Das Restaurant der süßen Träume - Jana Seidel - E-Book
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Das Restaurant der süßen Träume E-Book

Jana Seidel

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Beschreibung

Wer wünscht sich nicht ein Date mit seinem Lieblingsautor? Der Liebesroman »Das Restaurant der süßen Träume« von Jana Seidel als eBook bei dotbooks. Eigentlich ist Juli eine Traumfrau – blöd nur, dass das bisher noch kein Mann erkannt hat … Kein Wunder, dass die Journalistin das Restaurant ›Weinstein‹, wo sie regelmäßig mit ihren Freunden über die Pleiten und Pannen des Lebens plaudert, gar nicht mehr verlassen will. Aber der Traummann findet sich nicht von selbst – und so hilft Juli nach, indem sie sich ein Interview mit ihrem Lieblingsautor angelt, dem schillernden Rafael Bleibtreu. Schon beim ersten Treffen knistert es gewaltig, und Juli weiß genau: Sie wären das perfekte Paar! Doch dann lernt sie auch noch Rafaels attraktiven Verleger Alexander kennen, der so viel einfühlsamer zu sein scheint als ihr Schriftsteller. Und plötzlich muss sich Juli die erstaunliche Frage stellen, was besser ist: gar keinen Mann zu haben … oder zwischen zweien zu stehen! »Perfekt gegen Liebeskummer: romantisch, witzig, turbulent!« Jolie Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der Romance-Roman »Das Restaurant der süßen Träume« von Jana Seidel. Dieses Buch ist bereits unter dem Titel »Eigentlich bin ich eine Traumfrau« erschienen. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 341

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Über dieses Buch:

Eigentlich ist Juli eine Traumfrau – blöd nur, dass das bisher noch kein Mann erkannt hat … Kein Wunder, dass die Journalistin das Restaurant ›Weinstein‹, wo sie regelmäßig mit ihren Freunden über die Pleiten und Pannen des Lebens plaudert, gar nicht mehr verlassen will. Aber der Traummann findet sich nicht von selbst – und so hilft Juli nach, indem sie sich ein Interview mit ihrem Lieblingsautor angelt, dem schillernden Rafael Bleibtreu. Schon beim ersten Treffen knistert es gewaltig, und Juli weiß genau: Sie wären das perfekte Paar! Doch dann lernt sie auch noch Rafaels attraktiven Verleger Alexander kennen, der so viel einfühlsamer zu sein scheint als ihr Schriftsteller. Und plötzlich muss sich Juli die erstaunliche Frage stellen, was besser ist: gar keinen Mann zu haben … oder zwischen zweien zu stehen!

»Perfekt gegen Liebeskummer: romantisch, witzig, turbulent!« Jolie

Über die Autorin:

Jana Seidel, geboren 1977, war schon immer von zu vielen unterschiedlichen Dingen fasziniert, um sich für einen ›ordentlichen‹ Beruf zu entscheiden. Im Schreiben fand sie daher den idealen Ausweg aus diesem Dilemma. Nach ihrem Magisterabschluss in Spanischer Literaturwissenschaft und Öffentlichem Recht arbeitete sie einige Jahre als Redakteurin. Heute lebt sie als freie Journalistin und Autorin glücklich zwischen Fiktion und Wirklichkeit – und als echte Lokalpatriotin mit Mann und Sohn im schönen Hamburg.

Jana Seidel veröffentlichte bei dotbooks ihre Romane »Ein Cottage zum Verlieben«, »Der kleine Buchladen der Herzen« und »Das Café der süßen Wunder«. Letzterer ist auch im Sammelband »Ein Café zum Verlieben« erhältlich.

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Überarbeitete eBook-Neuausgabe März 2024

Dieses Buch erschien bereits 2012 unter dem Titel »Eigentlich bin ich eine Traumfrau« beim Goldmann Verlag

Copyright © der Originalausgabe 2012 by Wilhelm Goldmann Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Copyright © der überarbeiteten Neuausgabe 2020, 2024 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von

© shutterstock / Caterina Belova / Chrispictures / aopsan / Zerbor / Fabio Lamanna / RPD PHOTO / Ivonne Wierink

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ae)

ISBN 978-3-96148-876-6

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Jana Seidel

Das Restaurant der süßen Träume

Roman – Die Glücksfreundinnen 2

dotbooks.

Kapitel 1

»Wenn ich gestorben bin, dann macht aus meiner Asche einen Diamanten«, sagt meine Mutter hastig, kaum dass ich den Telefonhörer abgenommen habe. Für den Bruchteil einer Sekunde wage ich zu hoffen, dass diese Ansage bloß Teil der Proben für ihre Laienschauspielgruppe ist. Andererseits würde es zu ihr passen, sich an meinem Geburtstag ausführlich mit ihrer Vergänglichkeit zu beschäftigen – Nebenrollen liegen ihr einfach nicht.

»Ach, Mama, wie soll denn das gehen?«

Falsche Frage. Jetzt hat sie mich am Wickel. Sie erklärt mir lang und breit das aufwendige Verfahren, in dem ein Teil der Asche eines Verstorbenen zu einem Diamanten gepresst wird – das hat sie im Fernsehen gesehen. Irrwitzigerweise ist die ganze Angelegenheit natürlich viel teurer, als sich gleich einen echten Diamanten zu kaufen.

»Mama, du wirst noch ganz lange leben. Und ich habe heute einfach keine Lust über Beerdigungen nachzudenken, heute ist mein Geburtstag. Schon vergessen?«

Sie hat es tatsächlich vergessen. Unglaublich. Wäre mir das an ihrem Geburtstag passiert, hätte sie wochenlang alle Leiden Christi inszeniert. So murmelt sie nur leicht beschämt: »Ähem, nein, natürlich nicht. Alles Liebe zum Geburtstag.«

»Danke. Ich muss jetzt aber aufhören. Es klingelt gerade an der Tür.«

»Nie hast du Zeit für mich«, sagt sie beleidigt.

Ich verabschiede mich schnell und laufe zur Tür. Da stehen Tanja, Amal, Toni und Peter, um mich abzuholen. Juchhu! Die Party kann beginnen. Natürlich haben alle Geschenke dabei. Obwohl ich sie gebeten habe, das zu lassen. Nicht aus falscher Bescheidenheit. Mir gefällt die Endlosschleife des Geschenketerrors einfach nicht, in der man sich bei nächster Gelegenheit mit einem genauso kostspieligen oder liebevoll ausgesuchten Päckchen würde revanchieren müssen. Außerdem bekommt man sowieso nie etwas, was man wirklich gebrauchen kann.

Wir hätten uns direkt im Weinstein verabreden sollen, wo wir später feiern wollen. Dann hätte ich eine Ausrede gehabt, die Geschenke später am Abend allein auszupacken. Die erwartungsfrohen Blicke machen mich ganz nervös. Geben ist wohl wirklich seliger als Nehmen. Weil die erste Reaktion des Beschenkten über Glück oder Unglück des Schenkers entscheidet, gebe ich mir an dieser Stelle immer besonders viel Mühe. Ich lasse mir einen Moment Zeit und fange nicht sofort an zu strahlen. Das würde zu aufgesetzt und mechanisch aussehen. Ich tue also so, als ließe ich das Geschenk einen kleinen Moment auf mich wirken, setze zu einem leichten Lächeln an, um schließlich dem Schenker in juchzender Freude um den Hals zu fallen.

Das klappt auch diesmal ganz gut – zumindest bei Tonis nett gemeintem Versuch, mich mit der neu aufgelegten Hitchcock-Edition zu erfreuen. Einen der Filme besitze ich zumindest wirklich noch nicht. Es funktioniert auch bei Tanjas und Amals Obst-und Gemüsekisten-Abo, das dazu führen wird, dass in Zukunft viel erlesenes Bio-Grünzeug in meiner Wohnung gammelt. »Jetzt wo du mit dem Rauchen aufgehört hast ...«, erklärt Tanja und meint wohl: Jetzt kannst du auch vollends zur genussfreien Asketin mutieren, die ihren Grüntee nur im Lotusblütensitz einnimmt.

Amal lächelt verlegen. Er ist noch nicht lange mit Tanja zusammen und hat ihren Gesundheitstick offenbar noch nicht richtig verinnerlicht.

Oh mein Gott, ich bin ein nörgeliges, undankbares Biest. Es ist aber auch wirklich nicht leicht, dreiunddreißig zu werden, ohne nennenswerte Ziele der jugendlichen Lebensplanung erreicht zu haben. Aber dafür können ja meine Freunde nichts, die es nur gut mit mir meinen. Mit liebevoller Aufmerksamkeit widme ich mich also Peters Geschenk.

»Oh, ein Buch?«, hauche ich lächelnd. Die Form der nachlässig verpackten Gabe lässt keinen Freiraum für Interpretationen.

»Korrekt«, antwortet Peter.

Innerlich gewappnet mache ich mich darauf gefasst, dass sich unter dem Papier wieder einer von Peters Lebenshilfe-Scherzen verbirgt – wie der Südamerika-Reiseführer im letzten Jahr. Für die Reise, von der ich immer spreche, die ich aber vermutlich nie machen werde.

Anklagend sieht der Buchtitel zu mir hoch, nachdem ich das Geschenkpapier abgewickelt habe: »Was ist Wahrheit?«

Ich schlucke, und in meinem Hinterkopf geht sofort ein fieses Affengeschnattere los. Peter hat bei allem, was er sagt und tut, einen tiefgründigen Hintergedanken. Was also will er mir sagen? Verdammt. Finden meine Freunde mich unehrlich? Dabei lehne ich Lügen und Heuchelei doch in jeder Form ab – außer vielleicht wenn es um Geschenke meiner Freunde geht. Na ja, vielleicht greife ich auch gelegentlich zu der ein oder anderen kleinen Notlüge. Aber das macht doch jeder, oder? Ich tue so, als läse ich den Klappentext. Dann lächele ich Peter zögernd zu. »Das klingt ja wahnsinnig interessant.«

Zum Glück fällt mir die sichere Methode der Spontanentspannung wieder ein, von der ich in dem Buch »Weil ich es mir wert bin« gelesen habe: Tief einatmen und gleich wieder ausatmen. Dann den Atem sechs Sekunden anhalten. Na bitte. Ich werde später über eventuelle, in Geschenkpapier verpackte Botschaften nachdenken. Übermorgen ist auch noch ein Tag. Wenn ich jetzt nicht in Grübeleien versinke, liegt vor mir ein wunderbarer Freitagabend mit meinen besten Freunden. Dann ein herrlich verkaterter Samstag. Und am Sonntag, wenn die Paare spazieren gehen oder eng umschlungen vor dem Fernseher sitzen, werde ich wieder arbeiten. Das ist der Vorteil eines freiberuflichen Singles. Er muss nicht den ganzen Sonntag untätig vor dem Fernseher hocken, um bei alten Schnulzen von einem besseren Leben voller Liebe zu träumen.

Apropos Schnulzen – Amal hat gerade meine gut versteckte Perry-Como-CD gefunden und »The most beautiful girl in the world« laut aufgedreht. Er strahlt Tanja an. Die beiden sind seit zwei Monaten ein Paar. Davor sind sie Ewigkeiten befreundet gewesen. Ich habe nie verstanden, wie so etwas passieren kann. Man hört zwar immer wieder davon, und »Harry und Sally« ist es schließlich auch so ergangen – aber ich persönlich habe niemals mit einem meiner alten Freunde schlafen wollen. Na ja, mit Peter habe ich geschlafen. Aber gleich im ersten Semester, als wir noch nicht alte Freunde, sondern frische Fremde waren. Da konnte ich schließlich noch nicht wissen, dass er sich einmal als philosophischer Berater selbstständig machen und von einer langen Asienreise eine chinesische Frau mitbringen würde, die seine Sprache nicht versteht, aber Feng-Shui in seine vier Wände bringt.

»Und das hat mir Louisa vor meiner Abreise für dich mitgegeben.«

Grinsend hält er mir noch ein Geschenk hin, das in etwa die Form eines Ufos hat. Ich packe es aus und halte eine kleine Schneekugel in der Hand. Statt weißer Flocken rieselt es allerdings winzige grüne Kleeblätter auf die Miniatur eines irischen Herrenhauses.

»Oh, wie schön«, sage ich und meine es nun tatsächlich ehrlich. Wir haben alle gemeinsam im letzten Jahr einige Zeit in Irland verbracht, um dort unsere Freundin Louisa und ihren Vater zu besuchen. Der hatte nämlich nach der unschönen Trennung von seiner Frau einen Jugendtraum verwirklicht und seinen Arztkittel in Deutschland gegen eine Küchenschürze in Irland eingetauscht. Sein Imbiss dort – in Sichtweite eines Herrenhauses, das genauso aussieht wie das in der Schneekugel – soll fantastisch laufen. Louisa haben wir dann leider auch an die grüne Insel und an Colin verloren, einen zugegebenermaßen bezaubernden Dozenten. In den hat sie sich nämlich unsterblich verliebt. Und auch Peter ist länger geblieben als geplant. Seine philosophische Praxis in Hamburg lief nicht so gut wie erwartet, deswegen hatte er sie eigentlich aufgegeben, um fortan Louisas Vater unter die Arme zu greifen. Aber dann hat er besagte Chinareise unternommen, sich in Liu verliebt und es vorgezogen, sich ihr als philosophischer Berater in Deutschland vorzustellen und nicht als begeisterter Frittenwender in Irland. Er will sie langsam an seine Zweitexistenz heranführen, ist schließlich nicht jedermanns Sache. Frechheit, dass ausgerechnet er mir ein Buch zum Thema »Wahrheit« schenkt. Egal, nicht drüber nachdenken! Begeistert schüttle ich die Schneekugel und vermisse Louisa ganz furchtbar.

»Auf Juli!«, ruft Peter und hebt sein Glas.

»Ja, auf ein wunderbares, neues Lebensjahr, in dem alles in Erfüllung geht, was du dir erträumst«, sagt Tanja und gibt mir einen Kuss auf die Wange, als ich neben ihr aufs Sofa sinke. Nebenbei krault sie Amal die Haare, der zu ihren Füßen auf dem Boden hockt – auf einem der seidenen, roten Kissen mit Schriftzeichen, die Peter mir zusätzlich zu dem Buch mitgebracht hat. Die Farbe Rot steht in China angeblich für Glück und Wohlstand, »und da Rot bei uns die Farbe der Liebe ist, kann bei dir eigentlich nichts mehr schiefgehen«, hat Peter kichernd gesagt. Das muss wohl so eine Art postmoderne Fusions-Mystik sein. Das Schriftzeichen wiederum ist die chinesische Zahl Neun, die wohl ewige Freundschaft bedeutet. Da hat er wirklich kunstvoll so viel Bedeutung wie möglich in ein kleines Kissen verpackt – typisch Peter. Aber irgendwie trotzdem süß.

»Darin könnte man auch wunderbar die Asche von Verstorbenen aufbewahren«, sage ich, auf das Kissen deutend, und erzähle von dem Telefonat mit meiner Mutter.

Wie sich herausstellt, ist sie nicht die Einzige, die sich schon ernsthafte Gedanken über ihr Ableben gemacht hat.

»Also, ich möchte verbrannt und nicht von Würmern zerfressen werden«, stellt Tanja fest. Ich bin überrascht. Bei ihrem Öko-Bewusstsein hätte ich darauf gewettet, dass eine korrekte Kompostierung, also die klassische Erdbestattung, viel eher in ihrem Sinne wäre. Amal will seine Asche in einer Rakete in den Weltraum fliegen lassen, um seinen kindlichen Traum vom Astronautendasein zumindest nach seinem Tod zu verwirklichen. Tanja gibt sofort bereitwillig ihr Einverständnis, ihre Asche ebenfalls ins Weltall zu schießen. Und Peter will sich in ein künstliches Korallenriff einpflanzen lassen, um damit posthum einen Beitrag an die Meeresbiologie zu leisten.

»Ich weiß aber nicht, ob Fische wirklich philosophische Beratung brauchen«, sagt Toni und lacht.

Peter zieht beleidigt die Augenbrauen hoch. »Freunde, können wir dieses Lästermaul nicht auch einfach in den Weltraum schießen? Am besten jetzt gleich?«, fragt er mit gespielter Verzweiflung.

Toni wirft – immer noch lachend – mit dem Kissen nach ihm. Tanja und Amal sehen sich an und verdrehen die Augen. Klar, die beiden sind ja nun dank erhebender Liebe über die Albernheiten ihrer drolligen Freunde erhaben.

»Können wir jetzt losgehen?«, frage ich ungeduldig. Ich kann es kaum erwarten, in unser aller Lieblingsrestaurant zu gehen, dessen Besitzer Noah die leckersten Cocktails überhaupt mischt.

Als wir eintreffen, begrüßt er mich mit einem Wangenkuss.

»Hallo Geburtstagskind, dein erster Gimlet geht aufs Haus.«

Die Lachfältchen rund um die warmen braunen Augen vertiefen sich, als ich mir die Hand aufs Herz lege und hauche: »Danke, du bist der Beste.«

Ein wenig fühlen wir uns mittlerweile wie seine Adoptivkinder. Auch wenn unsere Väter niemals ein Goldkettchen um den Hals tragen oder uns zum Trinken animieren würden. Mit seiner beleibten Statur und den wirren, grauen Locken wirkt er auf anheimelnde Art verlebt. An unseren Tisch kommt er immer persönlich, statt eines seiner zauberhaften Mädchen zu schicken.

Noah weiß stets, was gerade bei uns anliegt und hat dann die passenden warmen Worte für uns übrig.  Ja, ein wenig kommt er mir wie die Mutter vor, die ich nie hatte, wenn er mich so umsorgt.

»Wir nehmen übrigens das Gleiche«, sagt Toni.

»Aber ihr müsst zahlen.« Mit gespielt strenger Miene streckt er jedem meiner Freunde nacheinander den Zeigefinger entgegen.

»Och«, macht Toni.

Sie und ich teilen eine Leidenschaft für Krimis von Raymond Chandler und für das Lieblingsgetränk seines Privatdetektivs Philip Marlowe. Zumindest, was die Gimlets angeht, konnten wir unsere anderen Freunde anstecken.

»Wieso hast du dich eigentlich von Thomas getrennt?«, fragt Amal mich abrupt, als wir alle schon etwas angetrunken sind.

Eine heikle Frage. Die »Feuersbrunst meines Herzens« hat uns sozusagen verbrannt. Das ist der Titel eines üblen Machwerks. Es gibt ein Stadium in Liebesbeziehungen, in dem ich wieder die Romane lese, die ich als Single auch lese, dann aber zumindest nicht verstecken muss. Die, auf deren Cover sich halb entkleidete, weichgezeichnete Pärchen räkeln. Also die billigen Dinger, die mit Vorliebe in der Vergangenheit spielen, als die Männer noch echte Männer und die Frauen noch echte Frauen waren. Einer ehemaligen Germanistikstudentin natürlich unwürdig, bieten sie dafür aber adelige, anfangs leicht distanzierte Herren, denen ein weiblicher Wirbelwind Schloss und Hormone aufmischt. Oder einen Lebemann, den umgekehrt ein strenges, junges Mädchen bekehrt. Außerdem wird darin reichlich Sex geboten, bei dem alle Beteiligten (in diesen Romanen meist nur zwei) genau gleichzeitig und mit einem seligen Seufzer zum Höhepunkt kommen. Das tröstet, wenn man alleine ist. Aber eben auch, wenn man anfängt, sich in einer Beziehung alleine zu fühlen.

Wenn man sich allerdings zu sehr mit der Heldin identifiziert, kann Schlimmes geschehen: Der Typ, der neben einem im Bett schnarcht, erscheint im Vergleich so blass, leidenschaftslos und wenig galant, dass man sich sofort nach einem anderen umsehen möchte. Bei Thomas hatte ich die Empfindung über ein halbes Jahr hinweg jeden Abend, und nichts ließ mehr auf eine rauschende Zukunft hoffen. Danach habe ich die Trennung oft bereut, weil Thomas eigentlich ein netter, zuverlässiger, intelligenter Mann ist. Einer, den sich jede Frau wünscht, die von einer reifen, erwachsenen Beziehung träumt. Aber das alles werde ich nun vor den anderen sicher nicht zugeben.

»Na ja, zuletzt war es eben eher geschwisterlich«, lautet die knappere Variante.

»Da waren Tanja und Amal aber raffiniert«, meint Toni, »die haben die Geschwisterlichkeit einfach zehn Jahre lang vorweggenommen. Dann kann ja nur noch ein Leben voller Leidenschaft und grandiosem Sex auf sie warten.«

Tanja wird rot. Und ich schweige lieber, weil ich daran ja nicht glaube. Ich habe mich noch nie in einen Mann verliebt, zu dem ich mich nicht von Anfang an hingezogen fühlte. Ich unterstelle diesen ehemals nur freundschaftlich verbundenen Paaren eher Bequemlichkeit und die Angst vor den unberechenbaren Risiken der freien Wildbahn. Vermutlich machen diejenigen, die von einer Freundschaft in eine Beziehung geschlittert sind, anschließend genauso geschwisterlich weiter, was sie letztendlich von anderen langjährigen Paaren nicht unterscheidet. Die verbindet aber zumindest immer noch die Erinnerung an eine Phase heißer Leidenschaft. Ach, das Leben ist einfach zu kompliziert, die Erwartungen zu hoch. Man sollte Ehen wieder arrangieren, und Frauen von der ohnehin nur lästigen Berufstätigkeit befreien. Dann sind sie abhängiger und können es sich nicht leisten, gutverdienende Männer wie Thomas zu verlassen, die im Grunde alles richtig gemacht haben. Da haben wir nun endlich die neuen Männer, die über Gefühle sprechen und aufmerksam sind, und träumen immer noch von den unterbelichteten Typen aus amerikanischen Altherrenromanen, die ihre Schwiegertöchter flachlegen und ihre Frauen anschweigen. Schwieriges Terrain. Vielleicht sehen meine Freunde das insgeheim genauso, denn wir wechseln rasch das Thema. Ausgehend von der mystischen Bedeutung meines neuen Kissens sind wir plötzlich mittendrin in der lebhaftesten Diskussion über die neue Esoterikwelle. Tanja glaubt an westliche Sternzeichen, Peter an fernöstliche. Amal, Toni und ich glauben an gar nichts und machen uns über sie lustig. Ich habe insgeheim ein schlechtes Gewissen dabei. Rein intellektuell lehne ich den neu aufkeimenden Boom natürlich wirklich ab. Und selbstverständlich glaube ich auch nicht ernsthaft an Horoskope. Aber ich lese sie doch zu gerne. Und wenn ich gerade mal einen Partner habe, lese ich den Text für dessen Sternzeichen gleich mit, um dann in helle Aufregung zu geraten, wenn dort eine Tendenz zu Affären oder Abenteuern angekündigt wird. Ekelhaft, dieser ganze Irrglaube.

»Ich möchte, dass es mal wieder ein Roman in die Bestsellerlisten schafft, in dem kein Vampir auftaucht oder die größte Liebe erst im Jenseits möglich ist«, sagt Toni gerade aufgebracht.

»Ja. Und Sachbücher, in denen es nicht ums Pilgern, Ayurveda oder Engel geht«, pflichte ich ihr schnell bei.

»Ich meine«, sagt Toni, »alle Hollywood-Schauspieler sind doch jetzt Buddhisten oder Hindus oder sonst was. Das ist doch absurd. Oder könnt ihr euch umgekehrt vorstellen, dass sich ein hinduistischer Bollywood-Schauspieler plötzlich einen Rosenkranz ums Handgelenk schlingt, Wasser aus Lourdes trinkt und sich dazu – in absoluter Verkennung der Unterschiede der westlichen Religionszugehörigkeiten – Luthers Thesen in dekorativem Tribal-Rahmen aufs Schulterblatt tätowieren lässt?«

Tanja wirft flugs einen Blick auf Amals Hände, als wolle sie nach dem Rosenkranz suchen. Amal sieht nämlich fast genauso aus wie sein Namensvetter, der indische Superstar Amal Roshan. Unwirklich hübsch für einen Mann. Hellbraune Augen unter langen schwarzen Wimpern und dazu ein paar Zahnreihen, gegen die Tom Cruises Veneers dunkelgelb aussehen. Er ist zwar Jurist, aber selbst meine Mutter würde einem Typen mit diesem Äußeren die spießbürgerliche Berufswahl verzeihen. Ich habe mich allerdings nie zu ihm hingezogen gefühlt. Das wäre so, als würde man sich in Barbies Ken verlieben. Zu glatt, zu perfekt.

Mich beschleicht der Gedanke, dass Toni Recht hat. Anscheinend ist alle Vernunft aus der Alten Welt und ihrem Sprössling, den USA, abgezogen und in die östliche Welt abgewandert. Die bauen jetzt riesige Firmen, Atomwaffen und gigantische Einkaufszentren und verpesten die Umwelt, während wir uns in »Entschleunigung« üben. Eigentlich haben sie uns schon besiegt. Darauf noch einen Gimlet.

Wir bleiben, bis alle anderen Gäste gegangen sind und spielen mit Noah mein Lieblingsspiel: Schauspieler über fünf Ecken zusammenbringen. Es beruht auf der Theorie, dass alle Menschen auf der Welt über fünf Ecken miteinander bekannt sind. Und weil ich so wahnsinnig viele Filme geguckt habe, kann ich eigentlich alle Schauspieler der Welt über fünf Filme zusammenbringen.  »Franka Potente und Humphrey Bogart.« Noah wackelt herausfordernd mit seinen graumelierten Augenbrauen.

»Oh, das ist schwer«, sagt Tanja.

Doch nach ein wenig Kopfzerbrechen gelingt es mir triumphal, die passenden Filme zu finden.

Kurz darauf ertönt aus den Boxen »Sweet Dreams« von Eurythmics. Aus irgendeinem Grund liebt Noah diesen alten Hit und hat ihn zu seinem Rauswerfer-Song gekürt. Dank unseres guten Durchhaltevermögens haben meine Freunde und ich ihn schon sehr häufig gehört. So oft, dass wir uns mittlerweile voneinander mit den Worten »Süße Träume« verabschieden.

Aber an diesem Abend bin ich noch gar nicht bereit, das Weinstein zu verlassen. Ich lasse meinen Blick über all das dunkle Holz der Tische und Stühle  und die goldfarbenen, mit barocken Ornamenten verschnörkelten Regalborde an den weinroten Wänden gleiten, auf denen Noah seine liebsten Flohmarkt-Fundstücke unterbringt. Kannen im Zwiebelmuster, Lampen mit Schirmen aus Tiffany-Glas und eine Schneekugel-Spieluhr mit einer tanzenden Ballerina darin. Dazwischen hängen gerahmte Autogramme von Stars, die schon einmal in diesem Restaurant gegessen haben – Hamburger Labskaus natürlich, dafür ist Noah berühmt.

Ich liebe diese Oase des Nostalgischen inmitten all der Lounge-Clubs in Hamburg. Hier fühle ich mich wie Zuhause. Der Alkohol ist wirklich eine wunderbare Erfindung! Dies ist einer jener Abende, an denen man eins ist mit sich und der Umwelt und denkt: Genau dies hier, dieser Moment ist das Leben. Nicht diese übliche Kette von Tagen, die vergehen, ohne dass man es überhaupt bemerkt. An denen man tagsüber grübelt, was eigentlich genau von einem erwartet wird, und nachts, ob man es hinreichend erfüllt hat.

***

Meine Stimmung am nächsten Morgen ist weniger euphorisch. Ich bin verkatert und habe einen rostigen Geschmack im Mund. Je mehr ich versuche, ihn mit Mineralwasser wegzuspülen, desto schlimmer wird er gemeinerweise. Außerdem fühle ich mich schwach, weinerlich und sentimental. Es ist wohl so eine Art Post-Geburtstagskrise. Ich vermisse die gute alte Zeit, in der man selbst Anfang zwanzig und die Welt voller vermeintlicher Gewissheiten war: Mit dreißig würde man natürlich Haus, Mann und Kinder haben. Aber bis dahin war ja zum Glück noch so unendlich viel Zeit, dass man vergnügt vorgeben konnte, so etwas unglaublich Ödes niemals zu wollen. Niemals würde einen das Leben der Erwachsenen erwarten, in dem Ehemänner ihre Frauen betrügen und Freundinnen schwanger werden.

Und plötzlich kommt eine Einladung zum Klassentreffen, bei der man zunächst vermutet, die Absender hätten sich vertan. Man kennt keinen Namen auf der Liste. Dann fällt einem auf, dass die Frauen einfach nur andere Nachnamen haben. Nur ich heiße noch so wie beim Abitur: Juli Sommer. Wieso ist der Übergang so schleichend, warum gibt es keinen Punkt, an dem man vorgewarnt wird: Jetzt wird's ernst. Wieso ist das Leben so grausam? Wieso muss man plötzlich aufwachen, mitten im »echten« Leben stecken, in dem die Fenster der Möglichkeiten immer kleiner werden? Wieso? Wieso kann man nicht mehr Rockstar, Schauspielerin oder Archäologin werden? Das wäre doch alles mal drin gewesen. Mist, dies wird wieder so ein vergrübelter Tag. Vermutlich werde ich am Nachmittag erschöpft einschlafen, mich abends noch zerstörter fühlen, dafür dann aber gar nicht mehr schlafen können.

Das Telefon klingelt. Ich bin einfach zu wehrlos. Obwohl ich ganz genau weiß, dass es am Samstagmorgen nur meine Mutter wagt, mich anzurufen, gehe ich an den Apparat.

»Na, wie fühlt man sich mit dreiunddreißig?«, fragt sie.

»Schwach«, erwidere ich und merke erschrocken, wie abweisend ich klinge.

»Hast du wieder zu viel gefeiert? Ich bin ja abends meist zu erschöpft, um etwas zu unternehmen. Aber so ist das wohl, wenn man Verantwortung für einen Haushalt trägt, für einen Mann sorgt und zwei Kinder großgezogen hat.« Sie seufzt.

Oh nein, bitte nicht. Sie ist in Leidensstimmung, das erkenne ich sofort. Es gibt Tage, an denen ich sie fast normal finde. Und es gibt Tage wie diesen, an denen sich die eindeutig schizophrene Tendenz in ihrem Charakter nicht leugnen lässt.

An einem Tag vergisst sie ihre Kinder völlig, um im von Papas Geld finanzierten Nobelkostüm immer noch den Hippie im Geiste zu spielen und sich obskuren Selbstfindungstrips hinzugeben. Dann wieder hat sie diese weichgespülten Phasen, in denen sie so tut, als sei sie schon immer der aufopferungsvolle Muttertyp gewesen, der in weißer Baumwollschürze pausenlos duftenden Apfelkuchen und sonntags Rouladen serviert. Eine von denen, die ihres Lebenssinns beraubt werden, wenn die Kinder ausziehen. Und, was soll ich sagen: Es funktioniert hervorragend. Ich bekomme sofort Schuldgefühle und vergesse glatt, dass ich mir nach der Schule immer selbst Tiefkühlkost – wenn denn überhaupt welche da war – zubereiten musste, weil meine Mutter in anderen Sphären schwebte und nicht wirklich Zeit für so profanes Zeug hatte. Irdischer Pragmatismus und totale Transzendenz können bei ihr schneller wechseln als das Wolkenbild an stürmischen Tagen.

Aber heute bin ich nicht in der Lage, mich dem Berg der Schuld zu stellen, der aus den Tatsachen besteht, dass ich zu selten zu Besuch komme, dann zu schnell wieder abreise und auch sonst nicht zur pausenlosen Belustigung tauge. Deswegen stelle ich meine Ohren auf Durchzug.

»Nerve ich dich etwa?«, fragt sie irgendwann im Verlauf des Gesprächs empört.

»Nein, natürlich nicht, Mama.«

»Nie komme ich hier raus aus dem Kaff. Und ich muss einfach mal wieder in den Urlaub fahren, einfach mal raus hier. Aber dein Vater stellt sich quer.«

Ich verstehe ihn gut. Im Gegensatz zu ihr geht er als Physikprofessor einem geregelten Broterwerb nach, und sie fahren ohnehin schon dreimal im Jahr in den Urlaub. Ein weiteres Mal stürzt sie sich mit ihren überspannten Freundinnen in Abenteuer, zu denen zählt, unter Alkoholeinfluss ihre Wirkung auf jüngere Männer zu testen. Ich hoffe ja nur, dass Tanja, Toni und ich nie so enden werden. Und ich ahne, was nun kommen wird.

»Sollen wir drei nicht mal wieder verreisen? Nur wir Mädels?«, fragt meine unerschrockene Mutter.

Innerlich schreie ich. Vor ein paar Jahren sind Mama, meine Schwester Ruth und ich gemeinsam eine Woche nach Rom gefahren. Am Ende der Woche hatte sie uns durch alle Museen gejagt, und wir mussten sie mit Mühe davon abhalten, im Trevi-Brunnen zu baden. Sie verplante jede Sekunde nach ihrem Gutdünken, zählte in jedem Café auf, welche Promis hier schon verkehrten, und erklärte uns, warum wir genau dort nun auch sitzen müssten. Ich bin mir sicher, dass sie keinen der Namen gekannt hatte, bis sie im Reiseführer auf ihn gestoßen war. Aber wie unser Vater wehren auch Ruth und ich uns nur selten gegen die Launen unserer Mutter. Es ist einfach zu anstrengend. Am letzten Tag lagen bei Ruth und mir die Nerven blank. Wir konnten einfach nicht mehr. Wir planten den Widerstand und sagten unserer Mutter, dass wir den Verlauf dieses Tages bestimmen würden: Ein einfacher Spaziergang mit anschließendem Kaffeegenuss in einem zufällig entdeckten Café. Ruth ist die Mutigere von uns, sie ergriff das Wort. Mama war entsetzt. Sie wurde ganz blass. »Aber in dem Café, in das ich mit euch wollte, saß schon Fallsack.«

»Balzac«, ächzte Ruth.

Mama umklammerte den Reiseführer in der Hand, bis die Fingerknöchel weiß hervortraten, und flüsterte: »Aber ich hatte mich doch schon so darauf gefreut. Warum wollt ihr mir denn den Urlaub verderben? Wir können doch auch einmal machen, was ich mir wünsche!«

Da rastete Ruth aus: »Wir haben alles getan, damit du einen schönen Urlaub hast! Wir haben alles gemacht, was du wolltest! Jetzt können wir einfach nicht mehr! Wir machen uns heute einen entspannten Tag, und wenn du unbedingt noch Zeit mit Balzac verbringen willst, dann kannst du es doch auch einmal alleine tun!«

»Aber dann habe ich keine Freude daran. Ich dachte, alles, was wir gemacht haben, hätte euch auch gefallen. Wenn ich gewusst hätte, dass ich euch nur quäle, wäre ich einfach zuhause geblieben.«

»Es hat uns ja auch gefallen, aber ...«

»Na, dann könnt ihr doch heute auch einmal etwas für mich tun.«

Wir müssen ein göttlicher Anblick gewesen sein: zwei erwachsene Frauen, die wie eine düstere, aber immer noch brave Version von Hanni und Nanni hinter ihrer innerlich triumphierenden, wenngleich nach außen hin immer noch schmollenden Mutter her trotteten.

Deswegen muss ich einen vergleichbaren Urlaub verhindern, der nur in Muttermord enden kann. »Ich würde ja so gerne, aber ich muss so viel arbeiten, dass ich es in nächster Zeit einfach nicht schaffe«, sage ich hastig.

Das ist nur halb gelogen. Dummerweise kann ich jetzt nicht auch noch ablehnen, am Wochenende zu Besuch zu kommen. Ich lege mit dem blöden Gefühl auf, wieder mal von ihr ausgetrickst worden zu sein.

Dann fällt mein Blick auf das Wahrheitsbuch von Peter auf dem Tisch. Hätte ich ihr sagen müssen, dass die »Nur-wir-Mädels«-Reise die schrecklichste meines Lebens war, und ich sie niemals wiederholen will? Nein, das hätte sie schließlich verletzt und ihr das Gefühl gegeben, dass ich nichts mit ihr zu tun haben will, was ja so nicht stimmt. Und wäre das nicht noch unehrlicher gewesen als eine Lüge, die ihr das Gefühl vermitteln sollte, dass ich letztendlich für sie irgendwie auch Liebe empfinde?

Ich schlafe ein.

Wie erwartet liege ich dafür in der Nacht wach. Eine schlaflose Nacht ist etwas Merkwürdiges. Mir gehen dann immer die schlimmsten Dinge durch den Kopf. Der ganze Müll, der sich tagsüber unbemerkt angesammelt hat. Da bekomme ich plötzlich eine panische Angst vor allen möglichen Sachen, die einem tagsüber lächerlich erscheinen würden. Obwohl mein Kopf das weiß, kommt er nicht gegen die schaurigen Gefühle an. Ich versuche, mit positiven Gedanken gegen die Furcht anzusteuern. Visualisierungsübungen sollen schließlich bei fast allem helfen. Ich male mir also aus, wie ich über die grüne Wiese eines blühenden Parks direkt in die Arme des attraktiven Schlossherrn laufe. Leider verschwimmt das Bild immer wieder. Und ich muss wieder daran denken, dass ich mir das alles ganz anders vorgestellt hatte. Bald bin ich 40, 50, 60 und dann tot. Und dann? Waren das schöne, unbeschwerte Zeiten, als man sich als Kind noch unsterblich wähnte. Wenn man erst mal anfängt über das Ende nachzugrübeln, hört man nicht mehr auf. Und keine Lösung ist trostreich. Ich spiele sie, wie schon so oft, in Gedanken durch: ewiges Leben irgendwo im All – eine so erschlagende Vorstellung, dass man sie nicht aushält.

Abtauchen ins Nichts – eine so erschlagende Vorstellung, dass man sie nicht aushält.

Wiedergeburt? Aber dann würde man sich ja nicht an sein Vorleben erinnern. Es sei denn, man wird zufällig Esoterikerin und macht eine Rebirthing-Therapie wie meine Mutter. Und wenn man sich nicht erinnert, es also keinerlei Brücke zwischen den Leben gibt, ist das ja genauso wie ins Nichts abzutauchen, also auch nicht trostreich. Aber an was soll man glauben? Wer irrt sich, und wer hat Recht? An diesem Abend geschieht das Schreckliche. Mir fällt ein unschlagbares Argument ein, das eindeutig fürs Nichts spricht: Was ist denn bitte schön mit den Tieren? Die haben doch auch ein Bewusstsein. Warum sollen wir eine jenseitige Vorzugsbehandlung kriegen, nur weil wir einen grammatikalisch korrekten Satz formen, und unser Dilemma deswegen immerhin artikulieren können? Das erscheint mir unlogisch. Und ein Hundehimmel, da lass ich noch mit mir reden, aber kann man sich ein Regenwurm-Nirwana vorstellen? Nein, natürlich nicht! Das bedeutet, dass es kein Lebewesen in eine andere Welt schaffen wird, wir bald alle weg vom Fenster sind und einige Menschen, an denen ich hänge, noch vor mir.

Da muss ich einfach losheulen, um meine Liebsten, die Regenwürmer und mich. Im größten Elend finde ich endlich eine Lösung für das Wahrheitsproblem: Statt meiner Mutter die Wahrheit zu sagen, dass ich nie wieder mit ihr in den Urlaub fahren will, werde ich fürs gute Gewissen endlich mal eine andere Wahrheit über die Lippen bringen: dass ich sie trotz allem liebe. Wenn sie mich nicht vorher wieder zur Weißglut bringt. Ha! Alles in allem bin ich ein guter Mensch. Der vierunddreißigste Geburtstag kann kommen. Aber bitte nicht so schnell.

Kapitel 2

Auf dem Weg in die Redaktion geschieht das Wunder. Eigentlich will ich nur einen ganz kurzen Blick in das Schaufenster der gegenüberliegenden Buchhandlung werfen, da sehe ich ein Plakat, auf dem eine Lesung mit Rafael Bleibtreu angekündigt wird. Ich habe noch nie etwas von dem Schriftsteller gehört, aber ich erkenne ihn sofort: die langen, dunklen Wimpern, die sensible Mundpartie. Ich bin mir ganz sicher, dass seine Augen grün sind. Es ist allerdings ein Schwarz-Weiß-Foto, deshalb kann ich das nicht so genau feststellen. Er ist jedenfalls der Mann, für den ich alle anderen vergrault habe. Der Mann, der mich blind verstehen wird und bei dem ich automatisch zu der Frau werde, die ich immer sein wollte. Welche, das weiß ich noch nicht ganz so sicher: entweder die geheimnisvolle Schöne à la Lauren Bacall oder der bezaubernde Wirbelwind à la Holly Golightly aus »Frühstück bei Tiffany«. Oh, vielleicht lieber Letzteres. Holly bringt – zumindest in der nicht so werktreuen Verfilmung – ja auch den zurückhaltenden Schriftsteller dazu, am Leben teilzuhaben. Und dieses Gefühl des richtungslosen Heimwehs, dieser Sehnsucht nach irgendetwas, das man nicht näher fassen kann, wird sofort verfliegen. Und in drei Wochen werde ich ihm begegnen, denn da – so steht es auf dem Plakat – wird er in dieser Buchhandlung lesen. Ich gehe sofort hinein. Es gibt diese großen Momente im Leben, in denen man nicht zögerlich sein darf, sonst sind sie vorbei, und man wird sich immer fragen, was wohl geworden wäre, wenn. Gleich beim Reinkommen sehe ich die Bücherstapel, auf denen sein Name zu lesen ist. Ich schnappe mir drei Romane und trage sie zur Kasse.

»Und zwei Karten für die Lesung«, sage ich bestimmt zu der Kassiererin. Irgendjemand von meinen Freunden wird mich schon begleiten. Ein bisschen moralischer Beistand kann bei einem solchen Ereignis sicher nicht schaden.

Die junge, zarte Dunkelhaarige ist vielleicht Anfang zwanzig. Seit wann ist die ernsthaft arbeitende Bevölkerung jünger als ich? Bald ist es so weit, dass selbst Ärzte und Anwälte in meinen trüben Augen keine Autoritätspersonen mehr sind, sondern ich sie mit zittriger Stimme »junger Mann« nenne.

»Er ist so toll, oder?«, fragt mich das Mädchen mit verbrüderndem Lächeln, als sie die Karten und Bücher über den Tresen schiebt.

Prompt spüre ich einen Stich der Eifersucht. Wenn er womöglich mehreren Frauen das Gefühl vermittelt, für sie bestimmt zu sein, wie kann ich mir dann sicher sein, dass die anderen sich irren und ich mich nicht?

»Ein bisschen zu alt für Sie vielleicht«, sage ich mit damenhaft nachsichtigem Lächeln, als würde mich das alles gar nichts angehen.

»Ach, ich habe gelesen, dass er gerade erst vierzig geworden ist. Das geht ja noch.« Sie zwinkert mir tatsächlich zu.

Ich schnappe die Tüte und verlasse den Laden.

***

Im Kulturressort sitzt noch kein Mensch. Großartig, dann kann ich jetzt in Ruhe ein paar Texte tippen und habe nachher mehr Zeit zu quatschen. Eigentlich könnte ich als Freiberuflerin zuhause arbeiten, nutze diese Freiheit aber nur, wenn ich Texte für andere Abnehmer schreibe. Ich kann mich in der Arbeitsatmosphäre einfach besser konzentrieren. Man fühlt sich auch nicht so einsam, wie wenn man den ganzen Tag allein vor dem heimischen Rechner sitzt und sich nebenher am Telefon mit Menschen unterhält, die man nicht sieht. Im Haus laufen viele wie ich herum, die bei dem Blatt, bei dem sie ihr Volontariat absolviert haben, hängen geblieben sind. Sie besetzen die leeren Plätze derer, die in den Ruhestand gegangen sind. Neueinstellungen gibt es in Zeiten der wirtschaftlichen Flaute ja nicht. Ich schreibe hauptsächlich Kinokritiken. Weil das zum Leben nicht reicht, lungere ich außerdem in den anderen Ressorts rum, um Aufträge abzugreifen.

Aber erst mal muss ich mir einen Kaffee vom Automaten holen und dann vielleicht noch mal kurz bei eBay nachsehen, ob ich das schmal geschnittene, schwarze Kleid von Boss ergattert habe. Das würde ich dann zur Lesung tragen. Vielleicht kaufe ich mir auch noch ein Glätteisen. Ich habe gelesen, dass die neuen Exemplare mit Keramikbeschichtung nicht mehr so schädlich für die Haare sind. Und glattes, schulterlanges Rotgoldhaar würde zu dem Kleid einfach besser aussehen als eine ungleichmäßige Naturwelle, bei der in willkürlichen Stufen die abgebrochenen Spitzen abstehen – wenn man nicht Unmengen von klebrigem Zeug reinschmiert. Das tue ich nur ungern, weil ich in irgendeinem Frauenmagazin gelesen habe, dass die in den Produkten enthaltenen Silikone die Haare so verstopfen, dass sie keine Pflegestoffe mehr aufnehmen können und schließlich noch kaputter aussehen.

Während ich noch so sinniere, laufe ich am Kaffeeautomaten beinahe in André rein. André ist Sportredakteur. »Hallo, Juli. Komm, ich gebe dir einen Kaffee aus.«

Das ist ein nettes Angebot. Und André ist auch wirklich sehr nett. So nett, dass man von ihm eigentlich nicht mal einen Automatenkaffee annehmen möchte, weil man das Gefühl hat, ihn irgendwie auszunutzen oder ihm falsche Hoffnungen zu machen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich ihm gefalle, er macht jedenfalls keinen Hehl daraus. In den Blattkritiken lobt er immer meine Artikel, und wenn ich mal Unsinn rede, hört er mir ganz ernsthaft interessiert zu. Dass ich dabei so ein schlechtes Gewissen habe, liegt daran, dass ich aktiv zu seiner Begeisterung für mich beigesteuert habe. Als ich in diesem Haus anfing, habe ich nämlich ein wenig mit ihm geflirtet. Warum auch nicht, er ist schlank, sportlich und hat ein hübsches Gesicht. Ich habe damals aber schnell begriffen, dass ich seine Leidenschaft für Minigolf niemals teilen würde und er sich etwas zu sehr bemüht, mir zu gefallen. Nicht sexy.

»Oh, vielen Dank. Aber eigentlich wollte ich nur einen Schokoriegel«, sage ich schnell und werfe meinen Euro in den Süßigkeitenautomaten nebenan. André sieht enttäuscht aus, und ich bin auch nicht glücklich. Weder habe ich Lust auf ein Würstchen noch auf eine Tüte Erdnüsse oder einen der Schokoriegel mit sonnengebleichter Verpackung. Egal, ich nehme den Schokoriegel.

»Hast du schon eine Verabredung zum Mittagessen?«

Das ist das Ärgerliche an Menschen, die einen mehr mögen, als sie es sollten. Man fühlt sich schon von einer unverfänglichen Einladung bedrängt und wird sauer, weil man ganz ohne Aufwand nicht aus der Nummer rauskommt. Dann fühlt man sich wegen dieser negativen Gedanken schuldig und wird dadurch noch abweisender. Warum kann es nicht immer bei allen Menschen eine Gleichzeitigkeit des Empfindens geben? Das Leben wäre so viel einfacher.

»Ich habe leider nachher noch einen Termin.«

André lächelt gequält.

»Aber demnächst müssen wir das unbedingt mal wieder machen«, füge ich schnell hinzu.

Als ich mit dem Schokoriegel die Treppe zur Kulturredaktion hinaufsteige, kommt mir ein tiefgreifender Gedanke: Wie soll Rafael mich in der Masse vermutlich überwiegend weiblicher Zuhörer überhaupt entdecken? Wenn wir füreinander bestimmt sind, wird er mich natürlich ohne Probleme finden. Dennoch, vielleicht sollte ich dem Chef sicherheitshalber vorschlagen, dass ich vorab mit Rafael ein Interview unter vier Augen mache. Dann erkennt Rafael mich bei der Lesung wieder, was ihm eine gewisse Vertrautheit inmitten all der unbekannten Gesichter vermitteln und uns schon gleich näherbringen könnte. Genau, lieber auf Nummer sicher gehen. Wieso habe ich nur noch nie etwas von ihm gehört? Ich krame in der Tüte. Die Titel klingen vielversprechend. »Das Wesen der Spiegel«, »Die Muskeln der Blume«, »Orpheus' Rache«. Ziemlich tiefsinnig, philosophisch und poetisch. Auf jeden Fall stammen sie von einem Mann mit Abgründen, die es zu erforschen gilt. Da öffnet sich die Tür, und Diana betritt den Raum. Ich versuche schnell, die Bücher in der Tüte verschwinden zu lassen, aber sie reißt blitzschnell eines an sich und quietscht: »Oh, Rafael Bleibtreu den finde ich so toll! Hätte aber nicht gedacht, dass der dir gefällt.«

»Wieso nicht?«

»Na ja, du machst ja immer so einen bodenständigen Eindruck.«

Das sollte ich eigentlich als Kompliment verbuchen, weil das wirklich noch nie jemand zu mir gesagt hat. Aber der Satz kommt von Diana und heißt deshalb im Klartext nichts anderes als: »Dir ungebildeten Kuh fehlt die Tiefe, um die Schönheiten der Kunst wahrhaftig zu begreifen.« Und das ausgerechnet von ihr, die unter Recherche versteht, im Internet bei Wikipedia abzuschreiben.

»Zufälligerweise werde ich ja über seine Lesung schreiben. Ich bin so gespannt, ihn kennenzulernen – ich glaube, wir haben wahnsinnig viel gemeinsam«, fährt das hinterhältige Luder fort.

Ganz kurz zweifele ich tatsächlich daran, dass Rafael – ich nenne den Mann meines Herzens beim Vornamen – und ich füreinander bestimmt sind. Andererseits kann er sich seine Leser nicht aussuchen. Wäre das anders, würde er sich von Diana ganz sicher nicht lesen lassen. Zumindest ist ihr offenbar der Einfall mit dem Interview noch nicht gekommen. Sie wird vor Wut kochen, wenn ich von meinem Treffen wiederkehre.

»'allo Juli, 'allo Diana«, grüßt uns Paul Picard, als er unser Büro betritt. Sein Vater und Namensgeber ist Franzose, und Picard findet es deshalb nicht unangebracht, die Mädels mit seinem aufgesetzten, französischen Akzent zu becircen. Toni und ich verkürzen seinen Namen hinter seinem Rücken zu »PaPi«, weil er immer so einen auf Sugar-Daddy macht.

Toni arbeitet auch für den Hamburger Morgen,als Literaturredakteurin. Sie hat viel schneller studiert als ich, deswegen früher ihr Volontariat begonnen und noch eine der letzten Festanstellungen ergattert. Aber der Verlag wäre auch dämlich gewesen, sie nicht zu behalten. Toni hat einfach Klasse. Sie wirkt immer selbstsicher und entspannt. Ich wünschte wirklich, ich wäre ein bisschen mehr wie sie.

»Hast du dir das Kleid von deiner kleinen Schwester geliehen, Chérie?«, will Picard von Diana wissen.