Das Sternenkind - Oscar Wilde - E-Book

Das Sternenkind E-Book

Oscar Wilde

0,0

Beschreibung

Ein ärmlicher Holzfäller findet einen verlassenen kleinen Jungen im Schnee und nimmt das Findelkind bei sich auf. Der Junge ist ungewöhnlich schön, entwickelt sich jedoch zu einem grauenvollen Charakter. Mit seinem maßlosen Hochmut zieht er einen Fluch auf sich, der seine strahlende Schönheit ins Gegenteil verkehrt und alle Menschen in Abscheu vor ihm zurückschrechen lässt. Bei dem Versuch das Geschehene rückgängig zu machen, muss der Junge schwere Prüfungen bestehen, um schließlich Milde und Güte in seinem Herzen zu entdecken...-

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 31

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Oscar Wilde

Das Sternenkind

Übersezt von Franz Blei

Saga

Das Sternenkind

 

Übersezt von Franz Blei

 

Titel der Originalausgabe: The Star-Child

 

Originalsprache: Englisch

 

Coverbild/Illustration: Shutterstock

Copyright © 1891, 2021 SAGA Egmont

 

Alle Rechte vorbehalten

 

ISBN: 9788728128183

 

1. E-Book-Ausgabe

Format: EPUB 3.0

 

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.

Dieses Werk ist als historisches Dokument neu veröffentlicht worden. Die Sprache des Werkes entspricht der Zeit seiner Entstehung.

 

www.sagaegmont.com

Saga ist Teil der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt.

Es waren einmal zwei arme Holzfäller, die durch einen großen Tannenwald nach Hause gingen. Es war Winter, und die Nacht war bitter kalt. Der Schnee lag tief auf der Erde und hoch auf den Zweigen der Bäume. Der Frost zerbrach die kleinen Äste auf beiden Seiten, wo sie vorübergingen; und als sie zu dem Gebirgsbach kamen, hing er bewegungslos in der Luft, denn der Eiskönig hatte ihn geküßt.

Es war so kalt, daß selbst die Tiere und die Vögel nicht wußten, was sie anfangen sollten.

»Uu«, knurrte der Wolf, als er durch das Unterholz lief, den Schwanz zwischen den Beinen, »das ist ja ein ganz abscheuliches Wetter. Daß da die Regierung nicht einschreitet!«

»Uiit! Uiit! Uiit!« zwitscherten die grünen Hänflinge. »Die alte Erde ist tot, und sie haben sie in ihrem weißen Totenlaken aufgebahrt.«

»Die Erde will sich verheiraten, und dies ist ihr Brautgewand«, flüsterten die Turteltauben einander zu. Ihre kleinen rosigen Füße waren ganz verfroren, aber sie meinten, es sei ihre Pflicht, die Lage romantisch aufzufassen.

»Unsinn!« heulte der Wolf. »Ich sage euch, die Regierung ist an allem schuld, und wenn ihr mir nicht glaubt, so fress' ich euch.« Der Wolf war von Grund aus praktisch veranlagt, und es fehlte ihm nie an guten Gründen.

»Nun, ich für mein Teil«, sagte der Specht, der ein geborener Philosoph war, »ich kümmere mich nicht die Spur um Erklärungen. Wenn etwas so ist, ist es so, und jetzt ist es furchtbar kalt.«

Und furchtbar kalt war es wirklich. Die kleinen Eichhörnchen, die im Innern der großen Fichten wohnten, rieben fortwährend ihre Nasen aneinander, um sich warm zu halten, und die Kaninchen rollten sich in ihren Höhlen auf und wagten nicht, sich draußen blicken zu lassen. Es schien, als ob nur die großen gehörnten Eulen sich freuten. Ihre Federn waren vom Reif ganz steif, aber das war ihnen gleich, und sie rollten ihre großen gelben Augen und riefen sich durch den Wald hin zu:

»Tu-wiit! Tu-woo! Tu-wiit! Tu-woo! Was für ein wundervolles Wetter wir haben!«

Weiter und weiter gingen die beiden Holzfäller, bliesen sich kräftig auf die Finger und stampften mit ihren großen eisenbeschlagenen Stiefeln auf den festgetretenen Schnee. Einmal sanken sie in ein Loch mit Triebschnee und kamen ganz weiß heraus, wie die Müller sind, wenn die Steine Korn mahlen; und einmal glitten sie auf dem glatten Eise aus, wo das Sumpfwasser gefroren war, und ihr Reisig fiel aus den Bündeln, und sie mußten es wieder zusammensuchen und zusammenbinden; und einmal glaubten sie, sie hätten den Weg verloren, und große Angst befiel sie, denn sie wußten, daß der Schnee grausam ist gegen die, die in seinen Armen schlafen. Aber sie setzten ihr Vertrauen auf den guten Sankt Martin, der über allen Wanderern wacht, und gingen auf ihren Spuren zurück und paßten dann scharf auf.

Und endlich erreichten sie den Saum des Waldes und sahen, fern unten im Tale zu ihren Füßen, die Lichter des Dorfes, in dem sie wohnten.