Das verschollene Schiff - Friedrich Meister - E-Book

Das verschollene Schiff E-Book

Friedrich Meister

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Beschreibung

Ein spannendes Seefahrerbuch aus der Zeit der großen Windjammer und Klipper. Heinrich Rohrpenn ist der neue Steuermann auf einem Handelsschiff mit Ziel Melbourne. Doch Piraten kapern das Schiff, und setzen die Besatzung auf einer einsamen Südsee-Insel aus. Heinrich wird zum Helden, als er alles dransetzt, die Gestrandeten zu retten. Das Buch gewährt unterhaltsamen Einblick in den Alltag an Bord der Handelsschiffe zum Ende des 19. Jahrhunderts. Die wichtigsten nautischen Ausdrücke werden in Fußnoten erläutert. Null Papier Verlag

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Seitenzahl: 228

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2024Klosterstr. 34 · D-40211 Düsseldorf · [email protected] 2. Auflage, ISBN 978-3-954189-56-4

null-papier.de/neu

Inhaltsverzeichnis

Ers­tes Ka­pi­tel

Zwei­tes Ka­pi­tel

Drit­tes Ka­pi­tel

Vier­tes Ka­pi­tel

Fünf­tes Ka­pi­tel

Sechs­tes Ka­pi­tel

Sie­ben­tes Ka­pi­tel

Ach­tes Ka­pi­tel

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Erstes Kapitel

Wie Hein­rich Rohr­penn an Bord des Pala­din kam. – Ein fi­xer Kerl. – In See. – Selt­sa­me Un­ter­hal­tung im Ma­tro­sen­lo­gis. – Ein bö­ser Geist an Bord. – Va­les­ka am Ru­der. – Der Al­ba­t­roß. – In den Mal­lun­gen. – Der Hai. – Eine Bö.

Wer ein­mal in Ham­burg ge­we­sen ist, den zieht es im­mer wie­der nach der al­ten schö­nen Ha­fen­stadt.

Wohl hat ihr die neue Zeit gar man­che ih­rer ehr­wür­di­gen und ro­man­ti­schen Ei­gen­tüm­lich­kei­ten ge­nom­men, aber den Hauch je­ner al­ten ker­ni­gen Zeit, in der die stahl­ge­pan­zer­ten Han­sea­ten auf ih­ren kriegs­tüch­ti­gen Kog­gen den Vi­ta­li­en­brü­dern Gö­de­ke Mi­cha­el, Stör­te­be­ker und an­dern Fein­den sieg­rei­che Schlach­ten lie­fer­ten und ruhm- und beu­te­reich wie­der aus der Elbe zu An­ker gin­gen, die­sen Hauch spürt heu­te noch je­der, der den mäch­ti­gen Strom über­schaut und die al­ten sich längs des Ha­fens hin­zie­hen­den Stadt­tei­le durch­wan­dert.

Nicht we­nig trägt dazu auch das Ham­bur­gi­sche Platt­deutsch bei, das ei­nem auf Schritt und Tritt in die Ohren klingt, das­sel­be Platt­deutsch, das schon vor Jahr­hun­der­ten hier ge­re­det wur­de.

Präch­tig ist die Elb­stadt in ih­ren mo­der­nen Tei­len; an­mu­tig spie­geln sich die statt­li­chen Pa­tri­zi­er­häu­ser, die von Gär­ten und Parks um­ge­be­nen freund­li­chen Vil­len in den stil­len Flu­ten der Bin­nen- und Au­ßenals­ter; viel­ge­stal­tig und ei­gen­ar­tig ist das wim­meln­de Volks­le­ben auf den Plät­zen und Stra­ßen, in­ter­essant der Blick auf die schma­len Fle­te, an wel­chen die al­ters­grau­en, ho­hen Spei­cher ste­hen.

Die ei­gent­li­che Be­son­der­heit der Stadt aber ist das Ham­burg an der Elbe, der Stadt­teil am Ha­fen, wo vor den Häu­sern der Schiffs­mak­ler und Schiffs­händ­ler, vor den zahl­rei­chen klei­nen Wirt­schaf­ten und Ta­ver­nen sich die ver­schie­den­ar­tigs­ten Völ­ker­ty­pen, re­prä­sen­tiert durch Ka­pi­tä­ne, Steu­er­leu­te und Ma­tro­sen, hin- und her­be­we­gen.

An den Vor­set­zen, ei­ner un­mit­tel­bar am Ha­fen ge­le­ge­nen Stra­ße, reiht sich Flag­gen­stock an Flag­gen­stock; nied­ri­ge ei­ser­ne Krä­ne die­nen dem klei­nen Schiffs­ver­kehr, und auf dem Stro­me selbst lie­gen un­ab­seh­ba­re Rei­hen von See­schif­fen, de­ren Mas­ten wie ein Wald zum Him­mel ra­gen und mit ih­rem Ta­kel­werk ein schier un­ent­wirr­ba­res Ge­we­be zu bil­den schei­nen.

Vom großen Fracht­damp­fer bis zum klei­nen Fi­sche­re­wer sind hier alle Schiffs­gat­tun­gen ver­tre­ten; Schu­ten und auch hier und da ein Elb­kahn lie­gen den Schif­fen zur Sei­te, die ent­we­der La­dung aus ih­nen emp­fan­gen oder in sie ab­ge­ben.

Klei­ne schnel­le Schlepp- und Fähr­damp­fer schie­ßen ab und zu durch die Schiffs­rei­hen, und ihr schril­les Pfei­fen mischt sich mit dem dump­fen Ge­heul der ge­wal­ti­gen See­damp­fer, die brau­send fluß­ab­wärts fah­ren oder von der Au­ßen­el­be her­auf­kom­men.

Es ist ein so rei­ches und wech­sel­vol­les Bild, daß man sich kaum satt dar­an se­hen kann, zu­mal wenn man sei­nen Stand­punkt auf ei­nem der Pon­tons bei St. Pau­li hat, wo man ei­ner­seits den gan­zen Ha­fen und die zahl­rei­chen großen Schiffs­werf­ten, Docks und Ma­schi­nen­fa­bri­ken von Stein­wär­der, Rei­her­stieg usw. und hin­ter sich die Deut­sche See­war­te und das See­manns­haus auf der Elb­hö­he hat, und and­rer­seits nach Al­to­na hin­aus­schaut und auf den sich breit aus­deh­nen­den Spie­gel des herr­li­chen Stro­mes, auf wel­chem je nach dem Stan­de der Ge­zei­ten gan­ze Flot­ten von Se­gel­schif­fen vor An­ker lie­gen oder in Be­we­gung sind.

Hell leuch­ten die wei­ßen Se­gel der Voll­schif­fe, der Bar­ken, Brig­gen und Scho­ner in die blaue Luft hin­aus, im ma­le­ri­schen Ge­gen­satz zu der loh­far­be­nen, brau­nen und ro­ten Lein­wand der Ewer, Ga­lio­ten und Tjal­ken und den dunklen Rauch­mas­sen aus den Schlo­ten der Damp­fer, die zeit­wei­se die Aus­sicht mit ei­nem Schlei­er ver­de­cken.

In der Mor­gen­frü­he des Ta­ges, an dem un­se­re Ge­schich­te be­ginnt, stand ein jun­ger Mann auf dem Spei­cher­kai am obe­ren Ende des Ha­fens, in die Be­trach­tung ei­nes pracht­vol­len und ganz neu­en ei­ser­nen Voll­schif­fes ver­tieft, das dicht an den Kai her­an­ge­holt hat­te und mit die­sem durch eine brei­te Plan­ke ver­bun­den war.

Die drei Lu­ken des Schif­fes, an des­sen Heck und Bug der Name Pala­din in gol­de­nen, hell in der Mor­gen­son­ne fun­keln­den Let­tern zu le­sen war, stan­den of­fen, um die Stück­gü­ter auf­zu­neh­men, die eine An­zahl Schau­er­leu­te aus dem Spei­cher her­aus- und an Deck hin­über­schaff­ten, wo sie mit Hil­fe der Winsch (Win­de) in den Raum hin­un­ter­be­för­dert wur­den.

Der Name des jun­gen Man­nes war Hein­rich Rohr­penn; er hat­te sein neun­zehn­tes Le­bens­jahr noch nicht ganz er­reicht, war trotz­dem be­reits un­ge­wöhn­lich groß und kräf­tig, und konn­te als ein präch­ti­ges Mus­ter ei­nes jun­gen deut­schen See­manns gel­ten.

Sei­ne Aus­bil­dung hat­te er an Bord der Her­zo­gin So­phie Char­lot­te, ei­nes der Schul­schif­fe des Nord­deut­schen Lloyd, er­hal­ten, um sich spä­ter der Of­fi­ziers­lauf­bahn auf den großen Bre­mer Schnell­damp­fern wid­men zu kön­nen. Er war im ers­ten Jah­re als Schiffs­jun­ge, im zwei­ten als Leicht­ma­tro­se und im drit­ten als Voll­ma­tro­se ge­fah­ren und hat­te auf sei­nen Rei­sen wäh­rend die­ser drei Jah­re Ja­pan, Aus­tra­li­en und die West­küs­te von Süd­ame­ri­ka ken­nen ge­lernt.

Die­sen Fahr­ten folg­te eine Rei­se auf ei­nem der Lloyd­damp­fer und hier­auf hat­te er die See­fahrt­schu­le zu Bre­men be­sucht. Gern hät­te er nun eine Stel­lung als vier­ter Of­fi­zier auf ei­nem der Bre­mer Schnell­damp­fer an­ge­nom­men, al­lein auf den drin­gen­den Wunsch sei­nes Va­ters, des al­ten Ham­bur­ger Ka­pi­täns Adam Rohr­penn, ent­schloß er sich, als drit­ter Steu­er­mann auf dem Pala­din an­zu­mus­tern, des­sen Füh­rer, Ka­pi­tän Lü­de­mann, seit lan­gen Jah­ren mit Adam Rohr­penn eng be­freun­det war.

Rohr­penn be­saß in dem un­ter­halb Al­to­nas ge­le­ge­nen Dörf­chen Neu­müh­len ein klei­nes Haus, in dem er sein Le­ben zu be­schlie­ßen ge­dach­te. Er war bei ei­nem Schiff­bruch zum Krüp­pel ge­wor­den und muß­te sei­ne Tage in ei­nem Roll­stuhl zu­brin­gen, sonst hät­te er es sich nicht neh­men las­sen, sei­nen Hein­rich per­sön­lich an Bord des schö­nen neu­en Pala­din zu ge­lei­ten, der der näm­li­chen Ree­de­rei ge­hör­te, für die er sel­ber drei­ßig Jah­re lang ge­fah­ren hat­te.

Als der Bau des Pala­din ge­plant wur­de, da hat­te man be­schlos­sen, ihm, Adam Rohr­penn, die Füh­rung die­ses Schif­fes zu über­tra­gen; al­lein das grau­sa­me Schick­sal füg­te es an­ders. Drei­ßig Jah­re lang hat­te der bra­ve Ka­pi­tän in dem Rufe ge­stan­den, im­mer nur vom Glück ganz be­son­ders be­güns­tig­te Fahr­ten zu ma­chen; bei der letz­ten Fahrt aber brach das Un­glück über ihn her­ein: ein furcht­ba­rer Or­kan warf sei­ne Ce­res auf die Klip­pen der Scil­ly­in­seln am Ein­gang des Eng­li­schen Kanals; das Schiff ging in Stücke, nur we­ni­ge von der Be­sat­zung wur­den ge­ret­tet, un­ter ih­nen auch Ka­pi­tän Rohr­penn, der je­doch in­fol­ge der bei der Ka­ta­stro­phe er­lit­te­nen Ver­let­zung zum In­va­li­den wur­de.

Wenn nun aber auch ein Rohr­penn den Pala­din nicht mehr kom­man­die­ren konn­te, so soll­te doch ein Rohr­penn auf ihm Diens­te neh­men; und dar­um hat­te sich an je­nem Mor­gen der Held un­se­rer Ge­schich­te in Neu­müh­len von sei­nem Va­ter ver­ab­schie­det und nach Ham­burg auf­ge­macht, wo wir ihn auf dem Spei­cher­kai in die Be­trach­tung des Pala­din ver­tieft ge­fun­den ha­ben.

Er trug sei­nen Fei­er­tags­an­zug aus blau­em Düf­fel und auf sei­nem blon­den Kraus­kopf eine Schirm­müt­ze von glei­chem Stoff mit von gol­de­nen Knöp­fen ge­hal­te­nem Sturm­rie­men und ei­nem schwar­zen Wachs­tuch­über­zug. Aus sei­nem fri­schen, son­nen­ver­brann­ten Ant­litz schau­ten ein paar ehr­li­che graue Au­gen scharf und ener­gisch in die Welt hin­aus und man er­kann­te auf den ers­ten Blick, daß man es in Hein­rich Rohr­penn mit ei­nem treu­en zu­ver­läs­si­gen, eh­ren­haf­ten und mu­ti­gen jun­gen Man­ne zu tun hat­te.

Mitt­schiffs, un­weit des Fall­reeps, wo durch die Ent­fer­nung ei­nes Stückes der Schanz­klei­dung eine La­de­pfor­te ge­schaf­fen wor­den war, lehn­te ein Mann an der Re­ling des Pala­din, der, ein Ta­schen­buch und einen Blei­stift in den Hän­den, die an Bord kom­men­den Stück­gü­ter kon­trol­lier­te. Das war der Ober­steu­er­mann Rupp, der in Ab­we­sen­heit des Ka­pi­täns das Kom­man­do führ­te.

Aus ir­gend ei­ner Ver­an­las­sung wen­de­te er sich jetzt dem Kai zu und ge­wahr­te da­bei den drit­ten Steu­er­mann, den er be­reits auf dem Mus­ter­bü­ro ken­nen ge­lernt hat­te.

»Dor sün Se jo, Rohr­penn!«, rief er her­über, »komm Se man gau an Bord, Se könt mi hier hel­pen!«

Hein­rich sprang in drei Sät­zen über die Plan­ke an Deck, bot dem Ober­steu­er­mann einen fröh­li­chen gu­ten Mor­gen, lief in sei­ne Kam­mer, wo be­reits am Abend zu­vor sei­ne See­kis­te un­ter­ge­bracht wor­den war, wech­sel­te rasch den An­zug und er­hielt dann vom Ober­steu­er­mann Buch und Blei­stift und die Wei­sung, sich zur Ach­ter­lu­ke zu ver­fü­gen und zu no­tie­ren, was dort in den Raum hin­ab­ge­ge­ben wur­de.

Zu der La­dung, die mitt­schiffs ver­staut wur­de, ge­hör­ten auch zwölf Krupp­sche stäh­ler­ne Feld­ge­schüt­ze nebst La­fet­ten und al­lem Zu­be­hör, au­ßer­dem meh­re­re hun­dert Ge­weh­re und Mu­ni­ti­on. Die­se Waf­fen wa­ren für eine Ab­tei­lung der aus­tra­li­schen Mi­liz be­stimmt; sie er­reg­ten na­tur­ge­mäß die Neu­gier­de der auf dem Kai lun­gern­den Leu­te, un­ter de­nen be­son­ders ein Mann die Ver­la­dung mit größ­ter Auf­merk­sam­keit be­ob­ach­te­te.

In sei­nem Ei­fer half er den Schau­er­leu­ten die Ge­schütz­roh­re in die Kran­ket­ten schlin­gen und er­wies sich da­bei so ge­schickt und flink, daß Hein­rich Rohr­penn in ihm auf den ers­ten Blick einen er­fah­re­nen See­mann er­kann­te.

Des Man­nes Ge­sicht war von Son­ne und Wet­ter dun­kel­ge­bräunt, er trug gol­de­ne Ohr­rin­ge und gute Klei­der aus dun­kelblau­em Stoff, wie Jan­maat sie an­zu­le­gen pflegt, wenn er an Land geht.

Als sich alle Ge­schüt­ze an Bord be­fan­den, rich­te­te der Mann sei­ne schar­fen Au­gen auf das Schiff und mus­ter­te des­sen Mas­ten, Raaen und Ta­ke­lung, so­wie auch die fei­nen Li­ni­en des Rump­fes mit kri­ti­schen Ken­ner­bli­cken und je­nem wohl­ge­fäl­li­gen Ver­ständ­nis, das je­der tüch­ti­ge See­mann solch ei­nem in je­der Hin­sicht voll­kom­me­nen Fahr­zeug ent­ge­gen­zu­brin­gen pflegt.

Acht Tage spä­ter wur­den die Lu­ken zu­ge­deckt und für die Rei­se dicht­ge­macht, denn der Pala­din hat­te jetzt sei­ne ge­sam­te La­dung an Bord.

Wäh­rend die­ser Zeit hat­te sich der brau­ne See­fah­rer mehr­mals auf dem Kai ein­ge­fun­den und den Pala­din mit im­mer neu­em In­ter­es­se be­trach­tet; er schi­en eine Vor­lie­be für das schö­ne Schiff ge­faßt zu ha­ben.

Hein­rich Rohr­penn war da­her durch­aus nicht ver­wun­dert, als der Frem­de am letz­ten Tage des La­dun­gein­neh­mens über die Plan­ke her­über an Deck kam, ohne wei­te­res auf den auf dem Ach­ter­deck ste­hen­den Ka­pi­tän Lü­de­mann zu­schritt und die­sen, die Müt­ze lüf­tend, frag­te, ob die Mann­schaft be­reits voll­zäh­lig sei.

Der Schif­fer mus­ter­te den Mann von oben bis un­ten und ant­wor­te­te dann, daß er noch ei­ni­ge Leu­te ha­ben müs­se; wenn er wil­lens sei, die Rei­se mitz­u­ma­chen, dann sol­le er sich am Nach­mit­tag zu ei­ner be­stimm­ten Stun­de auf dem Mus­ter­bü­ro ein­stel­len. Der Mann war gern dazu be­reit, und so trenn­ten sie sich nach kur­z­er Un­ter­hal­tung, au­gen­schein­lich je­der mit dem an­dern sehr zu­frie­den.

»Ein fi­xer Kerl«, sag­te Ka­pi­tän Lü­de­mann zu Hein­rich, dem Ab­ge­hen­den nach­schau­end, der mit schnel­len, elas­ti­schen Schrit­ten über den Kai da­vo­neil­te, »er ist drei­mal ums Kap Hoorn ge­we­sen, wie er mir ge­sagt hat, und muß da­her sei­ne Sa­che ver­ste­hen. Er hat da auch noch fünf Schiffs­maa­ten, die mit ihm bei dem­sel­ben Schlaf­baas woh­nen, lau­ter tüch­ti­ge Voll­ma­tro­sen, und er meint, daß auch die gern auf dem Pala­din an­mus­tern wür­den. Ich den­ke, wir wer­den dies­mal eine gute Kruh1 ha­ben.«

Am Nach­mit­tag wur­de die noch feh­len­de Be­sat­zung an­ge­mus­tert und zwar der zwei­te Steu­er­mann, der Boots­mann, der Zim­mer­mann, der Se­gel­ma­cher, der Ste­ward, der Koch, vier­zehn Voll­ma­tro­sen – un­ter die­sen auch der brau­ne Ka­phoorn­fah­rer, der den Na­men Mar­kus Wen­zel führ­te – und acht Leicht­ma­tro­sen. Die ge­sam­te Be­sat­zung, den Ka­pi­tän und den Ober­steu­er­mann mit­ge­rech­net, be­lief sich da­her auf ein­und­drei­ßig Köp­fe, so daß auf jede der bei­den Wa­chen drei­zehn Mann ka­men, da Ka­pi­tän, Koch, Ste­ward, Zim­mer­mann und Se­gel­ma­cher kei­ne Wa­che mit­zu­ge­hen hat­ten.

Eine Kruh von drei­zehn Mann in der Wa­che an Bord ei­nes Voll­schif­fes von der Grö­ße des Pala­din ist nur eben aus­rei­chend, das Fahr­zeug in ei­nem mä­ßi­gen Sturm noch zu re­gie­ren; be­ginnt es stär­ker zu we­hen, dann muß auch die an­de­re Wa­che aus­ge­purrt wer­den.

Am Abend des­sel­ben Ta­ges kam Ka­pi­tän Scherk, ein al­ter Freund des Ka­pi­tän Lü­de­mann, an Bord, um sei­nen Ab­schieds­be­such zu ma­chen. Er war der Füh­rer des Al­ba­t­roß, ei­nes fei­nen Voll­schif­fes, das noch ei­ni­ge Hun­dert Ton­nen2 grö­ßer war, als der Pala­din und um die­sel­be Zeit wie die­ser die Rei­se nach Mel­bour­ne an­tre­ten soll­te. Der Pala­din war ein Schiff von zwölf­hun­dert Ton­nen.

Lan­ge schon hat­ten bei­de Ka­pi­tä­ne den Wunsch ge­hegt, mit­ein­an­der um die Wet­te se­geln zu kön­nen, und jetzt end­lich war die Ge­le­gen­heit dazu ge­kom­men. Sie hat­ten um einen neu­en Hut ge­wet­tet, den der er­hal­ten soll­te, der vor dem an­dern im Ha­fen von Mel­bour­ne ein­lau­fen wür­de.

Ob­wohl je­der der bei­den See­bä­ren im ge­hei­men fest von der über­le­ge­nen Schnel­lig­keit sei­nes ei­ge­nen Schif­fes über­zeugt war, so gab er sich den­noch den An­schein, als glau­be er be­stimmt, hin­ter der bes­se­ren Se­gel­fä­hig­keit des ne­ben­buh­le­ri­schen Fahr­zeugs zu­rück­ste­hen zu müs­sen.

»Na denn ad­jüs ok, Lü­de­mann«, sag­te Scheck, nach­dem sie die Fla­sche Rotspohn ge­leert hat­ten, »ad­jüs ohl Fründ un glück­li­che Reis’. Ick denk, in de Ge­gend von den Äqua­tor se­hen wi uns woll sacht wie­der. Ick loop veer­unt­win­tig Stunn vör di ut de Elbe rut, aber düs­sen lüt­ten Vör­sprung holst du bald wed­der in.«

»Von In­ho­len kann gor kein’ Red’ sin«, ent­geg­ne­te Lü­de­mann, ernst­haft den Kopf schüt­telnd. »Du weetst ganz ge­nau, dat min lütt Schipp gor keen Chan­ce ge­ge­näwer di­nen fei­nen Klip­per, den Al­ba­t­roß, hew­wen doon deit. Wi lig­gen veel to deep in ’t Wa­ter und hew­wen ok nich un­sen rich­ti­gen Trimm. Nee, Fründ Scherk, acht Dag min­des­tens bist du frü­her in Mel­bour­ne, as ick, so dat du reich­lich Tit hest, uns dor an­to­melln.«

»Nich doch, Lü­de­mann, ün­ner den Äqua­tor hest du uns in­holt, un denn ble­wen wi wiet in den Pala­din sin Kiel­wa­ter tor­ügg, dat kannst du mi glö­wen. De nige Haut is din, dorup kannst du di drist ver­la­ten.«

Die bei­den ver­schmitz­ten al­ten Bur­schen drück­ten sich la­chend die Hän­de und Ka­pi­tän Scherk ging wie­der an Land, über­zeugt da­von, daß er den Hut ge­win­nen wer­de.

Am fol­gen­den Mor­gen ka­men zwölf Ar­bei­ter an Bord des Pala­din, Ma­schi­nen­bau­er von ei­ner Ham­bur­ger Schiffs­werft, die nach Aus­tra­li­en ge­hen woll­ten, in der Mei­nung, dort hö­he­ren Lohn zu er­hal­ten. Sie wur­den im Zwi­schen­deck un­ter­ge­bracht.

Am Nach­mit­tag er­schie­nen die Ka­jütspas­sa­gie­re, sie­ben an der Zahl. Es wa­ren der Dok­tor Cel­la­ri­us, sei­ne Frau und sein sechs­jäh­ri­ges Töch­ter­chen na­mens Lu­cie; Fräu­lein Va­les­ka Merk, die Schwes­ter der Frau Cel­la­ri­us, und der In­ge­nieur Ei­sen­lohr, sei­ne Frau und sein sie­ben­jäh­ri­ger Sohn.

Die Herr­schaf­ten lie­ßen sich ihre Kam­mern an­wei­sen, ihr Ge­päck hin­ein­schaf­fen und rich­te­ten sich so be­hag­lich als mög­lich für die lan­ge See­rei­se ein, die ih­nen be­vor­stand. Da­rauf be­ga­ben sich der Dok­tor und der In­ge­nieur an Deck, um sich mit­ein­an­der und mit den Of­fi­zie­ren be­kannt zu ma­chen, und als die Zeit des Abendes­sens her­an­kam, da hat­ten sie die An­sicht ge­won­nen, daß sie mit­ein­an­der treff­lich aus­kom­men wür­den, daß Ka­pi­tän Lü­de­mann ein präch­ti­ger Herr sei, daß Rupp, der Ober­steu­er­mann, und Klaus, der zwei­te Steu­er­mann »so-so« wä­ren, der drit­te Steu­er­mann aber, der jun­ge Rohr­penn, ein ge­bil­de­ter, of­fe­ner und sehr an­spre­chen­der Jüng­ling sei, und daß man, was die Ge­sell­schaft an­lang­te, eine an­ge­neh­me Rei­se er­war­ten kön­ne.

Noch ein wei­te­rer Tag ver­ging, dann kam der klei­ne Damp­fer Her­ku­les und schlepp­te den Pala­din die Elbe hin­ab. Hein­rich Rohr­penn hat­te den ers­ten Ru­der­törn3 über­nom­men. Der Ham­bur­ger Ha­fen blieb bald zu­rück; Al­to­na, mit sei­nen di­rekt aus dem Strom auf­stei­gen­den großen Spei­chern und Dampf­müh­len, mit den al­ten Pfahl- und Boll­wer­ken am Ufer und den zahl­reich hier an­kern­den Fi­scher­fahr­zeu­gen glitt zur Rech­ten vor­über, und vor Hein­richs sehn­süch­ti­gen Bli­cken tauch­ten die Ufer­hö­hen von Ot­ten­sen und Neu­müh­len auf.

Die Sch­lös­ser und Vil­len der Han­dels­fürs­ten Ham­burg-Al­to­nas schau­ten hoch her­ab aus ih­ren grü­nen Parks und bun­ten Gär­ten; un­ten be­spül­te das Was­ser des Stro­mes den wei­ßen Strand.

Ter­ras­sen­för­mig stie­gen die klei­nen Gärt­chen vor den zier­li­chen Schif­fer­häu­sern Neu­müh­lens auf, von al­ten Ul­men be­schat­tet.

Ka­pi­tän Lü­de­mann war an den jun­gen Mann her­an­ge­tre­ten. »Kiek, Hein­rich«, sag­te er, »dor is din Va­ter sin Hus. Er het an sin Flag­gen­stock dat Si­gnal Glück­li­che Rei­se upheißt, un dor sitt he sül­ben in sin Roll­stuhl; he het sick bet dicht an de Wa­ter­kant ran­schu­wen la­ten. Jetzt schwenkt er sei­nen Stroh­hut zu uns her­über!«

Hein­rich hat­te schon längst die Müt­ze ab­ge­ris­sen und sei­nem Va­ter Grü­ße zu­ge­winkt.

»Auf Wie­der­se­hen!«, rief er, ob­gleich er wuß­te, daß der alte Herr ihn nicht hö­ren konn­te.

»Auf Wie­der­se­hen, ohl Fründ!«, rief auch Ka­pi­tän Lü­de­mann, in­dem er zu­gleich die von der Gaf­fel we­hen­de Flag­ge drei­mal dipp­te.

Das Schiff rausch­te vor­über und bald lag auch Neu­müh­len weit hin­ter ihm, und das Ge­häm­mer der zahl­rei­chen Boots­baue­rei­en, we­gen der das Dörf­chen so be­rühmt ist, war nicht mehr hör­bar.

Die Elb­mün­dung war bald er­reicht. Im Nor­der­gatt warf der Schlepp­damp­fer die Tros­se los, die schon vor­her ge­lös­ten Se­gel wur­den vor­ge­scho­tet, die Raaen ge­trimmt, und mit fri­scher öst­li­cher Bri­se steu­er­te der Pala­din hin­aus in die grü­ne Nord­see und dem Eng­li­schen Kanal zu.

Ka­pi­tän Lü­de­mann ließ das Log wer­fen, und zu sei­ner und der ge­sam­ten Be­sat­zung großen Be­frie­di­gung stell­te es sich her­aus, daß das Schiff bei die­ser mä­ßi­gen Bri­se nicht we­ni­ger als elf Kno­ten lief.

Drei Tage spä­ter war der Kanal durch­lau­fen und der Pala­din be­gann die lan­ge Schwell des At­lan­ti­schen Ozeans zu spü­ren. Der Wind frisch­te auf, und das Schiff stampf­te und roll­te über die Bis­ca­yi­sche See mit ei­ner so schnel­len Fahrt da­hin, daß alle Mann ge­ra­de­zu in Ent­zücken ver­setzt wur­den.

Der Schif­fer mar­schier­te auf der Luv­sei­te des Kam­pan­je­decks hin und her, rieb sich ver­gnügt die Hän­de, ki­cher­te vor sich hin und re­de­te im Selbst­ge­spräch halb­laut al­ler­lei ab­ge­ris­se­nes Zeug wie:

»De ohle Jung, de Scherk, de schall de Ogen uprie­ten – min­des­tens acht Dag is min Pala­din frü­her in Mel­bour­ne, as sin ohle Heu­wa­gen, de Al­ba­t­roß – und ich krie­ge den Hut – haha!«

Das war’s, was Hein­rich Rohr­penn auf­schnapp­te, als er einen Au­gen­blick auf dem Ach­ter­deck zu tun hat­te.

Im Lo­gis, dem Wohn­raum der Ma­tro­sen, gab die Schnel­lig­keit des Schif­fes an je­nem Abend viel Stoff zur Un­ter­hal­tung. Jan­maat hat eine große Vor­lie­be für fixe Seg­ler, und jetzt, wo man wuß­te, was der Pala­din un­ter güns­ti­gen Um­stän­den zu leis­ten ver­moch­te, ver­si­cher­te je­der, noch nie­mals an Bord ei­nes Schif­fes ge­we­sen zu sein, das die­sem an Schnel­lig­keit gleich­ge­kom­men wäre.

Mar­kus Wen­zel, der Mann mit dem braun­ge­brann­ten Ge­sicht, dem pech­schwar­zen Haar und Bart und den gol­de­nen Ohr­rin­gen, war von al­len der Be­geis­terts­te.

»Jun­ge, Jun­ge!«, rief er, als die an­dern sich in ih­ren Lo­bes­er­he­bun­gen so ziem­lich er­schöpft hat­ten, »wat wür­de der Kas­ten für ein Pi­ra­ten­schiff ab­ge­ben! Wäre er mein, ich mach­te mein Glück da­mit, und nicht nur mein Glück, son­dern auch das von alle Mann, und das soll­te kein hal­b­es Jahr dau­ern!«

Die­se Wor­te rie­fen ein all­ge­mei­nes Ge­läch­ter her­vor.

»Mensch, Mar­kus! Du willst doch nich etwa sa­gen, dat du mit düs­se Pala­din Seeraub be­drie­wen wülltst, wenn he din Ei­gen­dom wer?«, sag­te Tim Tho­de, ein großer vier­schrö­ti­ger See­fah­rer mit ro­tem bu­schi­gem Bart, der dem an­dern auf sei­ner See­kis­te ge­gen­über saß.

»Nee, Maat, dat ge­ra­de nich«, ant­wor­te­te Wen­zel, »aber den­noch – warum ei­gent­lich nich? Es gibt ja doch noch manch schlech­te­res Hand­werk, als Seeraub, dat könt ji mi glö­wen, Lüd.«

»Oho!«, rief Tim. »Meinst du? Nenn mi doch mal so en Hand­werk.«

»Dat is leicht ge­sche­hen«, er­wi­der­te der an­de­re. »Zum Bei­spiel un­ser Ma­tro­sen­hand­werk – is dat nich en ganz deel schlech­ter? Har­te Ar­beit, schlech­tes Fut­ter, mi­se­ra­ble Be­zah­lung – ji möt mi nich falsch ver­stehn, ick will mi öwer de Pala­din nich be­kla­gen, dat Eten is hier good ge­nug un veel Ar­beit hewwt wi hier ok noch nich to se­hen kre­gen – aber dat Ge­sicht von den Ober­stüer­mann Rupp ge­fällt mich nich un ok nich dat von den twee­ten Stüer­mann Klaus. Wat Kep­pen Lü­de­mann is, de schient ja en gan­zen goo­den Mann to sin – bis jetzt, wohl­ver­stan­den. Aber dies Schiff wird ihn ver­der­ben.«

»Hoho!«, lach­te Tim.

»Ja­woll, Maat, dies Schiff wird ihn ver­der­ben«, wie­der­hol­te Mar­kus Wen­zel. »Laß ihn nur erst mal rich­tig da­hin­ter ge­kom­men sein, daß er einen Schnell­seg­ler, einen Flie­ger un­ter den Fü­ßen hat, dann wird er ja­gen auf Teu­fel komm her­aus, dann wird er die Lein­wand ste­hen las­sen bis auf die letz­te Mi­nu­te, bis alle Mann zum Se­gel­ber­gen aus­ge­purrt wer­den müs­sen, da­mit die Sten­gen nicht über Bord ge­hen, an­statt die Se­gel bei­zei­ten weg­zu­neh­men, was eine Wa­che al­lein ver­rich­ten kann. War­tets ab, Maa­ten, die­ser Flie­ger macht Kep­pen Lü­de­mann noch zum Leu­te­schin­der!«

Die­se Pro­phe­zei­ung rief hier und da zu­stim­men­des Brum­men und be­denk­li­ches Kopf­schüt­teln her­vor, Tim Tho­de aber rief:

»Wat schall de Snack! Wat het dat mit de See­räu­be­rei to doon?«

»Lat mi doch man ut­re­den!«, ent­geg­ne­te Wen­zel. »Ich habe ge­sagt, dat Jan­maat hart ar­bei­ten muß, wie ein Hund wohnt und schlech­te Kost und we­nig Geld kriegt. Da­hin­ge­gen, wenn wir Pi­ra­ten wä­ren, dann hät­ten wir höchs­tens die Se­gel zu trim­men, da­bei das Bes­te zu es­sen und zu trin­ken, könn­ten nach ei­ner Kreuz­fahrt von sechs Mo­na­ten die See­fahrt auf­ge­ben und den Rest un­sers Le­bens wie Fürs­ten an Land zu­brin­gen.«

Tho­de brach in ein schal­len­des Ge­läch­ter aus.

»Mensch«, sag­te er, »för so en Schaps­kopp hadd ick di wahr­haf­tig nich holln! Dat kann doch din Ernst nich sin! Du büst noch keen Pi­rat west, eben­so­we­nig as wi an­nern. So’n Räu­ber­pack möt noch dül­ler ar­bei­ten, as Jan­maat up’n Koh­len­schipp, und dor­bi kann dat je­den Ogen­blick ’n Ku­gel in Kopp oder ’n Mes­ser­stich von sin Ober­ban­di­ten ge­wär­tig sin. Un de Kriegs­sche­pen, de ach­ter so’n Ra­cker­tüg her sin doon, un de Mord­ta­ten, die je­der Pi­rat up sin Ge­wis­sen hat! Nee, Maat, bleib mich von’s Leib mit din See­räu­be­rei, ick dank dor­för.«

»Hat ja noch kei­ner ver­langt, dat du Pi­rat wer­den sollst«, ant­wor­te­te Wen­zel ru­hig. »Ich be­haup­te nach wie vor, daß Seeraub nicht das schlech­tes­te Hand­werk ist. Mord­ta­ten sind da­bei durch­aus nicht nö­tig. Es ist ja wahr, tote Leu­te plau­dern nichts aus, aber man kann Leu­te auch stumm ma­chen, ohne ih­nen die Häl­se ab­zu­schnei­den. Gibt es nicht In­seln ge­nug, wo man sei­ne Ge­fan­ge­nen aus­set­zen kann? Und was die Ar­beit an­langt, so kann man ja ei­ni­ge Ge­fan­ge­ne an Bord be­hal­ten, die der Mann­schaft die Ar­beit ab­neh­men müs­sen. Und wenn man ge­nug Beu­te ge­macht hat, dann haut man in der Nähe ei­nes pas­sen­den Ha­fens bei dunk­ler Nacht das Schiff leck, läßt es wegsa­cken, geht mit sei­nem Kram als ar­mer schiff­brü­chi­ger See­mann an Land und kann her­nach als wohl­ha­ben­der Mann herr­lich und in Freu­den le­ben. Ich weiß Be­scheid, Maa­ten.«

»Dann bist du woll ein’ von de Kerls, de sick gern an an­ner Lüd ehr Ei­gen­dom ver­grie­pen doon?«, sag­te Tho­de.

»Du hast mich nicht ver­stan­den, sonst wür­dest du nicht sol­che Fra­ge an mich rich­ten«, ent­geg­ne­te Wen­zel in be­lei­dig­tem Ton. »Ich bin kein Dieb und die See­kis­te ei­nes Schiffs­maa­ten ist mir hei­lig, denn da sind nur Din­ge drin, die er not­wen­dig ha­ben muß und an die er ein Recht hat. Nie­mand aber hat ein Recht an Über­fluß, so­lan­ge and­re Men­schen da­durch zu kurz kom­men.«

»Dat is rich­tig«, kam eine Stim­me aus ei­nem dunklen Win­kel.

»Es gibt viel Leu­te«, fuhr Wen­zel fort, »die ha­ben so viel Geld, daß sie gar nicht wis­sen wie reich sie sind, und ha­ben doch in ih­rem Le­ben nie­mals ge­ar­bei­tet. Und wir ar­men Jan­maa­ten müs­sen schuf­ten und uns quä­len Tag und Nacht, bei gu­tem und schlech­tem Wet­ter um Leib und See­le zu­sam­men zu hal­ten.«

»Dat is rich­tig«, sag­te die Stim­me aus dem Win­kel.

»Ist das Ge­rech­tig­keit?«, re­de­te Wen­zel wei­ter. »Ich sage nein! Und ich wür­de mich kei­ne Se­kun­de be­sin­nen, je­nen rei­chen Nichts­tu­ern und Ta­ge­die­ben et­was von ih­rem Über­fluß ab­zu­neh­men, wenn sich die Ge­le­gen­heit dazu fän­de. So den­ke ich!«

»Mar­kus het nich un­recht«, brumm­ten ei­ni­ge der an­dern, »nee, he het ganz un gor­nich un­recht, wenn man de Sak rich­tig äwer­leg­gen doon deit.«

Tim Tho­de aber stier­te den braun­häu­ti­gen Schiffs­maa­ten eine Wel­le zwei­felnd an, dann rief er:

»Büst nu to Enn mit din Snack? Du büst en fi­xen Kerl, Mar­kus, bi­nah en be­ten to fix. Du kannst re­den as en Ad­vo­kat, aber du kannst mi nich in­re­den, dat du sül­ben an di­nen Snack glö­wen doon deist. Wenn ich nich wüß­te, dat du der bes­te un wil­ligs­te See­mann hier an Bord bist, denn möcht ich dir fast för en Re­bel­len an­se­hen.«

In die­sem Au­gen­blick er­klang drau­ßen die Schiffs­glo­cke in vier Dop­pel­schlä­gen.

»Acht Gla­sen«, schloß Tho­de sei­ne Rede. »Wir müs­sen an Deck. Wer hat den ers­ten Ru­der­törn?«

Die Steu­er­bord­wa­che be­gab sich für die nächs­ten vier Stun­den an Deck und die Back­bord­wa­che such­te ihre Ko­jen auf.

Da das Schiff mit güns­ti­gem und ste­ti­gem Win­de sei­nen Kurs ver­folg­te, gab es zu­nächst kei­ne Ar­beit, nur der Mann am Ru­der und der auf dem Aus­guck hat­ten ihre Ob­lie­gen­hei­ten wahr­zu­neh­men, je­der zwei Stun­den lang.

Wen­zel und ein and­rer Ma­tro­se, na­mens Back­haus, zün­de­ten ihre Pfei­fen an und setz­ten sich ne­ben­ein­an­der auf die Re­ser­ve­s­pie­ren, die auf der Luv­sei­te des Decks fest­ge­lascht wa­ren.

Eine Wei­le rauch­ten sie schwei­gend und in Ge­dan­ken ver­sun­ken vor sich hin, dann nahm Back­haus das Wort.

»Ich hab mir ban­nig er­schro­cken«, be­gann er mit ge­dämpf­ter Stim­me, »wie du vor­hin in’t Lo­gis mit un­sen Pi­ra­ten­plan so vier­kant raus­plat­zen ta­test. Ich hät­t’ dat fei­ner an­ge­fan­gen. Der Tho­de wird Ver­dacht krie­gen, wenn dat nich vor­sich­ti­ger be­trie­ben wird.«

»Hast recht, Maat«, ant­wor­te­te Wen­zel, »ich hät­te ein Reef ein­ste­cken sol­len, ehe ich da­mit un­ter Se­gel ging; aber der Tho­de hat mich so­zu­sa­gen her­aus­ge­for­dert. Im­mer­hin hat die Sa­che einen An­stoß ge­kriegt und die Leu­te wer­den sich das Ding durch den Kopf ge­hen las­sen. Mit Tho­de brin­ge ich al­les wie­der in die Rei­he; er hat mich einen fi­xen Kerl ge­nannt und da hat er recht, bloß daß ich noch viel fi­xer bin, als er denkt. Und es hat ge­wirkt, Maat; ich glau­be, daß ich dir jetzt schon drei oder vier Mann nen­nen kann, die zu uns hal­ten wer­den, wenn die Zeit da ist.«

Wir brau­chen der Un­ter­hal­tung der bei­den nicht wei­ter zu fol­gen; das was wir hier wie­der­ge­ge­ben ha­ben, reicht hin, dem Le­ser zu zei­gen, daß schon beim Be­ginn der ers­ten Rei­se des Pala­din ein bö­ser Geist an Bord des gu­ten Schif­fes sein We­sen trieb.

Am Abend des fünf­ten Ta­ges er­reich­te das Fahr­zeug die Höhe von Kap Fi­nis­terre. Es rausch­te un­ter al­len Se­geln und Lee­se­geln vor ei­ner nörd­li­chen Bri­se über den mit un­zäh­li­gen klei­nen Schaum­käm­men be­deck­ten Ozean ent­lang, mit ei­ner Ge­schwin­dig­keit, die die Steu­er­leu­te in Er­stau­nen setz­te, so oft sie die Lo­g­lei­ne ein­hol­ten und de­ren Kno­ten zähl­ten.

Die Pas­sa­gie­re freu­ten sich der schnel­len Fahrt und des schnei­di­gen Schif­fes; sie fühl­ten sich wohl und wa­ren zu­frie­den mit ih­ren Rei­se­ge­nos­sen, mit dem Ka­pi­tän und mit der Mann­schaft; sie wa­ren über­zeugt da­von, daß die letz­te­re aus aus­ge­sucht tüch­ti­gen und zu­ver­läs­si­gen See­leu­ten be­stün­de.

Auch an mu­si­ka­li­scher Un­ter­hal­tung fehl­te es nicht; der In­ge­nieur Ei­sen­lohr hat­te sei­ne Flö­te mit­ge­bracht, zur Aus­stat­tung des Sa­lons der Ka­jü­te ge­hör­te ein gu­tes Pia­ni­no und Frau Dok­tor Cel­la­ri­us und ihre Schwes­ter, Fräu­lein Va­les­ka, ver­füg­ten über schö­ne und gut­ge­schul­te Stim­men; so flu­te­te zu­wei­len ein lieb­li­ches Kon­zert hin­aus in die Abend­luft und über das Deck, zum Ent­zücken des bra­ven Ka­pi­täns, des Ru­ders­man­nes und der Leu­te der Wa­che.

Ei­nes Ta­ges reg­te sich in Fräu­lein Va­les­ka das ehr­gei­zi­ge Ver­lan­gen, steu­ern zu ler­nen. Sie hat­te schon oft stun­den­lang den Mann am Ru­der be­ob­ach­tet, wie er auf der Luv­sei­te hin­ter dem Rade stand, mit den seh­ni­gen Fäus­ten die Spei­chen ge­faßt hielt, sie ab und zu sacht um ei­ni­ge Zoll an sich zie­hend und sie eine oder zwei Mi­nu­ten spä­ter eben­so sacht wie­der zu­rück­drückend.

Das sah lä­cher­lich leicht aus, und den­noch lag et­was Groß­ar­ti­ges in dem Ge­dan­ken, daß durch die­se ein­fa­chen und mü­he­lo­sen Be­we­gun­gen ge­wis­ser­ma­ßen das Ge­schick des gan­zen ge­wal­ti­gen Schif­fes und al­ler an Bord be­find­li­chen Men­schen ge­lenkt wur­de.

Fräu­lein Va­les­ka be­schloß da­her, sich die Kunst des Steu­erns zu ei­gen zu ma­chen.

Der Pala­din hat­te die Höhe von Ma­dei­ra er­reicht und strich mit Acht­kno­ten­fahrt ru­hig über die abend­li­che See.

Der steu­ern­de Ma­tro­se war von Hein­rich Rohr­penn, dem drit­ten Steu­er­mann, auf die Kreuz­raa hin­auf­ge­schickt wor­den, um dort eine Ar­beit zu ver­rich­ten, und un­ser jun­ger Freund hat­te in­zwi­schen das Ru­der über­nom­men.

Sei­ne lin­ke Hand ruh­te auf dem Ran­de des Ra­des, sei­ne Rech­te, in Arm­län­ge aus­ge­streckt, hielt mit lo­sem Griff eine Spei­che und sein Auge be­ob­ach­te­te das Liek4