Das Tal der fliegenden Bademäntel - Clemente Potente - E-Book

Das Tal der fliegenden Bademäntel E-Book

Clemente Potente

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Beschreibung

Das Pony Pauline fühlt sich auf der heimatlichen Koppel nicht mehr wohl. Sie hat andere Interessen als der Rest der Herde und niemand versteht sie. Auch will sie kein fleißiges Ackerpferd werden sondern stattdessen auf die Dichterschule gehen. Dafür muß sie jedoch nicht nur ihr Zuhause verlassen, sondern auch den Weg ins Tal der fliegenden Bademäntel finden. Der hält jedoch einige Hindernisse für sie bereit. Zum Glück trifft sie unterwegs Funny, das Eichhörnchen, und Hugo, den Hamster. Die beiden teilen ihre Leidenschaft für Buchstabenverdrehungen, Reime und Zungenbrecher. Als sie endlich am Ziel ihrer Reise angekommen sind, fangen die Probleme erst richtig an. Wo sollen sie wohnen? Wie sollen sie genug Geld verdienen, damit sie in der Stadt Essen und Trinken bezahlen können? Und schließlich: Wird Pauline als Schülerin an der Schule der Schönen Worte angenommen werden?

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 181

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Clemente Potente ist Schon-Immer-Berliner und wurde 1971 geboren. Er hat bisher als Physiotherapeut und Osteopath gearbeitet. 2021 begann er mit dem Bücherschreiben, und seitdem kann er nicht genug davon bekommen. Auf zwei Fachbücher folgt nun sein erstes Kinderbuch. Sein richtiger Name ist Clemens Ziesenitz und freche Zungen behaupten, dass er nur deshalb Kinderbuchautor geworden ist, damit er einen Künstlernamen tragen darf.

(www.clemente-potente.com)

Nadja Ziller, Jahrgang 1972, stammt aus dem schönen Schwabenland. Sie studierte freie Malerei und Kunsterziehung an der HdK Berlin und arbeitet heute als Shiatsu-Praktikerin, Grafikerin und Layouterin. Ihre Arbeiten sind auf verschiedenen Homepages, Flyern sowie der Werbung für Tanzfestivals zu sehen. Wenn man sie in ihrer Wohnung besucht, trifft man unweigerlich auch ein paar Katzen.

(www.nadja-ziller.de)

CarCar hat ihren Künstlernamen von ihren Freundinnen erhalten und heisst eigentlich Carmen Kursawe. Sie wurde 2012 geboren und hat schon viele Freunde und Verwandte mit Bildern und Comics beschenkt. Nun war es an der Zeit, das Talent anderweitig zu nutzen. Außerdem liebt CarCar Tiere, weshalb sie als Illustratorin für diese Geschichte genau die Richtige ist.

Clemente Potente

Das Tal der fliegenden Bademäntel

Reisen auf eigene Gefahr

© 2024 Clemente Potente

Illustration: Nadja Ziller, CarCar

Idee: Clemente Potente & CarCar

Umschlaggestaltung: Nadja Ziller

Druck und Distribution im Auftrag des Autors:

tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland

ISBN

 

Paperback

978-3-384-18157-2

Hardcover

978-3-384-18158-9

e-Book

978-3-384-18159-6

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland.

Inhalt

Cover

Titelblatt

Urheberrechte

Prolog auf der Koppel

Teil 1. Die Reise

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Teil 2. Das Tal der fliegenden Bademäntel

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Epilog am Briefkasten

Anhang

Das Tal der fliegenden Bademäntel

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Titelblatt

Urheberrechte

Prolog auf der Koppel

Anhang

Das Tal der fliegenden Bademäntel

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Prolog auf der Koppel

Hans-Dieter war besorgt. „Irgendetwas stimmt nicht mit unserer Tochter“, sagte er und legte seine Stirn in Falten. Immer, wenn er das tat, sah er viel älter aus. Eher, wie Opa Heini und Opa Heini war richtig alt, ungefähr 90 in Menschenjahren gerechnet. Hans-Dieter schnaubte und schüttelte seinen Kopf, dass die Ohren schlackerten und ihm die Mähne nur so um den Kopf flog. Er hatte eine beachtliche Mähne.

Inge schaute besorgt. „Was hat sie denn nun schon wieder gesagt?“, wollte sie wissen.

„Ach, ich habe sie nur gefragt, ob ihr das Frühstücksgras heute schmeckt. Und weißt du, was sie mir geantwortet hat?“, brummte Hans-Dieter.

„Im grünen Gras Da hatt’ ich Spaß Und der Klee War auch okay.“

„Nein, nein, nein“, seufzte Inge. „Was soll nur aus ihr werden?“

„Irgendetwas stimmt mit ihr nicht“, sagte Hans-Dieter noch einmal. „Irgendetwas stimmt mit ihr ganz und gar nicht!“ Er hob seinen Schweif und ließ ein paar Pferdeäpfel fallen.

Teil 1

Die Reise

Pauline stand am Rand der Koppel und kaute Sauerampfer.

Sie tat das nicht zum Spaß. Niemand, der noch alle Zotteln in der Mähne hatte, fraß gern Sauerampfer. Aber Pauline war sauer. Und für sie musste das Essen immer auch zur Stimmung passen. Darum gab es heute also Sauerampfer.

Sie war zum Tor gegangen, weil sie einen Entschluss gefasst hatte.

Sie würde gehen.

Hier hatte Pauline nichts mehr verloren, hier verstand sie niemand. Ihre Freunde verstanden sie nicht, die Lehrerin auch nicht, und ihre Familie verstand sie am allerwenigsten.

„Du bist viel zu ungeduldig, Pauline!“, sagte ihr Vater immer. „So bekommst du später keine gute Anstellung. Bei der Arbeit braucht man Fleiß und Geduld, sonst wird das nichts.“

„Du bist so wild, Pauline!“, sagte die Mutter zu ihr. „Das hast du bestimmt von deiner Großmutter. Von mir hast du es jedenfalls nicht.“

Paulines Oma war eine Araberpinto gewesen. Sie kam aus Amerika und hatte in ihrer Jugend in Westernshows gearbeitet. Nachdem sie Großvater kennengelernt hatte, war sie mit ihm nach Europa gekommen. Danach war sie kaum noch in Shows aufgetreten. Pauline fand das schade, sie hätte gern einmal so eine Show gesehen.

„Deine Großmutter hatte 95 Prozent Araberblut in den Adern - und das hat man auch gemerkt“, erzählte ihr die Mutter immer wieder. „Wahrscheinlich hast du deine Wildheit von ihr.“

Pauline fand sich gar nicht so wild. Da sie ihre Oma nie kennengelernt hatte, konnte sie auch nicht sagen, ob Inge damit Recht hatte. Sie wollte auch gar nicht, dass ihre Mutter schon wieder mit irgendetwas Recht hatte!

Das rief nach mehr Sauerampfer. Pauline folgte diesem Ruf. Auch wenn die Zunge sich allmählich pelzig anfühlte und die Zähne stumpf. Wenn sie sauer war, war sie sauer - und da war Sauerampfer genau das Richtige.

Pauline gehörte einfach nicht hierher, nicht auf diese Koppel, nicht in die Pferdeschule und auch nicht in diese Familie. Warum wollten immer alle, dass sie ordentlich redete? Pauline sprach lieber in Reimen. Oder sie vertauschte Buchstaben. Nicht nur das Essen, auch die Worte mussten schließlich zu den Gefühlen passen. Wenn sie von einer Bremse gestochen wurde, konnte sie doch nicht brav dastehen und sagen:

„Oh Mama, mich sticht gerade eine Bremse, ich habe das Gefühl, das tut mir jetzt ein wenig weh!“

Stattdessen rannte sie wie wild im Kreis herum, schlug mit den Hinterhufen aus und rief:

„Mich beißt ein schrecklich Ungeheuer, es zwickt und brennt wie tausend Feuer!“

Wenn sie in der Pferdeschule schmackhafte Gräser aufzählen sollte, dann sagte sie nicht:

„Schilfgras, Breitblattgras und Weidegras schmeckt allen Pferden gut“.

Pauline sagte lieber: „Grilfschas, Greidewas und Greitbrattblas leckt sehr schmecker!“

Früher, als sie noch Mutter-Vater-Kind gespielt hatte, hatte Pauline statt „Mama, ich hab Hunger!“, immer mal „Mimi, ich hib Hingir!“ gesagt.

Aber die anderen verstanden einfach nie den Witz. Pauline hatte sich längst daran gewöhnt. Sie war sowieso lieber allein im Schuppen und las. Doch inzwischen hatte sie alle Bücher ausgelesen.

Pauline verlangte es nach mehr. Sie wollte größere Wiesen sehen, sie wollte andere Luft schnuppern, und sie wollte so viele Bücher zum Lesen haben, dass es für den Rest ihres Lebens reichte.

Darum würde sie heute ihre Herde verlassen.

Nun stand sie am Rand der Koppel und wollte hinaus. Aber da war der Zaun. Er zwickte, wenn man sich ihm näherte. Im Zaun war zwar ein Tor, aber das konnten nur die Menschen öffnen. Sie hatten Hände.

Pauline hatte nur Hufe.

Sie war heute trotzdem zum Tor gegangen. Das Tor machte nichts. Es war einfach nur zu.

Deshalb kaute Pauline noch etwas mehr Sauerampfer.

„Hernstaft, fru disst Auersampfer? As dist voch doll otal teklig!“

Ein Eichhörnchen sass auf einem Ast und schaute Pauline an. Es hatte braunes Fell mit einem winzigen Rotstich, einen buschigen Schwanz und kleine, schwarze Augen, die Pauline neugierig musterten. Was das Eichhörnchen eigentlich sagen wollte, war: „Ernsthaft, du frisst Sauerampfer? Das ist doch voll total eklig!“.

Aber Pauline fiel es gar nicht auf.

Darum sagte sie: „Geht so. Mach ich öfter, wenn ich sauer bin.“

„Und, warum bist du sauer?“, fragte das Eichhörnchen. Aber was es wirklich sagte, war:

„Wund arum sist bu dauer?“

„Weil ich hier nicht raus komme. Ich krieg das blöde Tor einfach nicht auf!“

„Darum dillst wu wenn schon veiner dönen Roppel kunter?“

(„Warum willst du denn von deiner schönen Koppel runter?“)

„Weil ich hier immer ordentlich sprechen soll. Aber was soll das überhaupt heissen, ordentlich sprechen - weißt du das vielleicht?“

„La nogisch, prein Koblem! Mu dusst spro sechen, ass dalle vich derstehen.“

„Das ist aber soooo langweilig!“, seufzte Pauline.

„Kich önnte hir delfen!“

„Oh, das wäre wirklich nett!“, freute sich Pauline. „Kriegst du dieses Tor vielleicht auf? Du bist doch so klein.“

„Schlein aber klau!“, rief das Eichhörnchen, sprang munter auf das Gatter und löste mit seinen kleinen Pfoten geschwind den Draht, der das Tor verschlossen hielt.

Pauline brauchte sich nur noch dagegen zu lehnen und schon schwang es auf.

„Vielen Dank!“, wieherte sie und galoppierte zum Spaß einmal um den Baum herum.

„Wie heißt du eigentlich?“, fragte sie dann.

„Funny.“

„Klingt lustig“, meinte Pauline.

„Ich bin Pauline.“

„Aha“, sagte Funny. „Nund un? Johin wetzt?“

„Ich will in das Tal der fliegenden Bademäntel! Dort ist die Sprache noch frei. Jeder darf reden, wie ihm der Schnabel oder das Maul gewachsen ist. Es ist das Tal der Poeten, der Dichter, der Romanschreiber, der Krimiautoren … dorthin zieht es mich!“

„Aha“, sagte Funny wieder. „Dund u wennst ken Deg?“

„Nein. Aber ich werde ihn finden!“

„La nann dos!“, rief Funny.

„Na dann los!“, wieherte Pauline.

Pauline galoppierte über die Feldwege und Funny sprang oben durch die Baumkronen. Wenn Funny müde wurde, hüpfte sie einfach auf den Pferderücken und ließ sich tragen.

Pauline wusste zwar den Weg nicht, aber sie war voller Hoffnung. Vor ihr lag die Freiheit, und die Freiheit schmeckte süß. Der Wind wehte ihr um die Nüstern und trug den Geruch von Raps, Kornblumen und frisch gebackenen Gedichten mit sich. Sie träumte davon, einmal eine große Dichterin zu werden. Sie hob den Kopf hoch in die Luft und wieherte voller Erwartung.

Deshalb übersah sie beinahe auch den Hamster, der am Wegesrand emsig Körner für seine Vorratskammer sammelte.

Pauline strauchelte, bremste und stand dann still.

Funny flog in hohem Bogen ins Kornfeld.

Der Hamster nieste, schüttelte sich den Staub aus dem Pelz und sah Pauline böse an. „Hastiges Huftier holpert höllisch! Hungriger Hamster hat harsches Hüftweh!“

Pauline blickte zerknirscht auf den Hamster herab. Er hatte die typische Färbung der Feldhamster. Sein Rückenfell war eher grau als braun, seine Unterseite sehr dunkel, fast schwarz. Die Pfoten hingegen hatten weisses Fell, ebenso die Nase, das Mäulchen und die Hamsterbacken. Das Gesicht trug eine braune Maske. Er war ein sehr schönes Tier. Wahrscheinlich hätte Pauline ihn auch schön gefunden, wenn sie ihn nicht soeben von oben bis unten mit Staub eingepudert hätte.

„Tschuldigung!“, murmelte sie.

„Räudige Raser rumpeln rasant, richtige Rabauken!“, schimpfte der Hamster weiter.

„Äh, es tut mir wirklich leid!“, sagte Pauline.

„Leid? Langsam lindert leises Lächeln lodernde …“.

Weiter kam der Hamster nicht, denn nun sprang Funny zwischen den Kornähren hervor und rief:

„Heh, das war lustig, Pauline! Können wir das gleich noch mal machen?“

„Nein lieber nicht. Ich glaube, wir haben gerade jemanden sehr verärgert.“

Nun sah auch Funny den Hamster.

„Oh, hallo!“, sagte sie.

„Fluffiges Felltier findet Feldwegflug fabelhaft?“, knurrte er sie an.

„Na ja, eigentlich schon.“, antwortete Funny achselzuckend.

„Aber weißt du, wir wollten dich wirklich nicht über den Haufen rennen …“

„Wirklich nicht!“, stimmte Pauline zu.

„Wir sind nur gerade so aufgeregt …“

„Sind wir!“, warf Pauline ein.

„Weil wir dabei sind, ein wirklich spannendes Abenteuer zu erleben“, fuhr Funny fort.

„Genau“, bestätigte Pauline.

Der Hamster blinzelte. „Abenteuer?“, fragte er.

„Ja!“, riefen Funny und Pauline gleichzeitig.

„Ahne achtungsgebietende Arbeit, archaische Angst, anstrengenden Argwohn!“

„Wirklich?“, fragten die beiden.

„Ja“, sagte der Hamster.

„Willst du mitkommen?“, fragte Funny.

„Womöglich wahrscheinlich. Wohin wandern wir?“ Pauline erklärte es ihm.

„Bist du dabei?“, fragte Funny.

„Sicher! Suche schnell superwichtige Siebensachen!“

„Sieben Sachen brauchst du für die Reise?“, fragte Funny entsetzt.

„Wir haben überhaupt nichts mitgenommen.“

„Klaube kurz knusprige Körner, kräftige Kornkrumen können klamme Körper kurieren“.

„Ach ja, du bist ja ein Hamster. Die brauchen immer einen Vorrat“, erinnerte sich Funny.

„Hörnchen horten herbstlich hundertfach!“ Er war schon wieder ärgerlich.

„Ja, ja - du hast ja Recht. Ich vermisse meine gebunkerten Nüsse jetzt schon!“, seufzte Funny.

„Wie heißt du überhaupt?“, fragte sie dann.

„Hugo“, antwortete der Hamster. Dann ging die Reise weiter.

Pauline galoppierte über die Feldwege, Funny sprang durch die Baumkronen und Hugo sass in Paulines Mähne, wo er sich an ihren Ohren festhielt. Wenn Funny müde wurde, setzte sie sich auf den Ponyrücken.

Gegen Mittag brauchten sie eine Pause. Pauline fand ein schattiges Plätzchen an einem Bach.

„Ich muss jetzt erst mal trinken und grasen!“, schnaubte sie und tauchte ihr Maul in das Bächlein. Hugo und Funny taten es ihr nach und schlürften das kühle, klare Wasser.

„Ich geh mir ein paar Nüsse suchen!“, rief Funny danach und war gleich darauf verschwunden.

„Sehe saftige Sonnenblumen, süße Sammlung sehr sicher!“, quiekte Hugo und flitzte in das Sonnenblumenfeld neben dem Weg.

Pauline rupfte zufrieden das dichte Gras am Bachufer. Noch nie hatte es ihr so gut geschmeckt.

Das ist der Geschmack der Freiheit!, dachte sie.

Die Sonne schien durch die Baumkronen und malte goldene Kringel auf das Gras. Das Wasser im Bach warf das Licht als tausend kleine Sonnen zurück. Bienen hingen in den Blüten der Taubnesseln und Libellen flogen am Ufer hin und her. Auf einem umgestürzten Baum sass eine Elster. Ihre schwarzen Flügel wurden vom Sonnenlicht bestrahlt und zeigten einen violetten Schimmer. Die Elster putzte ihr Gefieder und ließ dabei Pauline nicht aus den Augen.

„Hab keine Angst“, sagte Pauline zu ihr. „Ich fresse keine Vögel.“

Die Elster öffnete ihren Schnabel und ließ ein lautes „Krrrrrrrt“ hören. Dann flog sie ans andere Ufer, wo sie sich in einen Baum setzte. Nach ein paar Hüpfern in den Zweigen war sie verschwunden.

Nach dem Essen trafen sich die drei im Schatten der Weide, deren Zweige bis ins Wasser hingen.

„Woher weißt du überhaupt von dem Tal der fliegenden Bademäntel?“, fragte Funny.

„Ich habe darüber in einem Buch gelesen“, antwortete Pauline. „Auf unserer Koppel stand ein Schuppen, der war voller Kisten mit aussortierten Büchern. Das Land gehörte früher dem Dorfschullehrer. Als der gestorben war, hat ein Bauer die Weide und das Haus mit Garten gekauft. Von den Büchern hat er nur ein paar schön illustrierte Ausgaben behalten, der Rest wurde in Kisten verpackt und kam in den Schuppen. Die Schulbücher hat unsere Lehrerin dann in der Pferdeschule benutzt, manche waren richtig alt.

Die verstaubten Kisten habe ich mal durch Zufall gefunden, ich hatte mir beim Versteckspielen den Schuppen ausgesucht. Ich wurde nicht gefunden und hab den Rest des Spiels verpasst, weil ich mich in einem Buch festgelesen hatte.

Ich habe noch viele Nachmittage in diesem Schuppen verbracht. Er war lange Zeit der schönste Ort für mich. Dort roch es nach Heu und den Ledereinbänden der Bücher. Das Dach hatte ein paar Lücken, durch die die Sonnenstrahlen hindurch kamen. Die Sonnenflecken auf dem Boden und an den Wänden wanderten immer weiter, während ich in den Geschichten unterwegs war. Ich hatte dort meine Ruhe, wenn ich allein sein wollte, aber ich war nie einsam. Mit den Helden in den Geschichten reiste ich durch die Welt und erlebte Abenteuer. Egal, wie gefährlich diese Abenteuer waren, ich selbst war dabei nie in Gefahr. Durch die Holzwand des Schuppens hörte ich die anderen Fohlen und meine Eltern. Obwohl ich sie nicht sehen konnte, wusste ich doch, dass sie da waren.“

„Aber dann wolltest du doch weg?“, fragte Funny.

„Ich hatte jedes Buch mindestens dreimal gelesen. Und ich will unbedingt Dichterin werden!“

„Geht das nur in diesem Tal?“

„Es ist der beste Ort dafür. Die Dichterschule ist berühmt.“

„Berühmt? Ich hab nie davon gehört. Du etwa, Hugo?“

Hugo zuckte mit den Schultern und knabberte an seinen Sonnenblumenkernen.

„Wirklich?“, fragte Pauline. „Ihr kennt beide die Dichterschule nicht?“

„Gie nehört!“, betätigte Funny.

Hugo schüttelte den Kopf und knabberte weiter.

„Macht nichts. Wenn ich erst mal auf der Schule bin, bekommt ihr eine Führung von mir. Versprochen!“

Sie schwiegen eine Weile. Funny putzte sich, Hugo knabberte und Pauline schaute auf das Wasser.

„Ah, ist das schön hier!“, wieherte Pauline leise.

„So schattig, so kühl, so saftiges Gras, so plätschernd der Bach - nie froher ich sass.“

„Aber du stehst ja!“, meinte Funny. „Außerdem ist mir langweilig.

Können wir nicht weiter?“

„Stand reimt sich nicht auf Gras!“, sagte Pauline. „Und ich brauche noch ein wenig Pause.“

„Aber mir ist laaaangweilig!“, rief Funny und turnte hektisch am Stamm der Weide herum.

„Kennt ihr Zungenbrecher?“, fragte Hugo plötzlich.

„Zungenbrecher? Klingt schmerzhaft“, sagte Pauline.

„Klingt voll supermegainteressant!“, fiepte Funny und kam vom Baum herunter.

„Zungenbrecher schmerzen selten, aber machen ab und zu Knoten in die Zunge!“, erklärte Hugo.

„Du sprichst ja gar nicht mehr wie vorhin, Hugo“, sagte Funny erstaunt.

„Mag mindestens mehrere Möglichkeiten“, meinte Hugo.

„Ja, so klingst Du wie vorhin.“ Funny schaute ihn neugierig an. „Du suchst dir also aus, wann du wie redest?“

„Mon schöglich“, antwortete Hugo mit einem Augenzwinkern. „Du doch auch!“

„Stimmt“, sagte Funny nachdenklich. „Ich weiß auch nicht, warum.“

Dann erinnerte sie sich plötzlich: „Und was ist nun mit den Brungenzechern?“

„Zungenbrechern!“, verbesserte Hugo automatisch. „Ich sag mal einen auf, okay?“

„Na gut“, meinte Pauline.

„Ja, ja, mach schon!“, rief Funny.

Hugo kletterte auf einen Feldstein, damit er besser zu sehen war.

„Bärtige Braunbären brauchen keine kleinen Blaubeeren, kleine Braunbären brauchen keine bärtigen Blaubeeren.“

, rezitierte Hugo, ohne sich ein einziges Mal zu versprechen.

„Gefällt mir!“, sagte Pauline anerkennend.

„Noch einen, noch einen!“, rief Funny aufgeregt und rannte die Weide einmal hoch und wieder runter.

„Einen weiß ich noch“, sagte Hugo nickend.

„Tausend traurige Tausendfüßler tanzen besser als tausend taumelnde Traumtänzer, tausend taumelnde Traumtänzer taumeln besser als tausend traurige Tausendfüßler.“

„Der ist gut“, lächelte Pauline.

„Der ist nicht gut, der ist super!“, kreischte Funny. „Noch einen Zungenbrecher, Hugo. Bitte!“

„Ich weiß aber keinen mehr“, sagte Hugo kopfschüttelnd. „Ihr müsst Euch jetzt selber welche ausdenken.“

Stille.

Pauline scharrte mit dem rechten Vorderhuf. Das tat sie fast immer, wenn sie nachdenken musste.

Funny knabberte gedankenverloren an einem Tannenzapfen.

„Ich hab’s!“, rief sie plötzlich und ließ den Zapfen fallen, der leider Hugos Kopf traf.

Hugo kullerte vor Schreck vom Stein.

„Lasse hasst Hassos Tasse, Lasse hat Hassos Lasso. Hasso hat Lasses Tasse, Hasso hasst Lasses Lasso.“

„Sehr schön“, lobte Pauline.

„Wer ist Hasso?“, fragte Hugo.

„Der Hund von Lasse“, sagte Funny.

„Das erklärt einiges“, fand Hugo.

„Mir ist auch einer eingefallen“, meldete sich Pauline.

„Dünne Daumen drücken dicke Daunen zu dünnen Decken, damit dicke Daunen in dünnen Decken dicke Damen bedecken.“

„Prima!“, kicherte Hugo.

„Super!“, lachte Funny.

„Jetzt kann ich mich doch noch an einen erinnern.“ Hugo kletterte wieder auf den Stein.

„Schöne Chantal schlürft schaudernd schrecklichen Champagner, schrecklichen Champagner schlürft schaudernd schöne Chantal.“

Pauline wälzte sich wiehernd vor Lachen im Gras. Funny hing kichernd über einem Ast. Hugo wurde von der Fröhlichkeit der beiden angesteckt und hielt sich den pelzigen Bauch, der vom Lachen auf und ab hüpfte.

Als alle wieder zu Atem gekommen waren, zogen sie weiter.

Alois Slamthedoor sass in seinem Sessel und machte sich Sorgen. Der Sessel stand hinter einem gewaltigen hölzernen Schreibtisch. Das Zimmer hatte breite Dielen, hohe Wände und einen kunstvoll gemauerten Kamin. An den Wänden hingen Bilder, auf denen fast ausnahmslos Herren in altmodischen Gewändern abgebildet waren. Die meisten von ihnen hielten dicke Bücher oder eine Schriftrolle in den Händen und alle schauten ernst auf den Betrachter herab. Hinter dem Sessel waren hohe Fenster in die Wand eingelassen, durch die man einen schönen Blick auf die Stadt hatte.

Alois Slamthedoor hatte aber derzeit kein Interesse an einem schönen Blick über die Stadt. Er hatte Sorgen.