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Ein Spiel mit unerwartetem Einsatz: Liebe und Leidenschaft!
Der Offizier Will Blackshear braucht dringend Geld, um der Witwe eines verstorbenen Freundes zu helfen. Am Spieltisch trifft er auf die Kurtisane Lydia Slaughter, die ihr Talent für Zahlen dazu nutzt, die Karten zu manipulieren. Will ist fasziniert von der klugen Schönheit. Als Lydia ihm anvertraut, dass sie sich nach Freiheit sehnt, schlägt er ihr einen Pakt vor: Gemeinsam können sie ein Vermögen gewinnen. Doch die Gefühle, die für sie beide schon bald ins Spiel kommen, waren nicht Teil des Plans ...
»Betörend sinnlich und emotional berührend ... Cecilia Grant ist eine unvergessliche Stimme in der Romantic History!« Madeline Hunter
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Seitenzahl: 511
Veröffentlichungsjahr: 2022
Grußwort des Verlags
Über dieses Buch
Titel
Danksagung
Prolog
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Epilog
Über die Autorin
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Impressum
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Der Offizier Will Blackshear braucht dringend Geld, um der Witwe eines verstorbenen Freundes zu helfen. Am Spieltisch trifft er auf die Kurtisane Lydia Slaughter, die ihr Talent für Zahlen dazu nutzt, die Karten zu manipulieren. Will ist fasziniert von der klugen Schönheit. Als Lydia ihm anvertraut, dass sie sich nach Freiheit sehnt, schlägt er ihr einen Pakt vor: Gemeinsam können sie ein Vermögen gewinnen. Doch die Gefühle, die für sie beide schon bald ins Spiel kommen, waren nicht Teil des Plans …
CECILIA GRANT
Das Versprechen der Kurtisane
Roman
Aus dem Englischen von Kirsten Middeke
Mein Dank gilt Laura
für ihr medizinisches Wissen,
ihre unermüdliche Unterstützung
und ihre aufrichtige Freundschaft
in allen Lebenslagen.
Juni 1815
»Was zum Teufel haben Sie sich dabei gedacht, ihn zu bewegen?« Der Feldscher stank nach Blut. Im dürftigen Schein der wenigen Kerzen, die dieser Abteilung des Lazaretts zugestanden worden waren, sah er aus wie ein zerklüfteter Felsen, voller Schatten und bis zu den Ellbogen mit dem Leben anderer Männer besudelt.
»Von den Krankenträgern wollte ihn keiner mitnehmen. Ich habe stundenlang gewartet.« Nach einem Tag voll des Schreiens und Brüllens über Gewehrsalven, Kanonendonner und den Gefechtslärm zweier feindlicher Kavallerien hinweg war seine Stimme nur noch ein raues, wundes Krächzen.
Hier in der Kirche war es einerlei, dass er nicht lauter sprechen konnte. Jedenfalls war das Gebäude eine Kirche gewesen, bevor es zu diesem grausigen Dienst einberufen worden war, und vermutlich würde es wieder eine Kirche werden, wenn all diese Männer endlich nach Brüssel gebracht worden waren. Oder Brügge. In ein richtiges Krankenhaus, mit richtigen Betten statt der schmalen Bänke und des kalten Steinfußbodens. Jedenfalls sollte man sich hier demütig verhalten.
»Die befolgen nur ihre Befehle.« Der Arzt kniete sich neben die Bank, auf der Talbot lag, und tastete dessen leblose Glieder ab. Nicht ganz leblos; tot war er noch nicht. Seine Brust hob und senkte sich in einem stockenden Rhythmus, der kaum noch an Atemzüge erinnerte. »Offiziere zuerst, dann die Männer, die die größten Chancen haben. Damit haben wir, weiß Gott, schon genug zu tun. Wir können uns nicht auch noch mit den hoffnungslosen Fällen aufhalten.«
So etwas sollte ein Arzt in Hörweite des Patienten eigentlich nicht sagen. Will hob zu einer entsprechenden Bemerkung an, schluckte sie dann aber hinunter. Es gab jetzt Wichtigeres als das Benehmen des Mannes. Zum Beispiel den Zustand von Talbots Armen und Beinen. Trotz seiner Verletzungen hatte er auf dem Feld noch Finger und Zehen bewegen können. Vielleicht war es wirklich ein Fehler gewesen, ihn herzubringen.
Nein, mit Sicherheit war es ein Fehler gewesen. Doch wegen der Erschöpfung, die ihm in den letzten drei Tagen wie ein torkelndes Ungeheuer schleppend, doch unaufhaltsam immer näher gekommen war, hatte er nicht mehr klar denken können.
Darüber konnte er sich später den Kopf zerbrechen. »Jedenfalls ist er jetzt hier.« Unwillkürlich übernahm er das Kommando, wie er es inzwischen gewöhnt war. Das Nebensächliche beiseiteschieben, den Weg freiräumen und dem Mann eine Aufgabe zuteilen. »Ich will Sie nicht aufhalten, ich bitte Sie lediglich, ihn sich anzusehen und für ihn zu tun, was Sie können.«
»Habe ich mich nicht klar ausgedrückt?« Der Feldscher hockte sich auf die Fersen, das Gesicht im Schatten. »Er ist an der Wirbelsäule verletzt. Er kann seine Beine nicht mehr bewegen, nicht einmal spüren. Wir können nichts für ihn tun.«
Will schluckte. Es fühlte sich an, als hätte er Schrot im Hals. »Wie können Sie so sicher sein? Sie haben ihn sich kaum angesehen. Bei dem Licht können Sie doch kaum etwas sehen. Vielleicht ist er einfach nur erschöpft, oder es liegt an den Schmerzen.« Benebelt und müde, wie er war, hörte er dennoch, wie unsinnig und verzweifelt seine Worte klangen. Er biss sich auf die Lippen und trat einen Schritt zurück.
Er stieß gegen etwas. Gegen jemanden. Einen Fußsoldaten, der nicht das Glück gehabt hatte, von einem Leutnant auf eine der Bänke gelegt zu werden. Gekrümmt lag er auf dem Steinboden und starrte Will einen Augenblick lang aus weit aufgerissenen Augen ungläubig an, bevor er den Blick wieder in die Dunkelheit über sich richtete.
Er gab keinen Laut von sich. Andere schon. Laute, wie man sie nach einem Gefecht hörte, verstärkt durch die große Zahl der Verwundeten auf engstem Raum, durch das Echo, das von den Steinwänden widerhallte, und durch die entsetzliche Ironie der Kulisse.
Will atmete langsam ein und wieder aus. Vor zwei Tagen hatte er an der Kreuzung von Quatre Bras gekniet und hektisch versucht, seine Muskete neu zu laden – Pulver, Kugel, Papier, schnell! –, während die Kürassiere in ihren schrecklichen glänzenden Brustpanzern angriffen, und er hatte gedacht: Jetzt weiß ich, wie es in der Hölle sein wird. Etwa dreißig Stunden später hatte er diesen Gedanken revidiert: Die Hölle war eine schlaflose Nacht im eiskalten Regen, wenn man die eine Schlacht hinter sich und eine weitere vor sich hatte und in völlig durchweichter Uniform irgendeinem verängstigten jungen Mann die Hand auf die Schulter legte, weil einem keine tröstenden Worte mehr einfielen.
Dann wieder war die Hölle eine Schlacht, der Lärm und der Gestank und die gefallenen Kameraden. Dann war sie die Suche nach Überlebenden, und dann das lange Warten mit Talbot, die völlige Erschöpfung, die schwindende Hoffnung auf Hilfe und die Verzweiflung, die ihn schließlich dazu veranlasst hatte, den Mann hierherzutragen. Bei klarem Verstand hätte er diesen Fehler nicht begangen.
Bei klarem Verstand hätte er auch nicht den Fehler begangen, sich einzubilden, dass er bereits die Hölle erlebt hätte. Das hier war die Hölle: die Abteilung für hoffnungslose Fälle in diesem Kirchenlazarett, gebrochene Männer, die wie menschlicher Abfall einfach auf die Steine geworfen worden waren, nach Gott oder nach ihren Müttern schrien und vergeblich auf Gnade warteten.
Nein. Wenn er diese Gedanken nicht loswurde, würde er in seiner Verzweiflung ertrinken, und er hatte Besseres zu tun. »Bitte.« Der Arzt stand bereits auf, jetzt war die letzte Gelegenheit, herauszufinden, wie er ihn dazu bewegen konnte, irgendetwas für den Mann zu tun, den er in diese Hölle getragen hatte. »Er ist einer meiner Männer. Ich bin für ihn verantwortlich. Er hat Frau und Kinder.«
»Herrgott, Herr Leutnant, sehen Sie sich doch mal um! Jeder von diesen Männern wird jemanden zurücklassen. Jeder von ihnen wird auf dem Gewissen irgendeines Leutnants oder Sergeants oder Colonels lasten, der vielleicht irgendetwas hätte anders machen können.« Der Feldscher streckte in der Dunkelheit die Hand aus und berührte Will am Ärmel. Es war tröstlich gemeint. »Die Wahrheit ist: Auch mit einer Trage wäre es schwer gewesen, ihn sicher zu transportieren. Es hätte womöglich genauso geendet.« Auch das war tröstlich gemeint, erkannte er dumpf. »Sie haben getan, was Sie konnten. Ich schlage vor, dass Sie sich jetzt erst mal hinlegen.«
Das war’s also. Er würde Talbot sterben lassen. Den Trägern hätte das Gleiche passieren können, doch Will war ihnen zuvorgekommen, ganz eindeutig. »Warten Sie.« Jetzt war es seine Hand, die nach dem Arzt griff, um ihn aufzuhalten. Er flüsterte jetzt absichtlich. »Können Sie ihm nicht wenigstens irgendwas geben? Opium? Er hat schreckliche Schmerzen.«
Doch – gütiger Gott! – er kannte die Antwort bereits, als er die Worte hervorkrächzte. Jeder verdammte Mann hier, der noch atmete, hatte schreckliche Schmerzen, und das Opium musste für die Amputationen aufgespart werden. »Es tut mir leid«, sagte der Doktor, und Will konnte nur die Hand sinken lassen und ihm nachblicken.
Aus dem Augenwinkel sah er, wie Talbots Brust sich noch immer hob und senkte, eine Verstärkung seines angestrengten Herzschlags. Wann würde es aufhören? Er hätte fragen sollen. Er rieb sich mit der Hand über das Gesicht, vom Scheitel über die Augen, die unrasierten Wangen, die matten Lippen bis zum Kinn. Dann drehte er sich um und kniete sich dorthin, wo der Doktor gekniet hatte.
»Ich bringe dich hier raus.« Der Mann hatte die Augen geschlossen, doch sein Mund zuckte und er brachte eine Art Nicken zustande. »Hier gibt es zu viele Verwundete, und die können keinen Feldscher erübrigen, nicht mal Opium. Du hast hier nichts mehr verloren.« Für dich besteht keine Hoffnung. Was würde es bringen, ihm das zu sagen? »Vielleicht finden wir ein anderes Lazarett, mit besserer Versorgung. Vielleicht wenigstens ein bisschen Gin.«
Gin. Unwahrscheinlich. Jedenfalls, wenn er nicht vorhatte, die Leichen nach einer Flasche zu durchsuchen. Was ihm vielleicht irgendwann zwischen jetzt und Talbots letztem Atemzug gar nicht mehr so unsinnig vorkommen dürfte.
Erschöpft raffte Will sich von der Bank auf und strauchelte beinahe, nicht unter dem Gewicht des Mannes, sondern unter der Last dessen unangebrachten Vertrauens. Während er sich zwischen toten und lebenden Körpern seinen Weg zum Ausgang suchte, beschlich ihn eine üble Vorahnung: Womöglich stand ihm die schlimmste Höllenvision erst noch bevor.
März 1816
Drei der Kurtisanen waren schön. Sein Blick ruhte natürlich auf der vierten. Alte Angewohnheiten waren schwer abzulegen, trotz allem, was das Leben sich einfallen ließ.
Will hatte einen Ellbogen auf dem Tisch und stützte den Kopf in die Handfläche – eine Geste, die vollstes Vertrauen in sein Spiel ausdrückte und ihm zudem einen Blick an seinem Gegenüber vorbei auf die Damen ermöglichte. Ohne jegliche Hintergedanken natürlich. Er hatte dieses Etablissement in einer ernsten Angelegenheit aufgesucht, die nichts mit Kurtisanen zu tun hatte.
Aber anschauen konnte man sie sich ja trotzdem. Mal reckte er verstohlen den Hals, mal kam eine der Damen zufällig in sein Blickfeld, und so setzte er im Laufe des Abends, während sie in wechselnden Kombinationen an ihrem gut fünf Meter vom größeren Tisch der Gentlemen entfernten Kartentisch saßen, Stück für Stück ein recht vollständiges Bild der vier zusammen. Und obwohl sie ihm alle gefielen – die dunkle Verführerin, die feuerrote Nymphe, die zierliche Blonde –, hatte es bisher nur eine geschafft, seine Konzentration ins Wanken zu bringen.
Er betrachtete sie jetzt. Sie hatte die Lider gesenkt und bewegte die Finger mit äußerster Präzision, als sie ihre Karten auffächerte. Nein, schön war sie nicht. Ansehnlich vielleicht. Oder besser gesagt reizvoll: Bei einem jungen Mann hätte die höckrige Nase gewiss ebenso vorteilhaft ausgesehen wie die hohe, energisch wirkende Stirn.
Sie betrachtete ihr Blatt, ohne es neu zu ordnen, obwohl Whist gespielt wurde und ihre drei Mitspielerinnen ihre Karten nach Farben sortierten. Dann sah sie ihre Partnerin an. Graublaue, völlig ausdruckslose Augen. Ihre Hand hätte voller Trümpfe sein können, man hätte es nicht sagen können.
»Keine Chance, Blackshear.« In einer Wolke aus Tabakqualm drangen die Worte an sein Ohr, kaum hörbar im Gemurmel eines guten Dutzends anderer Unterhaltungen. »Die sind alle schon vergeben.« Lord Cathcart schob sich seine Pfeife in den anderen Mundwinkel, während er seine Karten inspizierte. Eine Dame und eine Zehn waren kurz zu erkennen. Das Glück verschwendete sich wieder einmal an die Reichen.
»Ich hätte sowieso keine Chance«, erwiderte Will ebenso leise und schielte unter seine eigene Karte: eine Kreuz-Sieben zu seiner Pik-Sieben. »Ein jüngster Sohn ohne Vermögen kommt bei ihresgleichen ohnehin nicht weit.«
»Ach, ich weiß nicht.« Der Viscount wandte ihm leicht das fein geschnittene Profil zu. »Ein jüngster Sohn, der gerade sein Patent verkauft hat, könnte sich durchaus ab und zu nach mehr als der nächsten abenteuerlustigen Witwe umsehen.«
»Witwen sagen mir zu. Es ist weniger anrüchig, und man muss sich keine Sorgen darüber machen, ob man gerade eine Dame zu etwas verführt hat, das sie später bereuen wird.« Die Worte schmeckten hohl und falsch auf seiner Zunge, ein schales Überbleibsel des Lebens, das er einst geführt hatte. Er nickte in Richtung der Kurtisanen. »Jedenfalls sind deine Paradiesvögel dort ein wenig zu prächtig für jemanden meines Blutes.«
»Pah! Ich wette, dein Blut sieht das anders. Vor allem was die Kleine mit den markanten Gesichtszügen und dem griechischen Knoten angeht. Ich bleibe stehen«, fügte er an die Runde gewandt hinzu, als er an der Reihe war.
»Split«, sagte Will und deckte die Siebenen auf. Sein Herz schlug einen unregelmäßigen Rhythmus, der nichts mit markanten Gesichtszügen zu tun hatte. Er kaufte und konzentrierte sich auf seine beiden neuen Karten.
Eine Acht brachte die eine Hand auf fünfzehn. Mit einer dritten Karte würde er mit großer Wahrscheinlichkeit überkaufen, doch ohne standen seine Chancen, den Bankier zu überbieten, schlecht. Die zweite Hand war besser: Mit einem Ass konnte er bei achtzehn stehenbleiben oder vielleicht sogar auf einen Fünfkartentrick gehen, wenn er es als eins zählte. Wenn die nächsten drei Karten günstig ausfielen.
Die Versuchung war groß. Wie standen seine Chancen? Einundzwanzig weniger acht war dreizehn. Wie viele Dreierkombinationen gab es, die weniger als dreizehn Punkte ergaben? Bei hundertvier Karten im Spiel, acht Assen, acht Zweien, et cetera, und elf anderen Spielern am Tisch, die einige dieser Karten bereits auf der Hand hielten … Verdammt, er hätte in Mathematik besser aufpassen sollen. Und dafür hatte sein Vater ihn nach Cambridge geschickt – Gott hab ihn selig.
»Ich kaufe für beide Hände.« Noch zwanzig Pfund in den Topf. Besser, er kultivierte früh am Abend ein verwegenes Image, solange die Einsätze noch niedrig waren. Besonnen konnte er in ein paar Stunden immer noch spielen, wenn die meisten dieser Männer betrunken – nein, betrunkener – waren und Summen auf den Tisch legten, die sie am nächsten Morgen bereuen würden.
Die neuen Karten wurden ausgeteilt, und er schielte unter die Ecken. Fünf und Drei. Zwanzig und einundzwanzig. Oder zwanzig und elf, und er zwei Karten und zehn Punkte vom doppelten Gewinn des Fünfkartentricks entfernt.
Mit einer behandschuhten Fingerspitze schnippte er unbeteiligt gegen die Ecke einer Karte. Dachte er ernsthaft darüber nach? Weiterzukaufen, wo er mit einundzwanzig Schluss machen konnte? Es war sein erster Abend hier, er saß noch keine zwei Stunden am Tisch, und da forderte er sein Schicksal bereits auf diese Weise heraus?
Nun, das wäre ja nichts Neues. Mit Schicksalsschlägen kannte er sich recht gut aus, da würde der Verlust von dreißig Pfund kaum ins Gewicht fallen.
»Karte.« Er schob einen Geldschein vor seine zweite Hand.
Ein Herzbube grinste ihn an, als er die Karte aufnahm, und eine Welle der Erleichterung entkrampfte verschiedene Stellen seines Körpers. Kein Fünfkartentrick, aber er würde auch nicht für seine Verwegenheit büßen. Wenn der Geber nicht selbst einundzwanzig Punkte hatte, würde er mit mindestens einer Hand gewinnen. Vielleicht mit beiden.
»Stehen«, sagte er und stützte den Kopf wieder in die Hand, während das Spiel zu seiner Linken weiterging. Die Damen bedienten zwei Stiche lang Kreuz, während er zusah; die mit den harten Gesichtszügen zog die Karten mit graziöser Effizienz von den verschiedenen Stellen auf ihrer Hand.
Sollte Cathcart ruhig sticheln. Sie nährte die Fantasie eines Mannes, die Kleine. Sollten schöne Frauen ihre Reize ruhig zur Schau stellen wie Wäsche auf einer Leine im Wind, damit alle Welt sie sehen konnte. Eine Frau, die etwas verbarg, die ihre Reize auf dem Leib trug wie Seidenunterwäsche und einen Mann dazu herausforderte, danach zu suchen, erregte viel eher sein Interesse.
Leider konnte er es sich nicht leisten, sich auch auf andere Weise von ihr erregen zu lassen. Er seufzte. »Was ist ein griechischer Knoten?«, fragte er leise. »Wie sie ihre Haare trägt?«
»Du bist ein hoffnungsloser Fall!«, stieß der Viscount zwischen den Zähnen hervor, die Pfeife noch immer im Mund. »Deine Witwen scheinen nicht besonders viel auf sich zu geben. Dass wir uns nicht missverstehen: Die Aphrodite mit der Habichtsnase scheint auch nicht besonders wählerisch zu sein, der Gesellschaft nach zu urteilen, in der sie sich befindet.« Er ruckte das Kinn in Richtung eines Kerls am anderen Ende des Tisches, eines auf nichts sagende Weise gut aussehenden Kerls mit kantigem Kiefer, der bereits mit seinen ersten beiden Karten einundzwanzig erreicht hatte und als Nächster geben würde.
Wills Neugier war geweckt. Wie eine Wespe summte sie in seinem Bewusstsein umher, doch er verscheuchte sie. Er war nicht zum Tratschen hergekommen, und wen die Dame sich als Beschützer ausgesucht hatte, ging ihn nichts an. »Habichtsnase, findest du wirklich?« Er lehnte sich zurück und streckte die Arme aus. »Das ist aber nicht sehr nett.«
Zugegeben, dies war kein Ort, an dem es auf gute Manieren ankam. Flaschen standen auf dem Tisch. Cathcart war nicht der Einzige, der rauchte, obwohl Damen anwesend waren. Oder jedenfalls Frauen. Allerdings ging es in einer richtigen Spielhölle vermutlich noch schlimmer zu. Laut Gillray, dem Artilleristen, konnte man dort die Verzweiflung ab vier oder fünf Uhr morgens riechen. Übel riechender Schweiß umwogte dann die Verlierer, hatte er gesagt, viel stechender als der Schweiß der gesunden Verausgabung. Und warum auch nicht? Die Angst sollte ja ihren ganz eigenen Geruch haben, weshalb also nicht auch die Verzweiflung? Man sollte meinen, im Gefecht würde man das herausfinden, doch bisher hatte sich nie ein Geruch aus der immer währenden Kakofonie der Ausdünstungen hervorgetan und sich ihm als die Angst vorgestellt.
Genug davon. Er schüttelte die Handgelenke aus und streckte sich, während ein korpulenter Kerl aus dem Spiel flog und der Nächste an der Reihe war. Bei den Damen bekam die mit den harten Gesichtszügen ihren dritten Stich in Folge und notierte die Punkte auf einem Blatt Papier.
Habichtsnase. Also wirklich. Er verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Und doch hatten ihre Nase, ihre ausdruckslosen Augen und ihr Haar von der Farbe eines Zaunkönigs unbestreitbar etwas Vogelartiges. Kalte kleine Wesen waren sie, die Vögel, trotz ihrer weichen Federn und ihres hübschen Gesangs. Sie pickten einem die Augen aus, wenn man nicht aufpasste. Was man im Krieg so alles lernte.
Der Bankier beendete das Spiel mit neunzehn, und Will war um fünfzig Pfund reicher. Wieder war er einen Schritt weiter. Er strich seinen Gewinn ein und schob die Karten dem Beschützer der Dame mit der Habichtsnase zu.
Er musste ungefähr in Wills Alter sein, der Mann mit dem kantigen Kinn. So um die fünfundzwanzig. Jetzt, da er der Geber war, setzte er eine wichtige Miene auf und richtete zuerst seine Krawatte, bevor er sich den Karten zuwandte. Herablassend neigte er den Kopf, um seine Aufmerksamkeit seinem rechten Nachbarn zu schenken, der gerade über das Mädchen sprach. »Ich muss schon sagen, Roanoke«, flüsterte er unüberhörbar, »ich hätte wetten mögen, dass du sie nicht so lange behältst. Sie ist nicht halb so hübsch wie die, die du letzten Sommer bei dir hattest. Die war wirklich reizend.«
Ein kurzes Zusammenpressen der Lippen war das einzige Anzeichen dafür, dass der mit dem kantigen Kinn gekränkt war. »Die hat mir einen Bastard angehängt.« Grüne Manschettenknöpfe funkelten im Kerzenschein, als er die Karten zusammenschob. »Das kann mit dieser hier nicht passieren.«
»Das behauptet sie!«, gab der erste Gentleman zurück. Er sprach jetzt lauter, um seinen Scharfsinn allgemein vernehmlich zum Besten zu geben.
»Es ist unmöglich.« Mit der Geduld eines Königs, der den trägen Geist seiner Günstlinge gewohnt ist, legte er den Sachverhalt dar. »Irgendetwas stimmt nicht bei ihr. Keine Blutung.«
Wie reizend. Sicherlich lag niemandem am Tisch viel daran, solche Dinge zu erfahren. Will warf dem Viscount einen Blick zu, erntete jedoch nur ein Schulterzucken. Offenbar waren dergleichen Unterhaltungen nicht unüblich.
Und schnell wurde es noch schlimmer. »Gegen so eine hätte ich auch nichts einzuwenden«, meldete sich ein Kerl in einem flaschengrünen Frack zu Wort. »Eine, die jederzeit zur Verfügung steht und nie Unpässlichkeit vorschieben kann. Wo hast du sie aufgelesen?«
»Bei Mrs Parrish.« Roanoke ließ sich Zeit damit, den Stapel der benutzten Karten geradezuklopfen, bevor er ihn mit der Bildseite nach oben unter den Stoß schob. »Und sie haben sie gut ausgebildet, muss ich sagen. Wenn’s was gibt, was sie im Bett nicht tun würde, habe ich es noch nicht entdeckt.«
Mrs Parrish’s. Selbst ein Mann, der noch nie einen Fuß in ein solches Etablissement gesetzt hatte, wusste das eine oder andere über diesen Ort. Es sprach sich herum. Will hatte Berichte über eine Vorrichtung gehört, die es einem Mann möglich machte, von einer Frau befriedigt zu werden, während er gleichzeitig von einer zweiten ausgepeitscht wurde. Gerüchte über Frauen, die sich selbst auspeitschen ließen oder sich irgendeiner anderen verderbten männlichen Fantasie unterwarfen. Bei was für perversen Aktionen hatte wohl Kieferknochen seine Geliebte kennengelernt?
Das ging ihn nichts an. Teufel noch mal, dergleichen Spekulationen über das Privatleben einer Dame standen ihm nun wirklich nicht gut an. Ebenso wenig wie den anderen Männern am Tisch, die Roanoke nun mit unverschämten Fragen löcherten. Tat sie dies? Erlaubte sie ihm das? Der Halunke teilte die Karten aus und antwortete immer einsilbiger, je größer das Interesse der Männer wurde.
Wills Temperament drohte mit ihm durchzugehen; er verspürte bereits das warnende Prickeln im Rücken. Die Frau konnte das nicht überhört haben. Sie musste bemerken, wie sich ein Kopf nach dem anderen zu ihr wandte, um sie neu einzuschätzen. Und doch konnte er keine Veränderung in ihrer Miene, ihrer Haltung oder der Geschwindigkeit ihres Spiels ausmachen. Was musste es sie kosten, sich so zu beherrschen, während sie hörte, wie sie von diesen räudigen Hunden auf ein Objekt der allgemeinen Befriedigung reduziert wurde?
»Hat sie auch einen Namen?« Er hörte, wie sich seine eigene Stimme über die der anderen erhob. Was zum Teufel fiel ihm ein? Wollte er die gesamte Gesellschaft misstrauisch machen? Cathcarts Haltung verriet erhöhte Aufmerksamkeit, doch der Viscount wandte sich nicht um.
Roanoke schon. Seine kühn geschwungenen Brauen zogen sich einen Millimeter enger zusammen, bevor sie sich wieder entspannten. »Lydia«, sagte er und teilte die nächste Karte aus.
Lass gut sein, Blackshear. Doch sein Temperament meldete sich erneut zu Wort, und das warnende Prickeln im Rücken schwoll zu einem handfesten Glissando an, das ihm die Wirbelsäule entlangfuhr. »Ich meinte einen Namen, mit dem es anständig wäre, sie anzusprechen.« Verdammt. Er würde wohl nie lernen, wann er sich einzumischen hatte und wann nicht.
»Haben Sie ihr denn etwas Besonderes zu sagen?« Jetzt besaß er die ungeteilte Aufmerksamkeit des Mannes, und die der meisten anderen Anwesenden ebenfalls. Eine Spannung wie vor einem Gewitter lag in der Luft. Wenn er jetzt die richtigen Worte sagte, würde er König Kieferknochen gleich auf zwanzig Schritt gegenüberstehen.
Das wäre doch ein äußerst passendes lächerliches Ende. Wegen übertriebenen Anstands herausgefordert. Getötet wegen einer Frau, mit der er nicht einmal etwas gehabt hatte.
Die Gespräche an den anderen Tischen traten in den Hintergrund, während er sich die Szene ausmalte. Ein paar Beleidigungen, nicht zu subtil, würden völlig ausreichen. Es würde ein Leichtes sein, den Kerl so weit zu provozieren, dass er auf den Kopf zielte, während Wills eigener Schuss ihn um zehn Fuß verfehlte.
Wie schlimm würde eine solche Eskapade die Familie in Verruf bringen? Andrew würde es natürlich gar nicht gefallen. Doch Andrews Respektabilität konnte vermutlich mehrere Skandale in der Familie überstehen. Kitty und Martha waren beide verheiratet, und zwar nicht zu schlecht. Ihnen konnte er die Zukunft nicht mehr verbauen.
Nick jedoch schon. Sein zweitältester Bruder hatte politische Ambitionen und war auch jetzt noch sehr auf einen Namen ohne jeden Makel angewiesen. Ihm würde er mit seinem verwegenen Unsinn keinen Gefallen tun.
Außerdem musste er noch eine Menge Geld gewinnen. »Ich habe ihr gar nichts zu sagen.« Er artikulierte die Konsonanten überdeutlich und hielt Roanokes Blick stand. Kein Grund, völlig einzuknicken. »Ich bin es nur nicht gewöhnt, dass auf diese Weise von einer Dame gesprochen wird, und dass sie beim Vornamen genannt wird. Ich war wohl zu lange nicht in Gesellschaft. Vielleicht haben sich die Sitten geändert.«
»Waren Sie in Spanien?«, mischte sich ein Kerl mit leuchtenden Augen ein, der kaum alt genug schien, um zu so später Stunde überhaupt noch auf zu sein. »Oder sogar in Waterloo?«
Solche Leute traf man in letzter Zeit mit befremdlicher Häufigkeit. Männer, die das bittere Schicksal erlitten hatten, zu Hause bleiben zu müssen – Erben, deren Leben man nicht riskieren konnte, arme Schlucker, die das Geld für ein Patent nicht hatten zusammenkratzen können – und nun alles darüber hören wollten, was sie verpasst hatten.
»Leutnant der Infanterie bei der Dreißigsten«, nickte Will. »Quatre Bras und Waterloo.« Wenn der Milchbart mehr wissen wollte, würde er es ihm mit einem Enterhaken aus der Nase ziehen müssen.
Glücklicherweise hatte drei Plätze weiter jemand sehr entschiedene Ansichten über Wellington kundzutun, denen ein anderer Kommentare über Blüchers Strategie entgegensetzte, woraufhin die unvermeidliche Flut von Hohnrufen über den Prinzen von Oranien folgte und alle sich wie immer einig darüber waren, dass der achtzehnte Juni des vergangenen Jahres ein großer Tag in der Geschichte Englands gewesen war. Die Stimmung am Tisch schwang um; die Spannung zwischen ihm und Roanoke flackerte wie eine ausgehende Kerze und war verschwunden.
Will atmete tief durch und lehnte sich zurück. Wenigstens konnte er dergleichen Gespräche ertragen. Viele Soldaten konnten das nicht. Manchen wurde bei dem Thema so schwindlig, dass sie den Raum verlassen mussten. Andere gerieten in Wut, wenn das Grauen der Schlacht wie ein glorreicher Sport beschrieben wurde, wie tausend gleichzeitig ablaufende Boxkämpfe, denen eine Strategie hinzugefügt worden war, sowie schmucke Uniformen und Waffen, die laut knallten.
»Keine besonders brillante Taktik«, murmelte Cathcart und stieß eine Rauchwolke aus, während er die Pfeife aus dem Mund nahm.
Typisch. Die, die den Krieg nicht verherrlichten, mussten immer wieder betonen, wie knapp der Sieg gewesen war, weil die besten Soldaten sich im fernen Portugal oder Spanien befunden hatten und nur unglückselige Kinder und zweitklassige Offiziere durch Hougoumont gestolpert waren. Das kannte er schon. Von einem Freund traf es ihn dennoch.
»Ja, eine entsetzliche Verschwendung von Menschenleben.« Er gab sich Mühe, seine Stimme unbeteiligt klingen zu lassen. »Aber auf beiden Seiten, das kann ich dir versichern.«
Der Viscount schüttelte den Kopf. »Dein Schachzug. Nicht besonders originell.« Eine Karte landete vor ihm, und er hob eine Ecke an. »Die Ehre einer Kurtisane verteidigen zu wollen. Aber es könnte trotzdem klappen. Übrigens heißt sie Miss Slaughter, deine unfruchtbare Nymphe.«
Ach so, die Kurtisane. Ja, das passte auch besser. Er kannte Cathcart jetzt seit sieben Jahren, und immer hatte der Mann das Leben als großes Spiel angesehen. Warum sollte er jetzt auf einmal eine militärpolitische Meinung haben? »Ich versichere dir, es sollte kein Schachzug sein.« Erleichterung verlieh seinen Worten Nachdruck. Ein Zerwürfnis konnte er nicht gebrauchen; in letzter Zeit hatte er ohnehin schon oft genug das Gefühl, dass seine alten Freunde ihm Fremde geworden waren. Und er stritt tausendmal lieber über eine Frau als über eine Schlacht. »Bin ich denn hier der Einzige, der Schwestern hat? Der die Grundregeln des Anstands beherrscht? Keine Frau verdient es, so etwas über sich mit anhören zu müssen.« Er konnte sich einen verstohlenen Blick nicht verkneifen, doch falls Miss Slaughter irgendetwas von seiner unbeholfenen Galanterie mitbekommen hatte, ließ sie sich nichts anmerken. Gelassen machte sie einen weiteren Strich auf ihrem Papier und lehnte sich mit gestrafften Schultern und erhobenem Kopf zurück. Ihr Blick war schonungslos und unbarmherzig wie der eines Falken. Kein einziges Mal drehte sie sich zu ihm um.
Auch das Glück war ihm diesmal nicht hold. Er verlor mit einer Hand zwanzig und mit der anderen dreißig Pfund an Mr Roanoke, was mehr als ein Drittel seines Gewinns wieder auslöschte. Mochte es ihm eine Lehre sein, sich in solche Bagatellen verstricken zu lassen. Angewidert verließ er den Tisch.
Es war einst ein Wohnhaus gewesen, dieses Gebäude, das nun den Club und seine sittenlosen Mitglieder beherbergte. Einige Wände waren durchbrochen worden, um die nötigen großen Säle und das Speisezimmer zu schaffen, doch die vorherige Verwendung der Räumlichkeiten war an vielen Stellen noch zu erkennen. Hinten im zweiten Stock gab es zum Beispiel einen kleinen Salon, in dem einige Damen saßen, denen der Sinn nicht nach Kartenspielen stand. Will wandte sich ab vom Licht und Geplauder und fand auf der Straßenseite derselben Etage eine kleine Bibliothek, die sogar noch mit Büchern bestückt war. Es gab weder Feuer noch Kerzen, doch umso wahrscheinlicher war es, dass er den Raum für sich haben würde.
Ein Bücherregal stand im rechten Winkel zum einzigen Fenster, und im Dunkel dahinter konnte er eine Form ausmachen, die sich beim Näherkommen als Sessel entpuppte. Hervorragend. Er ließ sich hineinsinken und schloss die Augen. Durch die geöffnete Tür drangen die Geräusche des Hauses an sein Ohr, entfernt und undeutlich. Stimmen. Gelächter. Leise Musik – eine Geige? – aus dem Ballsaal unter ihm. Bestimmt würde später noch getanzt werden. Eine weitere raffinierte Annehmlichkeit, die das Haus von schäbigen Etablissements wie dem Smith and Pope’sabhob und auf seine vornehmere Gesellschaft hindeutete. Hier konnte ein Gentleman mit Kurtisanen Walzer tanzen, sich einen Rausch antrinken und sich zugunsten seinesgleichen in den Ruin treiben anstatt zugunsten eines namenlosen Besitzers.
Und wer bist du, sie dafür zu verurteilen? Er rutschte tiefer in den Sessel und verschränkte die Arme. Manchmal schien es ihm, als sei er gar nicht mehr fähig, sich zu vergnügen. Ganz unbeschwert. So, wie man es sollte. So, wie er es früher gekonnt hatte. Seit fast acht Monaten war er nun schon zurück in England, wich Einladungen aus und mied alte Bekannte und Freunde aus Studententagen, denen er plötzlich nichts mehr zu sagen hatte. Nur der dickhäutige, fröhliche Cathcart war geblieben, und auch der Viscount hatte es nicht der Freundschaft wegen geschafft, ihn zu überreden, sondern deswegen, weil er einen Abend im Spielclub in Aussicht gestellt hatte, just in dem Moment, in dem Will mehrere Tausend Pfund benötigte.
Etwas Hartes und Kantiges drückte gegen Wills Unterarm. Etwas in seiner Brusttasche, an das er sich gar nicht …
Gütiger Himmel. Die Tabakdose. Diesen Frack hatte er angehabt, als er zum ersten Mal bei Mrs Talbot gewesen war.
Er holte die Dose hervor, stand auf und hielt sie auf der ausgestreckten Hand um das Bücherregal herum ins Mondlicht, das durch das Fenster fiel.
Dass ein Mann mit bescheidenem Einkommen einen so hübschen Gegenstand besessen hatte! Ein goldener Verschluss, goldene Scharniere und eine Jagdszene aus Emaille auf dem Deckel. Vermutlich war die Dose einiges wert. Deswegen hatte er sie auch in der Tasche behalten, als er gesehen hatte, wie die Talbots die anderen Kleinigkeiten, die er zurückgegeben hatte, begrapscht hatten. Wenn Mrs Talbot wieder unabhängig von ihren Verwandten war, würde er ihr die Dose zurückgeben, damit sie sie für das Kind aufbewahren konnte. In Geldnot würde sie dann nicht mehr sein, also bestand keine Gefahr, dass sie in Versuchung kommen würde, sie zu verkaufen.
Er schloss die Finger über der Dose, dann sah er sie wieder an. Wenn er die Hand bewegte, glitzerte die Emaille im Mondlicht.
Heute Abend grübelte er einfach zu viel. Solange er nicht Herr seiner Gedanken war, würde er miserabel spielen. Abermals verbarg er die Dose in der Hand und zog den Arm zurück.
Gerade wollte er sie wieder einstecken, da hörte er Schritte auf dem Korridor. Ohne so recht zu wissen, weshalb, sank er wieder in den Schatten des Sessels und zog die Füße aus dem einfallenden Mondlicht. Sonderbar, was der Krieg für unerklärbare Reflexe bei ihm hinterlassen hatte. Es war ja nicht so, als wären die Franzosen dafür bekannt gewesen, sich an jeden Mann einzeln heranzuschleichen. Und natürlich war es sehr unwahrscheinlich, dass die Schritte eine Bedrohung für ihn darstellten.
Zwei Paar Füße waren es, das eine leichter als das andere, und sie kamen unverkennbar in seine Richtung. Ein Mann und eine Frau. Ja, das hätte er sich denken können. Er hatte sich selbst oft genug zu diesem Zweck bei irgendeiner Zusammenkunft eines dunklen Raums bedient, in seinen unbeschwerten Tagen.
Irgendetwas hielt ihn davon ab, sofort aufzustehen. Vielleicht die Aussicht, erklären zu müssen, was er hier ganz allein in der Dunkelheit getrieben hatte. Oder seine Sturheit, denn schließlich war er zuerst hier gewesen; warum also sollte er ihren verkommenen Absichten weichen? Jedenfalls saß er noch immer im Sessel in der Dunkelheit, als zwei Silhouetten sich im Türrahmen abzeichneten und den Raum betraten. Die größere Person wandte sich um, um leise die Tür zu schließen, und kurz bevor es ganz dunkel wurde, blinkte im letzten Licht aus dem Korridor ein grüner Manschettenknopf auf.
Roanoke mit seiner Geliebten. Oder vielleicht mit einer anderen Frau – das war eigentlich wahrscheinlicher, denn mit seiner Geliebten konnte sich Kieferknochen ja auch zu Hause in Ruhe vergnügen, anstatt in dunklen Winkeln herumzuschleichen. Die Tür schnappte ein und Will gab den Gedanken, sich unverzüglich zu empfehlen, auf. Sie sollten lieber erst anfangen, und wenn sie abgelenkt waren, würde er sich davonstehlen. Vielleicht konnte er vorher noch die Identität der Dame in Erfahrung bringen – doch zu welchem Zweck? Falls Miss Slaughter betrogen wurde, ging ihn das nichts an. Wollte er sich etwa beim Essen einen Platz an ihrer Seite ergaunern und vage, düstere Andeutungen darüber machen, was er gesehen hatte?
Die Frage erübrigte sich. Die beiden gingen direkt auf den Fenstererker zu, und er erkannte sie schon an ihrer Haltung. Aufrecht und irgendwie unnahbar, so als hielte sie sogar die Luft, die sie umgab, auf Distanz. Als sie den Erker betraten, hätte er die Hand ausstrecken und ihre Röcke berühren können – Gott sei Dank, dass ihre Augen sich noch nicht so gut an die Dunkelheit gewöhnt hatten wie seine. Die Gardinenringe schrammten über die Stange und das Mondlicht verschwand fast völlig. Dann Stille, bis auf das leise Rascheln von Stoff. Was auch immer sie als Nächstes vorhatten, verlangte offenbar keine Worte.
Zweifellos gab es Männer, die es genossen hätten, heimlich Zeuge solcher Geschehnisse zu werden. Gern hätte er einem von ihnen seinen Platz überlassen. Alles, was er gewollt hatte, war eine Viertelstunde Ruhe und Dunkelheit; jetzt musste er sich den müden Kopf darüber zerbrechen, wie er diesen Raum – auch wenn er in jeder Hinsicht den besseren Anspruch auf ihn hatte – am besten ungesehen verlassen konnte.
In dreißig Sekunden würde er es versuchen. Vorher würden sie vielleicht nicht ausreichend abgelenkt sein. Wenn er aber länger wartete, würden sich ihre Augen zu gut an die Dunkelheit gewöhnt haben.
Unartikulierte Laute kamen zum Rascheln des Stoffs hinzu. Vorsichtig legte er die Hände auf die Armlehnen. Zwanzig Sekunden. Nicht mehr.
Zum Henker mit diesen brünstigen Narren. Zum Henker mit ihr, dass sie es Kieferknochen gestattete, sie auf diese Weise zu benutzen, keine vierzig Minuten nachdem er auf so schändliche Weise mit ihrem Namen hausieren gegangen war. Bedeutete ihr denn ihre Würde gar nichts? Dann würde auch er sich keine Gedanken mehr darüber machen, bloß damit Cathcart ihn damit aufziehen konnte.
Neunzehn, zwanzig. Sie schienen beschäftigt zu sein. Behutsam erhob er sich aus dem Sessel und warf einen verstohlenen Blick hinter dem Regal hervor, nur um sicherzugehen, dass sie ihn nicht bemerken würden.
Im Aufstehen hielt er inne.
Er war auf etwas Schäbiges vorbereitet gewesen, auf einen rohen Akt zwischen einem zudringlichen Grobian und einer Dirne, die ihr Metier bei Mrs Parrish gelernt hatte. Und natürlich wares an sich schon schäbig, sich überhaupt in die Bibliothek zurückzuziehen, und Kieferknochen war schäbig, den Mund an ihrem Hals, die Hände überall auf ihrem Körper.
Doch sie … Er wollte verdammt sein, wenn er auch nur annähernd das richtige Wort dafür fand, sie zu beschreiben. Schäbig war jedenfalls weit gefehlt.
Mit erhobenem Kinn und geschlossenen Augen stand sie vor dem Vorhang und ihr Körper wiegte sich voller Lust. Will sah zu, wie sie die Arme – nackt, wie er jetzt erkannte – über den Kopf hob und mit schlangenartiger Anmut die Handgelenke kreuzte wie eine jener Tänzerinnen, die einen Mann verhexen und dazu bringen konnten, einem anderen Mann den Kopf abzuschlagen. Ihre nackten Finger gruben sich in eine Falte des Vorhangs, und er wusste, wie sich der Samt anfühlen musste – üppig und sinnlich wie das Schnurren einer Katze. Er wusste auch, wie es sich anfühlen würde, der Samt zu sein und sich bereitwillig von ihr einfangen zu lassen.
Er klammerte sich am Bücherregal fest und ließ den Blick an der geschmeidigen Kurve ihres erhobenen Arms hinabwandern, bis er wieder auf ihrem erhobenen Gesicht ruhte. Hatte er etwas an ihrer Schönheit auszusetzen gehabt? Im Mondlicht, so gedämpft es auch war, sah er, wie sie wirklich war. Ihre markanten Züge warfen wilde Schatten; Licht und Dunkelheit tanzten ihr verwegen über Nase, Wangen und Kinn. Ihre Haut war blass wie der Mond selbst, blass und verlockend wie ein Opal am Grunde eines stillen Sees. Ein blasser Hals. Blasse Schultern. Blasse Brüste, die herrlich geformt waren und fast aus dem in Unordnung gebrachten Mieder quollen. Doch dort würde er nicht hinschauen. Überhaupt sollte er jetzt endlich gehen.
Ein letzter Blick in ihr Gesicht. Sie neigte den Kopf ganz leicht nach links, dann nach rechts, wie um die Muskeln ihres Genicks zu dehnen; dann ließ sie das Kinn sinken und brachte die Komposition von Licht und Schatten zur Ruhe. Und dann öffnete sie die Augen und blickte direkt in seine.
Sie sagte nichts. Sie stob nicht davon, zerrte nicht hastig an ihrem Mieder, das ihr Liebhaber hinabgezogen hatte, und bedeckte sich auch nicht züchtig mit den Armen. Nur ihre aufgerissenen Augen verrieten, dass sie sich entblößt fühlte. Und auch das nur für den Bruchteil eines Augenblicks, der allerdings ausreichte, um Will das Gefühl zu geben, ein entsetzlicher Flegel zu sein.
Die Ecke des Bücherregals grub sich schmerzhaft in seine Hand, doch er konnte sich einfach nicht abwenden, geschweige denn sich entschuldigend verneigen und aus dem Raum stürzen. Wie erstarrt stand er da, während sie die Fassung wiedererlangte und ihr Gesicht einen trotzigen Ausdruck annahm. Verurteile mich, wenn du es wagst. Dann verschwand auch dieser Ausdruck und sie setzte wieder ihre falkenhafte, ausdruckslose Miene auf. Sie sah an ihm vorbei, durch ihn hindurch, und dann ganz weg.
Er war es nicht wert, von ihr beachtet zu werden. Ob er zusah oder nicht, hatte nicht mehr die geringste Bedeutung für sie. Ihre Hände verließen ihren Platz am Vorhang und kamen mit tänzerischer Geschmeidigkeit auf den Oberarmen des ahnungslosen Roanoke zu liegen, der während des kurzen Dramas an ihrem Hals zugange gewesen war, jetzt aber begann, ihre Röcke zu raffen.
Und endlich ließ Will das Regal los. Was jetzt kam, wollte er nicht sehen. Vermutlich würde er es in seinen Träumen sehen, und das wäre bereits Qual genug.
Ein Anflug von Starrsinn zwang ihn in eine Verneigung. Sie sah nicht zu ihm herüber, und weder sie noch König Kieferknochen blickten auf, als er sich mit einiger Verspätung endlich leise zur Tür stahl, sie gerade weit genug öffnete, um hindurchschlüpfen zu können, und sie dann geräuschlos hinter sich schloss.
Sie erschienen nicht zum Abendessen. Will kämpfte sich durch drei Gänge, doch der tollkühne Hunger in seinem Magen nagte unbesänftigt weiter.
Zwecklos. Sie war nichts für ihn. Sie gefiel ihm, und sie regte seine Fantasie an, zugegeben, doch das machte sie keineswegs einzigartig unter den Frauen. Wenn er sich irgendwann wieder auf eine Frau einlassen würde, dann müsste sie schon noch ein paar weitere Qualitäten vorzuweisen haben. Bis jetzt hatte er Miss Slaughter noch nicht einmal sprechen hören; wer sagte ihm, dass sie sich nicht als hohlköpfige Kratzbürste entpuppen würde?
Das wäre ihm gar nicht so unlieb. Dann würde sie ihn weniger ablenken.
Was auch immer die beiden so sehr beschäftigt hatte, dass sie das Abendessen verpasst hatten, war offenbar beendet, als das Kartenspiel weiterging. Roanoke setzte sich an den Vingt-et-un-Tisch, und diesmal setzte sich seine Geliebte auf seinen Schoß. Von der konzentrierten Haltung, die sie beim Whist an den Tag gelegt hatte, war nichts mehr zu erkennen; sie lehnte sich zurück, legte den Kopf an seine Schulter und sah dem Spiel unbeteiligt unter halb geschlossenen Lidern hervor zu. Alles an ihr erinnerte an eine Löwin, die sich soeben mit fetter Beute vollgefressen hatte und mindestens eine Woche lang nicht mehr an Nahrung oder an überhaupt irgendetwas zu denken brauchte.
Will wandte den Blick von ihr ab. Er hatte hier etwas zu tun, eine Mission. Er hatte einen Plan, für den er dreitausend Pfund benötigte, und so, wie es um seine Konzentration bestellt war, standen die Chancen weiß Gott schlecht.
Es wurde drei Uhr, dann vier – Cathcarts reich verzierte Taschenuhr lag zwischen ihnen, da es im Raum keine Uhren gab – und er hatte fast zweihundert Pfund eingespielt. Die Männer machten ihre Einsätze unaufmerksam, manche dösten sogar ein und mussten geweckt werden, wenn sie an der Reihe waren. Wer hier einen kühlen Kopf bewahrte, konnte mit der Zeit recht gut dastehen.
Der Viscount stieß ihm den Ellbogen in die Rippen und nickte in die Richtung, in die Will ganz entschlossen nicht geblickt hatte. Roanokes Kopf war nach links gesunken. Seine Brust hob und senkte sich schläfrig. Miss Slaughter lehnte noch immer an seiner rechten Schulter. Sie hatte sich seiner Karten bemächtigt und betrachtete sie mit mildem Interesse. Er kam nicht umhin, zu bemerken, dass sie noch immer keine Handschuhe trug. Vielleicht lagen sie immer noch in der Bibliothek auf dem Boden. Bei dem Gedanken daran lief ihm eine wenig hilfreiche Gänsehaut über den Rücken.
»Sie spielt?« Den ganzen Abend hatte sich noch keine Dame an den Spieltisch gesetzt.
»Das habe ich auch noch nie gesehen.« Cathcart kam schon wesentlich länger hierher und musste es wissen. »Doch es sieht ganz so aus, als hätte sie die Absicht, nicht wahr?«
Und tatsächlich machte sie keine Anstalten, Roanoke zu wecken, als die Reihe an ihn kam. Ohne auch nur das geringste Zögern nahm sie fünfzig Pfund aus seinem Vorrat, erhöhte den Einsatz und sah den Geber auffordernd an.
Die Karte landete vor ihr und sie schielte unter eine Ecke. »Stehen«, sagte sie.
Der Klang ihrer Stimme versetzte Wills ganzen Körper in Schwingung. Selbst einem so kurzem Wort verlieh sie Charakter. So dosiert konnte man sie genießen, diese Stimme. Eine süße Kostprobe, wie ein ganz kleines Glas Likör. Von größeren Mengen konnte man gewiss trunken werden. In einem Überfluss konnte man baden. Sie hatte bereits einen Platz in seinen Träumen reserviert; jetzt wusste er auch, dass sie dort sprechen würde. Unaufhörlich.
Vingt-et-un würde sie jedoch nicht spielen. Leider stellte sie sich als wenig geschickt darin heraus. Sie kaute auf der Unterlippe, während sie die Karten betrachtete, spielte wechselhaft und überkaufte sich in drei von fünf Runden, bis das Schicksal endlich Mitleid mit ihr bekam und sie mit einem Ass und einer Zehn segnete, und der Bank. Sorgfältig strich sie die Karten ein und schob sie durcheinander, um die aufgedeckten Blätter schon vor dem Mischen zu trennen, als könne sie mit der akribischen Ausübung dieser neuen Pflicht wettmachen, was ihr an taktischem Geschick abging. Sie mischte, ließ ihren Nachbarn abheben, und teilte aus.
Und Will begann zu verlieren. Er kaufte bei einer Hand von zwölf, und ein König brach ihm das Genick. Er blieb bei neunzehn stehen, und sie hatte zwanzig. Selbst als er sich klopfenden Herzens bis zur Einundzwanzig vorangetastet hatte, Acht-Sieben-Zwei-Vier, deckte sie ein Ass und zwei Fünfen auf – und gewann dank des Bankvorteils. Fünfmal hintereinander gab sie und schlug ihn jedes Mal, bis ein älterer Kerl mit zwei Karten einundzwanzig hinlegte und sie endlich ablöste.
So schmeckte der Ruin. Wie ein Mund voll Asche, oder voller Sägespäne. In weniger als einer halben Stunde war sein Gewinn von zweihundert Pfund auf zwanzig zusammengeschrumpft. »Einfach Pech, Blackshear«, murmelte der Viscount, der lediglich fünfzig verloren hatte. Will machte sich nicht die Mühe zu antworten.
Miss Slaughter sah ihn an. Ausdruckslos zwar, aber ihr Blick war auf ihn gerichtet. Sie nahm Roanokes Gewinn auf und zählte einige Scheine ab, dann blickte sie wieder auf. Will brauchte nicht zu zählen. Er wusste – er spürte in Mark und Bein –, dass es genau einhundertachtzig Pfund waren.
Den beträchtlichen Rest legte sie zu Roanokes Gewinn. Den Blick immer noch auf ihn gerichtet faltete sie seine Verluste, einmal, zweimal, und steckte sie sich seelenruhig in den Ausschnitt. Dann wandte sie sich interessanteren Dingen zu und studierte ihre neuen Karten.
Edward war zum Reden aufgelegt. Zur Hölle mit ihm. Warum konnte er sich nicht umdrehen und einschlafen, wie es sich für Männer gehörte? Aber natürlich hatte er sich am Kartentisch ausgeschlafen. Wahrscheinlich hätte sie das Doppelte von seinen Gewinnen abzwacken können, ohne dass er etwas gemerkt hätte.
»Was hältst du von einer kleinen Gesellschaft in Chiswell?« Er lag auf dem Rücken und betrachtete im Kerzenlicht seine Fingernägel.
»Im März?« Das Bett roch nach hemmungsloser Fleischeslust. Jeder Atemzug erinnerte sie eindringlich an ihre kopflose Gier, ihre Maßlosigkeit. Vor fünf Minuten hatte sie unbändig nach ihm gehungert. Jetzt fühlte sie sich übersättigt, so als hätte sie Unmengen von Pudding auf einmal verschlungen und bereute es nun. Das nächste Mal würde sie es besser wissen, wenn sie sich an dieses ungute Gefühl erinnerte.
Nein, das würde sie nicht. In den letzten sechs Monaten hatte sie es jedenfalls nie geschafft.
»Nächsten Monat, dachte ich. Nach den Osterfeiertagen. Wenn das Parlament nicht mehr tagt und die Leute sich langweilen. Im April wird hoffentlich auch das Wetter besser sein. Der Winter war verdammt kalt. Und lang. Entsetzlich lang. Und kalt.«
Wenn er doch nur schweigen würde! Wenn sie ihn ansah, seine haselnussbraunen Augen und die elegante Geometrie von Wangen und Kinn, konnte sie sich leicht vorstellen, er sei ein gebildeter Mann. Ein anregender Gesprächspartner, nachdenklich, neugierig, das Gehirn unter dem modischen Caesar-Schnitt immer am Arbeiten.
Wenn er sprach, war er ein beschämendes, böse zugerichtetes Andenken an ihre Pudding-Orgie, und sie wünschte sich von ganzem Herzen, dass irgendein Diener kommen und aufwischen würde.
»Das wird bestimmt ganz bezaubernd.« Lydia gähnte mit vorgehaltener Hand. Vielleicht konnte sie ihn anstecken, sodass er schneller müde wurde.
»Ganz bestimmt.« Nachdem die eine Hand offenbar für passabel befunden worden war, betrachtete er nun die Nägel der anderen. »Nur müsste ich vermutlich für Unterhaltung im Haus sorgen, falls dieses Wetter anhält.«
»Vermutlich. Soll ich die Kerze ausmachen?«
»Nicht nötig, das mache ich gleich.« Keine Chance. Solange er in ihrem Bett lag, war an Schlaf nicht zu denken, und bis er endlich die Augen schloss und das Bewusstsein verlor, würde sie sich nicht einmal ausruhen können. »Was soll ich mir für die Damen einfallen lassen, was meinst du?« Er ließ die Hand sinken und sah sie an. »Zur Unterhaltung meine ich. Was ist denn gerade in Mode?«
Woher zum Teufel soll ich das wissen? Meine letzte Gesellschaft war in einem früheren Leben. Sie biss sich auf die Zunge. »Spiele sind immer beliebt. Bogenschießen, wenn das Wetter mitspielt. Vielleicht einige dieser Spiele mit Augenbinden und Küssen und so weiter.« Wie neu, wie aufregend ihr solche Spiele einst erschienen waren! Beim Versteckspiel hatte sie sich in der dunklen Orangerie ihres Vaters zum ersten Mal von Arthur berühren lassen. Mit jedem Atemzug hatten sie den Duft von Zitrusfrüchten und feuchter Blumenerde eingesogen, und jede behutsame Bewegung ihrer Hände und Lippen und Kleider war schweigend geschehen, damit sie sich nicht verrieten.
Vermutlich konnte sie den Anfang ihres Falls auf genau jenen Tag datieren, falls sie sich auch nur eine Minute lang mit dem Hergang ihres Falls befassen wollte. Oder auch nur einen Gedanken an Arthur verschwenden.
»Es kommt natürlich auf die Gäste an. Für Damen wie die, die heute Abend anwesend waren, wären solche Spiele vielleicht eine nette Kuriosität. Aber wenn du an respektablere Damen gedacht hast …«
»Um Himmels willen, nein!« Er lachte, als hätte sie etwas sehr Abwegiges gesagt. »Ich bin sechsundzwanzig, Lydia. Ich habe noch Jahre Zeit, bis ich an respektable Damen denken muss.«
Fünf Jahre vielleicht. Höchstens. Aber ihrer würde er noch viel früher überdrüssig werden. Und wenn sie bis dahin nicht genug Geld beiseitegelegt hatte, um ihre Zukunft zu sichern, würde sie sich nach einem neuen Beschützer umsehen müssen. Oder vermutlich ins Bordell zurückkehren.
Es wäre zu ertragen, wenn es sein musste. Hatte sie es nicht achtzehn Monate lang ertragen, bevor Edward es sich in den Kopf gesetzt hatte, sie zu behalten? Am Anfang hatte sie es sogar gewollt, um sich ganz und gar von innen auszulöschen.
Inzwischen hatte sie andere Pläne. »Ich habe heute eine Weile für dich gespielt, als du eingenickt warst.« Besser, er hörte es von ihr, als von jemand anderem.
»So? Kluges Mädchen. Und? Hattest du Glück?«
Glück. Gütiger Gott. Wie gleichgültig musste man sein, um so etwas dem Glück zu überlassen? »Ich glaube schon. Ich glaube, ich habe ein bisschen was für dich gewonnen.« Vierhundertachtzig Pfund, um genau zu sein. Dreihundert davon steckten jetzt in seiner Westentasche.
»Gut gemacht.« Er verschränkte die Finger und streckte die Arme nach oben aus. »Die anderen sollen sagen, was sie wollen. Ich weiß, was ich an dir habe.«
Das wissen die jetzt auch. Dafür hast du ja gesorgt. Bei all den unverfrorenen Bemerkungen, die sie heute hinunterschluckte, war es ein Wunder, dass ihr Mieder noch nicht aus allen Nähten platzte. Eine Respektlosigkeit nach der anderen lag ihr auf der Zunge: Was willst du von mir? Was interessiert mich ein Mann, der ein Paar Fünfen splitten will? Sei still, schlaf jetzt, geh weg. Komm zurück, wenn du wieder eine Erektion hast.
Irgendwann übermannte ihn der Schlaf doch, und nachdem sie vier Minuten lang seinen gleichmäßigen Atemzügen gelauscht hatte, schlüpfte Lydia aus dem Bett. Still – still wie der Maulheld, der ihnen in der Bibliothek nachspioniert hatte – nahm sie ihren Morgenmantel von einer Stuhllehne, zog ihn an und schlich über den Teppich zu der Kerze, die Edward doch nicht mehr ausgemacht hatte. Mit der freien Hand vor der Flamme ging sie ins Ankleidezimmer und schloss die Tür hinter sich.
Am Fenster standen ein Tisch und ein Stuhl. Über der Stuhllehne hing ein Tuch, das sie schon viele lange, kalte Nächte hindurch begleitet hatte. Und in einer Schublade lagen neben den hundertachtzig Pfund, die sie geschickt aus ihrem Mieder geschmuggelt hatte, vier Kartenspiele, ohne Joker. Sie nahm zwei davon und stellte die Kerze ab.
Hoffentlich würde er ihr keinen Ärger machen, der Maulheld. Sie hätte sich nicht mit ihm anlegen sollen. Er spielte wie jemand, der nicht gut verlieren konnte, und womöglich war er schlauer, als er aussah. Auch wenn das bei Männern so selten der Fall war.
Eine nach der anderen zogen die Karten vorbei, und die Zahlen fügten sich in ihrer ganzen unbefleckten Schönheit zu immer neuen Kombinationen zusammen. König. Drei. Fünf. Sieben. Ass, die schönste von allen. Lydia sortierte sie nach Rang, von der niedrigsten bis zur höchsten, von links nach rechts.
Zum Teufel mit ihm. Zum Teufel mit ihm und seinem Waterloo-Pathos. Das Leben der Männer, die im richtigen Feldzug gelandet waren, war fortan eine einzige lange, funkensprühende Parade, egal wie sie sich vor Ort geschlagen hatten. Das Leben der Männer, die im falschen Feldzug gelandet waren, verlosch im Schüttelfrost, und niemand außer einer einsamen Schwester erinnerte sich daran, dass sie überhaupt je gelebt hatten.
Fröstelnd zog sie sich das Tuch fester um die Schultern. Irgendwo jenseits des allgegenwärtigen Nebels verblassten die Sterne und das erste fahle Morgenlicht streifte den Himmel. Bald würde Jane aufstehen und Feuer machen, und Kaffee, der sie wärmen und ihr Gehirn wach halten würde.
Also dann. Zwölf Spieler um den Tisch, zwei Kartenspiele, frisch gemischt. Zwei Karten pro Spieler, verdeckt. Spieler Nummer fünf würde eine geborene Einundzwanzig aufdecken. Schön für ihn, aber schlecht für die Zusammensetzung des restlichen Stoßes. Spieler Nummer eins würde zwei neue Karten kaufen, also musste er mindestens drei niedrige haben. Spieler Nummer zwei würde sich überkaufen. Sechs, Sechs und Dame, sagen wir. Damit läge das Verhältnis von hohen und niedrigen Karten im Stoß bei etwa dreiundzwanzig zu einundzwanzig, oder eins und fünfundneunzig Tausendstel zu eins.
Methodisch legte Lydia die Karten aus und hakte sie ab. Edward würde noch mehrere Stunden schlafen. Genug Zeit, sich durch beide Stapel zu zählen und ein paar Hände zu spielen, um zu sehen, an welchen Stellen sie dank ihrer Berechnungen beherzt setzen konnte.
Und dank Leutnant Maulheld und Männern wie ihm, die den Fehler begingen, sie zu unterschätzen, würde sie sich Abend für Abend Scheine in den Ausschnitt stecken können, die sie gewonnen hatte – auf ehrliche Weise oder anderswie. Und der Tag, an dem sie sich endlich freikaufen konnte, würde immer näher rücken.
Das ehrlose Leben hatte auch sein Gutes. Einen komfortablen Lebensstil natürlich. Das Metier selbst, wenn man einen sympathischen Partner hatte, der gut darin war. Zugang zu exotischen, faszinierenden Orten, die keine respektable Dame je zu Gesicht bekam. Und die Bekanntschaft mit Menschen, die bei einem gesitteten Abendessen in Lancashire gar nicht erst auftauchen würden.
»Ich meine lediglich, dass du ihn nicht so von dir sprechen lassen solltest.« Maria blätterte schwungvoll im Ackermann’s. »Stell ihn vor die Wahl: Er kann deine Reize entweder erleben oder öffentlich diskutieren. Beides geht nicht.«
Maria hatte gut reden. Sie konnte einem Gentleman vermutlich tatsächlich ein solches Ultimatum stellen und erwarten, ernst genommen zu werden. Mit ihrer gertenschlanken Figur, ihrer elfenbeinfarbenen Haut und ihren himmelblauen Augen war sie einfach zu gut für diese Welt. Sie sollte eigentlich irgendwo auf einem gläsernen Hügel thronen und den Prinzen, die auf halbem Wege zu ihr strauchelten, mitleidige Blicke zuwerfen, oder auf irgendeinem Fels in der Brandung ihr goldenes Haar auskämmen, anstatt in der Bond Street beim Schneider zu sitzen und sich zu überlegen, wofür sie das Geld, mit dem sie ausgehalten wurden, ausgaben.
Die Geliebten der Londoner waren weit entfernt von dem, was ein behütetes Landei sich so ausmalte. Als sie in Edwards Kreise eingeführt worden war, hatte sie besser gekleidete Versionen der Frauen von Mrs Parrish’s erwartet – roh, ungebildet und ihrem schäbigen Los teilnahmslos ergeben.
Stattdessen hatte sie Maria kennengelernt, und die dunkle, verwegene Eliza. Beide waren von höherem Stand als sie, beide hatten eine vornehme Erziehung genossen, und beide waren so großmütig, über Lydias Bordell-Vergangenheit hinwegzusehen und ihr auf gleicher Augenhöhe zu begegnen.
Lydia zuckte die Schultern und blätterte in ihrem eigenen Katalog. »Ich wette, die Herren sprechen alle so über uns, wenn wir nicht zugegen sind. Was hätte ich davon, wenn er sich verstellen würde?«
»Höflichkeit zum Beispiel.« Maria blätterte zwei Seiten um, betrachtete und verwarf die Angebote mit besonnener Effizienz. »Wir sind doch kein Vieh, dessen Vorzüge man wie ein Marktschreier anpreisen muss.«
»Ach, ich weiß nicht.« Eliza, die ihr gegenübersaß, legte das Journal beiseite, lehnte sich vor und verschränkte die Arme auf der Tischplatte. »Womöglich könnte Lydia von ein wenig Werbung profitieren. Der Waterloo-Kerl war definitiv interessiert. Er hat jedenfalls schleunigst deinen Namen in Erfahrung gebracht.«
»Der Waterloo-Kerl soll sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmern.« Ein unbeteiligter Tonfall, der nichts als leichte Ungehaltenheit bei der Erinnerung verriet. »Und es ist ja nicht so, als hätte er meinen Namen aus irgendeinem schamlosen Motiv heraus erfahren wollen. Er wollte doch bloß mit seinen ach so überlegenen Manieren angeben.«
»Ich hätte nichts dagegen, wenn er meinen Namen hätte in Erfahrung bringen wollen, egal aus welchem Motiv heraus! Habt ihr seine Schultern gesehen? Breit wie eine ausgewachsene Eiche. Ein Zugpferd! Ich wäre nicht abgeneigt, sie näher kennenzulernen.«
»Ich finde, es spricht für ihn, dass er sich eingemischt hat.« Maria warf Lydia einen missbilligenden Blick zu. »Und ich gebe zu, er hat ein angenehmes Äußeres. Einen kräftigen Mund, das spricht für ihn. Und schöne, dunkle Augen.«
»Glutaugen. Augen wie glühende Kohlen.«
Herrgott noch mal. »Glühende Kohlen sind orange. Der Gentleman hat braune Augen.« Doch während sie Eliza verbesserte, wurde ihr klar, was ihre Freundin gemeint hatte. So dunkel es in der Bibliothek gewesen war, hatte sie doch das Feuer in seinem Blick gesehen. Als sie die Augen geöffnet hatte, war ihr gewesen, als hätte sein Blick Löcher in sie gebrannt. Und einen Augenblick lang hatte sie sich nackt gefühlt. Nackter, als sie sich je mit einem zahlenden Kunden gefühlt hatte.
Aber nur einen Augenblick lang. Und er hatte schließlich dafür bezahlt. Ihre Liebesdienste hätte er wesentlich billiger haben können, wenn sie geneigt gewesen wäre.
Sie seufzte und schob den Katalog von sich. »Sucht ihr für mich aus! Ich glaube, mir steht eins so gut oder schlecht wie das andere.« Wenn Edward sie gefragt hätte, hätte sie ihm gesagt, dass er sein Geld nicht für Kleider verschwenden sollte, von denen keines sie schöner machen würde und von denen keines irgendetwas damit zu tun haben würde, was er mit ihr tat.
Na ja, höchstens wenn er fernab von jedem Bett etwas mit ihr tat. Zum Beispiel in der Bibliothek im Beecham’s.
Sie senkte den Blick und fuhr mit dem Zeigefinger die Nähte ihres anderen Handschuhs entlang, während die anderen beiden Damen die Schnittmuster durchgingen und darüber debattierten, welcher Stil ihr am besten stehen würde. Ob sie ihnen von dem Vorfall in der Bibliothek hätte erzählen sollen? Zumindest Eliza hätte herzlich darüber gelacht, und der Gentleman hätte sich jedes Mal, wenn er ihnen über den Weg lief, mit einem wissenden Schmunzeln konfrontiert gesehen.
Doch das Risiko, dass die Geschichte irgendwann Edward zu Ohren gekommen wäre, war zu groß gewesen. Und womöglich hätte er es ihr übel genommen, dass sie ihn nicht auf der Stelle auf den Spion aufmerksam gemacht hatte. Er reagierte in solchen Situationen nicht immer besonnen. Besser, sie verließ sich auf ihren eigenen Kopf.
»Das hier.« Maria legte ihr einen aufgeschlagenen Katalog vor. »In Indigo, würde ich sagen, mit königsblauen Borten, und du musst deine Saphire dazu tragen. Und das hier.« Sie bemächtigte sich kurzerhand Elizas Bandes und legte ihn über den ersten. »Das Überkleid in Dunkelviolett, das Unterkleid noch dunkler. So dunkel wie möglich, wie eine schwarze Pflaume. Wenn sie das Unterkleid aus gestrickter Seide machen können, wird es deine Figur sehr vorteilhaft unterstreichen.«
»Alles, was von meinem Gesicht ablenkt, dürfte vorteilhaft für mich sein.« Doch sie spürte, wie ihr dummes Herz seltsam zu klopfen begann, als sie die Muster betrachtete. Das erste Kleid hatte etwas Griechisches; die Ärmel waren geschlitzt und die hohe Taille wurde von einer Schärpe gebildet, die zwischen den Brüsten gekreuzt und im Rücken verschnürt wurde. Das zweite bestand aus einem einfachen, engen Unterkleid und einem durchscheinenden Überkleid, das auf der Brust geschlossen wurde und sich unter dem Busen öffnete wie ein äußerst unzureichender Mantel. Diese Kleider waren nichts für ein verschämtes junges Fräulein. So etwas konnte nur eine souveräne Frau tragen, die Aufsehen erregen wollte.
»Ach, fang doch nicht schon wieder davon an!« Marias Zurechtweisung wand sich sanft am Rande ihrer Gedanken entlang; das Hauptaugenmerk richtete Lydia weiterhin auf die Schnittmuster. »Damen ohne besondere Schönheit haben es zu großem Einfluss gebracht und sind als Verführerin bezeichnet worden. Das könnte dir auch gelingen, wenn du endlich damit aufhören würdest, jeden darauf hinzuweisen, wie unansehnlich du bist. Lass die Herren das doch selbst entscheiden.«
»Na schön, ich lasse mir beide machen. Gestrickte Seide und alles.« Das würde bestimmt mehr kosten, als es ihre Kleider sonst taten. Vielleicht sollte sie beim nächsten Mal etwas weniger von Edwards Gewinn abzwacken.
Und das tat sie. Drei Tage später waren sie wieder im Beecham’s und ihr Beschützer nickte eine Runde nach dem Mischen ein. Bei den ersten Anzeichen seiner Schläfrigkeit hatte Lydia begonnen, sich die ausgespielten Karten zu merken, und jetzt hatte sie eine recht gute Vorstellung davon, was noch im Stapel war. Bei jedem Twist oder Bust verkürzte sich die Liste ein wenig, am Ende einer Runde, wenn alle Karten aufgedeckt wurden, änderte sie sich dramatisch, und Lydia passte ihre Taktik an.
Und sie gewann. Still und leise, ohne auffällig hohe Wetten mästete sie Edwards Einsätze, bis er ein halbes Dutzend Kleider aus feinster chinesischer Seide und indischem Musselin hätte bezahlen können. In der letzten Runde blieb sie bei fünfzehn stehen, weil noch zu viele Zehnerkarten im Spiel waren, lehnte sich zurück und sah zu, wie einer nach dem anderen überkaufte, auch der Bankier.
Leutnant Maulheld allerdings nicht. Er sah sie von der anderen Seite des Tisches aus an, als beide ihre Gewinne einstrichen. Vielleicht hoffte er, sie würde sich wieder etwas in den Ausschnitt stecken. Da konnte er lange warten. Sie stopfte so viele Scheine wie möglich in Edwards zahllose Taschen – was den Rest betraf, so musste er auf die Ehrlichkeit seiner Mitspieler hoffen –, stand auf und verließ den Raum ohne jede Eile mit bescheidenen fünfzig Pfund in der Hand.