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Katastrophen können sich immer und überall ereignen. Vor allem im Klassenzimmer geht es oft ums schiere Überleben. Dieses Handbuch bereitet jeden Lehrer auf die Extreme des harten Schulalltags vor. Mit der dafür notwendigen Einstellung, der richtigen Ausstattung und einem ungebrochenen Willen wird er fit gemacht für eine Welt voller Gefahren: Ob sieben Nächte unter Wilden (aka Klassenfahrt), der Elternbesuch des Grauens, pubertierende Zombies oder die obligatorischen Rangfolgenkämpfe im Lehrerzimmer - Geistesgegenwart und Kampfgeist können jedem Pädagogen das Leben retten. Ein unerlässlicher Ratgeber für Referendare und Profis. Garantiert vorurteilsbehaftet, subjektiv und pädagogisch zweifelhaft! * Bei diesem Buch handelt es sich um eine überarbeitete Neuauflage des Titels Lustig ist das Lehrerleben. *
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Seitenzahl: 90
Veröffentlichungsjahr: 2017
Wie aus gewöhnlich gut unterrichtenden Kreisen verkündet wird, ist der Lehrerberuf das reinste Zuckerschlecken. Ein unzureichendes Studium ohne Praxisbezug, Planstellenmangel, Hektik, Stress, nervtötende Alltagsroutine, mangelhafte Ausrüstung der Schulen, fehlende ergänzende Betreuung durch Psychologen oder Sozialarbeiter und eine engstirnig denkende Schulbürokratie – das alles ist Lehrern unserer Tage völlig unbekannt. Ebenso wenig existieren unüberlegt in die Wege geleitete Rechtschreibreformen, Mobbing unter Lehrern und Schülern, Bandenkriminalität und Drogen in der Schule. Auch stellt niemand alle drei Tage eine neue oberclevere Pisa- oder OECD-Studie über den pädagogischen Erfolg des erzieherischen Handelns an. Selbstverständlich gibt es nicht alle vier Tage eine von oben verordnete Reform der letzten Schulreform, die weder Rücksicht auf die gigantische Klassengröße noch die psychischen Grenzzustände der Pädagogen nimmt, die sie umsetzen sollen. Auch ist es ein Gerücht, dass man sich Gedanken um irgendeine Zukunft für Schulabgänger aller Schulformen machen muss. Sie haben nämlich keine. Kurz gesagt, Lehrer sein ist ein Leben wie im Schlaraffenland, und deshalb sind Lehrer stets ausgeruht und gut gelaunt. Das muss schon deshalb so sein, weil nur ein ausgeruhter, gut gelaunter Lehrer ein guter Lehrer ist. Abgeschlaffte, überforderte, vom Leistungsstress geplagte Pädagogen hingegen können ihrem Erziehungsauftrag (wie immer der im Augenblick gerade lauten mag) nicht nachkommen, verbrauchen ihre wertvolle Freizeit zur Erholung und erreichen womöglich die Pensionsgrenze nicht ohne körperlichen und seelischen Schaden. Schon deshalb gibt es sie nicht (§ 1 Landesschulgesetz Schilda). Nun haben ja Lehrer an sich nichts dagegen, ausgeruht zu sein, und es gibt sogar drei Bevölkerungsgruppen, die ihnen dabei helfen wollen: Schüler, Eltern und nicht zuletzt die Schulbürokraten. Diese geben – alle zugleich und mit den unterschiedlichsten Mitteln – ihr Bestes, um den Schulalltag nicht langweilig werden zu lassen: Sie schreien, kommen zu spät, geben immer neue Erlasse und Verordnungen heraus, stammen entweder aus Kirgisien oder Obervolta oder gar aus der Unter-, Mittel- oder Oberschicht, verlangen nach Zuwendung, intrigieren, mobben, protestieren, pubertieren, haben ihre Hausaufgaben vergessen, halten ihre Kinder für verkannte Genies, heulen, toben herum, hecken unsinnige Streiche aus, liegen besoffen in den Anlagen des Schulhofs, bumsen im Klassenschrank, begehen Selbstmordversuche aus verschmähter Liebe, bestehen auf einer jährlichen Untersuchung durch das Gesundheitsamt, gehen über Tische und Bänke und pfeifen sich Drogen in flüssigem, festem und gasförmigem Aggregatszustand ein, bis der Arzt kommt. Und das alles nur, um für ein wenig Kurzweil (neudeutsch »Action« genannt) in der Schule zu sorgen. Schöner noch: Hinzu kommen die »lieben Kollegen«, von denen man manchmal glaubt, sie wollten die erstgenannten drei Gruppen an Einsatz und Engagement in Sachen Action noch übertreffen. Man kann also sagen: Der Lehrerberuf hat seit den Tagen Lehrer Lämpels noch deutlich an Reiz gewonnen.
Und damit Sie all die wunderschönen Erlebnisse und Begegnungen, die der Lehrerberuf so mit sich bringt, auch wirklich zu würdigen lernen und den großen und kleinen Katastrophen stets mit einem freudigen Lächeln gegenübertreten, wird Ihnen der folgende Erfahrungsbericht und Survival-Guide zeigen, wie Sie den Traumberuf Lehrer unbeschadet ausüben können.
Der Schulmeister in grauer Vergangenheit war a) zu spät geboren, um den Hof zu erben, und/oder b) zu schwach, um auf dem Felde zu arbeiten, und/oder c) zu dumm, um Pfarrer zu werden (Latein!), aber d) zu schlau für den Beruf des Dorftrottels. Also wurde er Lehrer. Heute werden da ganz andere Anforderungen gestellt. Selbstredend brauchen sie Abitur auf irgendeinem Bildungsweg, 9 bis 19 Semester Studium, erstes Staatsexamen, Referendariat, zweites Staatsexamen. Das reißt jeder irgendwie runter. Aber man sollte sich, wenn man Lehrer werden will, Folgendes fragen: Habe ich die Begabung, stumpfsinnigste Verwaltungsarbeiten ohne seelischen Schaden abzuwickeln? Habe ich einen Vetter in der Schulverwaltung, um eine offene Planstelle halbwegs in der Nähe meines bisherigen Lebensumfeldes zu bekommen, oder eine Schwägerin in einer politischen Partei? Nein? Besitze ich dann den ausgeprägten Optimismus, dennoch auf eine geeignete Stelle zu hoffen, und die seltene Befähigung, ohne Schaden lange einsame Jahre in den entferntesten Winkeln und/oder an den feurigsten sozialen Brennpunkten unserer Bundesländer unter seltsame Dialekte sprechenden Eingeborenen (Meckpomm? Niederbayern? Köln-Chorweiler?) zu verbringen oder alternativ lange Jahre von Hartz IV oder Flohmarkteinkünften (pädagogische Literatur) zu leben? Und wenn es dann klappt: Habe ich Nerven aus Stahl, die körperliche Konstitution eines Zehnkämpfers, den Schwarzen Gürtel in Karate oder Kung Fu oder ersatzweise eine Nahkampfausbildung der US-Marines? Auf jeden Fall ist eine Weiterbildung à la »Rhetorik der Vorstadt – wie gehe ich mit aggressiven Tiefbaufacharbeitern und anderen Vätern um, die stärker sind als ich?« anzuraten. In den einschlägigen Vierteln von Groß- und Kleinstädten dürfte außerdem ein Ergänzungskurs »Kanak für Pädagogen« günstig sein. Zwingende Voraussetzung ist zu alledem die seltene Begabung, mit geistiger Minderbemittlung bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen (auch Kollegen) umzugehen, und das etwa 6 Stunden zu je 120 gefühlten Minuten am Tag.
Jetzt mal ganz ehrlich: Der Vergleich mit Sodom und Gomorrha wäre beschönigend. Nichts als das reinste Chaos regiert in unseren Schulen. Schüler gehen über Tische und Bänke oder konsumieren Rauschgifte in allen Farben und Formen, während sich die Lehrer ihrerseits im Lehrerzimmer Hochprozentiges aus ihren Flachmännern reinziehen, Mobbing praktizieren und mit Aktien, Optionsscheinen, Immobilien oder Versicherungen handeln. Wenn sich die Damen und Herren Pädagogen überhaupt mal in die Klassenräume schleppen, dann nur, um ihre pädagogische Unfähigkeit zu demonstrieren. Früher brachten sie ihren Schülern wenigstens noch subversive Inhalte und revolutionäre Klosprüche oder wenigstens Mengenlehre bei. Heute gewöhnen sie ihren Schülern allenfalls die Rechtschreibung ab, wenn es ihnen überhaupt gelingt, ihre Stimme über die Kakofonie der randalierenden Anwesenden zu erheben. An den gekonnten Vortrag eines Volksliedes im Musikunterricht ist überhaupt nicht mehr zu denken. Wertvolle Kulturgüter wie das wunderbare »Im Frühtau zu Berge« werden im Dunkel des Vergessens verschwinden. Poesie im Deutschunterricht? Nicht ein einziges Gedicht können die auswendig – die Lehrer. Oder der Mathematikunterricht: das Einmaleins? Bruchrechnung? Geometrie? Gar den Graphen einer Funktion zeichnen? Können Sie vergessen! Wozu gibt es denn Taschenrechner und Computer? Wer weiß denn da heute noch Bescheid? Sie etwa? 7 mal 8? 64! Hätten Sie so schnell nicht gewusst, oder? Aber was will man von Lehrern heutzutage schon erwarten? Kein Leistungswille – nicht mal Klassen oder Zensuren gibt es noch in den ersten Schuljahren! Stattdessen Gutachten mit Wischiwaschi-Formulierungen von der Stange. Dass die Eltern sich mit so etwas zufriedengeben … Also, mir reicht’s!
In mancher Hinsicht ist Lehrer ein Beruf, der psychisch schwer belasten und zu unentrinnbaren Krisenzuständen führen kann – das sehen auch die Eltern. Tag für Tag plagen sich Pädagogen mit Fragen und Konflikten, die Übermenschliches von ihnen fordern. Da ist das Problem Ferienfreizeit: Wohin verreise ich diesmal bloß? Mit dem Erotik-Jet nach Bangkok, zum Perlenfischen auf die Malediven? Zum Hip-Hop-Meeting in die Bronx? Nach Tokio Sushi essen, zur Wodka-Sause nach Moskau? Letztes Jahr die Fotosafari im Great Barrier Reef war auch schon ziemlich öde. Warum nicht mal ins Weltall? So mancher möchte Lehrer zum Mond schießen. Chinesische Raumschiffe bieten da ganz neue Möglichkeiten. Dann stellt sich die Frage: Wohin mit dem fetten Gehalt?
Das Konto und das Wertpapierdepot sind voll, das Finanzamt hat kein Interesse, weil eine Krähe der anderen kein Auge aushackt (das ist so im öffentlichen Dienst), drei brandneue Autos vor der Tür, noch mehr Schöner Wohnen geht nicht, und der Gourmettempel hat längst seinen Reiz verloren. Wohin mit den vielen Euros? An die Armen verschenken? Fragen, die Lehrer bis in den Nachtschlaf verfolgen und sie auch nach der Frühpensionierung nicht wirklich loslassen. Sie nicht? Dann sind Sie sicher einer von den armen neuen Angestellten. Beileid!