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Diebin Leia soll für die geheimnisvolle Babette herausfinden, ob ein ›alter Geschäftsfreund‹ etwas gegen sie in der Hand hat. Das führt die selbst ernannte Wiederbeschafferin zurück an den Ort, an dem auch die Geschichte ihrer Auftraggeberin vor Jahrhunderten begann, und sie kommt Babettes Geheimnis der Unsterblichkeit auf die Spur. Deren Vergangenheit ist ein wahres Kaleidoskop aus Reichtum, Wissen, Intrigen am Hof von Versailles, Liebe, Verschwörungen und Verlusten. Alles unter den Machenschaften einer Assassinenverbindung, in deren Festung sich Leia jetzt Jahrhunderte später schleichen soll. Dabei rückt das letzte Geheimnis des Grafen de Saint Germain immer stärker in den Fokus. Denn sein uraltes Vermächtnis, das tief in der persischen Wüste verborgen liegt, wird auch Leias Schicksal besiegeln und untrennbar mit jenem von Babette verweben.
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Seitenzahl: 499
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Informationen zum Buch
Impressum
Widmung
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Epilog
Dank
Katja Segin
Das Sternbild des Alchemisten
Band 2
Fantasy
Das Sternbild des Alchemisten (Band 2)
Diebin Leia soll für die geheimnisvolle Babette herausfinden, ob ein ›alter Geschäftsfreund‹ etwas gegen sie in der Hand hat. Das führt die selbst ernannte Wiederbeschafferin zurück an den Ort, an dem auch die Geschichte ihrer Auftraggeberin vor Jahrhunderten begann, und sie kommt Babettes Geheimnis der Unsterblichkeit auf die Spur. Deren Vergangenheit ist ein wahres Kaleidoskop aus Reichtum, Wissen, Intrigen am Hof von Versailles, Liebe, Verschwörungen und Verlusten. Alles unter den Machenschaften einer Assassinenverbindung, in deren Festung sich Leia jetzt Jahrhunderte später schleichen soll. Dabei rückt das letzte Geheimnis des Grafen de Saint Germain immer stärker in den Fokus. Denn sein uraltes Vermächtnis, das tief in der persischen Wüste verborgen liegt, wird auch Leias Schicksal besiegeln und untrennbar mit jenem von Babette verweben.
Die Autorin
Katja Segin, Jahrgang 1980, liebt Geheimnisse aller Art. Besonders gern verfasst sie deswegen geheimnisvoll-dramatische Fantasy- und Familiengeschichten mit einem historischen Hintergrund. Dafür durchforstet sie regelmäßig Geschichtsbücher und alte Fotoalben und sucht nach Inspiration.
Privat lebt sie ganz ohne Drama mit ihrem Mann und zwei Schildkröten in der Altstadt von Paderborn.
www.sternensand-verlag.ch
1. Auflage, April 2025
© Sternensand Verlag GmbH, Zürich 2025
Umschlaggestaltung: Alexander Kopainski
Lektorat: Lektorat Laaksonen | Stefan Wilhelms
Korrektorat: Sternensand Verlag GmbH
Satz: Sternensand Verlag GmbH
ISBN (Taschenbuch): 978-3-03896-354-7
ISBN (epub): 978-3-03896-355-4
Alle Rechte, einschließlich dem des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
Dies ist eine fiktive Geschichte. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
Für Patrik. Ohne Drama.
Babette
Paris, Frühling 1764
»Babette?«
Babette fuhr herum, als sie ihren Namen hörte. Sofort besserte sich ihre Laune, die aufgrund ihrer misslungenen Malversuche in die Tiefen der Hölle abgerutscht war. »Antoine!«
Er strahlte, seine dunklen Augen leuchteten geradezu in der Sonne, die sich nach dem langen Winter endlich wieder blicken ließ. Sein Haar zeigte nur eine Spur von Grau, wodurch er nicht älter wirkte als damals, vor über zehn Jahren, als sie einander zum ersten Mal begegnet waren.
Es war dieser Zeitpunkt gewesen, an dem sie gewusst hatte, dass sie den Rest ihres Lebens mit ihm verbringen wollte – wie lange auch immer dieses noch dauern mochte.
Plötzlich breitete sich Wärme in ihr aus.
Sie legte den Pinsel einfach auf den Boden, zerrte ihr Mieder zurecht, das mal wieder nicht so sitzen wollte, wie es sich gehörte, und lief auf ihn zu. Natürlich kam diese Wärme nicht vom Mieder, das wusste sie.
»Nicht so schnell, ma chère!« Antoine lachte und zwinkerte ihr zu.
Seit die Pompadour nicht mehr in Versailles weilte und ihr Einfluss auf den König augenscheinlich geschwunden war, wirkte er spürbar entspannter.
Sein Blick fiel auf den Fleck, den die Farbe gerade auf dem Holzfußboden hinterließ. Er reagierte überhaupt nicht darauf, als wäre es ihm egal, doch er kannte solche Nachlässigkeiten bereits von ihr.
Erst jetzt bemerkte sie die Hand, die er hinter dem Rücken verbarg. Sofort beschleunigte sich ihr Herzschlag wie der eines kleinen Kindes an seinem Geburtstag. Furchtbar, wie einfach er sie beeinflussen konnte.
Sie zeigte auf seinen Arm. »Was hast du da?«
Sein Lächeln vertiefte sich. »Eine Überraschung.«
»Für mich?«
»Für wen denn sonst, ma chère?« In seinen Augen blitzte es erneut – und das wurde diesmal nicht von der Sonne verursacht.
Die Finger seiner freien Hand spielten mit ihren Haaren. Sie konnte im Augenwinkel die hellen Reflexe in ihren dunkelblonden, achtlos frisierten Locken erkennen.
»Bekomme ich es? Jetzt?«
Antoine lachte auf. »Du bist wie ein Kind, ma chère.« In seinen Worten lag keine Spur von Hohn. Er genoss es, dass sie so war, das wusste sie.
»Wenn du es mir gibst, bekommst du auch etwas von mir.« So, wie sie ihn nun ansah, konnte er sie unmöglich für ein Kind halten.
Die Röte, die aus seinem Kragen aufstieg, verriet ihn. Sein Gesicht näherte sich ihrem. »Du weißt, wie du bekommst, was du willst«, hauchte er ihr ins Ohr.
Sein Atem löste einen Schauer aus, der Babettes Rücken hinabfloss.
Seine Hand bewegte sich langsam vor seinen Körper. Babette erblickte einen länglichen Gegenstand, an einer Seite dicker als an der anderen. Er war in rotes Seidenpapier eingewickelt, das bei jeder Bewegung knisterte. Antoine hatte es nachlässig verpackt und doch übte sein Geschenk einen unwiderstehlichen Reiz auf sie aus.
Behutsam griff sie danach. Das Papier raschelte unter ihren Fingerspitzen und etwas klirrte im Inneren des Päckchens. Gemächlich wickelte sie es aus, wobei sie darauf achtete, dass er ihre langen, schlanken Finger dabei gut sehen konnte. Sie wusste genau, wie sehr er ihre Hände mochte und ihr stets zusah, wenn sie etwas damit tat, sei es malen, Klavier spielen oder das Ausnehmen eines Fisches.
Ihr schmaler Ring mit den verschlungenen Ranken blitzte im Sonnenschein auf.
Dann hatte sie es endlich geschafft. Das Geschenk lag in ihrer Hand und ihr stockte der Atem.
Eine Zeit lang, es kam ihr wie eine Ewigkeit vor, sagte niemand ein Wort. Babette konnte das Objekt nur anstarren, so schön war es. Das perfekte Geschenk.
Schließlich schluckte sie.
»Woher wusstest du …?« Ihre Stimme brach und eine kleine Träne kroch aus ihrem Augenwinkel.
»Weil ich dich besser kenne als mich selbst, ma chère.« Ein sanftes Lächeln umspielte Antoines Lippen. »Und ich hatte dir einst versprochen, dass ich dir jeden Wunsch erfüllen würde, wenn ich bloß bei dir sein darf.«
Leia
Frankreich, Gegenwart
Gedankenverloren starrte Leia auf ihre Hand. Die Finger lagen ganz ruhig auf der Tischplatte, kein Zittern war zu spüren. Dennoch war sie sich nicht sicher.
»Was stimmt nicht mit dir, Kleine?«, brummte Claude und ließ sich neben sie fallen. Der zierliche, kunstvoll geschnitzte Holzstuhl ächzte unter seinem Gewicht.
Bab täte gut daran, für diesen Klops ein paar ordentliche Möbelstücke zu besorgen, die sein Gewicht auch aushielten. Er sah nun mal genauso aus, wie man es vom ›Mann fürs Grobe‹ erwartete: brutal, bullig und eben grob.
Schnell nahm sie die Hand vom Tisch. Er musste ja nicht unbedingt wissen, was sie umtrieb. »Was stimmt mit dir nicht? Du zerstörst das Mobiliar wie ein Elefant im Antiquitätengeschäft.«
»War das nicht Geschirr?« Claude sah auf den Teller vor sich, auf dem sich pastellfarbene Macarons stapelten. Mit seinen fleischigen Fingern grapschte er sich eine der zierlichen Köstlichkeiten. Das roséfarbene Kunstwerk verschwand zwischen seinen Lippen, er schien es zu inhalieren, ohne zu kauen.
Dabei warf er Leia immer wieder kurze Blicke zu.
In den vergangenen drei Monaten, die sie hier in dieser riesigen Villa zusammen mit Babette Audar und den beiden Söldnern in ihren Diensten Oren Meir und Claude Jarand lebte, wurde sie nicht schlau aus ihm. Entweder ignorierte er sie oder er behandelte sie, als wäre sie furchtbar seltsam.
Doch womöglich war sie das ja auch. Was an dieser ganzen Situation war denn nicht seltsam? Sie war zu der kleinen Truppe gestoßen, nachdem sie mehr oder weniger versehentlich mitgeholfen hatte, einen psychopathischen Schizophrenen aus dem Verkehr zu ziehen, der sich für Antoine de Saint Germain hielt. Den unsterblichen – oder wenigstens ewig jungen – Grafen de Saint Germain.
Und nun war sie hier. In dieser Villa, mit drei Menschen, die ihr beinahe fremd waren. Doch nachdem sie wirklich alles verloren hatte, gab es vielleicht keinen besseren Ort für sie, um weiterzumachen. Vor allem, wenn sie mit ihrem Verdacht richtig lag, was Babette Audar anging. Sie hatte sich geschworen, nicht eher hier zu verschwinden, bevor sie nicht wusste, was Bab wirklich mit dem Grafen verband.
War sie eine Unsterbliche, hatte sie einen Vorrat dieser geheimnisvollen Frucht, von der im Tagebuch des Grafen die Rede war? Die Frucht, die das Leben verlängern konnte?
Leia nahm sich ein mintgrünes Macaron und teilte die beiden Hälften. Mit der Zungenspitze leckte sie die Creme weg.
Claude verdrehte die Augen und sah weg. »Falls du denkst, mich macht das an, haste dich geschnitten, Kleine.«
Igitt. Daran hätte sie nicht einmal gedacht, wenn sie momentan nicht ohnehin viel zu abgelenkt wäre, um Lust auf Sex zu haben. »Keine Sorge, du bist nicht mein Typ«, murmelte sie.
Er lachte auf. »Kann ja Oren holen.« Seine Augenbrauen wackelten auf und ab. »Der ist hier der Loverboy, hab ich recht?«
Sein Mobiltelefon summte leise. Er warf nur einen kurzen Blick auf das Display und drehte es rasch um.
Leia würdigte ihn keiner Antwort und schob sich stattdessen die eine Hälfte des Gebäckstücks zwischen die Lippen. Es zerging auf der Zunge und ihr lief das Wasser im Mund zusammen. Wenn Bab von irgendetwas außer dem Grafen Ahnung hatte, dann von Delikatessen.
Ihr Kinn ruckte zu Claudes Telefon, das noch immer keine Ruhe gab. »Willst du nicht drangehen?«
Er stieß den Stuhl nach hinten, als er sich erhob. Die Holzbeine ratschten über das Parkett und er wäre beinahe umgestürzt. Das hätte das zierliche Teil aber wirklich nicht überlebt. »Sobald der Boss erkennt, dass wir dich nicht brauchen, biste weg, Kleine«, brummte er mürrisch, schnappte sich das immer noch vibrierende Gerät und schlurfte aus dem Esszimmer.
Falls er richtig lag, sollte sie sich lieber ranhalten, denn besonders gebraucht fühlte sie sich momentan nicht.
Claude war allerdings mindestens genauso überflüssig.
Leia wartete, bis er den Raum verlassen hatte, dann sprang sie selbst lautlos auf und eilte zur Tür. Sie presste das Ohr dagegen. Seine Schritte verklangen auf dem Teppich, sprach aber nicht. Er schien das Telefonat zu ignorieren.
Warum ging er denn nicht dran?
Behutsam öffnete Leia die Tür und steckte die Nase in den Flur. Sie sah Claude gerade noch um die Ecke biegen. Er war in Richtung des Flügels unterwegs, in dem sie und die beiden Männer wohnten.
Bab lebte und arbeitete in der anderen Richtung, doch in all den Wochen hatte Leia sie höchstens fünf, sechs Mal gesehen. Sie schien sehr beschäftigt zu sein – womit auch immer. Na gut, zum Teil mochte es auch daran liegen, dass dieses Haus ungefähr so groß war wie das Anwesen in Downton Abbey. Man konnte minutenlang laufen, ohne eine Außenmauer zu erreichen.
Leia presste den Kiefer zusammen, ihre Hand tastete nach der Armbanduhr.
Wie so oft tauchte das Bild ihres Vaters vor ihrem inneren Auge auf. Es war eine Erinnerung aus der Zeit vor der Krankheit, doch in seinem Blick stand Traurigkeit, als wusste er bereits, was ihm blühte … oder ihr, wenn sie es nicht verhinderte.
Ihre Finger begannen zu zittern und sie ließ ihr Handgelenk los.
Nur aus Trauer. Aus Angst vielleicht, oder wegen der Ungewissheit. Ungeduld, weil du nicht weiter kommst. Das ist kein Symptom.
Sie drehte den Kopf. Da, hinter der Biegung des Ganges, lag Babs Reich. Erst ein Mal war es ihr gelungen, sich dort ein wenig umzusehen. Bab hatte sich für einen Theaterbesuch verabschiedet, Oren hatte mit einer Erkältung im Bett gelegen und Claude war wegen irgendeines sportlichen Ereignisses nicht ansprechbar gewesen.
Noch bevor sie die Tür zum Arbeitszimmer überhaupt geöffnet hatte, war ihr das Haar aufgefallen, das im Rahmen eingeklemmt gewesen war. Ein Haar, das konnte sie wieder anbringen, aber wer wusste schon, was für Fallen Bab noch installiert hatte?
Deswegen hatte sie sich nicht weiter getraut als bis zum Schreibtisch. Wie eine Anfängerin hatte sie die wenigen Unterlagen auf der Tischplatte untersucht und sich die Bücher im Regal angesehen. Leider war nichts darunter, das für sie irgendwie interessant war, doch mehr hatte sie nicht gewagt.
Danach hatte sie ganze Nächte mit der Recherche solcher Fallen verbracht. Hinweise, die dem Bewohner eines Zimmers verraten würden, dass jemand sich dort umgesehen hatte: verstreuter Sand auf dem Boden; gespannte Fäden, die rissen, wenn man sie durchschritt; Klebeband auf dem Stuhl, an dem Stofffasern der Kleidung haften blieben, und noch vieles mehr.
Als sie gelesen hatte, dass diese Techniken bereits seit langer Zeit Anwendung fanden, war sie ganz kribbelig geworden.
Das war kein Beweis für ihren Verdacht, wenngleich es einfach perfekt zu dem Eindruck passte, den sie von Bab hatte – nämlich, dass sie schon viel länger auf diesem Planeten unterwegs war, als man es ihr ansah, und mehr Geheimnisse kannte, als ein Mensch kennen sollte.
Nachdenklich zog Leia sich ins Esszimmer zurück. Aus der angrenzenden Küche erklang leises Pfeifen. Die Haushälterin, die jeden Nachmittag in die Villa kam, in den gemeinsam genutzten Räumen für Ordnung sorgte und dann abends kochte, war ihren Dienst angetreten.
Leia nahm sich noch ein Macaron. Ihre Hand zitterte dabei nicht, doch was hieß das schon? Sie musste herausfinden, was Babs Geschichte war, worin ihr Geheimnis bestand, und zwar schnell.
Bevor ihr das gleiche Schicksal blühte wie ihrem Vater.
Batista
Persien, 1724
Batista raffte den Rock ihres braunen Reisekleides, das bereits zahlreiche Flecken aufwies, und richtete das Tuch, das sie sich um Kopf und Schultern geschlungen hatte, um ihre langen dunkelblonden Haare zu verbergen.
Es verrutschte immer wieder, doch ihr Herr ließ diesbezüglich nicht mit sich diskutieren. Er hätte sich wohl nicht von ihr dazu überreden lassen, dieses faszinierende Land zu bereisen, wenn sie sich geweigert hätte, es zu tragen.
Dann fuhr sie damit fort, ihrem Pferd das Fell zu striegeln.
Xavier, wie der alte Begleiter ihres Herrn hieß, räusperte sich lautstark und spuckte durch eine große Zahnlücke vor ihr ins Stroh. Genau genommen bestand sein gesamtes Gebiss aus Lücken. »Mach das vernünftig, Weibsbild. Sonst lassen wir dich hier, bei den Ungläubigen.«
Er sprach das Wort so aus, als verachtete er die Einheimischen zutiefst, was wohl auch den Tatsachen entsprach. Er tat so, als wären sie allesamt unsauber, ungebildet und ehrlos, Angehörige einer niederen Kultur.
Batista sah genau, wie die Menschen, denen sie hier begegneten, sich hinter seinem Rücken Blicke zuwarfen. Die Abscheu bestand wohl von beiden Seiten, doch wenn Batista sich unbedingt auf eine Seite schlagen müsste, würde sie nicht die ihres Reisegefährten wählen.
Sie rümpfte die Nase, als er sie passierte. Sein Geruch beeinflusste ihre Wahl nur unwesentlich, obwohl er ihr zuweilen Tränen in die Augen trieb. Doch es gab noch schlimmere Seiten an ihm als das.
Eine Schande, dass es wohl für die meisten Menschen so wirkte, als wäre sie seine Tochter und deswegen Teil des kleinen Gefolges ihres Herrn.
Wie falsch sie damit lagen.
Beinahe so falsch wie Xavier mit seiner Meinung zu den Persern. In wenigen Ländern waren sie so gastfreundlich empfangen worden wie hier, und die Wissenschaft schien die ihres Heimatlandes um Längen zu übertreffen.
Wäre Vater hier erkrankt, hätte man ihm helfen können.
Sie drehte den Ring, ihr letztes Erinnerungsstück an ihr früheres Leben. Ihre Fingerspitzen über das zierliche Rankenmuster gleiten zu lassen, beruhigte sie.
Xavier warf ihr einen finsteren Blick zu und sie schüttelte den Gedanken ab, bevor der alte Bursche noch beim nächsten Ausspucken direkt auf ihre dünnen Lederschuhe zielte.
Sie hatte diese erst am Vortag auf einem der Märkte erstanden, die man hier Basare nannte und auf denen man ungeahnte Schätze finden konnte. Die Farben und Düfte waren überwältigend gewesen, sodass sie sich beinahe vor lauter Staunen verlaufen hätte.
Vermutlich wäre das überhaupt nicht tragisch gewesen. Die Menschen waren freundlich und neugierig, auch wenn sie ihre Worte nicht verstand. Sie erkannte es in ihren Augen.
»Diese verfluchte Hitze macht mich fertig«, brummte Xavier und warf dem Pferd ihres Herrn einen Arm voll Heu hin.
Batista zuckte zusammen. Sie hasste es, ihn fluchen zu hören, und hatte sich auch in all den Jahren nicht daran gewöhnen können.
»Sprich nicht so in Anwesenheit einer Frau«, erklang plötzlich eine Stimme hinter ihnen.
Batista fuhr herum und auch Xavier drehte den Kopf.
Ihr Herr, Thiago de Montalban, war in das kleine Stallabteil getreten, in dem sie ihre drei Pferde und das Muli untergebracht hatten, solange sie sich hier in Teheran aufhielten.
Xavier senkte einmal kurz den Kopf. Ein größeres Zeichen der Zustimmung war ihm meist nicht zu entlocken.
Batista räusperte sich. Wenn sie es jetzt nicht wagte, dann würde es zu spät sein. »Herr?«
»Ja?« Der große Mann mit den freundlichen Runzeln um die Augen, die gar nicht zu seinem stets ernsten Gesichtsausdruck passen wollten, sah ihr aufmerksam entgegen.
»Wenn Ihr Euch gleich mit diesem Lehrer trefft, würde ich Euch gern begleiten.« Sie schluckte und griff nach ihrem Tagebuch, das sie immer in einem Lederbeutel bei sich trug. »Ich könnte mir Notiz…«
Thiago seufzte schwer, bevor er sie unterbrach. »Du weißt genau, dass das unmöglich ist, Batista. In der Teestube treffen sich nur Männer.«
Ihr Kiefer verspannte sich. »Herr, diese wunderbare Sprache … die Schriftzeichen …« Sie bemerkte selbst, dass sie zu stammeln begann. Ihre Finger krampften sich um den Einband.
Die Miene Thiagos verhärtete sich und sie verkniff sich weitere Worte.
Xavier hustete, doch es klang mehr so, als müsste er sich ein Kichern verkneifen.
Schnell senkte Batista den Kopf, damit ihr Herr nicht das Glitzern in ihrem Blick sah. Er würde es für kindliche Tränen der Wut oder der Traurigkeit halten, aber das entsprach nicht der Wahrheit. Sie war eine erwachsene Frau und viel zu alt für Tränen, doch wie ihr Vater stets gesagt hatte, sah man in ihren Augen ihren unbändigen Willen. Aus Erfahrung wusste sie, dass sie damit bei Thiago nicht weit kam.
Es dauerte einige Momente, in denen niemand sprach. Dann sagte Thiago: »Ich werde dir alles beibringen, was ich erfahre. Wie ich es immer tue, Batista.« Er streckte die Hand nach ihrer Wange aus, zog sie jedoch zurück, bevor seine Fingerspitzen ihre Haut berühren konnten.
Nicht in der Öffentlichkeit. Nicht einmal in einem fremden Land, in dem die Bewohner die Gebräuche ihres Heimatlandes nicht kannten und nicht wussten, dass ein Edelmann sich nicht offiziell mit einer einfachen Frau einlassen durfte, die als Magd mit ihm reiste.
Als wäre nicht schon das skandalös genug. Als würde irgendjemand in Europa wirklich glauben, dass sie die Tochter des alten Xavier war.
Rasch nickte sie, ehe er das Risiko einging und sie doch noch an sich zog. Seine Zuneigung störte sie zwar nicht, allerdings sehnte sie sich auch nicht danach. »Eine Lektion für einen Kuss.«
Ein Lächeln umspielte seine Lippen. »Eine Lektion für einen Kuss«, wiederholte er.
Dann drehte er sich um und verließ den Stall.
Xavier hatte sich inzwischen auf dem Strohballen niedergelassen, der in einer Ecke des Verschlags lag, und kniff die Lippen zusammen. »Irgendwann wirst du dafür büßen, du Hure«, brummte er.
Heißer Zorn stieg in Batista auf und sie trat im Vorbeigehen gegen den Ballen. »Kümmere du dich um deine Aufgaben, Bursche«, zischte sie.
Der Stachel, den er immer wieder in ihre Seele rammte, steckte inzwischen einfach zu tief.
War sie das, eine Hure? Nur weil sie die einzige Möglichkeit nutzte, die sich ihr bot, um Bildung zu erhalten?
Thiago war für sie mehr ein Vaterersatz als ein Liebhaber. Er brachte ihr bei, was er wusste, und auf ihren Reisen lernte sie noch so viel mehr. Doch in den Augen anderer Menschen – wie denen des alten Xavier – war sie natürlich eine Hure, die für ein paar Annehmlichkeiten das Bett mit ihm teilte.
Du hast keine Wahl.
Nein, die hatte sie nicht. In einer idealen Welt hätte ihr eigener Vater sie alles gelehrt, was er über die Geschichte ihrer Welt und anderer Kulturen wusste, und sie wäre längst in seine Fußstapfen getreten. Sie hätte ihn auf seinen Vortragsreisen an die Höfe Europas begleitet und irgendwann selbst Vorträge gehalten. Der Adel war neugierig und sensationslüstern, immer auf der Suche nach etwas, das ihre Langeweile zu vertreiben vermochte.
Sein Tod hatte ihnen einen Strich durch die Rechnung gemacht. Nur gut, dass sie offenbar wenigstens nicht dafür ausersehen war, ein Kind zu empfangen. Das würde alles schwieriger machen.
Wütend stapfte sie ins Freie und umrundete den Stall. Menschen in langen, einfachen Gewändern und mit Tüchern, die sie sich um den Kopf geschlungen hatten, sahen ihr neugierig nach. Für sie musste sie, die großgewachsene, schlanke Europäerin, unter deren Kopftuch sich blonde Haare hervorkringelten und deren weiter Rock dann und wann einen Fußknöchel sehen ließ, wie ein Paradiesvogel wirken.
Hier mochte ihre Abmachung funktionieren. Sofern sie weiter nach Osten reisten, konnte sie eine Weile die Magd spielen, die eigentlich zu alt war, um noch nicht unter der Haube zu sein.
Doch was, wenn sie nach Europa zurückkehrte? Was dann?
Sie war schon älter als dreißig. Weit älter als dreißig, um ehrlich zu sein. So gern sie ihren Herrn hatte und wie dankbar sie ihm auch war, dass er sie aus ihrem Dasein als einfache Magd in einer schmutzigen Schänke in Faro befreit hatte: Es schickte sich nicht, dass sie mit zwei Männern reiste, von denen keiner ihr Ehemann oder Verwandter war.
Sie trat ein Steinchen weg, das über den Weg flog und gegen einen Holzpflock prallte.
Wäre sie doch nur ein Mann. Dann könnte sie alles tun, was sie wollte. Sie könnte allein reisen, sie könnte alles lernen, was sie interessierte, und sie müsste sich nicht dafür hergeben, dass jemand sein Wissen mit ihr teilte. Männern stand die Welt offen.
Ein weiteres Steinchen flog von ihrer Schuhspitze aus gegen das Holz. Das dumpfe Geräusch ließ sie aufsehen.
Dieser Pflock war in Wahrheit ein Pfahl und in regelmäßigen Abständen erblickte sie weitere dieser Pfähle. Zwischen ihnen war eine Schnur gespannt, über der Stoffstücke hingen.
Erst bei genauerem Hinsehen erkannte Batista, um was es sich handelte. In ihr keimte eine Idee, die ihr das Lächeln zurückbrachte.
Leia
Frankreich, Gegenwart
Leia klammerte sich fest, bis ihre Knöchel weiß wurden. Ihre Handflächen protestierten, ihr Ring drückte in das weiche Fleisch und quetschte es schmerzhaft zusammen.
Tief atmen. Nicht loslassen.
Die Muskulatur in ihren Unterarmen brannte bereits wie Feuer. Besonders auf der linken Seite, die viel schwächer war seit dieser Verstauchung, die sie sich an diesem furchtbaren Tag vor so vielen Wochen zugezogen hatte, als sie und Antoine in Teheran vor den Assassinen geflohen waren. Lange konnte sie sich nicht mehr halten, doch sie durfte nicht abstürzen.
Nicht abstürzen!
Ein Keuchen entfuhr ihr und sie presste die Lippen zusammen. Ihre Gedanken kreisten nur noch um die Schmerzen in den Fingern, die Schwäche in den Unterarmen.
Hätte sie ihre Uhr doch wenigstens abgenommen! Sie spürte sie genau, der Puls pochte in ihrem Knöchel.
Ihre Handflächen begannen zu schwitzen. Das Gewicht ihres Körpers zerrte an ihren Armen, ihren Schultern, ihrer Brust. Sie fühlte, wie ihre Finger sich langsam öffneten.
Noch nicht …
»Zwei fünfzig«, ertönte eine Stimme vor ihr.
Sie öffnete die Lider und sah in Orens Gesicht. Der Blick aus seinen dunklen Augen wanderte zwischen ihren Händen und seiner Armbanduhr hin und her. Dabei fiel ihm eine schwarze Locke in die Stirn, die er wegpustete.
»Sehr gut, Leia. Noch vier. Drei. Zwei. Eins.«
Ihre Hände öffneten sich wie auf Kommando und sie fiel – zehn Zentimeter tief auf den Gummiboden des Fitnessraums.
Erschöpft ließ sie sich auf die Knie sinken und drückte die Innenseite ihrer Unterarme gegen die Oberschenkel. Es fühlte sich so an, als könne sie nie mehr irgendetwas in die Hand nehmen, aber dieser Eindruck verging irgendwann, wie sie inzwischen wusste.
»Gleich noch mal?«
Ohne den Kopf zu heben, streckte sie Oren den Mittelfinger entgegen.
Das klappte also schon wieder.
»Wenn man bedenkt, wie schwach du vor ein paar Wochen noch warst, ist das eine Leistung.«
Zweiter Mittelfinger.
Oren lachte, wobei sich sein rechter Mundwinkel vor dem linken hob. Eine Eigenheit, die Leia aufgefallen war. Weil sie es süß fand? Sie wollte ihn überhaupt nicht süß finden und erst recht nicht attraktiv!
»Dann brauchst du eine Pause?«
Um ehrlich zu sein, hätte sie nichts gegen eine Pause gehabt, doch das würde sie ihrem Trainingspartner niemals auf die Nase binden. Behutsam bog sie die Hände zurück.
»Ich bin gerade erst warm.« Ihr Unterarm war zwar anderer Meinung, aber was sollte es.
»Okay. In dem Fall wärme ich mich schnell ebenfalls auf und dann können wir noch ein bisschen Selbstverteidigung trainieren.« Er begann, auf der Stelle zu laufen und mit den Armen zu kreisen.
Leia unterdrückte ein Seufzen.
Irgendwie hatte Oren sich in den Kopf gesetzt, dass sie ein paar seiner geheimen Israeli-Kampftechniken erlernen müsste. Da rollte man sich einmal mit einem irren Mörder auf der Erde herum und schon uferte das in körperliche Ertüchtigung aus. Außerdem hatte sie doch gewonnen, ganz ohne Training!
Beim Aufstehen spürte sie ihre Bauchmuskeln. Kein übles Gefühl, das musste sie zugeben. Und sollte sie wider Erwarten durch die Berührung des Kreuzes geheilt worden sein, musste sie auf ihre Gesundheit achten, da war Sport keine schlechte Idee. Außerdem gab es Schlimmeres, als die Zeit mit einem heißen Israeli zu verbringen.
Und sein Charakter war auch nicht zu verachten, mal abgesehen von seinem Söldner-Dasein.
Als wäre dein Job auch nur einen Deut besser, du Diebin!
Noch bevor sie ihr Unterbewusstsein darauf hinweisen konnte, dass sie eine Wiederbeschafferin sei und keine Diebin, zog der heiße Israeli seine Trainingsjacke aus und präsentierte seine definierten Oberarme. Dann machte er ein paar Liegestütze in perfekter Haltung.
Leia schluckte und sah schnell weg, ehe Oren ihren Blick bemerkte. Er schien es ein wenig darauf anzulegen, ihr zu gefallen, doch darauf hatte sie gerade gar keinen Nerv. Sie hatte andere Probleme und brauchte nicht noch einen Beziehungswirrwarr dazu – oder dumme Kommentare von Claude.
Nachdenklich massierte sie ihr Handgelenk. Die Verstauchung, die nach der Berührung des Kreuzes wie durch ein Wunder geheilt zu sein schien, war in abgeschwächter Form ein paar Tage später zurückgekehrt. Vielleicht war die Dosis zu gering gewesen, um sie langfristig zu heilen. Wenn ja, dann galt das mit Sicherheit auch für Huntington.
Das heißt nicht, dass dieses Zittern ein Symptom ist. Es ist immer noch sehr früh für einen Ausbruch.
Leider konnte sie nicht unauffällig einen Spezialisten aufsuchen. Natürlich durfte sie sich frei bewegen, sie war ja keine Gefangene. Oren selbst war vor zwei Monaten für einige Wochen nach Israel geflogen und hatte sie mit fröhlichen Familienfotos unter strahlend blauem Himmel versorgt, während sie im regnerischen Frankreich gesessen hatte. Auch Claude hatte sich vorletzte Woche schweigend für einige Tage verabschiedet, obschon sie nicht wusste, wohin. Er wirkte nicht wie ein liebevoller Familienmensch, das konnte allerdings täuschen.
Doch wenn sie Babs Landsitz verließ und zu ihrem Arzt nach Deutschland fuhr, würde mit Sicherheit einer der drei ihr hinterherspionieren. Und sobald sie wussten, dass sie mit einer tödlichen Krankheit gesegnet war, würden alle sie anders behandeln. Im schlimmsten Fall entschied Bab, dass sie nicht von Nutzen sein konnte und lud sie kurzerhand wieder aus. Oder noch schlimmer, ihr wurde bewusst, worauf Leia es in Wahrheit abgesehen hatte, als sie zugestimmt hatte, Teil ihres kleinen Teams aus Schatzjägern und Söldnern zu werden.
Das durfte nicht passieren. Nicht, bevor sie nicht wusste, was es mit der Frau auf sich hatte. Nicht, bevor sie nicht wusste, ob Babette Audar wirklich das Geheimnis der Unsterblichkeit für sich entdeckt hatte.
»Was ist jetzt?« Oren sah sie aufmerksam an.
Leia schüttelte die Gedanken ab. Hatte er sie etwas gefragt und sie hatte es nicht mitbekommen? Sie musste aufpassen, ansonsten stempelte er sie schneller als Weirdo ab, als sie überhaupt daran denken konnte, in Babs Allerheiligstes einzudringen.
»Ich bin bereit.« Das war absolut gelogen, aber sollte Oren sie doch ein paarmal auf die Matte schicken, bis sie wirklich so weit war.
»Gut. Dann zeige ich dir jetzt, wie du aus ausweglos erscheinenden Situationen herauskommst.« Er räusperte sich. »Leg dich auf den Rücken, Leia.«
Wurde er etwa rot bei den Worten?
Leia verkniff sich ein Grinsen und tat wie geheißen. »Und jetzt?«
Er hustete und seine Stimme klang belegt. »Jetzt winkle bitte die Beine an und öffne sie ein wenig.« Vielleicht hatte er einen Frosch im Hals.
Kaum tat sie, was er ihr sagte, überkam sie die Erinnerung. Genauso hatte sie auch gelegen, als Antoine – der falsche Antoine, denn der echte hatte im achtzehnten Jahrhundert gelebt – sie überwältigt hatte, damals in dieser schrecklichen Nacht vor so vielen Wochen.
Ihre Kehle wurde eng und sie hatte Schwierigkeiten, zu schlucken.
»Ist das okay für dich?« Oren klang leise, sie hätte ihn beinahe nicht verstanden.
Sie nickte, so gut es ging mit diesem Kloß im Hals. Ihr war, als hätte Antoine gerade eben erst versucht, sie zu erwürgen, und nicht vor so langer Zeit.
Oren straffte die Schultern. »Ich glaube, es wird dir helfen, es zu verarbeiten. Eine Art Konfrontationstherapie. Und du wirst dich sicherer fühlen, wenn du weißt, wie du diese Situation meistern kannst.« Offensichtlich hatte wenigstens einer seine Fassung wiedergewonnen. Vermutlich half es Oren, sachlich an die Sache heranzugehen.
Ihm war das ja auch nicht passiert. Er hatte nicht gespürt, wie ihm die Luft wegblieb und sein Schädel drohte, gleich vor lauter Druck zu explodieren. Allerdings zeugten einige Narben davon, dass er selbst bei seinen Abenteuern auch nicht immer mit heiler Haut davongekommen war.
Trotz aller Zweifel nickte sie. »Klar, leg los. Ich halte das schon aus.«
Viel behutsamer, als Antoine es getan hatte, ließ Oren sich zwischen ihren Beinen nieder. Er war etwas schwerer und breiter als Antoine, das fiel ihr sofort auf. Es war lange her, dass sie einen fremden Körper dort gespürt hatte.
Eigentlich fühlte es sich ganz gut an.
Ein Zucken erfasste Orens Mundwinkel, es schien ihm also ähnlich zu gehen. »Also, wie war das? Er hat deine Handgelenkte festgehalten, richtig?«
Sie nickte mühsam. »Mit einer Hand.« Immer noch schämte sie sich ein bisschen deswegen. Dass ihm das gelungen war, sie mit einer Hand zu fixieren …
»Klar, das kann jeder Schwächling«, sagte Oren genau das, was sie gerade hören musste. »Er konnte sein Körpergewicht zu Hilfe nehmen.«
Er machte es vor und Leia nickte. »Genau so.« Irgendwie ging es ihr bereits jetzt ein wenig besser. »Und mit der anderen Hand hat er mich durchsucht.«
»Nach dem Feuerzeug.«
»Nach dem Feuerzeug.« Diesem Scheißding, das sie zu dem Zeitpunkt längst zerstört hatte.
»Ohne dich hätte er das Artefakt verbrannt. Bab wird dir auf ewig dankbar dafür sein.« Mit diesen Worten wanderte Orens Hand zu ihren Hüften.
Er legte sie flach auf die Öffnung ihrer Hosentasche, wohl um sie nicht unnötig zu belästigen. So rücksichtsvoll war Antoine nicht gewesen.
»Mein linker Fuß steckte noch in dem Felsspalt.« Bei der Erinnerung daran wurde es Leia ganz anders. »Ich konnte das Bein nicht bewegen.«
»Du brauchst es nicht. Ich zeige dir, wie du dem Menschen, der dir das antut, richtig Schmerzen zufügen kannst.«
Jetzt musste auch Leia lächeln. »Und wie?«
»Du hast es ganz gut gemacht, wie du mir berichtet hast. Du hast ihn mit den Hüften abgeworfen, richtig?«
»Ja.«
»Perfekt. Dann drück dich jetzt mit Schwung nach oben. Wenn du den Dreh raus hast, katapultierst du mich richtig von deinem Körper.«
Sie versuchte es, und Oren plumpste neben ihr auf die Matte. »Das war jetzt nicht gerade ein Katapult.«
Er lachte auf. »Nein, aber deine Hände sind frei und ich habe zumindest die Kontrolle über dich verloren. Das war gar nicht so schlecht. Nur wenn du einen kampferprobten Gegner hast, reicht das nicht.« Sofort platzierte er sich wieder zwischen ihre Beine.
»Also noch mal.« Leia zögerte kurz. »Was habe ich falsch gemacht?«
»Probier mal, deine Hüften ein wenig seitlich zu drehen, bevor du den Move machst.«
Mühsam bewegte Leia ihre Hüften. Es schmerzte schon jetzt, obwohl sie auf einer Gymnastikmatte lag. Allerdings fühlte es sich auch ein bisschen gut an.
Oren entfuhr ein unterdrückter Laut.
»Sorry, habe ich dir wehgetan?« Sie verkniff sich ein Grinsen. Ihrem Eindruck nach hatte er alles andere als Schmerzen.
»Mach einfach«, presste er durch die Zähne.
Der arme Junge, seine Selbstbeherrschung war bewundernswert.
Sie übten es noch ein paarmal und bei jedem Versuch schaffte sie sich Oren ein Stück weiter vom Leib. Schließlich nickte er und rieb sich den Beckenknochen. »Okay, das reicht jetzt, glaube ich.«
»Gerade bist du ein richtiges Stück geflogen!«
»Ja. Habe ich auch gemerkt.« Er lächelte schief. »Sollen wir noch mal üben, was du machst, wenn ich dich von hinten angreife?«
Die Tür öffnete sich und Claude kam herein. Er trug nichts als ein Muscleshirt und Shorts und bewegte sich grußlos direkt auf die Hantelbank zu.
Nach einem kurzen Blick auf die Hantelstange begann er, weitere Scheiben draufzupacken. Dabei murmelte er vor sich hin, als wäre es eine Zumutung, dass er mit so schwachen Menschen zusammenleben musste. Genau genommen ließ er es sie ständig spüren, dass er sie hochgradig überflüssig fand und am liebsten schnell wieder los wäre. Manchmal sagte er es ihr auch. Gerade jetzt sah er so aus, als würde er sie am liebsten des Raumes verweisen.
Leia biss sich auf die Lippe, um nicht zu lachen. »Hallo, Claude.«
Der bullige Mann brummte lediglich und arbeitete dann weiter an seiner Bulligkeit. Dabei hatte Leia allerdings das Gefühl, dass er sie und Oren aus dem Augenwinkel beobachtete.
Oren schien es nicht zu bemerken. Er ging in Angriffsstellung und umklammerte sie von hinten.
Leia hieb ihm den Ellbogen in die Rippen und warf sich nach hinten statt nach vorn, wie er es ihr gezeigt hatte. Das widersprach all ihren Impulsen, die sie zur Flucht zwingen wollten, doch sie wusste bereits, dass es funktionierte. Sie musste es bloß noch ein- bis zweihundertmal üben, bis es ihr ins Blut überging und sie das auch im Notfall tat.
Es gelang ihr beim ersten Mal, sich unter Orens Arm hindurch zu winden und ihn in den Schwitzkasten zu nehmen. Ein warmes Gefühl des Stolzes breitete sich in ihr aus.
Claude schnaubte. Es klang, als müsste er mal ausspucken.
Mit wenigen Handgriffen hatte Oren sich seinerseits befreit und stand angriffsbereit vor ihr. »Du hast gezögert. Wenn du so weit bist, musst du deinen Gegner sofort außer Gefecht setzen.«
Ein weiteres Geräusch erklang aus Claudes Richtung, doch dieses Mal konnte es auch daran liegen, dass er die Hantel mittlerweile doch ein wenig zu schwer fand.
Sie nickte. »Ja, ich weiß.«
»Dann gleich noch mal.«
Sie gingen die Bewegungsabläufe ein paarmal durch, bis Leia einen Krampf bekam. Während Oren netterweise ihren Fuß massierte, schüttelte sie ihre Unterarme aus. Morgen würde sie ihren kleinen Rekord an der Stange deutlich spüren.
»Sie machen Fortschritte«, erklang plötzlich eine Stimme aus der Ecke des Raumes.
Leia fuhr herum. Oren ließ ihren Fuß fallen und auch Claudes Hantel landete scheppernd wieder im Rack.
Auf dem Stuhl in der Ecke, auf dem Leia ihre Trainingsjacke abgelegt hatte, saß Babette Audar mit elegant übereinandergeschlagenen Beinen. Die halblangen dunkelblonden Haare hatte sie hochgesteckt, eine Stola war um ihre Schultern gelegt.
Leia schluckte. Wann war die Frau eingetreten? Es gab nur eine Tür, sie hätte direkt an ihr und Oren vorbei gemusst.
Ein kurzer Blick in die Gesichter ihrer Mitstreiter verriet ihr, dass sie wohl ähnliche Gedanken hatten. Ob es eine Geheimtür gab?
»Danke schön«, murmelte sie, als die Bedeutung von Babs Worten endlich durch ihre Verwirrung gedrungen war.
Auch Oren nickte.
Babette erhob sich. »Dann lasse ich Sie jetzt in Ruhe. Könnten Sie beide bitte morgen Vormittag in mein Büro kommen? Ich habe etwas zu besprechen.«
»Selbstverständlich«, sagte Oren.
»Klar«, sagte Leia beinahe gleichzeitig.
Bab nickte und schwebte lautlos, aber gut sichtbar, an ihnen vorbei zur Tür.
Aus zusammengekniffenen Augen sah Leia ihr nach.
Das ging doch nicht mit rechten Dingen zu. Überhaupt nicht. Diese Frau wäre niemals unbemerkt an ihnen vorbeigekommen.
»So ein Irrenhaus«, murmelte Claude leise, bevor er die Hände wieder um die Hantelstange legte.
Batista
Persien, 1724
In ein weites Gewand gehüllt, die langen Haare ungewohnt ordentlich unter der seltsam geschnittenen Kopfbedeckung verborgen, die persische Männer häufig trugen, näherte Batista sich dem Lederlappen, der vor der Türöffnung hing.
Aus dem Inneren des Gebäudes drangen murmelnde Stimmen. Männerstimmen.
Sobald du sprechen musst, wirst du enttarnt werden.
Diesen lästigen Gedanken scheuchte sie davon wie eine Fliege. Dann sprach sie eben nicht oder sie flüsterte nur. Sie verstand die Sprache ja ohnehin so gut wie nicht. Viel schlimmer würde es sein, wenn jemand dort drinnen seine eigene Kleidung erkannte, die eigentlich frisch gewaschen über der Leine hängen sollte.
Das Risiko musste sie auf sich nehmen.
Sie bewegte noch einmal vorsichtig die Arme. Die Bandage, mit der sie ihren Oberkörper so fest umwickelt hatte, dass sie kaum noch Luft bekam, hielt. Schlimmer als ein Korsett war das auch nicht, obschon es ihre Brüste eher platt drückte, anstatt sie nach oben zu pressen, bis sie ihr beinahe unter das Kinn stießen.
Zum Glück war sie groß genug, um als Mann durchzugehen, und ihre Rundungen waren auch nicht allzu üppig.
Mit einem tiefen Einatmen hob sie den Ledervorhang und betrat den dämmerigen Raum.
Sanfter, duftender Rauch umfing sie. Es war so düster, dass ihre Augen einen Moment benötigten, um sich an die Lichtverhältnisse zu gewöhnen. Sie blinzelte.
Im nächsten Augenblick ergriff jemand ihre Hand und geleitete sie zu einem freien Platz. Es war eine kleine Gestalt, die sie zuerst für ein Kind hielt, doch als sie genauer hinsah, kam er ihr eher wie ein sehr kleiner Mann vor. Er hatte einen leicht watschelnden Gang und lächelte ihr freundlich von unten her zu, also ließ sie ihre Bedenken fallen und fügte sich. Unsicher lächelte sie zurück.
Hoffentlich wirkte das nicht zu unmännlich. Sofort korrigierte sie ihren Gang und schritt nun ein wenig breitbeiniger voran, auch wenn es sich merkwürdig anfühlte.
Sie erreichten ihr Ziel. Ein dickes Bodenkissen lag neben einem niedrigen Tischchen und ihre Begleitung deutete darauf.
Zum Glück konnte sie inzwischen etwas besser ausmachen, wo sie hier gelandet war. Die Teestube war in kleine Separees aufgeteilt, die nur durch dunkle, von Ornamenten durchbrochene Holzwände abgetrennt wurden. Aus dem Grund war es ein wenig mühsam, die Männer zu erkennen, die sich auf den Sitzkissen niedergelassen hatten, Tee tranken oder eine der seltsam aussehenden Pfeifen rauchten.
Glücklicherweise war ihr Herr durch seine Größe und seine Kleidung auffällig genug, um aus der Menge hervorzustechen. Vielleicht auch durch seine verkrampfte Haltung, denn er sah aus, als wünschte er sich über alle Maßen einen Stuhl. Immer wieder rutschte er auf dem Kissen umher und strich sein Gewand glatt.
Wie es das Glück wollte, war die Nische direkt neben seiner noch frei.
Batista atmete tief ein und deutete darauf. Der kleine Mann runzelte die Stirn. Bevor er verneinen konnte, deutete sie noch einmal in die Richtung, dieses Mal ein wenig nachdrücklicher und zog bedrohlich die Brauen zusammen.
Ein ergebenes Nicken war die Folge. Ohne darauf zu warten, dass er vorging, schritt Batista breitbeinig auf das Tischchen zu. Sie ließ sich auf das Kissen fallen, das der Nische, in der sich Thiago mit seinem Begleiter niedergelassen hatten, am nächsten war. Inzwischen fühlte es sich überhaupt nicht mehr merkwürdig an, sich so zu bewegen. Batista verspürte vielmehr einen Eindruck von Macht, wie sie ihn bisher noch nie erlebt hatte.
Ein paar Augenblicke später erschienen zwei weitere kleine Männer. Einer von ihnen stellte eine der seltsamen Pfeifen vor ihr ab, ein Behälter aus Messing, aus dem zwei Schläuche ragten und von dem ein würziger Duft aufstieg. Der andere brachte ein Tablett mit einem Kesselchen und einem Becher. Er goss ihr Tee ein und verschwand.
Vorsichtig lehnte sie sich zurück und gab sich Mühe, dem Gespräch nebenan zu lauschen. Französische Worte schälten sich aus dem Stimmengewirr und fanden den Weg an ihr Ohr.
Aufatmend versuchte sie, sich zu entspannen, um nicht so sehr aufzufallen. Wie sie es bei einem jungen Mann in ihrer Nähe abgeguckt hatte, stellte sie ein Bein auf und winkelte das Knie an.
Ein laues Lüftchen umwehte nicht nur ihr Bein, und sie zuckte zusammen.
Egal. Einfach geschehen lassen. Sie hatte sich vorgenommen, sich anzupassen. Es war die einzige Möglichkeit, den Geheimnissen anderer Völker und Kulturen wirklich auf die Spur zu kommen, das hatte schon ihr Vater gesagt.
Wenn man es genau nahm, war diese Kleidung die bequemste, die sie jemals getragen hatte – abgesehen von der Bandage. Die Kissen waren weich und gemütlich und die geschnitzten Holzläden vor den Fenstern und das Leder in der Türöffnung hielten die Mittagshitze draußen und warfen interessante Schatten an die Wände. In dem dämmerigen Raum hingen Rauchschwaden in der Luft wie Vorhänge. Also kein Grund, sich unwohl zu fühlen.
Jetzt übersetzte das Gegenüber ihres Herrn offenbar einen Text, den er zuvor auf Arabisch oder Persisch vorgetragen hatte. Gerade sagte er: »Die Menschen sind Feinde dessen, was sie nicht kennen.«
Passendere Worte waren nicht denkbar. Batista griff nach ihrem Glas und nahm einen Schluck des süßen, heißen Getränks. Es schmeckte exotisch und scharf, allerdings ohne die belebende Wirkung, die manch anderer Tee sonst mit sich brachte.
Der leise Singsang von Suad, dem Lehrer ihres Herrn, wirkte zudem ein wenig einschläfernd. Sie hatte Probleme, sich auf die Lektion zu konzentrieren, dabei war sie genau deswegen hier. Normalerweise hatte sie keine Schwierigkeiten, ihre Aufmerksamkeit zu fokussieren, und Suads Aussprache war nahezu perfekt. Er hatte einige Jahre in Frankreich gelebt und studiert, ein wahrer Glücksfall für ihre kleine Reisegruppe. Thiago traf sich seit einer Woche beinahe täglich mit ihm, doch zum ersten Mal hatte Batista die Möglichkeit, den Mann unauffällig genauer zu mustern.
Er trug den Kopf unbedeckt, sein dunkles Haar war kurz geschnitten. Dafür war der Bart, der nahezu sein gesamtes Gesicht überwucherte, umso länger. Er hätte womöglich unheimlich auf Batista gewirkt, wenn nicht von Zeit zu Zeit seine auffällig weißen Zähne hervorblitzten, sobald er freundlich lachte.
Jemand trat ein und Batista sah kurz zum Eingang. Der Ledervorhang fiel hinter dem Neuankömmling wieder vor die Tür. Das sah seltsam aus, als hätte der Vorhang sich nicht so verhalten wie Vorhänge das normalerweise tun, wenngleich sie nicht genau sagen konnte, inwiefern.
War er etwas zu langsam zurückgefallen oder zu spät? Möglicherweise war jemand an dem neuen Gast vorbei nach draußen gegangen und hatte den Eingang von außen offen gehalten.
Allerdings hatte sie niemanden gesehen.
Wahrscheinlich irrte sie sich und nur ihre Augen spielten ihr einen Streich. Oder es lag an der Hitze.
Der Neuankömmling hob die Hand und grüßte jemanden in der Nische neben Batistas. Er kam in ihre Richtung und noch immer konnte sie den Blick nicht abwenden. Etwas fesselte ihre Aufmerksamkeit.
Als sie nur noch wenige Meter trennten, tauchte eine verschwommene Gestalt hinter dem Mann auf. Batista erstarrte und runzelte die Stirn. Dann blinzelte sie, doch ihre Sicht klärte sich nicht.
Wo war der Mann hergekommen? Er war nicht plötzlich hinter den anderen getreten oder vorher von ihm verdeckt worden, dafür war er zu groß. Nein, er war einfach von einem Moment auf den anderen da erschienen, wo vorher nichts gewesen war. Als hätte er sich auf irgendeine Weise im Raum materialisiert.
Das war natürlich nicht möglich. Er musste schon vorher hier gewesen sein, vielleicht verborgen in einer der Rauchschwaden dort, die in ihren Augen brannten.
Sie blinzelte erneut und die hagere Gestalt war verschwunden. Rasch setzte sie sich auf und ließ ihren Blick durch den Raum schweifen.
Jetzt sah sie wieder alles ganz klar. Wie konnte so ein großer Mensch einfach verschwinden? War er überhaupt nicht da gewesen, waren ihre Nerven überreizt, die Sinne überlastet von all den neuen Eindrücken? War irgendetwas in dem Rauch, wie vor ein paar Tagen, als im Verschlag neben ihrem jemand ein bestimmtes Kraut in die Pfeife gestopft und sie sich so entspannt gefühlt hatte?
Sie schnupperte, konnte den Geruch dieses Krauts allerdings nicht ausmachen.
Dann passierte sie der Neuankömmling und von einem Moment auf den anderen stand die Gestalt wieder vor ihr. Sie konnte nicht mehr von ihm erkennen als den Umhang, in den er sich von Kopf bis Fuß hüllte. Sein Gesicht lag so vollkommen im Schatten einer weiten Kapuze, als besäße er keins.
Die Luft um ihn herum schien zu flirren.
Batista setzte sich aufrecht hin und eine Gänsehaut ließ sie trotz der Wärme erschaudern.
Waren für einen Augenblick alle Gespräche im Raum verstummt, oder hatte nur ihr Gehör vor Schreck versagt?
»Bitte behalte den Platz, Adschnabi«, sagte Suad hinter ihr in seiner eigentümlichen Sprechweise, bei der man genau wusste, was er sagen wollte, auch wenn er Ausdrücke so benutzte, wie sie nicht üblich waren. »Da ist der, den ich dir vorstellen wollte.«
Instinktiv wusste Batista, dass die große Gestalt damit gemeint war. Sie wagte es kaum, sich zu rühren. Doch anstatt auf Suad und ihren Herrn zuzugehen, schien der Fremde sie anzusehen.
Ihre Aufmerksamkeit war von seiner wie gefesselt, ihr Herz setzte ein paar Schläge aus.
Erst ein leiser Aufschrei nahm diesen Zauber von ihr. Sie blickte zur Seite und sah, dass einer der kleinen Männer, die mit den Teekannen umhergingen, einen Becher zum Überlaufen gebracht hatte. Der Gast, dem der heiße Tee auf den Schoß gelaufen war, war aufgesprungen und sah zwischen dem Diener und dem Neuankömmling hin und her. Die dunkle Flüssigkeit sickerte langsam in den Teppich.
Das schien den Bann von allen Anwesenden zu lösen. Mit leisem Murmeln wurden die Gespräche wieder aufgenommen, wobei die Atmosphäre drückend wirkte, nicht so entspannt wie zuvor.
Nur Suad grinste fröhlich, als hätte er von all dem nichts bemerkt. Er winkte den Fremden heran und deutete auf ein weiteres Kissen auf dem Boden.
Endlich ging die geheimnisvolle Gestalt weiter. Batista schmiegte sich enger in ihr Polster und lugte durch eine der geschnitzten Öffnungen.
Mit spinnenartigen Bewegungen faltete der Fremde seine langen Beine zusammen und ließ sich nieder. Er musste über zwei Meter groß sein, war dabei jedoch dünn wie ein Stock.
Oder ein Skelett.
In einer fließenden Geste streifte er die Kapuze ab und legte langes, schwarzes Haar frei, das im Kragen seines Umhangs verschwand. Sein Gesicht war absolut faltenlos, lediglich die grauen Augen über eingefallenen Wangen verrieten sein Alter. Seine Haut war viel heller als bei jedem sonst hier, sogar heller als Batistas eigene. Eigentlich war sie beinahe weiß, wie bei jemandem, der das Licht scheute und sich lieber im Schutze der Dunkelheit bewegte.
Konnte er womöglich das Licht davon abhalten, ihn zu berühren?
Irgendetwas war jedenfalls mit dieser Haut. Immer wieder schienen seine Züge zu verschwimmen, als ob man sie durch Flüssigkeit betrachtete.
Thiago wagte eine kleine Verbeugung. »Allahu akbar.«
Der Mann reagierte nicht, und Suad machte eine wegwerfende Handbewegung. »Dieser Mann«, raunte er ihm zu, obschon nicht so leise, dass der andere es nicht hören konnte, »steht weit entfernt von Religion, ob von deiner oder meiner. Allah ist nicht sein Gott, dein Gott ist nicht sein Gott. Er ist der Hüter ganz anderer Mysterien.« Er riss seine Augen dramatisch auf, um das Gesagte zu untermalen.
»Mysterien?«, fragte ihr Herr.
Batista stockte für einen Moment der Atem. Mysterien waren der Grund, aus dem sie sich danach gesehnt hatte, in dieses Land zu kommen. Deswegen hatte sie immer wieder auf ihren Herrn eingewirkt und ihn mit allem gedrängt, was ihr an Mitteln zur Verfügung stand.
»Das ist es doch, was du suchst? Die Geheimnisse meines Landes.« Die Worte schwebten durch den Raum, als hätten sie keinen Ursprung.
Der Kopf des Fremden drehte sich ein kleines Stück und er schien Batista nun direkt in die Augen zu blicken.
Sie zuckte zurück. Ihre Fingerspitzen vibrierten und sie nahm ihren Ring zwischen Daumen und Zeigefinger, begann ihn zu drehen. Sie hatte das Gefühl, durchleuchtet zu werden. Sein Blick berührte sie tief in ihrem Inneren an Stellen, an denen sie noch nie berührt worden war, die eigentlich nur ihr gehörten.
Thiago hingegen reagierte nicht, so als hätte er nichts gehört.
Suad ergriff das Wort. »Er spricht nicht viel, aber was er sagt, ist von Bedeutung. Vielleicht weiht er dich in ein Geheimnis ein, vielleicht auch nicht.« Er grinste sein auffällig weißes Grinsen. »Ich dachte, das interessiert dich unter Umständen.«
»Wer ist er?«, fragte Thiago und richtete sich unhöflich direkt an Suad, als wäre der andere gar nicht da.
Doch das brachte den Fremden dazu, den Blick endlich von Batista zu lösen.
Erleichtert atmete sie tief ein.
Suad sah nach links und nach rechts, beugte sich in Thiagos Richtung und kniff die Lider zusammen. Dann raunte er: »Er ist der Namenlose, der Wanderer zwischen den Welten. Er beherrscht das Licht und versteckt sich in der Dunkelheit. Man sagt, er lebt schon ewig und wird noch ewig leben. In unserer Welt nennt man ihn …«, er zögerte einen Augenblick und runzelte die Stirn, als überlegte er, wie er es auf Französisch ausdrücken sollte, »… den Schattenmann. Wenn du ihn ansprichst, dann nenn ihn ›Perser‹.«
Er lehnte sich wieder zurück und entblößte erneut seine Zähne. Dieses Mal wirkte es mehr wie ein Fletschen.
»Aber sprich ihn besser nicht an. Warte, bis er dich anspricht.« Damit drehte er sich um und winkte nach einem der Männer, die den Tee servierten.
Die schienen plötzlich alle mit anderen Gästen beschäftigt zu sein. Keiner von ihnen nahm Notiz von Suad.
Batista hob ihren Becher an und sah hinein. Noch mehr als halbvoll. Sie nahm einen Schluck, um ihre trockene Kehle zu befeuchten. Bei Suads Worten war ein eigenartiges Kribbeln in ihrem Rücken aufgestiegen.
Schattenmann.
Der Name passte so gut, dass Batista nicht an der Richtigkeit der Übersetzung zweifelte.
»Du. Weib.«
Ihr Kopf zuckte hoch.
Der Perser hatte sich nicht gerührt, keine Miene verzogen, dennoch schien die Stimme von ihm zu kommen. Sie sah zu Suad, der ihr immer noch den Rücken zudrehte und einen der Männer anschrie, um dessen Aufmerksamkeit zu erregen.
»Fremde aus dem fernen Land.«
Ihr Kopf fuhr herum und sie hätte beinahe den Becher fallen lassen. Mit weit offenen Augen starrte sie den Perser an, der jetzt wieder den Blick auf sie gerichtet hatte, als wollte er sie hypnotisieren.
Hatte er gesprochen? Mit ihr?
Hatte überhaupt jemand gesprochen? Niemand reagierte, obwohl die Stimme laut gewesen war.
Laut und noch dazu in ihrer Sprache, auf Portugiesisch. In einer Sprache, die weder Suad noch Thiago noch vermutlich irgendjemand in ganz Persien verstand.
Und woher wusste er, dass sie eine Frau war?
»Komm in der Nacht zu den Feldern der Toten außerhalb der Stadt.« Es war eindeutig der hagere Fremde, der mit ihr sprach, ohne dass sich seine Lippen bewegten.
Das Kribbeln wurde stärker, allerdings war es keine Furcht, die sie spürte.
Ein Bauchredner. Das musste es sein. Sie hatte davon gehört, eine eindrucksvolle Fähigkeit, die jeder erlernen konnte, der es wollte. Deswegen klang das Gesagte so eigentümlich, so dumpf, so ohne Hall.
»Komm, sobald der Mond am höchsten steht.«
Warum konnte es kein anderer hören? Selbst wenn sie die Sprache nicht verstanden, müsste sich der eine oder andere danach umdrehen. Sie waren so laut.
Unüberhörbar.
Schlagartig, als hätte jemand ihre Gedanken gelesen, verstummten alle Geräusche um sie herum.
Dann durchbrachen die Worte des Persers die Stille.
»Komm allein.«
Mit offenem Mund sah Batista von einem Gast zum anderen, von Suad zu dem Jungen mit der Kanne, von dem dicken Mann am Fenster zu dem Besitzer der Stube, der gerade seine Runde machte.
Sie alle bewegten sich ganz normal weiter, klapperten mit Bechern auf den Tischchen, raschelten mit Kleidern, sprachen. Ihre Lippen bewegten sich, sie lachten, klatschten, schimpften.
Nur dass sie es nicht hören konnte. Als wäre sie von einer Sekunde auf die andere taub geworden.
Doch das war sie nicht. Die Stimme war noch da. Sie füllte ihren gesamten Schädel und verdrängte alles andere daraus.
»Erzähle es niemandem.«
Die Stimme war lediglich in ihrem Kopf.
»Wenn du verstanden hast, dann schließ die Lider.«
Im Gesicht des Persers hatte sich kein Muskel gerührt, er zuckte nicht einmal mit der Braue. Er sah Batista nur weiterhin mit diesem eigentümlichen Blick an, der ihr in jede Pore drang.
Ob sie verstanden hatte? O ja, und wie sie das hatte. Sie konnte es gar nicht mehr erwarten.
Sie schloss die Augen. Wartete eine Sekunde, zwei.
Dabei nahm sie wahr, wie sich ihr etwas näherte und direkt vor ihrem Gesicht ausharrte, Millimeter von ihrer Haut entfernt. Es war diese kaum wahrnehmbare Veränderung in der Spannung der Luft, kein echter Hauch, bloß eine Aura, die ihre eigene Aura beeinflusste. Sie hörte und spürte keinen Atem und doch wusste sie mit Gewissheit, dass der Perser unmittelbar vor ihr stand, nahm ihn wahr wie das Kissen, auf dem sie saß und den Teppich unter ihren Füßen. Sie war sich seiner Gedanken bewusst, die jedes Stück ihres Gesichts abtasteten.
Dann hielt sie es nicht länger aus und öffnete die Lider.
Die Geräusche des Teehauses brachen über sie herein wie eine Flutwelle.
Orientierungslos sah sie sich um. Alles war wie zuvor, lediglich der Fremde war fort.
»Wo ist er denn?« Das kam von Suad, der endlich einen der kleinen Männer an den Tisch holen konnte. »Ist er gegangen? Er hatte ja noch überhaupt keinen Tee.«
Seine Frage war berechtigt, denn der unheimliche Mann war verschwunden.
Batista hielt es nicht mehr aus. Sie warf einige Münzen auf das Tischchen und rappelte sich auf. Ihr linkes Knie schmerzte, weil sie es so lange verdreht hatte. Sie ignorierte es und stürmte zum Eingang.
Auf dem Weg ratschte sie mit dem Handrücken an einem der Gitter entlang, die die Separees trennten. Scharfkantiges Metall riss ihr die Haut auf.
Einer der kleinen Männer lief auf sie zu. »Ihr seid verletzt, Herr! Das muss sich ein Heiler ansehen!«
Sie winkte nur ab und wickelte einen Teil ihres Kopftuchs um die Hand.
Bevor die den Knoten machte, sah sie noch, dass die Verletzung die Form eines Halbmondes hatte. Sicher würde eine Narbe bleiben, doch darum konnte sie sich jetzt nicht kümmern. Sie hatte es eilig.
Kaum war sie durch den Vorhang getreten, blickte sie umher. Die Sonne blendete so, dass sie blinzeln musste.
Der Perser war nirgends zu sehen.
Leia
Frankreich, Gegenwart
Direkt nach dem Frühstück machte Leia sich auf den Weg zu Babs Arbeitszimmer. Vor der Tür stand Oren, der schon auf sie zu warten schien.
»Du warst nicht beim Frühstück«, sagte sie überflüssigerweise, als ob er es nicht selbst wüsste.
»Ich habe auswärts gegessen.« Oren sah verkniffen drein.
Eventuell hatte er Angst, Ärger zu bekommen. Doch weswegen?
Seit ihrem Trip nach Teheran hatte es keine weiteren Aufträge gegeben, er dürfte also keinen Grund zur Sorge haben. Andererseits könnte genau das das Problem sein. Vielleicht hatte er Langeweile und sehnte sich nach etwas Action.
»Auswärts?« Ein kleiner Stich durchfuhr sie bei den Worten. »Ist alles in Ordnung bei dir?«
Was machte er denn auswärts? Hier gab es weit und breit nichts, nur kleine Käffer. Wenn er in eine größere Stadt gefahren war, hätte er sie mitnehmen können.
Sofort wurden seine Züge weicher. »Ich hatte etwas zu erledigen. Etwas Familiäres. Aber jetzt ist alles in Ordnung, Leia.«
War sie so leicht zu durchschauen? »Ach so. Das ist gut.«
»Sicher könnten wir demnächst mal gemeinsam auswärts essen. Du musst langsam einen Lagerkoller bekomm…«
In dem Moment wurde die Tür zu Babs Reich geöffnet. Höchstpersönlich stand sie vor ihnen und sah mit einer hochgezogenen Braue und einem verräterischen Zucken um den Mundwinkel zu ihnen. »Sie dürfen sich gern in meinem Arbeitszimmer weiter unterhalten.« Sie machte einen Schritt zurück und deutete in den Raum hinter ihr.
Verdammt! Was hatte diese Frau nur alles gehört? Manchmal hatte Leia das Gefühl, ihr entging hier gar nichts.
Oren nahm sofort eine steife Haltung an. Dieses Militärische konnte er wohl niemals ablegen. Höflich ließ er Leia den Vortritt und schloss die Tür hinter ihnen.
Bab trat gemessenen Schrittes hinter ihren riesigen Schreibtisch aus dunklem Holz. Sie deutete auf die Stühle davor und ließ sich in ihren Chefsessel sinken. Dabei strahlte sie so viel Würde aus, dass Leia sich beinahe vorkam, als hätte sie eine Audienz bei einer Königin.
Wie nah sie wohl mit dieser Vermutung an der Wahrheit dran war? Wenn Babette wirklich die Frau war, die damals das Gemälde von Antoine gemalt hatte, wenn sie wirklich ihre Zeit mit dem berühmten Grafen Antoine de Saint Germain verbracht hatte, im achtzehnten Jahrhundert, dann hatte sie sicher einige Königshöfe besucht.
Es könnte eine andere Babette sein. Ein Ring und die Gewohnheit, daran herumzuspielen, sind keine Beweise für irgendetwas.
Als hätte sie ihre Gedanken gelesen, begann Bab, den Ring am Ringfinger ihrer linken Hand zu drehen. Sofort ploppte das Bild in Leias Erinnerung auf. Das Gemälde von Antoine de Saint Germain, das sie im Haus des Betrügers gesehen hatte. Die Hände einer Frau, die den Grafen von hinten umarmte.
Wäre das Kunstwerk nur nicht verbrannt! Sie hatte ihre Aufmerksamkeit nur dem Mann gewidmet, zumal sie kurz darauf sicher gewesen war, ihm persönlich begegnet zu sein. Jetzt würde sie sich zu gern den Händen widmen.
Bei dem Ring war sie sich sicher, dass es der gleiche war, den Bab trug. Doch war diese halbmondförmige Narbe vom Bild wirklich die auf Babs Hand? Falls ja, dann war das der Beweis, dass die Lügen, die der falsche Antoine ihr aufgetischt hatte, doch Einiges an Wahrheit enthielten. Nur seine Beteiligung daran war seiner Fantasie entsprungen.
Wie wahrscheinlich ist es, dass zwei Menschen mit so ähnlichen Narben herumliefen?
»Leia? Ist alles in Ordnung?«
Erst mit Babs Worten wurde ihr bewusst, dass sie die ganze Zeit wie ein Creep auf ihre Hände gestarrt hatte. »Ja. Natürlich. Ich bin voll da.«
Bab nickte und ihr war keinerlei Ärger anzumerken. »Dann fange ich mal an.« Sie richtete sich an Oren. »Ich habe einen Auftrag für Sie. Sie müssen etwas für mich besorgen.«
Oren nickte zackig und in Leia breitete sich das Kribbeln aus, das sie aus ihrer Zeit als Einbrecherin kannte. Dieses Gefühl, wenn sie wusste, dass es gleich losging. Angespannte Erwartung gemischt mit gleichen Teilen Angst und Vorfreude.
War das ihr erster Auftrag, sollte sie Oren begleiten? Vielleicht als Back-up, oder auch, um von ihm zu lernen und sich ein bisschen was abzugucken?
Bab schob eine Mappe in Orens Richtung, und er legte die Hand darauf. Für Leia hatte sie keine.
Oren nickte erneut und machte keine Anstalten, die Mappe zu öffnen. Er schien völlig darauf zu vertrauen, dass der Auftrag seine Fähigkeiten nicht übersteigen würde.
Leia wäre sich da nicht so sicher. Ein wenig befürchtete sie, dass Bab ihre Fähigkeiten überschätzen würde. Sie war mehr durch Zufall in diese ganze Sache mit Antoine hineingestolpert, und was sie damals getan hatte, war bis kurz vor dem Showdown immer gegen Bab gerichtet. Allerdings beurteilte sie die Frau so, dass sie Leias Fähigkeiten dennoch erkannt hatte.
Andererseits … Eine weitere Mappe lag nicht auf dem Schreibtisch.
Warum also war sie nun hier? Was war ihr Auftrag?
Leia schielte auf Orens Hände, die sich über dem grünen Pappdeckel gefaltet hatten. »Und … was tue ich dabei?«
Bab lächelte sanft. »Ich werde Oren begleiten. Das bedeutet, Sie wären mit Claude hier allein. Das wollte ich vorher mit Ihnen abklären, weil ich das Gefühl habe, zwischen Ihnen beiden gäbe es Spannungen.«
Sofort schüttelte Leia den Kopf. »Spannungen würde ich das nicht nennen.« Gesunde Feindseligkeit vielleicht, wobei sie nicht einmal das sagen würde. Eigentlich kam ihr Claude überhaupt nicht mehr feindselig vor, sondern vielmehr distanziert und vorsichtig. »Er ist nicht der Typ, der sich leicht Freunde macht. Und ich auch nicht«, fügte sie hinzu.
»Also wäre es für Sie in Ordnung?«
Leia nickte.
»Sehr gut. Ich würde Sie nämlich gern um etwas bitten.«
Na endlich! Es wurde Zeit, dass sie ein bisschen gefordert wurde. Und jeder Auftrag würde sie etwas näher an Babs Geheimnis bringen, dessen war Leia sich sicher. Sie selbst schien etwas über ihre Chefin zu wissen, was Claude und Oren verborgen war.
Die Frage war nur, war sich Bab dessen bewusst? Ahnte sie es? Immerhin war ihr bekannt, dass Leia das Tagebuch des Grafen de Saint Germain eine Zeit lang in ihrer Obhut hatte.
Hätte sie doch mehr darin gelesen, dann hätte sie mehr als eine bloße Ahnung, was genau geschehen war! Die Vermutung lag nahe, dass Babette Audar etwas von der geheimnisvollen Frucht besaß, von der im Tagebuch die Rede gewesen war. Die Frucht, die das Leben verlängern konnte.
Ohne es verhindern zu können, sah sie sich um. Ihr Blick fiel auf eine verzierte Bonbondose in einem Regal, direkt neben einer sehr zerlesenen Ausgabe von ›Das Foucaultsche Pendel‹.
Sofort schüttelte sie diesen Gedanken ab. Als ob Bab etwas so Wertvolles darin aufbewahren würde!