaubenzüchterin geworden. In ihrer aktuellen Situation war der Freiheitsgedanke, mit denen sie die Tauben verband aber das wichtigste. Minutenlang starrte sie mit geschlossen Augen in den vermeintlichen Himmel. Fast spürte sie den Wind. Fliegen, hoch in die Lüfte, weit fort und wieder nach Hause... nach Hause?

Sie schien in ihren Gedanken zu erstarren. War sie schon so weit gekommen, dass sie die Vollzugsanstalt als Ihr zu Hause bezeichnete? Sie wollte die fettige Zeitschrift schon zerreißen. Aber aus irgendeinem Grund pinnte sie sie aber an ihre kleine Korkwand über dem Bett.

Kurze Zeit später, bei einem Rehabilitationsgespräch mit dem Anstaltspsychologen, der noch dazu ein Auge auf sie geworfen hatte, brachte er das Gespräch auf ihre Zukunftswünsche und Perspektiven. Und plötzlich sprach sie von ihrem kleinen Traum mit den Brieftauben. Irgendwie drang dieser Wunsch auch zur Gefängnisleitung vor. Sie wurde zur Direktorin bestellt.

„Herein, herein, Frau Sommerauer... nehmen Sie doch Platz.“ Etwas verlegen saß sie dann, aufrecht wie eine Wand, an der Sesselkante, so als wollte sie die Weichheit der Polsterung nicht unter ihrem Hintern spüren.

„Frau Sommerauer, ich weiß und Sie wissen, dass es mit Ihnen nicht immer leicht war und ist und immer wieder haben Sie sich in die Scheiße geritten!“ meinte sie mit gleichgültig-geschäftiger Stimme. „Aber der Herr Doktor meinte, wir könnten mehrere Konfliktpersonen mit einer Tätigkeit betrauen, die sich charakterlich und seelisch positiv auf sie auswirken könnten. Kurz gesagt: „Brieftaubenzucht und -training“...

Lizas Augen wurden ganz weit. Gab es da wirklich jemanden, der ihre nächtlich Gebete oder herausgestoßenen Wünsche erhört hatte?

„Ja, ja, ja“, sie kam aus dem Kopfnicken gar nicht mehr heraus. „Ja, ja, ja,...!“

„Gut, Frau Sommerauer“, die Direktorin stand mit dem Rücken zu Ihr beim Fenster. „Wir brauchen einen Plan für Einrichtungen und Training für die „Damen“, einen Kostenvoranschlag etc. also ein Konzept mit Hand und Fuß – den pädagogischen Unterbau liefert Dr. Schwarzer. Das sollten wir hinbekommen!“ sprachs, drehte sich um und schickte Liza mit einer wirschen Handbewegung wieder hinaus.

„Bevor Sie gehen: Hier ihre Zutrittskarte für die Anstaltsbibliothek und Zugang für den Laptop! Ich erwarte Ihr Konzept in einer Woche, nein, besser in zehn Tagen. Und eines noch zum Schluss. Frau Sommerauer, ich habe so das Gefühl, das ist ihre letzte Chance – nützen Sie sie...!“

Liza wurde mittlerweile wegen guter Führung 2017 vorzeitig entlassen. Freiwillig blieb sie aber der Brieftaubenabteilung treu und trieb das Projekt von extern fort. Sehr zur Freude der Gefängnisdirektion und dem -kollegium. Viele „unheilbare“ Kriminelle konnten durch die Arbeit mit den Tauben wieder neuen Lebensmut, Ziel und Ordnung finden.

Niemand im Umfeld der Anstalt wusste etwas von Lizas versteckter, dunklen Seite, die ihr Kraft und Konsequenz verschaffte: Von Ihrem unbändigen Rachebedürfnis an der Gesellschaft und ihrer Gier nach Anerkennung...

Bereits im Jahr 2016, drei Jahre nach dem Gespräch mit der Direktorin, hat die „Flugwaffe“ wie die Abteilung im Gefängnis genannt wurde, über 300 Tiere gezüchtet und trainiert. Die Gefangenen waren so gut in ihrer Sache, dass sie zuerst schüchtern und dann „ganz normal“ zu Züchterveranstaltungen und Brieftaubenwettbewerben – natürlich in „unauffälliger Begleitung“, angefordert wurden. Die Community hatte sie vorbildlich aufgenommen. Niemand interessierte sich für ihre Vorgeschichten – es ging ausschließlich um die Zuneigung zu diesen besonderen Tieren. Ihre Zuchtergebnisse wurden allseits respektiert und bestaunt. Der Erfolg war kein Wunder, hatten die engagierten Insassinnen nichts anderes zu tun, als sich um Ihre gefiederten Schützlinge zu kümmern. Liza überlegte schon, ob sie nicht Tiermedizin studieren sollte.

Eines Tages, im Sommer 2016, meldete sich Besuch für sie an. Etwas das sehr selten bei ihr vorkam. „Was? Für mich? Das muss ein Irrtum sein!“ sagte sie abwehrend und ein wenig resignierend zu der Wachebeamtin.

Manchmal, so zwei bis drei Mal pro Jahr stellte sich ihr Bruder ein; das war’s dann aber auch schon. Eigentlich wollte Liza gar keinen Besuch, aber neugierig war sie trotzdem. Sie machte sich ein wenig zurecht und steckte ihre Haare auf.

Der Besucherraum war ansonsten leer. Ganz beim Fenster saß ein junger Mann, blond, hübsch und wohlproportioniert. So ganz nach ihrem Geschmack.

„Sie wollen mich sprechen?“ sagte etwas rotzig. Sie machte keine Anstalten sich hinzusetzen.

„Ich würde Ihnen gerne die Hand geben, aber Sie sehen ja, die Plexiglaswand...“ meinte er junge Mann. „Übrigens, meine Name ist Harald!“

„Lizza!“ kam es zwischen Ihren zusammengepressten Zähnen heraus.

„Also, Liza, von mir geht keine Gefahr aus!“ Daran hatte sie gar nicht gedacht. Zu überrascht war sie von diesem Besuch, der schon jetzt Eindruck bei ihr gemacht hat. So höflich war seit langem niemand zu ihr gewesen.

„Wir haben von Ihren Erfolgen in der Brieftaubenzucht gehört:“

„Wer ist wir?“

„Sag‘ ich Ihnen später!“

„Wir laden Sie ein, beim größten Coup der Geschichte miteinzusteigen, nein, was sag‘ ich, eine zentrale Rolle zu übernehmen...“

Zuerst blieb Ihr Mund offen stehen. Der wollte sie doch verarschen? Kommt da in Ihr Leben geschneit und redet wie mit einer miesen Berufskriminellen. Großer Ärger, wirklich großer Ärger, kam in ihr hoch. Wieder spürte sie das tiefe Grollen in ihr. Sie sprang auf und wollte davonlaufen. Doch Harald rief ihr nach: „Wollen Sie denn nicht aus diesem Gefängnis raus? So rasch wie möglich?“

Sie hielt spontan inne, drehte sich am Absatz um und verschränkte beide Arme vor Ihrer Brust.

„Das ist nicht nötig, Liza. So eine hübsche und begabte Frau wie Sie, hat doch dieses Kampfgetue gar nicht notwendig! Kommen Sie, nehmen Sie doch bitte Platz. Ich muss Ihnen wohl einiges erklären...“

Kapitel 4

2015

Mitten im Geschäftsviertel von London, im Gherkin Tower, in 30 St Mary Axe, trafen sich im 14. Stock einige recht freizeitlich gekleidete Damen und Herren. In der Mitte stand ein längsovaler, grünlicher Glastisch – rundherum 15 gemütliche Stühle. Es wurde Kaffee, Tee, Wasser und englische Biskuits gereicht.

Die Gäste standen in kleinen Grüppchen beisammen und bewunderten die Aussicht durch die leicht getönten Scheiben – sie war atemberaubend. Das alte und das moderne London lag vor, unter und hinter Ihnen. Die Tower Bridge wirkte putzig wie in Disneyland.

Manche schienen sich zu kennen. Andere führten nur Small Talk.

Frank Prieur, ein fescher Mitdreißiger mit getönter Haut, gelocktem schwarzen Haaren und sehr gewinnendem Lächeln begrüßte jede und jeden mit Handschlag. Er blieb stehen und begrüßte die Runde. Weißes Businesshemd, anthrazitfarbene Hosen, Hosenträger mit kleinen Jagdmotiven.

Frank hatte einen unerreichbaren IQ, neigte zu schrägen Aktionen und war ein Narziss. Am besten an ihm gefiel ihm sein Spitzname „Hollywood“. Nicht alle durften ihn so nennen, aber er fühlte sich damit geschmeichelt.

Er hatte hervorragende schauspielerische Talente: Der atemberaubende Charmeur, der charismatische Leader, der eloquente Politologe, der martialische Held, der schmeichelnde joviale Freund – nur um seine beliebtesten Schattierungen zu nennen. Für jede Gelegenheit hatte er eine passende Rolle parat.

Heute war es der verwegene, visionäre Abenteurer!

„Ladies and Gentlemen! Bitte nehmen Sie zwanglos Platz!

Es freut mich, dass Sie alle hier sind. Es war nicht leicht Sie hierher zu bekommen!“, begann er sehr geordnet.

„Sie wurden handverlesen ausgewählt, und wie soll ich sagen, „very luxury“ hierher gebracht - mit dem Versprechen, dass Sie am Deal Ihres Lebens teilhaben können!

Die Kriterien nach denen Sie ausgewählt wurden sind einfach erläutert: Reichtum, ein Hang zum Vergnügen und ein hohes Maß an Risikobereitschaft. Es ist kein Zufall, dass Sie eine sehr inhomogene und internationale Gruppe sind.“

Frank hatte lange an der Gruppe der Financiers gearbeitet. Allesamt kamen sie aus eher ärmlichen Verhältnissen, waren eher jung, um die dreißig – man hätte sie Anfang des Jahrhunderts als Yuppies bezeichnet. Sie haben ihr Vermögen nicht durch ihrer Hände Arbeit, sondern durch Spekulationen mit hohem Risiken, bis hin zur Illegalität erworben. Diese Eigenschaft legt man nicht von einem Tag auf den anderen ab. Das liegt einem im Blut – für immer.

Umso mehr, als Ihr Geschäftsgebaren bisher überdurchschnittlich erfolgreich verlaufen ist, waren sie aber gut einschätzbar aber auch erpressbar...

Nach einer kurzen Pause und einem energischen Blick in die Runde:

„Nun, gleich am Anfang die Regeln. Sie gelten, egal wie Sie sich entscheiden:

Regel Nummer 1: Es gibt kein Zurück mehr. Sie bekommen von mir am Ende der Sitzung einen Handschlag, der entweder das Geschäft besiegelt oder Sie ein für alle Mal davon ausschließt. Rien ne vas plus – besser: No risk – no fun!“

„Regel Nummer 2: Keine Kommunikation! Wir werden bis zum Abschluss des Projekts, sehr wahrscheinlich im 2. oder 3. Quartal 2022, nicht mehr kommunizieren. Soll heißen: nicht mehr elektronisch kommunizieren. Weder per Handy noch per Email, weder über einen Satelliten noch sonst wie.

Sollte das Projekt erfolgreich abgeschlossen werden, und davon gehen wir aus, oder auch in Gefahr geraten, oder wir Sie zur den vereinbarten Tranche auffordern, erhalten Sie eine handgeschriebene Nachricht – einen Code. Dieser Code ist für jeden von Ihnen einzigartig – es gibt ihn kein zweites Mal. Wenn Sie ihn bekommen, werden Sie wissen, wo und wann Sie sich einzufinden haben oder was Sie zu tun haben.

Regel Nummer 3: Sollten wir uns treffen müssen, dann hier und ausschließlich hier und nur in einem sehr dringlichem Fall. Sie bekommen einen handschriftlichen Code und kommen ohne Umwege hierher.

Regel Nummer 4: Wer gegen die Geheimhaltungspflicht oder das Kommunikationsverbot verstößt, wird umgehend und spurlos beseitigt! Ein reiner Rauswurf wäre für das Gesamtunternehmen zu gefährlich!“

Ein Raunen ging durch den Raum – einige Herren lachten kurz erstaunt auf, rutschten aber vorsichtshalber tiefer in Ihre Sessel, um sich ein wenig unsichtbarer zu machen. Auf jeden Fall verging allen das Lachen.

Frank Prieur nutzte die kleine Pause um seinen Platz zu verlassen, um gegen den Uhrzeigersinn die Gruppe zu umkreisen. Das sollte kumpelhaft wirken, hatte aber ein wenig den Anschein einer Spinnenwanderung. Er trug kein Sakko nur ein weißes Hemd mit aufgekrempelten Ärmeln, was den Eindruck noch verstärkte...

„Meine lieben Freundinnen und Freunde! In sieben Jahren werden wir und damit Sie über ein mehrstelliges Milliardenvermögen verfügen. So ein Vermögen macht man nicht legal; es ist zumindest eine enorme Grauzone.

Die Planungskosten die dabei entstehen, müssen von Ihnen aufgebracht werden, sollten sich aber im Rahmen Ihrer Möglichkeiten bewegen. Sicher zahlen Sie das nicht aus der Portokasse, aber der mögliche Gewinn wird ein Vielfaches Ihrer Investition betragen. Genug für alle Tage Ihres Lebens und das Ihrer Kinder und Kindeskinder. Wie gesagt: No risk – no fun!“

„Die Vorbereitungen zu unserem Megadeal werden sich allesamt unter dem Radar abspielen, quasi unbemerkt von der Weltöffentlichkeit.

Im Jahr 2022 werden Sie aber bemerken, dass sich Wesentliches in der Welt ändert. Ein nie dagewesenes Ereignis, dass sicher seine Schatten vorauswirft, aber trotzdem überraschend kommen wird. Das wird der Startschuss zum Abschluss unseres Deals!“ Nach einer kurzen Pause rief er aus: „Und was soll ich Ihnen sagen. Das Prozedere hat schon begonnen...!“

Frank nahm Platz und schlug eine eher dünne Aktenmappe auf, die nichts außer der Agenda des Treffens zu beinhalten schien.

„Gut, also, gehen wir in medias...!

„Sie alle kennen mich schon lange. Vielleicht nicht persönlich, vielleicht aber auch nicht unter diesem Namen. Ich habe ihn gewählt, weil er unauffällig klingt und ein besser Deckname als John Smith ist. Ab heute also Frank, Frank Prieur, für jeden von Euch.

Ich bin bekannt für meine Handschlagqualität, also meine Vertragstreue, meine strategischen Handlungsweisen und meine logistischen Fähigkeiten. Immerhin habe ich maßgeblich den Brexit entworfen...

Die Vorbereitung zum Brexit war ein politischer Auftrag – nicht meine innere Berufung. Die Meinungsmache, die fundierten Lügen, wie feine Nadelstiche zur richtigen Zeit, waren strategisch so positioniert, dass sie von allen geschluckt werden mussten. Alles wäre viel glatter verlaufen, wenn nicht ein paar Karrieristen, wie Boris, lautstark auf den dahinbrausenden Zug aufgesprungen wären...

Wie auch immer. Das soll kein Eigenlob sein, Ihnen aber zeigen, was man durch Planung, Intrige und Konsequenz erreichen kann. Selbst im 21. Jahrhundert!“

Die kleine Gruppe um den ovalen Tisch nickte beifallend.

„Unser Plan, beziehungsweise das „Prozedere“ wie wir es nennen, wurde von mir mit initiiert aber nur zu einem kleinen Teil ausgearbeitet. Meine Risikobereitschaft hält sich in Grenzen!“ ein kleines Schmunzeln umspielte seine Lippen als er dachte, dass niemand den kleinen Witz verstand. Nun wieder zu allen: „Ich kenne meine Grenzen!“ Jetzt war es allen klar und ein unterdrücktes Gelächter machte die Runde.

„Das Prozedere