Der kleine Buchladen der Herzen - Jana Seidel - E-Book
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Der kleine Buchladen der Herzen E-Book

Jana Seidel

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Beschreibung

Wenn das Glück anklopft, musst du es auch festhalten: Der Wohlfühlroman »Der kleine Buchladen der Herzen« von Jana Seidel als eBook bei dotbooks. Wenn der richtige Mann erstmal da ist, wird alles perfekt – oder? Dass Tanja mit ihrem Freund Amal einen Glücksgriff gemacht hat, steht fest. Nur leider ist alles andere in ihrem Leben ein Durcheinander: Mit keinem Job will es auf Dauer klappen und so befürchtet sie, dass auch ihre neue Aushilfsstelle im kleinen Buchladen »Rosenbaums« ein Ablaufdatum hat ... Als Amal mitten hinein in dieses Chaos mit einem Ehering platzt, ergreift Tanja völlig überfordert die Flucht. Aber schon bald vermisst sie nicht nur Freund schrecklich, sondern auch die gemütliche Atmosphäre in ihrem traumhaften kleinen Buchladen ... Und gerade als sie beginnt, sich die gemeinsame Zukunft in den schönsten Farben auszumalen, wird es wieder brenzlig: denn wenn sie sich nicht beeilt, könnte Amals intrigante, viel zu hübsche Exfreundin ihr noch den Traummann abjagen! Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der humorvolle Liebesroman »Der kleine Buchladen der Herzen« ist der unabhängig lesbare dritte Band der »Glücksfreundinnen«-Reihe von Jana Seidel, der Fans von Manuela Inusa und Jenny Colgan begeistern wird. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 319

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Über dieses Buch:

Wenn der richtige Mann erstmal da ist, wird alles perfekt – oder? Dass Tanja mit ihrem Freund Amal einen Glücksgriff gemacht hat, steht fest. Nur leider ist alles andere in ihrem Leben ein Durcheinander: Mit keinem Job will es auf Dauer klappen und so befürchtet sie, dass auch ihre neue Aushilfsstelle im kleinen Buchladen »Rosenbaums« ein Ablaufdatum hat ... Als Amal mitten hinein in dieses Chaos mit einem Ehering platzt, ergreift Tanja völlig überfordert die Flucht. Aber schon bald vermisst sie nicht nur Freund schrecklich, sondern auch die gemütliche Atmosphäre in ihrem traumhaften kleinen Buchladen ... Und gerade als sie beginnt, sich die gemeinsame Zukunft in den schönsten Farben auszumalen, wird es wieder brenzlig: denn wenn sie sich nicht beeilt, könnte Amals intrigante, viel zu hübsche Exfreundin ihr noch den Traummann abjagen!

Über die Autorin:

Jana Seidel, geboren 1977, war schon immer von zu vielen unterschiedlichen Dingen fasziniert, um sich für einen ›ordentlichen‹ Beruf zu entscheiden. Im Schreiben fand sie daher den idealen Ausweg aus diesem Dilemma. Nach ihrem Magisterabschluss in Spanischer Literaturwissenschaft und Öffentlichem Recht arbeitete sie einige Jahre als Redakteurin. Heute lebt sie als freie Journalistin und Autorin glücklich zwischen Fiktion und Wirklichkeit – und als echte Lokalpatriotin mit Mann und Sohn im schönen Hamburg.

Jana Seidel veröffentlichte bei dotbooks ihre Romane »Ein Cottage zum Verlieben«, »Das Restaurant der süßen Träume« und »Das Café der süßen Wunder«. Letzterer ist auch im Sammelband »Ein Café zum Verlieben« erhältlich.

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eBook-Neuausgabe März 2024

Dieses Buch erschien bereits 2012 unter dem Titel »Mich gibt’s übrigens auch für immer« im Goldmann Verlag.

Copyright © der Originalausgabe 2012 by Wilhelm Goldmann Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Copyright © der Neuausgabe 2024 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Covergestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (mm)

ISBN 978-3-98690-930-7

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Jana Seidel

Der kleine Buchladen der Herzen

Roman – Die Glücksfreundinnen 3

dotbooks.

Kapitel 1

Was soll man sagen, wenn der Mann, mit dem man den Rest seines Lebens verbringen möchte, einem endlich die entscheidende Frage stellt? Ich meine natürlich die H-Frage! Wenn man sich diesen Moment davor schon monatelang ausgemalt hat. Und, wenn man ehrlich ist, eigentlich schon als Mädchen davon geträumt hat. Gut, damals hatte man vielleicht noch ein genaueres Bild von dem Kleid, das man tragen, als von dem Mann, der neben einem stehen würde. Schließlich kannte ich Amal da noch gar nicht. Seinetwegen ist der Sahne-Baiser-Traum in meiner Vorstellung einem knallbunten Sari gewichen. Das sage ich ihm lieber nicht, denn er ist längst so eingedeutscht, dass er den ganzen Ethno-Kram kein bisschen mag.

Amal ist mein umwerfender Freund mit indischen Wurzeln. Er ist witzig, schlau, nett, attraktiv und – nein, er ist kein IT-Spezialist, sondern Anwalt. Er ist also ganz offensichtlich perfekt. Und ich liebe ihn trotzdem.

Was also sagt man so einem Mann, wenn er einen fragt, ob man ihn heiraten möchte? Klingt wie eine rein rhetorische Frage. Mir ist es aber tatsächlich gelungen, den perfekten Moment absolut und unwiderruflich zu vermasseln.

Vielleicht hätte er sich ja auch einfach nur verkneifen können, mir den Antrag ausgerechnet unter einem Weihnachtsbaum zu machen. Das wäre für manch eine sicher der Gipfel der Romantik – mit all den Kerzen und dem Bling-Bling zwischen den grünen Zweigen. Für mich verkörpert der schmucke Christbaum aber den Horror schlechthin. Was soll ich sagen?! Manche Menschen haben eine Phobie, was Fahrstühle angeht, andere fürchten sich vor Schlangen, und ich bekomme Atemnot, wenn ich einen Weihnachtsbaum sehe. So ist das eben. Das konnte Amal nicht wissen, weil ich es ihm nie gesagt hatte. Wozu auch? Wie hätte ich denn ahnen sollen, dass ein Mann, der – zumindest auf dem Papier – Hindu ist, auf die Idee kommt, mir ganz stolz ein so überflüssiges Stück meines Kulturguts zu präsentieren. Und das am Vormittag des Heiligabends, noch bevor ich meinen ersten Kaffee intus hatte. Nicht, dass ich ihm da jetzt einen echten Vorwurf machen will...

Bevor ich es vergesse: »Oh, äh... ich weiß nicht«, war übrigens die klägliche Antwort auf die Frage aller Fragen.

»Wie meinst du das?«, hat er mich verwirrt gefragt und überrascht geblinzelt.

Ich weiß nicht, was ich meinte. Ich weiß ja noch nicht einmal, was ich denken oder fühlen soll.

»Du siehst aus, als hätte ich dir gerade eine Ohrfeige verpasst. Eigentlich habe ich dich aber gefragt, ob du mich heiraten willst. Was hast du denn?«

Um mich herum hat sich alles gedreht. Als er mir an die Schulter greifen wollte, habe ich ihn angefaucht. »Setz mich doch nicht so unter Druck!« Und bin aus der Wohnung gestürzt. Wenn ich also sage, ich habe es vermasselt, dann meine ich: Ich habe es so richtig vermasselt.

Wenigstens irre ich jetzt nicht ziellos umher, auch wenn es sich genauso anfühlt. Wie eine Schwachsinnige schlittere ich über Glatteis zu dem Altersheim, in dem ich auch an diesem Tag arbeite. Wie so oft bin ich zu spät dran und nun auch noch völlig aufgelöst. Mit allem hätte ich an diesem Tag gerechnet, nur nicht mit einem Antrag unter Weihnachtsgrün.

Ich dachte ja, Amal wären die Feiertage vollkommen egal. Schließlich kann für ihn das Christkind kaum mehr Bedeutung haben als für uns Ganesha, der Elefantengott mit dem Riesenrüssel. Dabei weiß ich wirklich nicht, warum ich so bescheuert reagiert habe. Ich meine, ich liebe diesen Mann und ich WILL meine Zukunft mit ihm verbringen ... Zu blöd, dass ich ihm das so nicht gesagt habe.

Jetzt wäre es sicher sehr hilfreich, so eine abgeklärte, freundliche Mutter zu haben, die gleichzeitig auch die beste Freundin ist. Die könnte ich fragen, warum ich so ein Problem aus etwas Wunderbarem mache. Sie würde mir eine dampfende Tasse heiße Schokolade reichen. Und während die süße Flüssigkeit meinen Körper von innen wärmt, würde ihre behagliche Mütterlichkeit meine Welt wieder in Ordnung bringen. Mit einem weisen Lächeln würde sie mein Haar tätscheln und so etwas sagen, wie: »Ach, Schatz, wie schwer du dir das Leben machst! Was spricht denn dagegen, einen Mann zu heiraten, den du über alles liebst? Einen Mann, mit dem du ohnehin den Rest deines Lebens verbringen möchtest.«

Schade nur, dass ich diese Mutter nicht habe. Meine wurde von einem riesigen Weihnachtsbaum in einem Kaufhaus erschlagen, als ich sechs Jahre alt war. In ihrer Einkaufstasche fand man einen Plüschhund. Ich habe den Hund natürlich sofort erkannt, als man ihn uns zeigte. Es war das Kuscheltier, das ich mir so brennend zu Weihnachten gewünscht hatte. Zwei Dinge wurden mir in diesem Moment schlagartig klar. Erstens: Es gibt keinen Weihnachtsmann – sonst hätte der Hund wohl kaum in der Einkaufstasche meiner Mutter gelegen. Und zweitens: Ich bin schuld an ihrem Tod, weil sie nie in dem Kaufhaus gewesen wäre, hätte sie nicht meinen Wunsch erfüllen müssen. Mein Vater hat mir den Hund als Erinnerung an meine Mutter gegeben, und ich habe diesen Beweis für mein Vergehen heimlich in Nachbars Garten verbuddelt, damit ich ihn nie wieder ansehen muss. Wenn mich jemand nach ihr fragt und ich wohl oder übel erwähnen muss, dass sie tot ist, deute ich immer eine schwere Krankheit an. Zum einen fällt es mir schwer, über die genauen Umstände zu sprechen, zum anderen möchte ich meine Zuhörer nicht in Verlegenheit bringen. Die entsteht automatisch, wenn man von jemandem erzählt, der auf diese irgendwie absurde Art gestorben ist. Das habe ich ganz schnell gelernt. Bei Erwachsenen, vorzugsweise bei meinen Lehrern, löste die Auskunft immer ein kurzes hysterisches Auflachen aus, das sie sofort mit einer Hand vor dem Mund erstickten. Sie konnten ja nichts dafür. Wenn Schock und Aberwitz sich paaren ist so eine Zwerchfell-Hysterie eine ganz normale Reaktion – mir geht es ganz genauso, wenn ich von Menschen lese, die sich von der Golden Gate Bridge stürzen, unten angekommen erleichtert sind, dass sie doch überlebt haben und dann von einem Weißen Hai gefressen werden. Oder der Typ, über den ich mal in der Zeitung gelesen habe, der an seinem Durchfall so verzweifelt ist, dass er ihn mit einem Betoneinlauf stoppen wollte und dabei über den Jordan ging. Deswegen erspare ich meiner Umwelt lieber die Details. Die Zuhörer können dann ganz automatisch auf routinierte Beileidsbekundungen zurückgreifen.

Meine besten Freunde wissen natürlich Bescheid, aber es hat sich nie die Gelegenheit ergeben, Amal einzuweihen. Als es mit uns angefangen hat, wollte ich ihn nicht gleich mit der »Sache« konfrontieren. Und später wäre es mir komisch vorgekommen, die Geschichte zwischen romantischem Abendessen und Kuscheln auf dem Sofa unvermittelt aus dem Hut zu zaubern.

Weil er nicht wusste, dass es ein Weihnachtsbaum war, der meine Mutter getötet hat, und dass ich diese Dinger seither nicht mehr ertrage, ist es verständlich, dass er dachte, man könne mir mit einem grünen, nadelnden Ungeheuer eine Freude machen. Schließlich würde so ein Baum bei den meisten wohl die Erinnerung an fröhliche Kindheitstage zwischen Apfel, Nuss und Mandelkern und unbeschwertem Konsumwahn wecken. Als man noch glaubte, keine Kreditkarte müsse für die seligen Gaben glühen, sondern ein weißbärtiger, alter Typ mit roter Kapuze werfe sie von seinem Rentierschlitten aus in die Schornsteine braver Kinder.

Ich schüttele mich. Durch die Kälte klären sich meine Gedanken leider so weit, dass ich alles, was gerade passiert ist, noch einmal wie in einem Film beobachten kann.

Amal bewies mit den goldenen und weißen Kugeln, die er für den Baum ausgesucht hatte, echten Geschmack. Liebevoll hängte er sie an die Zweige, während ich im Badezimmer so verzweifelt nach Luft schnappte, als würde ich gerade ohne Training einen Viertausender besteigen. Als ich mehrmals tief geatmet und die Zimmertür geöffnet hatte, lag mir das »Ich muss dir etwas sagen« wirklich schon auf der Zunge. Mein Vorhaben wurde aber jäh unterbunden von seinem »Ich möchte dich etwas fragen«. In dem Moment hatte ich keinerlei Vorahnung. Seine Worte kamen mir bloß wie eine merkwürdige Verdrehung meiner eigenen Gedanken vor. Das war der Moment, in dem alles begann, wie in einem Nebel zu verschwimmen. Ich ließ mich von ihm apathisch auf einen Hocker platzieren. Direkt neben den Baum, an dem echte Kerzen brannten. Es lief auch romantische Musik, weihnachtliche Chorgesänge, als er sich vor mir hinkniete, meine Hand nahm und mir die ganze Zeit unverwandt in die Augen sah, während er sagte: »Tanja, ich habe keine Ahnung, was in meinem Leben noch alles passieren wird, aber ich weiß genau, dass ich es nur mit dir erleben möchte. Also werde meine Frau. Und wenn ich dafür konvertieren und jedes Jahr einen Weihnachtsbaum schmücken muss.« Bei den letzten Worten zwinkerte er mir schelmisch zu. Er dachte vermutlich, ich wirke deshalb so verwirrt, weil ich vor Freude schlicht überwältigt war. Ich hielt die Luft weiter an. Irgendwo tief im Innern war ich das auch, aber das irre Gefühl wurde von etwas Ungutem so sehr überlagert, dass es nicht ganz durchdringen konnte. Ich hatte wirklich schon das eine oder andere Mal darüber fantasiert, das »Ja« schon Dutzende Male in Gedanken gehaucht. Ein läppischer Weihnachtsbaum – das war doch nur die Umgebung in diesem wichtigen Moment. Die sollte doch wirklich keine Rolle spielen bei einer Entscheidung, die das ganze restliche Leben bestimmt.

Ich bin ungeheuer wütend auf mich. Schließlich nimmt man in seinem Leben nur ein einziges Mal einen Heiratsantrag an. Wenn es gut läuft. Und wenn man ihn tatsächlich annimmt. Dies ist also meine Erinnerung für die Ewigkeit ... Wenn der Beginn des langen, gemeinsamen Lebens schon doof anfängt... Ich könnte mir in den Hintern treten.

Ich weiß gar nicht, wie ich Amal wieder unter die Augen treten soll. Er wird zu Recht stocksauer sein. Wer wird schon gerne ohne sinnvolle Erklärung sitzen gelassen, wenn er gerade einen Antrag gemacht hat. Bestimmt denkt er, ich hätte kalte Füße bekommen. Verdammt. Ich brauche einen wirklich tollen Plan, wie ich das wiedergutmachen kann. Männer würden in solchen Fällen wohl je nach Gehaltslage zu Blumen, Pralinen oder Juwelen und einer mündlichen Entschuldigung greifen, aber was machen eigentlich Frauen, wenn sie etwas verbockt haben? Falls es da irgendwelche Standards gibt, kenne ich sie nicht. Bis mir etwas Gutes einfällt, schreibe ich erst mal Peter, Juli, Toni und Louisa, meinen vier besten Freunden, per SMS frohe Weihnachtswünsche und versuche, mich vorerst auf meinen Job zu konzentrieren. Immerhin sind dies doch die Dinge, die bleiben, selbst wenn Amal nun nie wieder etwas mit mir zu tun haben will.

Was den Job angeht, ist die Aussicht auf eine lange gemeinsame Zukunft, die jede Beziehung überdauert, allerdings eher niederschmetternd. Meine Schichten in der Küche und der Cafeteria im »Drei Rosen« ist eine schlecht bezahlte, wenig fordernde Aufgabe. Obwohl es sich um ein echt teures Nobel-Altersheim handelt. Wirklich beschweren kann ich mich nicht: Ein paar der alten Leutchen habe ich richtiggehend ins Herz geschlossen, so dass ich das ein oder andere Mal schon freiwillig eine Stunde länger geblieben bin. Ich mag es, mit den Bewohnern über ihr Leben zu quatschen, mein Leben und bisweilen auch mal über die politische Weltlage (»Früher war alles besser«). Mit diesem Bonus sollte ich aber auch nicht langfristig planen. Schließlich werden diese Menschen irgendwann demnächst – wohl eher demnächst als irgendwann – abtreten. Ein trauriger Gedanke. Manchmal bin ich ganz erschüttert davon, dass uns jeden Tag unzählige Lebenswelten abhandenkommen und man gar nichts dagegen unternehmen kann. Alles, was die Toten gesehen, gedacht und sich erträumt haben – einfach dahin, bis in alle Ewigkeit. Man müsste ein Denkarium haben, so wie Professor Dumbledore in der Harry-Potter- Serie, in dem man die Gedanken und Bilder von jedem speichern kann, der bereit ist, sie herauszurücken. Das geht ganz einfach, man muss sich nur eine silbrige Flüssigkeit durch Körperöffnungen wie Ohren, Mund oder tiefen Fleischwunden aus dem Gehirn ziehen.

Kapitel 2

Ich knipse das Licht in der Cafeteria an. Sie hat vier Stunden täglich geöffnet. Meist stehe ich ohne Verstärkung hinterm Tresen. Bei gerade mal dreißig Bewohnern kommen nie sehr viele Gäste zur gleichen Zeit. Wenn die Cafeteria schließt und ich wie heute eine Doppelschicht bekommen habe, ackere ich danach noch drei Stunden in der Küche, damit alle pünktlich ihr Abendessen bekommen. Erschrocken fahre ich zusammen, als ich plötzlich Lothar Turban an einem der Tische sitzen sehe. Im Dunkeln war er ja unsichtbar gewesen. Lothar Turban ist ein echt harter, ungeselliger Brocken. Man sieht ihn nie in Gesellschaft, und selbst die neugierigen älteren Damen haben es aufgegeben, um seine Aufmerksamkeit zu buhlen. In der ersten Zeit hat er uns, dem Personal, immer die Tabletts mit Essen an den Kopf geworfen, die wir ihm gebracht haben. Einer der Vorzüge eines Nobel-Altersheims ist es nämlich, dass man nicht mit allen anderen im Saal speisen muss. Wer mag, kann sich das Essen aufs Zimmer bringen lassen. Die wenigsten nutzen das. Erstens, weil man sich den Speisesaal eher wie ein schickes Restaurant als wie eine Kantine mit fahler Beleuchtung vorstellen muss. Zweitens fühlen sich die meisten ohnehin einen Großteil des Tages einsam und freuen sich über Gesellschaft. Wir bieten immer zwei vollständige Menüs an, um es den Bewohnern leichter zu machen. Aber sie können auch einen Tag vorher jeden x-beliebigen Essenswunsch äußern, den wir dann erfüllen. Dankenswerterweise sind die meisten bequem und fechten keinen Wettstreit um kulinarische Kreativität aus. Sie kreuzen einfach eines der beiden Menüs an. Nicht so Lothar Turban. Weder möchte er mit den anderen speisen, noch wollte er anfangs ein Menü wählen. Deswegen mussten wir auf blauen Dunst testen, was ihm schmecken könnte – und die Folgen waren oft schmerzhaft. Wer hat schon gern heiße Erbsensuppe in den Haaren. Zum Glück habe ich dann herausgefunden, dass er Rouladen einfach nicht widerstehen kann. Die habe ich ihm vorgesetzt und bin seither von tätlichen Angriffen verschont geblieben. Ja, ich bilde mir sogar ein, dass seither etwas Wohlwollendes in seinem Grollen steckt und er gar kein so übler Kerl ist. Deswegen tut es mir leid, dass er an Weihnachten ganz allein hier sitzt. Auch wenn sie mir nichts bedeuten, weiß ich doch, dass diese Tage für die meisten Menschen eine Zeit sind, in der man sich nach heimeliger Geborgenheit und seinen Lieben sehnt. Und mag die Familienharmonie noch so aufgesetzt sein, die meisten fühlen sich darin wohler als so ganz allein in einer dunklen Cafeteria. Lothar hat zwar einen Sohn, aber den habe ich hier noch nie gesehen. Keine Ahnung, ob ihm das wirklich etwas ausmacht. Er sieht aus wie sonst. Im Gegensatz zu anderen Bewohnern nutzt er das Alter nicht, um sich auch äußerlich gehen zu lassen. Ich verstehe diejenigen, die sich keine Mühe mehr mit ihrer Kleidung geben. Die Wahrscheinlichkeit ist einfach zu gering geworden, dass morgen der Traummann an die Tür klopft oder das ganz große Abenteuer beginnt. Die hat Turban vermutlich auch nicht, dennoch trägt er ein Halstuch mit Paisley-Muster in Grün- und Rottönen, ein hellblaues Hemd und darüber ein gutsitzendes waldgrünes Jackett. Was umso absurder ist, wo er doch der Einzige ist, der jeden zwischenmenschlichen Kontakt meidet. Für wen gibt er sich so viel Mühe?

Der »Gentleman« unterbricht meine Gedanken rüde. »Ich dachte, die Cafeteria öffnet um 15 Uhr? Ich will einen Kaffee«, bellt er in meine Richtung, während ich den Tresen vorbereite, die von der Frühschicht vorbereiteten Kuchen und Kekse in der Vitrine drapiere und die Kasse einschalte. Gut, ich gebe zu, manchmal fällt es mir schwer, das Wohlwollende in seinem dreisten Gebaren zu sehen. Aber vielleicht will er mit der bissigen Art ja nur seine tief empfundene Einsamkeit überdecken oder so. Womöglich ist er nur so knurrig, damit die Leute denken, er sei allein, weil er es so will. Nicht etwa, weil sich niemand für ihn interessiert. Könnte doch eine Frage des Stolzes sein. Genau, er ist nämlich eigentlich ein ganz lieber Mensch. Ommm...

»Nun, wir öffnen ja auch um 15 Uhr«, sage ich freundlich.

»Es ist 15.01 Uhr. Wenn Sie da noch weiter rumhantieren, glaube ich nicht, dass Sie den ersten Kaffee vor 15.15 Uhr ausschenken. Sie haben ja noch nicht mal die Maschine eingeschaltet.«

Seufzend schlurfe ich zu dem mörderschicken Kaffee-Vollautomaten und wiederhole innerlich mein »Jeder Mensch hat eine gute Seite«-Mantra. Den Vollautomaten bräuchten wir eigentlich gar nicht, aber er passt halt so gut zur schicken Einrichtung. Statt fieser Klappstühle gibt es in dieser Cafeteria dunkelbraune Ledersessel im Chippendale-Stil. Die Milchdüse der Maschine musste ich bislang kein einziges Mal reinigen, weil keiner hier den aufgeschäumten Quatsch will. Unsere Bewohner sind alle über siebzig und trinken stinknormalen Kaffee mit einem Spritzer Milch aus dem Kännchen und ein paar Zuckerwürfeln. Auch wenn sie alle Geld haben, ist die Starbuckskultur viel zu spät für sie über den Ozean geschwappt. In besonders extravaganten Momenten trinken die Damen vielleicht mal einen Espresso. Im Gedenken an die Italienurlaube, in denen Kellner mit ihnen flirteten, die sicher schon gar nicht mehr unter den Lebenden weilen. Schweigend hantiere ich weiter herum, während Turban missmutig jede meiner Handbewegung beobachtet. Ich versuche ihn zu ignorieren. Ich habe heute echt größere Probleme und muss mich von dem Stinkstiefel nicht aus der Ruhe bringen lassen.

Die Tür öffnet sich, und herein tritt Lilly. Strahlend winke ich ihr zu. Meine Rettung. In Lillys Nähe ist schlechte Laune schlicht unmöglich. Jedes der vielen Fältchen in ihrem Gesicht ist ein Lachfältchen – deswegen wirkt sie damit viel jünger und eher apart als alt. Wie Lothar hebt sie sich durch ihr Äußeres von der Masse ab. Sie gibt sich immer noch Mühe – und das mit Erfolg. Nie versucht sie Altersspuren mit zu viel Make-up zu übertünchen, was andere Damen ihres Alters oft lächerlich aussehen lässt. Alles schön dezent! Sie färbt ihr Haar immer noch sorgfältig in dem goldblonden Ton, den sie früher von Natur aus hatte. Nur ihre Kleidung ist wie immer auffallend. Früher muss sie ein echt heißer Feger gewesen sein. Sie trägt ein fließendes violettes, elegantes Kleid mit schwarz bestickter Borte am Halsausschnitt. Sie hat mir mal erklärt, dass sie es für eine Frage der Höflichkeit halte, andere nicht zu langweilen – auch nicht mit öden Klamotten. Nun ja, sie war mal Schauspielerin. Sie weiß halt, wie die Bühne funktioniert.

»Nicht die verrückte alte Schachtel«, zischt Turban so laut, dass die so Bezeichnete es garantiert gehört hat. Eigentlich heißt »die verrückte alte Schachtel« übrigens Gerda. Weil sie den Namen aber ihr Leben lang schrecklich fand, gönnt sie sich hier endlich den Luxus, sich bei ihrem Lieblingsnamen Lilly rufen zu lassen. Der passt auch viel besser zu ihr. Ich verstehe, warum manche sie für verrückt halten. Aber ich glaube eigentlich nicht, dass sie es ist. Es ist aufregend, sie zu beobachten. Sie wirkt immer irgendwie amüsiert, sogar wenn sie mit sich allein ist. Mit blitzenden Augen sitzt sie da, immer ein wenig unruhig fahren ihre Finger Spuren auf dem Tisch nach. Gelegentlich kichert sie scheinbar grundlos wie ein Schulmädchen. Wie gerne würde ich in solchen Momenten in ihren Kopf gucken können. Ich vermute, dass darin ein so überwältigender Wirbelsturm an verqueren Gedanken tobt, dass sie ihn kaum halten kann. Deswegen kann sie auch nicht verhindern, dass ihre Reaktion auf eine besonders heitere Idee nach außen sichtbar wird. Also ist sie vielleicht doch ein wenig verrückt, wenn man damit nur meint, dass sie etwas neben der üblichen Spur läuft.

Sie schwebt in meine Richtung und wirft mir eine ausgelassene Kusshand zu. »Fröhliche Weihnachten, Tanja. Wieso arbeitest du an einem Tag wie diesem?«

»Ich arbeite immer an Weihnachten. Das Fest bedeutet mir nichts.« Ich bin sogar froh über jede Ablenkung an den grauenhaften Feiertagen, die mich immer an das Ende unseres Familienlebens erinnern, ergänze ich innerlich.

»Und deinen Freund hast du an so einem Tag ganz alleine zu Hause sitzen lassen?«

Ich schlucke.

»Oh, oh... schwieriges Thema?«

Ich nicke vorsichtig.

»Das renkt sich schon wieder ein. Zu Weihnachten werden alle immer ein wenig merkwürdig. Dann zanken sie, und zu Neujahr ist es Schnee von gestern. Manche haben allerdings auch immer schlechte Laune.« Sie deutet lächelnd auf Turban, der uns übel gelaunt fixiert. Ich zwinkere ihr zu und lasse sie in dem Glauben, zwischen Amal und mir gäbe es nur eine alberne, klitzekleine Verstimmung wegen nicht zugeschraubter Zahnpastatuben.

Mittlerweile ist der Kaffee für Turban fertig. Mit einem verschwörerischen Grinsen schnappt sich Lilly die Tasse. »Den bringe ich ihm.«

Ich kann sie schlecht aufhalten, obwohl mir Fürchterliches schwant. Lilli stellt den Kaffee mit einem kleinen Knicks vor Turban ab. So weit, so gut.

»Fröhliche Weihnachten, Lothar.« Ohne Vorwarnung küsst sie ihn auf den Mund. Lieber Himmel! Wie gerne würde ich mich in diesem Moment schamhaft unter dem Tresen verstecken. Aber man hört gar keinen Laut von Lothar, dabei hatte ich schon mit einem handfesten Wutanfall gerechnet. Ihn außer Gefecht zu setzen, kann auch wirklich nur einer Lilly gelingen. Zumindest vorübergehend. Mit leichter Verspätung versteht er leider doch, was ihm gerade widerfahren ist. In der Sekunde davor lag es wohl nur so weit jenseits seiner Vorstellungskraft, dass er es nicht glauben konnte. Er springt unvermittelt auf, als sei er nicht etwa von Lilly geküsst, sondern von einem wilden Löwen gebissen worden. Bei der abrupten Bewegung kippt sein Stuhl polternd um. Kräftig fährt er sich mit dem Handrücken über die Lippen und schnappt nach Luft. Sehr theatralisch! Ich muss grinsen. Eigentlich wären sie ein ideales Paar. Mir fallen sonst keine zwei Menschen ein, die andere so gut aus der Fassung bringen können. Wenngleich ihre Methoden sich doch sehr unterscheiden. Wird der eine von Dauerzorn angetrieben, kommt die andere nicht gegen ihren kindlichen Übermut an.

»Ach, hab dich nicht so, Lothar«, sagt sie mit einer er- habenden, abwinkenden Geste. »So oft wird dir das nicht mehr passieren.«

Sie kommt wieder an den Tresen, während Lothar immer noch dasteht und ihr stumm nachsieht.

Sie streckt mir triumphierend den erhobenen Daumen entgegen.

»Was war das?«, frage ich vorsichtig.

»Och, ich habe mir gestern eine Liste gemacht mit hundert Dingen, die ich noch erledigen möchte, bevor ich sterbe. Einen fremden Mann zu küssen, stand ganz oben. Er war nicht gerade begeistert, oder? Früher waren die Männer dankbar für meine Küsse.« Sie seufzt schwer.

»Und was steht sonst noch auf dieser Liste?«, frage ich amüsiert und besorgt zugleich.

»Das wirst du schon sehen«, entgegnet sie mit geheimniskrämerischer Miene, die fürchterliche Missetaten andeutet. Auweia. Gut, dass ich hier nicht Vollzeit arbeite.

»Gleich kommen Johann und Felix. Sehe ich gut aus?«, fragt Lilly. Die strahlende Diva wirkt plötzlich unsicher. Sie hängt an ihren Kindern und Enkeln. Erwidert wird ihre Zuneigung aber eher nicht. Wer sich hier umsieht, könnte befriedigt glauben, das Klischee »reich, aber einsam« träfe voll zu. Ich vermute eher, die anderen können sich nur einfach eine solche Einrichtung nicht leisten, in die man seine Eltern halbwegs guten Gewissens abschieben kann. Die Kinder von Lilly – sie hat einen Sohn und eine Tochter – tauchen selten auf. Wenn, dann lamentieren sie immer über die Verschrobenheiten ihrer Mutter und sehen zu, dass sie schleunigst wieder wegkommen. Johann, ihr Sohn, und Josie, ihre Tochter, teilen sich Lillys Haus seit deren Auszug und bewohnen es gemeinsam mit ihren Familien. Ich denke, sie haben einander verdient. Eigentlich sind sie harmlose, verkrampfte Spießer, soweit ich das bei ihren kurzen Cafeteria-Aufenthalten feststellen konnte. Nur gegen Johanns kleinen Sohn Felix habe ich eine echte Abneigung. Ein feister Gierschlund mit bösen Zügen. Ich bin mir nahezu sicher, dass er Frösche seziert, ins Bett nässt und als berühmter Prostituiertenmörder in die Geschichte eingehen wird. Ich weiß, so etwas Grausames darf man über einen Achtjährigen eigentlich nicht sagen. Aber wer ist denn noch nie einem Kind begegnet, bei dessen Anblick er an der angeborenen Unschuld des Kleinen gezweifelt hätte? In Wahrheit haben doch sicher die meisten schon mal ein Gör getroffen, das man allzu gerne stellvertretend für die Eltern übers Knie gelegt hätte. Hinterher schämt man sich natürlich ganz furchtbar für diesen Gedanken. Und natürlich würde ich nie ein Kind schlagen. Und meist haben solche Kinder ja auch noch furchtbar selbstgerechte Eltern – vielleicht können die Kleinen ja doch nichts dafür, dass sie so sind. Die stolzen Erzeuger schauen einen sofort vernichtend an, wenn man nicht vor Glückseligkeit juchzt, nur weil der Sohnemann einem gerade herzhaft gegen das Schienbein getreten hat. Ganz ähnlich wie selbstgerechte Kampfhundbesitzer, die auch nie verstehen, dass man den Sabber ihres reizenden »Der tut keinem was«-Familienmitglieds mit einem angewiderten Gesichtsausdruck von seiner Wade wischt.

Felix hat mir mal ein Bein gestellt, als ich gerade ein Tablett voller Kaffee getragen habe. Als ich gestolpert bin und den ganzen Kaffee verschüttet habe, hat ihm wohl gedämmert, dass er die Art von Mist gebaut hat, für die es Ärger geben könnte. Blitzschnell ist der raffinierte Rotzlöffel zu seinem Vater gelaufen und hat unter künstlichen Tränen behauptet, ich hätte ihn mit dem heißen Kaffee verbrüht. Und schon war er das Opfer. Verpetzen kann man so einen Mistkäfer natürlich nicht, deswegen habe ich mich stoisch vom besorgten Vater und der Heimleitung anschnauzen lassen. Felix hat strahlend dabei zugesehen. Ich dachte schon, er würde gleich auch noch juchzend in die Hände klatschen. Seither verfinstert sich meine Miene bei seinem Anblick immer ein wenig. Ich vermute, sein Vater hält mich deshalb für eine kinderfeindliche und damit auch gesellschaftliche Totalversagerin. Kinder sind doch schließlich die Zukunft, nicht? Und deren Eltern haben immerhin schon etwas für unser aller Rentenkonto getan, indem sie Spermie und Eizelle gekonnt aufeinanderprallen ließen. Und was habe ich bisher für die Gesellschaft getan? Nichts! Ich schaffe es ja nicht mal, den Heiratsantrag meines Freundes anzunehmen.

Und da höre ich doch schon den süßen kleinen Felix zetern. »Müssen wir wirklich zu Oma?«

Besorgt schaue ich zu Lilly. Sie sieht für einen kurzen Moment betroffen aus, fängt sich aber sofort wieder.

»Weißt du«, hat sie mir mal anvertraut. »Menschen, die lieben, sind glücklicher als solche, die geliebt werden.«

Dann muss Lilly wohl einer der glücklichsten Menschen der Welt sein. Denn sie hat ein echt großes Herz, und ich habe aus ihrem Mund überhaupt noch nie ein böses Wort über einen anderen Menschen gehört.

»Ich will so einen Schokoladenweihnachtsmann«, kräht Felix mich an.

»Der kostet einen Euro«, sage ich knapp, erwidere seinen herausfordernden Blick und mache keine Anstalten, ihm einen Weihnachtsmann zu geben.

»Ich erledige das«, sagt Johann genervt. »Aber sag schön erst mal Hallo zu Oma.«

Der korrupte Knabe setzt ein gieriges Lächeln auf und geht zu Lilly. »Hallo, Oma.«

Sie streichelt ihm freundlich übers Haar. Mit leicht zusammengekniffenen Augen schmiegt sich Felix kurz an sie und versucht dabei, den Blick seines Vaters aufzufangen, als wolle er sagen: »Sieh her, dafür sind doch wohl mindestens zwei Weihnachtsmänner drin.«

Johann schiebt mit einem Espresso für sich und dem Weihnachtsmann für seinen Sohn ab. Mich hat er kein einziges Mal angeguckt. Vielleicht ist er mir immer noch böse. Vielleicht sind Servierer in seinem Weltbild auch nur ein sprechender Teil des Mobiliars. Weil die Jungs sich mit Lilly an den Tisch direkt vor meinem Tresen setzen, muss ich alles mit anhören.

»Elke und Josie haben mich gebeten, mit dir zu reden.« Elke ist seine Frau. Leicht verlegen schiebt Johann seinen Teelöffel auf dem Tisch hin und her. Felix hat derweil seinen Weihnachtsmann mit einem Biss geköpft und guckt nun gelangweilt die beiden Erwachsenen an.

Ich strecke ihm die Zunge raus, woraufhin er hektisch am Ärmel seines Vaters zupft. Aber der hat zu meinem Glück gerade Besseres zu tun.

»Wir machen uns Sorgen.«

Die Familie sorgt sich um Lilly? Das sind ja mal ganz neue Töne!

»Weshalb denn nur?« Genau wie ich hat Lilly keinen blassen Schimmer.

»Wenn das so weitergeht, fliegst du hier noch raus. Und wo willst du dann wohnen? Wir würden dich ja aufnehmen, aber du weißt ja, dass wir einfach sehr wenig Platz haben.«

Ich werde schon wieder wütend. Lilly hat ihr geliebtes Haus an ihre Familie abgetreten. Sie ist nur deswegen ausgezogen, weil sie den Undankbaren Platz schaffen wollte. Und jetzt soll sie jedes Recht verloren haben, wieder einen Fuß über die Schwellen zu setzen? Und warum sollte sie überhaupt rausfliegen? Sie zahlt ein so ordentliches Sümmchen für ihren Platz hier, dass man sie nicht so leicht ersetzen kann.

»Oh, aber ich will gar nicht zu euch ziehen. Warum sollte ich denn hier rausfliegen?«, stellt Lilly munter meine Frage.

»Frau Fröhlich hat mir erzählt, dass du gestern Nacht wieder draußen warst.« Frau Fröhlich ist die Heimleiterin, die ihrem Namen absolut gar keine Ehre macht. Bei der Felix-Kaffee-Affäre hat sie mich als »unfähige Kuh« beschimpft, ohne mich auch nur einmal nach meiner Version der Geschichte zu fragen. Hätte unser Koch Fabian nicht eine Schwäche für mich und sich für mich eingesetzt, wäre ich sicher arbeitslos. Johann schaut finster auf die Tischplatte. Das Gespräch ist ihm merklich peinlich.

»Na und?«

»Du hast versucht, einen Apfelbaum zu säen.«

»Stimmt«, Lilly kichert unbefangen.

Ich vermute, bei der Apfelbaumgeschichte handelt es sich um einen der Punkte auf ihrer Liste. Die Arme. Wenn die Leute schon bei den Punkten i und 2 so auf die Barrikaden gehen, wird sie niemals auf 100 kommen. Falls ich nicht schon welche verpasst habe.

»Mir ist so langweilig«, stöhnt Felix und haut mit der Faust auf den Körper des Schokoladenkerls. Lilly und ich zucken zusammen. Johann aber ignoriert seinen Sohn.

»Du hast dafür leicht bekleidet den Schnee von der Wiese geräumt.« Er wird langsam wütend. Hauptsächlich wohl deswegen, weil er sich gezwungen fühlt, dieses Gespräch zu führen. So schlimm ist es nun wirklich nicht, mit ein paar Apfelkernen in den Garten zu gehen.

»Ich wollte nicht, dass meine Kleidung schmutzig wird. Und ich musste doch irgendwie an die Erde rankommen, um die Kerne einzusetzen«, sagt Lilli bestimmt. Klingt einleuchtend.

»Würdest du solche Eskapaden bitte in Zukunft lassen?«

»Nun, ich werde ganz sicher keinen zweiten Apfelbaum mehr pflanzen.« Jetzt wird auch Lilly ungeduldig.

»Und auch sonst keinen Unsinn mehr anstellen?«

»Ich weiß nicht genau, was du mit Unsinn meinst...« Lilly guckt zur Seite.

»Können wir jetzt gehen, ich will spielen!« Felix hat inzwischen auch die Schokoladentrümmer verputzt.

»Was möchtest du denn spielen?«, fragt seine Oma neugierig.

»Return to Castle Wolfenstein. Das ist voll cool«, sagt Felix. Aus seinem Kindermund klingen die englischen Wörter ein bisschen drollig. Mit dem imaginären Maschinengewehr in seinen heftig zuckenden Armen, erläutert er den Erwachsenen den ungefähren Inhalt des Spiels. Na klasse. Bis zum Prostituiertenmörder schafft er es gar nicht mehr. Vorher wird das verfressene Kind in der Schule gemobbt. Dann läuft es natürlich Amok. Vor meinem geistigen Auge sehe ich mich in die Kamera einer Pressemeute bedauernd sagen: »Irgendetwas war immer komisch an dem Jungen. Und dann immer diese Gewaltspiele ...«

Verwirrt sieht Lilly zu mir. So ganz hat sie das Castle-Wolfenstein-Prinzip offenbar nicht verstanden. Ich winke ab, um ihr zu signalisieren, dass sie rein gar nichts verpasst hat: »Kann ich noch etwas für Sie tun?«

»Zahlen«, sagt Johann knapp und wirft abgezählte Münzen auf den Tisch, während er aufsteht. »Und, bitte, Mutter, nimm ein bisschen Rücksicht auf uns und deine Mitbewohner.«

Lilly schaut betreten auf den Tisch.

»Blöde Rotzlöffel«, höre ich Lothar unerwartet brummeln. Es ist doch immer wunderbar, etwas Schönes in einem Scheusal zu entdecken. Ich hätte gedacht, er freut sich, wenn der »verrückten Lilly« vor den Kopf gestoßen wird. Angewidert schaut Johann zu Turban. Ihm ist nicht entgangen, dass die Rotzlöffel-Mehrzahl ihn miteinschließen sollte. Schlauer, als ich dachte, der Mann.

»Wie halten Sie es hier nur aus mit diesen renitenten Alten?«, fragt er entnervt.

War ja klar, dass er mich nun doch bemerkt. Jetzt, wo er einen Verbündeten gegen den Wahnsinn des Alters sucht. Wenn er gleich auch noch Brüderschaft mit mir trinken will und mir leutselig einen Euro zusteckt, damit ich Lilly bewache, lege ich vielleicht einfach ihn UND seinen Sohn übers Knie.

»Bestens«, antworte ich knapp.

Lilly steht auf und küsst Sohn und Enkel flüchtig auf die Wange. Die wischt Felix sich schnell noch ab, bevor er mit seinem Vater den Raum verlässt. Gemeinsam schauen wir ihnen nach. Ich habe das Gefühl, wir denken alle das Gleiche.

Rein theoretisch möchte ich ja auch Kinder bekommen. Etwas weniger theoretisch – rein faktisch – müsste ich dann allmählich mal damit beginnen. Ich bin dreiunddreißig. Aber was, wenn die Kleinen überhaupt nicht darauf stehen, abends Erich Kästner oder Astrid Lindgren vorgelesen zu bekommen. Wenn sie nicht mit ihren rotwangigen Freunden über die Wiesen tollen, um sich dann bei mir ein Stück frisch gebackenen Erdbeerkuchen abzuholen? Wenn sie ihr politisch korrektes Holzspielzeug nur dafür nutzen, anderen Kindern die Köpfe einzuschlagen und den Rest der Zeit in der Krabbelgruppe darüber streiten, wer das coolste Plastik-Kinder-Handy hat? Das alles macht mir ein bisschen Sorge – mal ganz zu schweigen von der globalen Erwärmung und der wachsenden Armut. Das ist nur eine Seite des Problems. Egoistisch bin ich zu allem Überfluss auch noch. Der Gedanke, jahrelang kaum mehr eine Stunde mit Amal allein zu haben, nicht mehr spontan mit ihm durch die Kissen tollen oder etwas anderes unternehmen zu können, macht mich unruhig.

Amal! Bei dem Gedanken an unsere nächste Begegnung drehen meine Schweißdrüsen durch. Ich weiß immer noch nicht, wie ich ihm mein blödes Verhalten erklären soll.

»Setz dich einen Moment zu mir«, bittet Lilly und nimmt wieder Platz. Die Cafeteria ist absolut leer, es gibt also keinen Grund, so zu tun, als würde ich arbeiten. Ein Plausch mit Lilly ist mir jetzt ohnehin viel lieber.

»Du hast mir immer noch nicht erzählt, was du an den Weihnachtstagen hier machst. Ist dein Freund jetzt ganz allein zu Hause?« Sie stützt den Kopf auf ihre Hand und schaut mich nachdenklich an. Mir steigt ihr Duft in die Nase. Ich sauge ihn dankbar auf, weil er mich immer ganz friedlich stimmt. Ich rieche eine Mischung aus Lakritz, Vanille und Veilchen. Vielleicht kommt das von den Veilchenpastillen aus den altmodischen Dosen, die sie andauernd nascht. Eine Dose davon hat sie mir mal geschenkt. Sie meinte, das Mädchen darauf sähe genauso aus wie ich. Es war ein altmodisches, zartes Frauenporträt wie aus dem 19. Jahrhundert: ein herzförmiges Gesicht, lange schwarze Locken und ein verträumter Blick aus großen blauen Augen. Das war schmeichelhaft. Mein Haar reicht nur bis zur Schulter, und meine Lippen sind viel weniger voll.

»Du weißt doch, mein Freund ist Hindu. Deswegen ist es ihm egal, und mir bedeutet es auch nichts.«

»Oh, wie schade«, sagt Lilly und schaut betrübt auf die Tannenzweige mit den Kugeln an den Fenstern. »Ich mochte Weihnachten immer so gerne. Vor allem als die Kinder noch klein waren.«

Vielleicht ist es ihr anheimelnder Duft, vielleicht schwappt ihr Anflug von Weihnachtsrührseligkeit auf mich über, aber ich muss es jetzt einfach aussprechen. »Mein Freund hat mir heute Morgen einen Heiratsantrag gemacht.«

Lilly strahlt, als hätte sie selbst gerade einen bekommen. »Oh, das ist ja wunderbar! Ich freue mich für dich. Herzlichen Glückwunsch. Oh, wie gerne wäre ich dabei, wenn du dein Brautkleid aussuchst. Du wirst so hübsch aussehen.«

Betrübt schaue ich auf den Tisch.

»Oh, Entschuldigung. Auch im Sari wirst du natürlich bezaubernd aussehen, oder was man als indische Braut so trägt.«

Ich erlöse sie schnell aus ihrer Verlegenheit. »Darum geht

es gar nicht. Früher wollte ich vielleicht ein tolles Kleid, heute wäre mir ein Termin beim Standesamt fast noch lieber, weil er unkomplizierter ist. Falls es überhaupt zu einer Hochzeit kommt ...« Verzweifelt lasse ich meinen Kopf auf die Tischplatte fallen. Als ich ihn leicht anhebe, hat Lilly ihre Augenbrauen in schwindelerregende Höhen gezogen.