Das Schaukeln der Grauwale - Clarissa Jochum - E-Book

Das Schaukeln der Grauwale E-Book

Clarissa Jochum

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Beschreibung

Gräulich ist ein junges Grauwal-Kalb, das vermeintlich behütet in seiner Herde aufwächst. Doch schon bald ist klar, dass ihm und seiner Walfamilie immer mehr Gefahren begegnen. Anhand der Reise der Grauwale, die mehr als 10.000 km weit führen kann, zeigen sich viele Abenteuer, die diese wunderbaren Tiere heutzutage zu meistern haben. Mehr denn je brauchen die Wale unseren Schutz; jeder einzelne Wal, der es heute noch geschafft hat die Weltmeere zu durchwandern ist ein großes Wunder.

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Seitenzahl: 67

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Für meinen Sohn Raphael

Alles

ist aus dem Wasser entsprungen!

Alles

wird durch das Wasser erhalten!

Ozean,

gönn uns dein ewiges Walten!

J. W. von Goethe, „Faust II“

INHALT

V

ORWORT

M

ITGLIEDER DER

G

RAUWAL

-G

RUPPE

Kapitel 1

A

LLER

A

NFANG IST SCHWER

Kapitel 2

I

M

K

ELP

Kapitel 3

D

IE

P

RÜFUNG

Kapitel 4

D

AS OFFENE

M

EER

Kapitel 5

D

IE

B

EGEGNUNG MIT HUNGRIGEN

O

RCAS

Kapitel 6

T

ÖDLICHE

N

ETZE

Kapitel 7

V

ERLETZUNG MIT

F

OLGEN

Kapitel 8

D

AS

Z

IEL IST ERREICHT

W

ARUM SOLLTEN WIR

W

ALE SCHÜTZEN?

F

ORSCHUNG UND

P

ROJEKTE ZUM

S

CHUTZ DER

W

ALE

Q

UELLEN

VORWORT

Wale spielten schon seit meiner Kindheit eine große Rolle. Fasziniert von diesen sanften Giganten, die eine magische Anziehungskraft auf mich ausüben, war klar, dass ich etwas tun wollte, um sie zu beschützen. Schon 1996 waren die Grauwale in Gefahr, da eine Salzgewinnungsanlage in ihrer Kinderstube in Baja California gebaut werden sollte. Über die Präsentation meiner Achtklassarbeit half ich dabei, viele hundert Unterschriften gegen dieses Projekt zu sammeln.

Mein großer Traum, den Grauwalen zu begegnen, blieb unerfüllt. Aber fast 30 Jahre später, im Sommer 2022, entdeckte ich die Stiftung „firmm“ in Tarifa/Spanien, gegründet von der Schweizerin Katharina Heyer, Ehrendoktor der Baseler Naturwissenschaftlichen Fakultät, zum Schutz der Wale und Delfine in der Straße von Gibraltar. Der nächste Urlaub war schnell gebucht, und mit meiner Familie durfte ich hier, an der Verbindungsstelle zwischen Mittelmeer und Atlantik, Delfine, Grindwale und sogar Finnwale in Freiheit beobachten. Sofort ging mein Herz auf, und ich spürte die Demut, den Frieden und die Ruhe, die sie ausstrahlten. Für einen Moment schien unsere Welt in Ordnung zu sein. Diese Begegnung inspirierte mich, meine Wal-Geschichte, geschrieben als Achtklässlerin, wieder in die Hand zu nehmen. Dafür bin ich sehr dankbar. Katharina Heyer hat Unglaubliches geleistet, und sie bekommt all meinen Respekt für diese Arbeit.

Mit großem Schmerz stellte ich nach kurzer Recherche fest, dass die Grauwale im Pazifik – im Atlantik gelten sie als ausgestorben – heute in viel größerer Gefahr sind. Durch die Klimaerwärmung steigt die Häufigkeit der Hitzewellen im Meer an und lässt den Krill, die Hauptfutterquelle der Bartenwale, sterben. Die Wale verhungern, und ein Massensterben hat begonnen. Inwieweit sich die Population der Wale davon erholen kann, ist ungewiss.

www.firmm.org/de/stiftung/spenden

(v.l.): Clarissa Jochum und Katharina Heyer, Tarifa/Spanien im Oktober 2022

Der Mensch dringt immer mehr in den Lebensraum der Wale vor. Mit Schallkanonen wird nach Rohstoffen im Meeresboden gesucht. Mit verheerenden Folgen.

Völlig ungeklärt ist, wie 2021 ein junger Grauwal durch die Straße von Gibraltar ins Mittelmeer kam, schwach und ausgehungert. Letztendlich kam er zum Sterben, suchte bei den Menschen Hilfe und kam nah an die Küsten heran.

Zu guter Letzt habe ich meine Geschichte so gelassen, wie ich sie damals als Jugendliche geschrieben und gezeichnet habe. Sie ist für Kinder, Jugendliche und Erwachsene.

Ich möchte aufmerksam machen auf die großen Probleme sowie Herausforderungen, vor denen die Wale stehen, und es ist wichtiger denn je, unseren Planeten mit all seiner Vielfalt und Schönheit zu schützen.

Clarissa Jochum,

Herbst 2023

MITGLIEDER DER GRAUWAL-GRUPPE

Kapitel 1
ALLER ANFANG IST SCHWER

In der Bucht Laguna Ojo de Liebre, die in Mexikos Bundes staat Baja California liegt, war das Wasser trüb, aber von einem grünlichen Schimmer überzogen. Die Wellen bewegten sich leicht. Die untergehende Sonne lag wie ein Feuerball auf dem Meer. Sie strahlte ein paar Vögel an, die sich einen Schlafplatz auf den Felsen suchten. Die Wellen, die ständig auf und ab stiegen und wieder verschwanden, wurden an einer Stelle immer gewaltiger. Aus dem brodelnden Wasser tauchte der Kopf eines Wales heraus.

Als er sich langsam drehte, konnte man ein Auge erkennen, das im Verhältnis sehr klein war. Es schien von der rotglühenden Sonne geblendet. Dieser Kopf gehörte einer Grauwal-Kuh, die 14 Meter lang und etwa 35 Tonnen schwer war. Sie hieß Grauweide und war sehr stark. Sie war die Anführerin der Walkuh-Gruppe, die aus der Runzeligen, der Pockigen und der Grauen bestand.

Die Walkühe schwammen abseits der Bullen und bildeten etwa zehn Meter unter Wasser einen Kreis um die Graue, die sich vor Schmerzen krümmte. Sie war in den Geburtswehen. Doch die Erlösung nahte bald. Es dauerte nicht mehr lange, da ragte eine kleine Fluke (Schwanzflosse) aus dem Bauch der Grauen. Immer mehr zeigte sich das junge Walbaby, bis schließlich auch der Kopf im Wasser lag. Die Graue, die nun wieder Mutter geworden war, zeigte sich erleichtert und glücklich. Als das junge Walkalb sich etwas bewegte, riss die Nabelschnur, und die Graue gab ihm einen Klaps, damit es schnell an die Oberfläche kam. Dort atmete es zum ersten Mal in seinem Leben die frische Meeresluft tief ein. Das Walbaby konnte im ersten Moment kaum schwimmen, deshalb stützte die Mutter es mit ihrem Maul. Der hohe Salzgehalt im Wasser in dieser Lagune half dabei, dass es sich leichter fühlte. Hier in den flachen Lagunen hatte das Walbaby kaum Gefahren zu befürchten. Dagegen hätte es im offenen Meer keine Chance zu überleben. Das ist auch der Grund, warum die Grauwale ihre oft mehr als 10.000 Kilomter lange Reise antreten, um von dem nahrungsreichen Norden in die tropischen Lagunen zu gelangen. Sie halten damit den Langstreckenrekord bei den Säugetieren.

Die Graue war ziemlich geschwächt; immerhin hatte sie ein viereinhalb Meter langes und fast tausend Kilogramm schweres Walkalb zur Welt gebracht. Sie sah es genau an, lächelte und sagte dann mit schwacher Stimme: „Mein Kleines, du sollst Gräulich heißen, weil du so eine schöne gräuliche Farbe hast.“ Dann schaute Gräulich zu den Walbullen hinüber, von wo Grauer Riese, Gräulichs Vater, ihr fröhlich zuzwinkerte und mit seinen Flossen ins Wasser klatschte. Da sein Kopf aus dem Wasser ragte, stützte er sich mit der Fluke ab.

Neben ihrem Vater erblickte Gräulich noch Grauschwanz, der dieses Jahr nicht Vater geworden war, und Robusto, der Vater von Grauschimmer. Grauschimmer schwamm in der Walkuh-Gruppe neben seiner Mutter, die Pockige genannt wurde. Grauschimmer war nur einen halben Monat älter als Gräulich und wich noch kaum von der Seite seiner Mutter. Doch als Gräulich ihn erblickte, wagte er sich etwas näher an sie heran und schaute ihr aufmunternd ins Gesicht. Dann entdeckte Gräulich die beiden Jungwale Graue Wolke und Grauer Schein. Graue Wolke war vor fünf Jahren von der Grauen geboren worden, war also eine Schwester von Gräulich. Grauer Schein war der Sohn der Runzeligen und etwas jünger. Beide hatten noch nicht die Geschlechtsreife. Als letztes sah Gräulich Grauweide und die Runzelige, die erst nächstes Jahr wieder ein Baby zur Welt bringen könnten. Die Runzelige würde bald für Gräulich eine Tante sein, die sie zu beschützen verstand.

Gräulich blickte die Gruppe erstaunt an. Die ruhigen Augen der anderen gaben ihr das Gefühl, ganz geborgen zu sein. Plötzlich verspürte Gräulich ungeheuren Hunger und suchte Milch bei ihrer Mutter. Sie schwamm unter ihren Bauch und musste erst ein bisschen suchen, bis sie die Zitzen fand. Als sie sie in einer Hautfalte gefunden hatte, nahm sie sie ins Maul und drückte sie mit der Zunge gegen ihren Gaumen, bis Milch kam. Gierig trank sie. Die Graue legte sich auf den Rücken, so dass ihr Bauch nahe der Oberfläche schwamm. So konnte Gräulich beim Trinken jederzeit atmen. Als ihr Hunger und Durst von der fetten Milch gestillt waren, wollte sie nur noch auf dem Rücken ihrer Mutter getragen werden und einschlafen. Die Graue war eine geduldige Mutter und ließ alles zu.