4,99 €
Das Vermächtnis der Seelen – Lunas Erbe Ein Schicksal, das in den Sternen geschrieben steht. Ein Erbe, das dunkle Mächte anzieht. Eine Frau, die ihre wahre Bestimmung erst noch erkennen muss. Luna glaubte immer, ihr Leben wäre vorhersehbar – bis sie in ein Netz aus Geheimnissen und uralten Prophezeiungen gezogen wird. Die Schatten der Vergangenheit holen sie ein, und schon bald steht sie zwischen zwei Welten: der ihren und einer, die jenseits ihrer Vorstellungskraft liegt. Während dunkle Kreaturen erwachen und verborgene Wahrheiten ans Licht drängen, muss Luna erkennen, dass ihr Schicksal untrennbar mit dem eines mächtigen Gefährten verbunden ist. Doch kann sie der Bestimmung trotzen oder ist sie bereits Teil eines Plans, der weit über ihr Verständnis hinausgeht? Ein fesselnder Fantasy-Roman voller Magie, uralter Prophezeiungen und einer Heldin, die über sich hinauswachsen muss. Perfekt für Fans von epischen Legenden und düsterer Mystik.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Veröffentlichungsjahr: 2025
📖Das Vermächtnis der Seelen – Luna’s Erbe© 2025, Lilith BlackwoodAlle Rechte vorbehalten.
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jegliche Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Wiedergabe – auch auszugsweise – ist ohne ausdrückliche Genehmigung der Autorin nicht gestattet.
Erstveröffentlichung: März 2025Coverdesign & Alle Abbildungenmit Unterstützung von Dall-E ChatGPT (OpenAI) generiert und bereitgestellt.Alle Nutzungsrechte liegen bei Lilith Blackwood
📍Impressum:Lilith BlackwoodHallesche Straße 6306406 Bernburg
📧Kontakt: [[email protected]]
Danksagung
Ich möchte mich von Herzen bei all den Menschen bedanken, die mich auf diesem Weg begleitet haben. Ohne eure Unterstützung, Geduld und Motivation wäre dieses Buch nicht entstanden.
Ein besonderer Dank gilt meinem Partner, der all meine Ideen, Zweifel und Schreibphasen mit unendlicher Geduld ertragen hat - du bist mein Fels in der Brandung
Und zuletzt danke ich jedem einzelnen Leser, der dieses Buch in die Hand nimmt. Eure Zeit, Gedanken und eure Emotionen sind das größte Geschenk, das ihr mir machen könnt. Danke, dass ihr mit mir auf diese Reise geht.
Lilith Blackwood
Die Nacht war still
Der silberne Mond hing hoch über den heiligen Mauern des Tempels, sein Licht spiegelte sich auf dem kalten Marmorboden.
Luna stand inmitten der Zeremonienhalle, ihr Atem langsam, kontrolliert – doch ihr Herz schlug schneller als gewöhnlich. Etwas stimmte nicht.
Sie hob den Blick zum großen Mondspiegel in der Mitte der Halle. Normalerweise war das Bild darin klar, eine Reflexion des Himmels über ihnen. Doch heute flackerte es, als sei etwas dahinter verborgen. Ein dunkler Schatten zuckte durch das Glas, nur für einen Moment, kaum sichtbar.
Dann kam das Flüstern.
„Luna…“
Die Stimme war sanft, kaum mehr als ein Hauch im Wind. Doch sie ließ einen Schauer über ihren Rücken laufen. Sie kannte diese Stimme nicht – und doch weckte sie etwas in ihr. Eine Erinnerung, die sie niemals haben sollte.
Das Flüstern wurde stärker.
„Luna… es beginnt.“
Ihre Knie wurden weich, als ein plötzlicher Druck auf ihren Geist fiel. Das Mondlicht schien heller zu werden, seine Strahlen füllten die Halle mit blendender Klarheit. Ihr Blick verschwamm, die Welt um sie herum schien sich aufzulösen – und plötzlich war sie nicht mehr im Tempel.
Luna sah sich selbst. Doch es war nicht sie.
Die Umgebung hatte sich verändert. Statt der Marmorwände des Tempels stand sie nun in einem dichten Wald, der im Licht des Mondes glühte.
Ihre Hände fühlten sich anders an – rauer, erfahrener. Sie trug eine andere Robe, schwerer, verziert mit alten Symbolen.
Ein plötzliches Rauschen ließ sie herumfahren. Schritte!
Luna – oder vielmehr die Person, in deren Körper sie sich befand – presste sich gegen einen Baumstamm. Ihr Herz pochte heftig. Sie wusste nicht, warum, aber Angst fraß sich durch ihre Glieder.
„Ich bin nicht allein.“
Der Gedanke kam nicht von ihr, sondern aus dem Bewusstsein der Frau, deren Leben sie für diesen Moment teilte. Die Schatten zwischen den Bäumen bewegten sich. Jemand – oder etwas – war auf der Jagd.
Ein leiser Atemzug hinter ihr ließ sie erstarren. Sie wollte sich umdrehen, doch die Vision begann bereits zu verblassen.
Lunas Körper wurde plötzlich schwer. Das Licht des Mondes wurde dunkler, der Wald zerfiel in Nebel, und dann –
Ein harter Aufprall.
Luna keuchte und öffnete die Augen. Kalter Stein lag unter ihr. Sie musste zusammengebrochen sein.
Die Halle des Tempels war wieder still. Der Mondspiegel spiegelte nun wieder nur den Himmel wider, als sei nichts geschehen.
Doch Luna wusste es besser.
Sie hatte nicht geträumt.
Was auch immer sie gesehen hatte – es war real. Eine Erinnerung aus einer anderen Zeit, aus einem anderen Leben. Aus dem Leben ihrer Mutter.
Und diese Erinnerung hatte sie gewarnt.
Luna setzte sich langsam auf, ihre Finger zitterten leicht, als sie sich durch ihr langes Haar fuhr. Sie atmete tief durch, doch ihr Herz schlug noch immer rasend. Die Vision war so intensiv gewesen, dass sie den rauen Stamm des Baumes noch an ihren Fingern zu spüren glaubte.
Ihre Mutter… was hatte das zu bedeuten? Sie wusste kaum etwas über sie. Niemand sprach über sie, und wenn Luna nachfragte, begegnete man ihr nur mit Schweigen oder mitleidigen Blicken. Aber jetzt – jetzt hatte sie mehr gesehen als jemals zuvor. War es eine Warnung? Oder ein Ruf?
Sie schüttelte den Kopf und stützte sich mühsam auf die Arme. Ihre Beine fühlten sich schwer an, als hätten sie die Reise in eine andere Zeit wirklich gemacht. Mit einem leisen Ächzen kam sie auf die Füße und blickte sich in der leeren Halle um. Alles wirkte normal, als wäre nichts geschehen.
Doch tief in ihrem Inneren wusste sie, dass diese Nacht alles verändert hatte.
Ein leises Rauschen
Wie das Flüstern der Blätter im Wind. Wie ein ferner Herzschlag, der nicht der ihre war. Lunas Glieder fühlten sich schwer an, als wären sie nicht mehr ganz ihre eigenen. Sie hörte Schritte – gedämpft, hastig. Doch sie wusste, dass sie nicht aus der Erinnerung kamen, sondern aus der Realität.
"Luna!"
Ein Paar Hände packten sie sanft an den Schultern, schüttelten sie leicht. Eine vertraute Stimme, warm und besorgt.
Lunas Lider flatterten, ihre Augenlider fühlten sich bleischwer an, als sie versuchte, den Nebel zu durchbrechen, der ihren Verstand umhüllte.
"Luna, hörst du mich?"
Sie blinzelte. Über ihr beugte sich eine Gestalt, das Gesicht nur im flackernden Licht der Tempelkerzen zu erkennen. Dunkle Haare, sanfte, braune Augen voller Sorge.
Selene.
"Du liegst auf dem Boden! Was ist passiert?"
Luna öffnete leicht den Mund, doch ihre Kehle war trocken. Ihr Kopf dröhnte, als hätte sich etwas Schweres tief in ihr Bewusstsein gegraben. Sie atmete langsam ein – und dann kamen die Worte.
"Ich... war dort."
Selenes Stirn legte sich in tiefe Sorgenfalten. "Wo? Was meinst du?"
Luna setzte sich mühsam auf, ihr Körper fühlte sich an, als wäre sie nach einer langen Reise zurückgekehrt. Ihre Finger zitterten leicht, als sie sich auf dem Boden aufstützte. Sie schloss kurz die Augen, versuchte die Bruchstücke der Vision zu sammeln. Der Wald. Die Schritte. Die Angst.
"Es war nicht meine Erinnerung", hauchte sie schließlich. "Ich war... jemand anderes."
Selenes Griff an ihren Schultern verstärkte sich. "Du hast geträumt? Oder... war es eine Eingebung?"
Luna schüttelte langsam den Kopf. "Nein. Es war real. Ich konnte fühlen, hören, atmen. Ich habe gespürt, wie ihr Herz raste, wie ihr Atem flach wurde. Sie wusste, dass sie verfolgt wurde."
Selene runzelte die Stirn. "Wer?"
Luna öffnete den Mund, doch die Worte blieben ihr im Halse stecken. Ihre Brust hob und senkte sich schneller, als sie versuchte, das Unmögliche in Worte zu fassen. Ihre Mutter.
Sie schluckte schwer. Konnte das sein?
Der Gedanke war wie ein scharfer Dorn in ihrem Geist. Sie kannte ihre Mutter nicht. Sie hatte niemals ein Bild von ihr gesehen, nur vage Erinnerungen aus den Erzählungen der Priesterinnen, die sie als Waise aufgesogen hatte. Und doch…
Die Frau in der Vision.
Es musste sie gewesen sein.
Ein Kribbeln zog sich über ihre Arme, als ihr der volle Ernst dessen bewusst wurde. War es ein Zeichen? Eine Warnung?
Selene musterte sie eindringlich, während sich Lunas Atmung langsam beruhigte. "Luna... ich glaube, du solltest dich ausruhen. Ich helfe dir."
Doch in ihrem Inneren wusste sie: Dies war kein gewöhnlicher Traum.
Und es würde nicht der letzte gewesen sein.
Luna kämpfte noch immer mit der Schwere des Erlebten, als sie sich von Selene stützen ließ und langsam wieder auf die Beine kam. Ihre Glieder fühlten sich wie Blei an, doch die Vision war noch immer lebendig in ihrem Kopf – die Schritte, das Herzklopfen, der Wald.
"Selene…", flüsterte sie, als sie versuchte, ihre Gedanken zu ordnen. "Was, wenn das wirklich meine Mutter war?"
Selene blickte sie ernst an und legte beruhigend eine Hand auf ihre Schulter. "Es war real, Luna. Du hast etwas erfahren, was niemand sonst je erfahren hat. Aber es gibt mehr, oder?"
Luna nickte langsam. "Ja. Etwas anderes. Etwas Verborgenes, etwas, das sie mir nicht zeigen wollte." Ihre Stimme brach ein wenig, als sie den Gedanken zu Ende dachte. "Warum ich? Warum jetzt?"
Selene atmete tief ein und ließ den Blick durch die Tempelhalle wandern. Dann sagte sie mit einem sanften Lächeln, das mehr Nachdenklichkeit als Trost ausstrahlte:
"Luna, als ich dir damals erzählte, dass ich mich an etwas erinnere… an eine verborgene Kammer… dachte ich, es sei nur eine vage Erinnerung. Aber ich glaube jetzt, dass dieser Raum – diese Kammer – der Schlüssel zu deiner Reise ist."
Luna schaute Selene verblüfft an. "Kammer?"
"Ja", sagte Selene, während sie sich langsam von ihr löste und mit einem entschlossenen Blick in die Tiefe des Tempels deutete. "Es gibt eine Kammer hier im Tempel, die niemals geöffnet werden konnte. Der Raum, der deiner Mutter gehörte. Niemand konnte ihn betreten. Nicht einmal die Ältesten. Aber ich habe das Gefühl, dass du es kannst."
Luna spürte ein seltsames Ziehen in ihrem Inneren, als Selenes Worte sich wie ein unsichtbares Band um sie wickelten. "Zeig mir den Weg", sagte sie leise.
Selene nickte und führte sie in einen abgelegenen Teil des Tempels, der in dichte Dunkelheit gehüllt war. Der dunkle Gang schien endlos zu sein, der Duft von altem Holz und vergilbtem Stein lag in der Luft.
"Du weißt, dass dieser Raum ein Geheimnis ist, Luna. Deine Mutter wollte nie, dass jemand die Wahrheit erfährt. Ich weiß nicht, was dort drin ist, aber ich habe das Gefühl, dass es zu dir gehört."
Luna blieb vor der massiven Tür stehen, ihre Handflächen auf das kühle Holz gelegt. Ein Zittern durchlief sie. Das Gefühl war stärker als alles, was sie je gespürt hatte.
"Was, wenn ich nicht bereit bin?" flüsterte sie.
Selene stellte sich neben sie. "Dann wirst du es herausfinden. Aber du bist nicht allein."
Luna atmete tief ein. Sie wusste, dass sie diesen Raum betreten musste – und dass die Antworten, die sie suchte, möglicherweise nicht das waren, was sie sich erhoffte.
Die Wände des Tempels schienen immer enger zu werden, und Lunas Herz pochte heftig, als sie schließlich vor einer massiven Tür standen. Selene blieb dicht hinter ihr stehen, schweigend, aber aufmerksam.
Die steinerne Tür war alt. Uralte Runen zogen sich über ihre gesamte Oberfläche, eingeritzt in das glatte Gestein, das selbst nach Jahrhunderten unversehrt schien.
Staub wirbelte in den Lichtstrahlen, die durch das kleine Fenster der verborgenen Kammer fielen, und verstärkte die unheimliche Stille des Ortes.
Luna stand davor, die Hände auf das kalte Gestein gelegt. Zum dritten Mal heute.
Sie hatte es versucht. Immer und immer wieder.
Zuerst hatte sie es mit den Worten der Macht versucht, mit Gebeten, mit Berührungen. Doch nichts hatte sich verändert. Die Kammer blieb verschlossen, als würde sie sich über ihre Bemühungen lustig machen.
Hinter ihr stand Selene, die Arme verschränkt, die Stirn besorgt gerunzelt. "Luna... vielleicht braucht es einen anderen Schlüssel. Etwas, das wir noch nicht kennen."
Luna presste die Lippen zusammen. "Nein. Ich weiß, dass ich es bin."
Sie konnte es spüren – tief in ihrem Inneren, wie eine Erinnerung, die sich ihr entziehen wollte. Diese Kammer gehörte ihrer Mutter. Und wenn jemand sie öffnen konnte, dann sie.
Doch warum gelang es ihr nicht?
Die Tage vergingen... und mit ihnen ihre Geduld.
Jeden Tag kehrte sie zurück. Selene hatte ihr anfangs beigestanden, doch irgendwann war ihr nur noch ein besorgtes Seufzen geblieben. "Vielleicht solltest du eine Pause machen, Luna."
Doch Luna konnte nicht aufhören. Die Kammer wurde zu einer Obsession. Sie schlief kaum noch.
Die Nächte verbrachte sie mit alten Schriften, in der Hoffnung, eine Antwort zu finden.
Doch es gab keine Hinweise, keine geheime Formel, kein verborgenes Wort.
Nur diese Tür.
Und ihr eigenes Unvermögen.
Es war der fünfte Tag.
Luna stand erneut vor der Kammer. Ihre Hände zitterten, ihre Augen brannten. Ihre Knie fühlten sich weich an, doch der Schmerz der Niederlage war noch schlimmer. Sie legte die Stirn gegen die kühle Steinwand, ihre Fingerspitzen suchten Halt auf dem glatten Gestein.
„Warum…? Warum kann ich es nicht?“
Ihre Stimme war brüchig, kaum mehr als ein Flüstern.
Ein Schatten erschien hinter ihr. Selene. "Luna… du musst nicht—"
„Doch!“ Die Wut brach aus ihr hervor. Sie drehte sich um, ihre Augen brannten. "Ich muss. Ich… ich muss es einfach."
Selene wich einen Schritt zurück, ihr Gesicht war angespannt. "Was ist los mit dir? Warum setzt du dich so unter Druck?"
"Weil es meine Mutter war!" Lunas Stimme hallte in den leeren Gängen wider. Ihr Atem ging schnell, ihre Finger ballten sich zu Fäusten. "Weil ich wissen muss, wer sie war. Weil ich beweisen muss, dass ich nicht umsonst hier bin!"
Dann schüttelte Selene den Kopf. Ihre Augen, die sonst immer voller Verständnis waren, wirkten nun verletzt. "Ich wollte dir helfen, aber du lässt mich nicht. Wenn du das allein durchstehen willst – bitte."
Sie drehte sich um.
Luna sah zu, wie sie langsam den Gang hinunterschritt. Ein Teil von ihr wollte Selene zurückhalten, sich entschuldigen – doch stattdessen war da nur die brennende Wut.
Und dann –
Ein Flüstern.
Sanft. Leicht wie ein Windhauch, kaum wahrnehmbar.
„Luna…“
Luna erstarrte. Ihr Herz setzte einen Schlag aus.
„Du bist bereit.“
Ihre Augen weiteten sich. Die Stimme – sie kam nicht von Selene. Sie kam aus den Tiefen der Kammer.
Von dort, wo niemand sein konnte.
Ihre Mutter.
Etwas brach in ihr. Die Müdigkeit, die Frustration, die Zweifel – sie fielen von ihr ab wie alte Fesseln. Stattdessen blieb nur ein Gefühl zurück.
Eine Gewissheit.
Sie öffnete die Augen.
Zum letzten Mal legte sie die Hand auf den Stein.
Doch diesmal war es anders.
Ein leises Klicken.
Die Kammer stand offen.
Die verborgene Kammer war nicht so, wie sie es erwartet hatte. Kein strahlendes Licht, keine glänzenden Schätze. Stattdessen war der Raum klein, beinahe unscheinbar. Doch die Luft schien zu vibrieren, erfüllt von einer Präsenz, die Luna bis ins Innerste berührte.
An den Wänden hingen verblasste Wandteppiche, die Geschichten aus einer anderen Zeit erzählten. In der Mitte des Raumes stand ein einfacher Altar, darauf ein alter Kelch und ein Amulett, das im schwachen Licht des Mondes schimmerte.
Selene trat an ihre Seite. "Das war es, worauf du gewartet hast?"
Luna nickte stumm. Sie wusste, dass dies erst der Anfang war. Das Amulett rief nach ihr, und mit jeder Sekunde, die verstrich, spürte sie die Verbindung zu ihrer Mutter stärker als je zuvor.
Die Tür schwang langsam auf, und ein sanftes, silbriges Licht flutete den Raum. Luna trat vorsichtig ein, das Licht der Kammer erhellte die verblassten Runen an den Wänden. Die Luft war schwer und alt, durchzogen von einer mystischen Aura.
„Selene, schau dir das an,“ sagte Luna, während sie die alten Symbole betrachtete, die über die Wände verliefen.
Selene trat neben sie. „Ich habe nie etwas Vergleichbares gesehen. Diese Zeichen sind… alt. Aber sie müssen etwas bedeuten.“
„Vielleicht sind sie der Schlüssel zu allem. Aber wie sollen wir sie verstehen?“
Selene deutete auf eine besonders auffällige Rune. „Schau. Diese hier sieht anders aus als die anderen. Sie muss wichtig sein.“
Ihre Augen wanderten zu einem Podest in der Mitte des Raumes, auf dem ein altes Buch lag. Es war in dunkles Leder gebunden, die Kanten abgenutzt, doch das Symbol auf dem Einband leuchtete schwach.
„Es fühlt sich an, als würde es mich rufen,“ flüsterte Luna.
Selene beobachtete sie aufmerksam. „Vielleicht sind dort die Antworten, die wir suchen. Aber Vorsicht, Luna. Dieser Ort ist voller Magie, die wir nicht verstehen.“
Luna legte ihre Hand auf das Buch, doch nichts geschah. Das Symbol auf dem Einband flackerte, blieb aber verschlossen. „Es ist, als ob es wartet.“
„Dann müssen wir tiefer graben. Vielleicht sind die Hinweise nicht direkt hier, sondern versteckt. Die Runen an den Wänden könnten der Schlüssel sein.“
Gemeinsam durchstreiften sie die Kammer, suchten die Wände und Regale nach alten Schriftrollen ab. Luna entdeckte eine zerbrochene Rolle, deren Ränder abgenutzt waren.
„Diese Rune hier,“ sagte Luna, „sieht aus wie eine veränderte Version der auf dem Buch. Was könnte das bedeuten?“
Selene betrachtete die Rolle aufmerksam. „Vielleicht ist es ein Teil des Rätsels. Was, wenn die Runen nicht nur Zeichen, sondern Aktivatoren sind? Etwas, das mit der Magie des Raumes interagiert?“
„Meinst du, wir müssen sie in einer bestimmten Reihenfolge anwenden?“
Selene nickte. „Genau. Die Runen sind wie ein Puzzle. Wenn wir sie richtig zusammensetzen, könnten wir das Buch aktivieren.“
Luna stieß auf eine dunkle Ecke der Kammer, die zuvor von Schatten verdeckt war. Sie kniete sich hin und entdeckte eine verdeckte Nische im Boden mit einem kaum sichtbaren Schalter.
„Selene, sieh mal! Hier ist etwas,“ rief Luna.
Selene trat schnell zu ihr. „Das könnte der Mechanismus sein, der alles aktiviert. Versuch es.“
Luna legte ihre Hand auf den Schalter. Ein sanftes Vibrieren durchzog ihre Fingerspitzen, als die Magie des Raumes erwachte. Der Boden unter ihr begann zu knarren.
„Etwas passiert,“ flüsterte Luna, als sich langsam ein geheimer Hohlraum im Boden öffnete.
„Du hast es geschafft,“ sagte Selene erstaunt. „Aber was ist da unten?“
Luna beugte sich über die Kante und sah in die Dunkelheit. In der Mitte lag ein kleiner, leuchtender Kristall, umgeben von weiteren Runen.
Luna nahm den Kristall vorsichtig in die Hand. Ein plötzlicher Strom aus Bildern durchflutete ihren Geist. Sie sah ihre Mutter, jung und entschlossen, wie sie in dieser Kammer stand. Die Runen glühten unter ihren Händen, und ihre Stimme sprach Worte, die Luna nicht verstand.
„Sie war hier,“ flüsterte Luna. „Das war ihr Werk. Diese Runen… sie hat sie hinterlassen, um mir zu helfen.“
Selene legte eine Hand auf ihre Schulter. „Dann ist dies dein Weg. Du bist hier, um das zu vollenden, was sie begonnen hat.“
Luna nickte. „Aber es ist mehr als das. Diese Runen sind nicht nur für mich. Sie könnten der Schlüssel sein, um die Dunkelheit zu besiegen.“
Mit den Schriftrollen, die sie gefunden hatten, trat Luna zurück an das Podest. Sie berührte das Buch erneut, und das Symbol auf dem Einband begann zu leuchten.
Das Buch öffnete sich langsam, und ein heller Lichtstrahl füllte die Kammer. Worte schwebten aus den Seiten empor, eine uralte Sprache, die sich vor Lunas Augen formte.
„Das ist es,“ sagte sie leise. „Das Wissen, das wir brauchen.“
Selene trat näher. „Und jetzt, Luna? Was tun wir?“
Luna schloss das Buch vorsichtig. „Jetzt finden wir heraus, was das alles bedeutet. Und wir bereiten uns darauf vor, was kommen wird.“
Nachdem Luna und Selene die Kammer verlassen hatten, lastete eine unnatürliche Stille über dem Tempel. Die Luft schien schwerer, beinahe geladen mit einem Wissen, das noch nicht vollständig preisgegeben war. Luna spürte ein Ziehen tief in ihrem Inneren – ein warnendes Flüstern, das ihr sagte, dass ihre Reise hier noch nicht zu Ende war.
„Es ist noch nicht vorbei“, hauchte sie. Ihr Blick traf Selenes, in deren Augen Unruhe und Entschlossenheit lagen. „Ich kann es fühlen. Etwas wartet noch auf uns. Die Antworten… sie sind noch nicht vollständig.“
Selene nickte langsam. „Du hast recht“, erwiderte sie leise. „Aber für heute sollten wir ruhen.“
Gerade als sie den Hauptraum des Tempels erreichten, veränderte sich die Luft. Ein leises Echo vibrierte durch die steinernen Wände – Schritte, schnell und zielgerichtet.
„Hörst du das?“ flüsterte Selene.
Luna nickte. Die Schritte näherten sich. Mit ihnen kam eine Kälte, die nicht von der Nacht herrührte. Als Luna sich umdrehte, sah sie ihn – Calith.
Seine Silhouette zeichnete sich scharf gegen das flackernde Licht der Kerzen ab, sein Gesicht lag im Halbdunkel, doch sein Lächeln war sichtbar. Kühl. Undurchdringlich.
„Was habt ihr entdeckt?“ fragte er ruhig.
Er trat näher, seine Stiefel hallten auf dem steinernen Boden. Luna spürte, wie sich ihre Muskeln anspannten.
„Warum interessiert es dich?“ Ihre Stimme war schärfer, als sie beabsichtigt hatte.
Selene verschränkte die Arme. „Du hast dich nie für unsere Forschungen interessiert, Calith. Warum jetzt?“
Sein Lächeln blieb, doch in seinen Augen blitzte etwas Dunkles auf. „Vielleicht wusste ich schon länger, dass sich hier etwas verbirgt. Etwas, das nicht ans Licht kommen sollte.“
„Was weißt du über den Tempel?“ fragte Luna.
Ein Schatten huschte über sein Gesicht. „Mehr, als du ahnst. Hier verborgen liegt nicht nur Wissen, sondern auch etwas, das euch vernichten könnte.“
Selene hob das Kinn. „Du klingst, als würdest du uns warnen. Oder ist es eine Drohung?“
Calith trat näher, das Licht der Kerzen ließ seine Züge für einen Moment weicher wirken – doch es war eine Illusion. „Nennt es, wie ihr wollt. Aber denkt daran: Die Dunkelheit verlangt immer einen Preis.“
Ein Schaudern lief Luna über den Rücken. Seine Worte klangen nicht wie eine Warnung. Sie klangen wie eine Prophezeiung.
„Wir brauchen deine Weisheiten nicht, Calith“, sagte sie kalt. „Wenn du wirklich helfen willst, dann sag uns, was du weißt. Andernfalls tritt zur Seite.“
Er hielt inne, betrachtete sie einen Moment, als wolle er ihre Entschlossenheit abwägen. Dann verzog sich sein Mund zu einem dunklen Lächeln.
„Ihr begreift es nicht“, sagte er leise. „Die Dunkelheit ist längst hier. In diesen Mauern. In euch.“
Eine unsichtbare Kälte legte sich um Luna, ein Schatten strich über ihre Gedanken. Sie wollte widersprechen, doch etwas hielt sie zurück.
„Was hast du getan, Calith?“ fragte Selene.
Er neigte leicht den Kopf, als amüsiere ihn die Frage. „Nicht ich“, flüsterte er. „Ihr.“
Dann drehte er sich langsam um. Seine Gestalt schien in den Schatten zu verschwimmen, als würde die Dunkelheit ihn verschlingen.
„Was weiß er?“ flüsterte Selene.
„Zu viel“, murmelte Luna. „Und ich fürchte, wir haben ihn unterschätzt.“
Selene nickte. „Wenn er recht hat, dann ist die Dunkelheit längst hier. Und wenn das stimmt…“ Sie sah Luna ernst an. „…dann sind wir in größerer Gefahr, als wir dachten.“
Luna ballte die Hände zu Fäusten. „Dann müssen wir schneller sein. Wir müssen herausfinden, was es mit diesen Geheimnissen auf sich hat – bevor er es tut.“
Selene legte eine Hand auf Lunas Schulter. „Wir schaffen das“, sagte sie leise. „Zusammen.“
Luna erwiderte ihren Blick, ein Funken Hoffnung in ihren Augen. Doch tief in ihrem Inneren wusste sie: Die Reise würde alles von ihnen fordern.
Calith hatte ihnen nicht alles gesagt.
Und die Dunkelheit, die in den Schatten des Tempels lauerte, war nur der Anfang.
Die Stille kehrte zurück. Doch sie war anders als zuvor. Schwerer. Erwartungsvoll.
Und irgendwo in der Tiefe des Tempels… bewegte sich etwas.
Der Tempel war still, doch eine bedrückende Schwere lag in der Luft. Luna und Selene hatten die Kammer des Wissens hinter sich gelassen, doch das Gefühl, beobachtet zu werden, ließ sie nicht los. Die Schatten in den Ecken schienen tiefer, und die Stille war fast unnatürlich.
Ein plötzlicher Luftzug ließ die Kerzen flackern. Für einen Moment war alles still, dann erschien ein silbriges Glimmen in der Dunkelheit. Es begann als Funke und wuchs zu einer leuchtenden Aura, die die Wände des Tempels erhellte.
Aus dem Licht trat Talisar hervor. Sein langes, silbernes Haar bewegte sich leicht, als ob eine unsichtbare Brise es umspielte. Seine tiefen, weisen Augen musterten Luna und Selene mit einer Mischung aus Wärme und Dringlichkeit.
„Luna, Selene,“ begann er. „Ihr seid in Gefahr. Die Dunkelheit hat den Tempel erreicht. Ihr müsst gehen, bevor es zu spät ist.“
„Talisar, was ist los?“ fragte Luna. „Was meinst du mit Gefahr?“
„Calith ist nicht der Einzige, der in den Schatten spielt. Der Tempel ist nicht mehr sicher. Doch es gibt einen Ort, an den ihr gehen könnt – das Dorf Avalis. Dort wartet jemand, der euch helfen kann.“
Selene runzelte die Stirn. „Wer wartet dort auf uns? Und wie können wir sicher sein, dass es kein weiterer Feind ist?“
„Ihr müsst Vertrauen wagen. In Avalis werdet ihr Thane treffen, einen Krieger, der von eurer Mutter gesandt wurde. Er wird euch leiten und schützen. Doch seid wachsam. Die Dunkelheit wird nicht ruhen.“
Luna ballte die Hände zu Fäusten. „Wir werden gehen. Aber was ist mit dir, Talisar?“
„Mein Platz ist hier, um die Dunkelheit so lange wie möglich aufzuhalten. Eure Aufgabe ist es, das Wissen und die Kraft zu finden, die notwendig sind, um sie zu besiegen. Geht jetzt. Jede Sekunde zählt.“
Das silberne Licht begann zu verblassen, und die Schatten kehrten zurück. Talisar verschwand in einer stillen Explosion aus Licht. Die Halle war plötzlich wieder kalt.
Luna und Selene sahen einander an, bevor sie mit schnellen Schritten den Tempel verließen.
Das Dorf Avalis lag verschlafen unter dem silbrigen Mondlicht. Die winzige Ansammlung von Häusern wirkte wie aus der Zeit gefallen, ihre Dächer von Moos bedeckt, die Holzfassaden grau von Wetter und Alter. Das Gras auf den Wegen war vom Tau der Nacht schwer.
Luna und Selene schritten durch die Stille, doch es fühlte sich nicht wie Ruhe an – eher wie das leise Einatmen eines Wesens, das in der Dunkelheit lauert. Der Wind spielte mit den Zweigen der Bäume, und das Knarren von Holz ließ beide zusammenzucken.
Plötzlich tauchte eine Gestalt aus der Dunkelheit auf, am Rand des Dorfes. Sie stand reglos, fast wie eine Statue, doch ihre Umrisse waren klar – ein breitschultriger Krieger in schwerer Rüstung. In einer Hand hielt er eine gewaltige Axt.
„Ihr seid Luna,“ sagte er ohne Umschweife. Seine Stimme war ruhig, doch mit Nachdruck. „Die Tochter der Priesterin des Mondes. Man hat mich auf euch vorbereitet.“
„Woher weißt du das? Wer bist du?“ fragte Luna.
Der Krieger schob seine Axt in den Boden und setzte sich auf einen Baumstumpf. „Setzt euch,“ sagte er ruhig. „Ihr seid eine Weile gereist, und es gibt viel zu besprechen.“
Selene warf Luna einen fragenden Blick zu, bevor sie vorsichtig nähertraten. Die Anspannung war greifbar, doch etwas an seiner Präsenz wirkte beruhigend.
Thane lehnte sich auf die Axt. „Mein Name ist Thane,“ begann er. „Ich war einst ein einfacher Krieger. Die Grenzwälder waren mein Zuhause. Mein Leben war… ruhig.“
Er hielt kurz inne. „Bis zu jener Nacht.“
„Was geschah in dieser Nacht?“ fragte Luna leise.
Thane schloss kurz die Augen. „Ich hatte eine Vision. Ein silbernes Licht brach durch die Dunkelheit. Und in diesem Licht war sie – eure Mutter.“
Luna schnappte nach Luft. Ihr Herz hämmerte. „Meine Mutter?“
Er nickte. „Sie sprach zu mir. Ihre Stimme… sie war wie ein Wind, der durch die Seelen der Toten weht – ruhig, aber unaufhaltsam. Sie warnte mich. Sie sagte, die Dunkelheit würde kommen. Und dass du, Luna, die einzige Hoffnung bist, um das Gleichgewicht wiederherzustellen.“
Avalis, ein kleines Dorf, das von einem endlosen Wald umgeben war, lag still unter dem silbrigen Mondlicht. Die Luft war kühl, und ein sanfter Nebel zog durch die schmalen Gassen. Doch für Luna war der Ort alles andere als friedlich. Etwas regte sich in der Dunkelheit – ein leises Flüstern, ein Gefühl, das sie nicht ignorieren konnte.
Am Rande des Dorfes erschien Talisar, erschöpft nach seiner Flucht aus dem Tempel. Sein silbernes Haar war zerzaust, sein Gesicht gezeichnet von Müdigkeit, doch seine Augen waren entschlossen. Da ihm der Tempel kein sicherer Ort mehr schien, hatte er sich entschieden, Luna in Avalis aufzusuchen.
Er begrüßte die Gruppe herzlich und hielt inne, als sein Blick auf den großen Krieger fiel. „Thane,“ murmelte er, seine Stirn in tiefen Falten. „Ich habe dich in keiner meiner Visionen gesehen.“ „Das ist nicht wichtig,“ sagte Thane ruhig. „Ich bin hier, um zu helfen.“
Talisar musterte ihn kurz, bevor er sich Luna zuwandte. „Es gibt etwas, das ich euch zeigen muss.“
Er führte die Gruppe zu einem versteckten Schrein am Rande des Waldes. Der Ort war alt, seine Mauern vom Moos überwuchert und die Pfade von Wurzeln durchzogen. Doch trotz des Verfalls glühten die Runen schwach im Mondlicht – als ob sie lebendig wären.
„Dieser Ort gehörte deiner Mutter“, sagte Talisar leise. „Sie hat hier etwas hinterlassen, das nur du finden kannst.“
Luna trat vorsichtig vor, ihre Finger zitterten, als sie die Runen berührte. Kaum hatte sie sie berührt, begann eines der Symbole zu glühen. Der Boden vibrierte, und ein tiefes Grollen erfüllte die Luft.
„Was… passiert hier?“ fragte Selene.
Mit einem Klicken öffnete sich der Schrein. Ein versteckter Durchgang führte in eine Kammer, die mit alten Schriftrollen gefüllt war. Luna nahm eine der Rollen und entfaltete sie vorsichtig.
„Diese Zeichen...“, murmelte sie. „Sie sind wie die im Tempel. Aber ich kann sie nicht entziffern.“
Während Luna die Schriftrolle betrachtete, überlief sie eine plötzliche Kälte. Ihre Sicht verschwamm, und sie spürte, wie sie aus der Realität gerissen wurde.
Sie sah eine alte Ruine, tief im Herzen eines Waldes. Dunkle Wurzeln umklammerten den Boden und die Wände, pulsierend wie lebendige Wesen. In der Mitte der Ruine leuchtete ein einzelner Stein, umgeben von dichten Nebeln. Eine Stimme flüsterte: „Das Gleichgewicht liegt in deinen Händen. Finde den Stein, bevor es zu spät ist.“
Die Vision endete so plötzlich, wie sie begonnen hatte. Luna stolperte zurück, ihre Hand noch immer auf der Schriftrolle.
„Luna, bist du in Ordnung?“ fragte Selene.
Luna nickte und atmete tief ein. „Ich habe… etwas gesehen. Eine Ruine, umgeben von Dunkelheit. Es fühlt sich an, als ob wir dorthin müssen.“
Ein Schrei durchschnitt die Stille.
„Hilfe! Wir werden angegriffen!“
Luna und Selene stürmten zurück ins Dorf, wo Chaos herrschte. Schattenhafte Kreaturen mit leuchtend roten Augen und klauenartigen Händen krochen aus dem Wald. Sie griffen die Bewohner an, ihre scharfen Klauen hinterließen tiefe Narben in Holz und Stein.
Thane stand bereits inmitten des Tumults, seine Axt schwang in weiten, vernichtenden Bögen. Jede Kreatur, die ihm zu nahe kam, wurde zerschmettert, doch die Übermacht war erdrückend.
„Luna! Wir brauchen dich!“ rief er.
Luna zögerte. Ihre Hände zitterten, ihr Herz raste. Die Magie in ihr war neu und unkontrolliert, doch sie wusste, dass sie handeln musste. Sie hob die Hände, und ein silbriges Licht begann aus ihren Fingern zu strömen.
Das Licht durchbrach die Dunkelheit, die Kreaturen wichen zurück. Doch je mehr Luna die Magie einsetzte, desto schwächer fühlte sie sich. Ihre Knie gaben nach.
„Ich… kann nicht mehr…“ keuchte sie.
„Wir schaffen das zusammen!“ rief Selene und trat vor sie. Mit ihrem Stab schlug sie eine der Kreaturen zurück.
Nachdem der Kampf vorbei war, herrschte Stille. Avalis war verwüstet, doch die Kreaturen waren besiegt. Thane half Luna auf die Beine.
„Das war beeindruckend“, sagte er ernst. „Aber du kannst diese Kraft nicht alleine tragen.“
Luna hob den Blick. „Was meinst du?“
Talisar trat aus den Schatten. „Es gibt jemanden, der dir helfen kann. Ein Verbündeter, der mehr über die Dunkelheit weiß als wir alle zusammen. Er lebt tief im Wald.“
„Wer ist er?“ fragte Selene.
„Sein Name ist Valen“, antwortete Talisar. „Er ist ein Wesen der Schatten, das sich gegen die Dunkelheit gewandt hat. Doch er wird euch nicht so leicht trauen.“
Luna spürte neue Entschlossenheit in sich aufsteigen. „Dann finden wir ihn. Wenn er uns helfen kann, werden wir ihn überzeugen.“
Die ersten Strahlen der Morgendämmerung durchbrachen das dichte Blätterdach des Waldes, während Luna, Selene und Thane Avalis hinter sich ließen. Der Tau der Nacht bedeckte die Blätter, und ein feiner Nebel hing wie ein stiller Schleier zwischen den alten, knorrigen Bäumen.
Doch für die Gruppe war diese Ruhe trügerisch. Keine Vögel sangen, kein Rascheln kleiner Tiere war zu hören. Nur das leise Knirschen ihrer Schritte auf dem feuchten Waldboden begleitete sie.
Talisar hatte sie gewarnt: „Die Reise zu Valen wird euch prüfen. Nicht jeder schafft es bis zu ihm.“
Luna spürte, dass der Wald lebendig war – nicht nur ein Ort, sondern ein Wesen, wachsam und uralt. Unsichtbare Augen schienen sie zu beobachten, jeden ihrer Schritte zu prüfen. War es die Dunkelheit, die auf sie lauerte? Oder war es Valen selbst? Diese Reise würde sie an ihre Grenzen bringen.
Je weiter sie vordrangen, desto fremder wurde der Wald. Die Bäume schienen zu wachsen, ihre Stämme waren von uralten Runen bedeckt, deren leuchtende Linien sich wie Flüsse aus Licht durch das Holz zogen. Ein kalter Wind wehte durch die Äste und trug ein Flüstern mit sich – leise Stimmen, die eine Sprache sprachen, die keiner von ihnen verstand.
Luna führte die Gruppe, ihre Sinne schärfer denn je. Magische Fallen waren überall verteilt, unsichtbar für normale Augen, doch für sie schimmerten sie wie Spinnennetze aus Licht. Einmal trat Thane fast auf eine Rune, deren Aktivierung einen feurigen Strahl ausgelöst hätte. Im letzten Moment hielt Luna ihn zurück.
„Der Wald will uns testen“, murmelte sie.
Selene betrachtete die glühenden Symbole. „Valen will offensichtlich nur, dass ihn diejenigen erreichen, die würdig sind.“
Der Wald wurde dunkler. Die Schatten der Bäume schienen sich zu bewegen, und die Welt verzerrte sich an den Rändern ihres Blickfelds. Seltsame Geräusche hallten zwischen den Ästen wider – ein Flüstern, ein leises Kichern, das von überall und nirgends zu kommen schien.
Thane hielt seine Axt fest umklammert. „Ich traue diesem Ort nicht“, sagte er leise. „Das ist kein Kampf, den man nur mit Waffen gewinnen kann.“
Bevor sie Avalis verlassen hatten, hatten sie in einer versteckten Bibliothek eine alte Aufzeichnung gefunden – geschrieben von Lunas Mutter.
„Wenn du dies liest, Luna, dann bist du auf dem Weg, das zu vollenden, was ich begann. Doch sei gewarnt: Die Dunkelheit kennt keine Gnade. Vertraue auf das Licht, das in dir brennt – es ist stärker, als du glaubst.“
Diese Worte hallten in Lunas Gedanken nach, während sie den Pfad durch den unheimlichen Wald fortsetzte. Die Vorstellung, dass ihre Mutter diesen Weg vielleicht selbst einmal gegangen war, ließ sie nicht los. Was hatte sie gewusst? Wovor hatte sie sich gefürchtet?
Luna spürte ihre Anwesenheit – nicht als Geist, sondern als ein Echo, das tief in ihrem Inneren widerhallte. Doch die Fragen, die sie quälten, blieben unbeantwortet.
Eine Lichtung öffnete sich vor ihnen, von einer Stille erfüllt, die fast greifbar war. Kein Wind bewegte die Blätter, und nicht einmal ein Insekt summte. Es war, als hätte die Natur den Atem angehalten.
Eine Gestalt trat aus den Schatten – hochgewachsen, in eine dunkle Robe gehüllt. Seine Kapuze war tief ins Gesicht gezogen, doch seine Präsenz war unmissverständlich.
Calith.
„Ihr seid so naiv“, sagte er mit einem spöttischen Lächeln. „Glaubt ihr wirklich, dass ihr die Dunkelheit aufhalten könnt? Sie ist überall, selbst hier, in diesem Wald.“
Luna trat einen Schritt vor. „Warum folgst du uns, Calith? Was willst du?“
Caliths Lächeln wurde kälter. „Ich will nur sehen, wie du scheiterst, Luna. Du bist nichts weiter als ein Werkzeug – genau wie es deine Mutter war. Sie dachte, sie könnte die Dunkelheit bezwingen, und was hat es ihr gebracht? Den Tod.“
Thane hob seine Axt. „Wenn du uns im Weg stehst, werde ich dich nicht verschonen.“
Calith lachte leise. „Oh, ich bin nicht hier, um zu kämpfen. Noch nicht. Aber ich warne euch: Was euch erwartet, ist weit schlimmer, als ihr euch auch nur ansatzweise vorstellen könnt.“
Bevor jemand reagieren konnte, löste er sich in den Schatten auf – als wäre er nie da gewesen.