Das Weihnachtsglas - Jason F. Wright - E-Book

Das Weihnachtsglas E-Book

Jason F. Wright

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Beschreibung

Bewegend

Ausgerechnet an Heiligabend räumen Diebe Hope Jensens Wohnung aus. Die junge Journalistin ist ohnehin am Boden zerstört, weil erst vor Kurzem ihre Adoptivmutter gestorben ist. Doch dann erhält sie ein geheimnisvolles anonymes Geschenk. Sie ist wild entschlossen, den edlen Spender ausfindig zu machen. Dabei erfährt sie von einer wunderbaren Weihnachtstradition – und löst unverhofft das Geheimnis ihrer Herkunft.

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Seitenzahl: 142

Veröffentlichungsjahr: 2010

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Inhaltsverzeichnis
 
Zum Buch
Zum Autor
Widmung
PROLOG
 
EINS
ZWEI
DREI
VIER
FÜNF
SECHS
SIEBEN
ACHT
NEUN
ZEHN
ELF
ZWÖLF
DREIZEHN
VIERZEHN
FÜNFZEHN
SECHZEHN
SIEBZEHN
ACHTZEHN
NEUNZEHN
 
Danksagung
Copyright
Zum Buch
Hope Jensen ist an einem Tiefpunkt in ihrem Leben angelangt: Sie muss Weihnachten allein feiern, denn ihre geliebte Adoptivmutter ist an Krebs verstorben. Und dann wird auch noch ausgerechnet an Heiligabend bei ihr eingebrochen, das wenige Wertvolle, das sie hat, gestohlen und die Wohnung verwüstet. Als sie gerade an der Welt verzweifeln will, stolpert sie fast über ein Glas, das vor ihrer Haustür abgestellt wurde: Ein Einmachglas, randvoll gefüllt mit Münzen und Geldscheinen. Hope ist zutiefst dankbar. Doch gleichzeitig ist auch ihre Neugier geweckt: Woher kommt das Geld?
 
Hope ist ohnehin auf der Suche nach einem bewegenden Thema, das ihr den Durchbruch als Journalistin bringen könnte. Sie beginnt zu recherchieren und kommt einer Tradition auf die Spur, die nicht nur die Herzen vieler Menschen berührt hat, sondern auch ihr eigenes Leben für immer verändern wird.
 
Zum Autor
Jason F. Wright arbeitet als freier Journalist, Redner und politischer Berater. Bereits sein Romandebüt, Das Weihnachtsglas, war ein Bestseller in Amerika. Auch sein zweiter Roman, Die Mittwochsbriefe, gelangte auf die Bestsellerlisten von New York Times und Publishers Weekly. Jason F. Wright lebt mit seiner Frau und den gemeinsamen vier Kindern in Virginia.
Lieferbare Titel
Die Mittwochsbriefe
Für meine KinderOakli Shane Jadi Thompson und Kason Samuel
PROLOG
In dem Hope erscheint
 
Louise Jensen saß im Chuck’s Chicken’n’ Biscuits am U.S. Highway 4 allein vor ihrem halben Hähnchen und leckte sich gerade das Fett von den Fingern, als sie plötzlich vom Tisch nebenan ein leises Wimmern hörte. Es war Freitagnachmittag und es war Silvester.
Zwar hatte Louise keineswegs damit gerechnet, ein verwaistes Neugeborenes zu finden, das sie mit großen, blauen Augen anblickte, doch gehörte sie zu den Frauen, die daran glaubten, dass nichts ohne Grund geschieht. Also nahm sie das rosige Baby behutsam auf. Unter der fleckigen Elefantendecke, neben dem Kopf des Säuglings, steckte eine mit Hand geschriebene Notiz ohne Unterschrift:
Für den, der mein kleines Mädchen findet
Sie gehört nun Ihnen. Ich vermisse sie schon jetzt, doch liebe ich sie zu sehr, als dass ich ihr einen gewalttätigen Vater zumute, der sie ohnehin nicht wollte. Ihr Leben wird ohne ihre Mutter, die sich ständig in Sicherheit bringen muss, besser verlaufen. Bitte sagen Sie ihr, dass ich sie liebe und eines Tages wiedersehen werde.
Ich kann ihr nicht viel mitgeben, nur dies: ein Leben ohne Gewalt. Und ein klein wenig Hoffnung.
Obwohl Louise unverheiratet, mittleren Alters und als Haushaltshilfe finanziell kaum in der Lage war, ein Kind aufzuziehen, wusste sie doch, dass ihre Entdeckung kein Zufall war. Denn normalerweise ging sie jedes Jahr an Heiligabend im Chuck’s essen. Doch eine Woche zuvor hatte sie eine Grippe so schwer erwischt, dass sie mit hohem Fieber zu Bett lag und sich zum ersten Mal gezwungen sah, ihr alljährliches Hähnchenessen zu verschieben. Am Morgen des Einunddreißigsten jedoch war es Louise unverhofft so viel besser gegangen, dass sie sich auf den Weg ins Chuck’s gewagt hatte.
Jetzt schaute sie sich im Restaurant um und musterte die Handvoll Gäste, denn sie hatte unterschwellig das Gefühl, die Mutter dieses Babys hätte irgendwie gewusst, dass Louise Jensen an diesem Tag und zu dieser Stunde ihr traditionelles Weihnachtsessen nachholen würde.
Sie blickte sich unter den Gästen um, die sich inmitten der üppigen rotgrünen Weihnachtsdekoration nichtsahnend ihrem Essen widmeten und von ihren großartigen Neujahrsplänen berichteten. Von den ausgeblichenen Lampenschirmen hing Silberlametta, und ein künstlicher Weihnachtsbaum bewachte den Eingang. Doch ganz oben thronte kein Stern und kein Engel in Weiß, sondern ein grinsendes Plüschhuhn. Und an der Kasse tauschte Chucks Frau gerade die Batterien des Boogie tanzenden Weihnachtsmanns aus.
Louise barg das Baby unter ihrem Mantel, legte einen Zehndollarschein auf den Tisch und verschwand durch die Seitentür. Gerade als sie sich hinter ihr zu schließen begann, rief jemand: »Frohes neues Jahr, Louise!« Sie wandte sich halb um und lächelte, marschierte jedoch weiter und verlangsamte erst den Schritt, als sie ihren alten, verrosteten El Camino am hinteren Ende des Parkplatzes erreichte. Dort blickte sie zweimal nach rechts und links, dann schnallte sie das Bündel auf dem Beifahrersitz fest und fuhr so langsam es ging vier Meilen bis zum nächsten Laden. Dabei sprach sie ununterbrochen mit dem Baby, stellte ihm Fragen, auf die sie sich keinerlei Antwort erhoffte, und war zum ersten Mal im Leben dankbar, krank gewesen zu sein.
Da Louise selbst nur von ihrer Mutter aufgezogen worden war, hatte Unabhängigkeit schon vor ihrem ersten Job als Babysitterin eine wichtige Rolle in ihrem Leben gespielt. Damals war sie zehn gewesen und hatte ein halbes Dutzend Kinder in ihrem Wohnblock gehütet.
Von jeher hatten die Jensens die Freuden der Arbeit geschätzt. Seit Louise denken konnte, hatte ihre Mutter drei Jobs gleichzeitig gehabt und so viel sie konnte gespart, um Louise und ihrem Bruder den Besuch des Colleges und ein besseres Leben zu ermöglichen. Doch Louise hatte sich ein anderes Leben als das ihrer Mutter gar nicht vorstellen mögen. Diese hatte jeden Tag gearbeitet, bis ihr Hände und Rücken wehtaten, und war doch jedem Mitmenschen mit Freundlichkeit begegnet. Sinnlose Kritik an anderen hatte ihre Mutter so tief in sich verborgen, dass nur ihre Güte das Licht des Tages erblickte.
Während Louises Bruder bereits auswärts studierte, machte sie selbst ihren Abschluss an der Highschool und arbeitete an der Seite ihrer Mutter. Obwohl die meisten ihrer Freunde irgendwann vor dem Abschluss aufhörten zu wachsen, legte Louise zwischen ihrem achtzehnten und zwanzigsten Geburtstag noch einmal über fünf Zentimeter zu und wurde einen Meter achtzig groß. Sie hatte dichtes, dunkelbraunes Haar, das ihr bis zur Taille reichte. Und ihre Augen waren unvergesslich – rund und schokoladenbraun.
Louise und ihre Mutter putzten in Restaurants, Hotels, Lebensmittelläden und sogar in ein, zwei Tankstellen. Doch am liebsten kümmerten sie sich um die Häuser eines kleinen Zirkels wohlhabender Leute. Gemeinsam sicherten sie die Qualität ihres Zwei-Frauen-Haushaltsservices und reinigten jedes Haus, als wäre es ihr eigenes.
Sie arbeiteten für reiche Familien. Obwohl sie oberflächlich gesehen Distanz wahrten, entwickelten sich unausgesprochen Vertrauensverhältnisse, und es kam durchaus vor, dass Familien mit der Zeit ihre Zuneigung und Bewunderung gewannen.
Nach dem Tod ihrer Mutter machte Louise allein weiter. Sie fand es keineswegs merkwürdig, dass sie sich ihr nahe fühlte, wenn sie hinter Staubmäusen herjagte oder auf Knien Linoleumböden schrubbte.
 
Als Louise das lebhafte Baby in dem brandneuen Kindersitz anschnallte, hatte es ihr Herz schon im Sturm erobert. Am nächsten Morgen war sie bereits zum Äußersten entschlossen, um es behalten zu können. »Was zählt, ist bedingungslose Hingabe«, erklärte sie einer Sozialarbeiterin am Telefon.
Trotz sorgfältiger Nachforschungen konnte die leibliche Mutter nicht ausfindig gemacht werden. Niemand erinnerte sich, sie an jenem Tag im Chuck’s gesehen zu haben. Überhaupt war niemandem etwas Ungewöhnliches aufgefallen. Und niemand war gekommen, um nach dem Baby zu fragen. Man war ganz allgemein der Meinung, dass die Mutter schon längst verschwunden war, einfach weitergezogen, so wie ein Großteil der Gäste.
Nach Monaten voller Überraschungsbesuche, Anhörungen, Befragungen und unnötiger Bürokratie verfügte der Staat das, was Louise und ihr kleiner Freundeskreis bereits wussten: dass sie nicht nur eine gute Mutter war, sondern dem Baby die beste Chance auf ein gutes Leben bieten konnte. Allerdings hätte Louise das kleine Mädchen ohnehin nicht mehr abgegeben, ganz gleich, was entschieden worden wäre.
Als Louise vom Gericht nach Hause fuhr – wie sie hoffte, zum letzten Mal -, blickte sie über den Rückspiegel auf das Kind, das sie bis jetzt nur »Baby« genannt hatte, und verkündete: »Jetzt sind wir eine Familie. Wie sollst du heißen?«
Sie gab ihr den Namen »Hope« – Hoffnung.
 
Hope Jensen merkte recht bald, dass ihre Mutter verrückt war. »Aber auf gute Weise verrückt«, würde sie später ihren Freundinnen in der Grundschule erklären. Kurz nach Hopes fünftem Geburtstag setzte sich Louise mit ihr an ihren Lieblingstisch bei Chuck’s und machte sich daran, ihr das zu eröffnen, was sie schon hundertfach vor dem Badezimmerspiegel geprobt hatte. Als Hope mit ihren heißen Kartoffelkroketten Tic Tac Toe spielte, gab Luise ihr den Zettel, der in ihrer Babydecke gesteckt hatte, und erzählte ihr, wie und wann sie sich zum ersten Mal begegnet waren. Ein paar Stammgäste, die wussten, was sich an ihrem Tisch abspielte, beobachteten sie neugierig und mitfühlend.
»Dann bist du gar nicht meine Mommy?«, fragte Hope, als Louise nach der ersten Eröffnung innehielt.
»Doch, natürlich, mein Schatz.« Louise spürte, wie ihr Tränen in die Augen stiegen, was nicht oft vorkam. »Hope Jensen, ich bin heute noch genauso deine Mutter wie gestern, und ich werde es morgen und übermorgen und alle Tage meines Lebens sein.«
Hope nickte, als sei dies nur ein weiteres Teilchen in dem farbenfrohen Puzzle ihres Lebens. »Werden wir sie mal kennenlernen?«, fragte sie dann.
»Das weiß ich nicht, Liebling«, antwortete Louise. »Doch ich wette, sie würde dich wirklich gern wiedersehen.« Sie nahm Hopes kleine Hände in ihre. »Weißt du was? Ich bin sicher, es war nicht leicht, sich von einem der wunderbarsten Mädchen auf Gottes Erde zu verabschieden.«
Hope saß ganz still da, verarbeitete die Neuigkeit und stapelte ein Zuckertütchen nach dem nächsten auf den Salzstreuer. »Hat sie mich geliebt?«
»Aber natürlich, mein Schatz«, sagte Louise. »Sie hat dich so sehr geliebt, dass sie dir unbedingt ein besseres Leben schenken wollte.«
EINS
Als Hope Jensen an ihrem letzten Kindergartentag Hand in Hand mit ihrer Mutter nach Hause ging, verkündete sie, sie habe sich nun endlich entschieden, was sie einmal werden wollte. »Entweder Präsidentin der Vereinigten Staaten oder eine berühmte Zeitungsreporterin.«
»Letzteres ist ehrenwerter«, scherzte ihre Mutter.
Hope stimmte zu und arbeitete dementsprechend auf ihr Ziel hin.
Wer sie kannte, musste vermuten, dass sie bereits im Mutterleib zu schreiben begonnen hatte. Als Baby hatte sie häufiger Papier und Stifte in der Hand als Rasseln und Beißringe. In der zweiten Klasse schrieb sie bereits eine Reihe kleiner Stücke über eine nette Motorradgang, deren Mitglieder allesamt Kaninchen waren. In der dritten Klasse verfasste sie eine herzzerreißende Kurzgeschichte über eine heimatlose Maus, die durch einen Lotteriegewinn ihre ganze Familie rettete. In der vierten und fünften Klasse gab sie ein einseitiges Bulletin namens Jensen-Report heraus. Und als schlaksige Sechstklässlerin stellte Hope eine beeindruckende Liste aus aktuellen und ehemaligen Lehrern, entfernten Verwandten und Leuten zusammen, die später entdecken sollten, dass sie keinerlei Berührungspunkte mit ihr hatten, und gewann diese als Abonnenten für ihre vierseitige Zeitung, die dann jeden zweiten Montag in sechs Bundesstaaten und sogar nach Kanada verschickt wurde.
Hope wurde zu einer berückend schönen jungen Frau. Im Laufe der Jahre waren ihre einst babyblauen Augen zu einem leuchtenden Türkis mit grünen Sprenkeln nachgedunkelt. »Das sind keine Augen«, sagte Louise immer, »sondern Juwelen.« Hopes Haar, das sie oft zu einem Pferdeschwanz zusammenband, war für ihre leuchtenden Augen und die helle Haut ungewöhnlich dunkel.
Hope dachte oft an die geheimnisvolle Frau, die sie in einer Nische bei Chuck’s zurückgelassen hatte. »Was meinst du, Mom, lebt sie wohl noch in der Gegend? Sieht sie so aus wie ich? Glaubst du, sie mag genau wie ich rote Limonade lieber als gelbe? Denkt sie wohl noch an mich?«
»Könnte sein«, war Louises Standardantwort, auch auf die entlegensten Fragen. Tief im Herzen war Hope zwar überzeugt, eines Tages Antworten auf diese Fragen zu bekommen, doch ihr Kopf sagte ihr etwas anderes.
Von ihrem zweiten gemeinsamen Weihnachten an bewahrten sich Hope und Louise Jensen die Tradition, an Heiligabend gemeinsam ins Chuck’s zu gehen. Das Festessen blieb immer gleich: Hähnchen, Kroketten, heiße Butterbrötchen und danach so viel Gratiskuchen mit Vanilleeis, wie sie essen mochten. Sie ließen sich Zeit, erzählten sich Geschichten und schmiedeten gemeinsame Pläne.
»Man weiß ja nie«, sagte Hope mehr als einmal gegen Ende ihrer Mahlzeit. »Dieses Jahr könnte es passieren.«
»Könnte sein«, antwortete ihre Mutter stets. Doch die geheimnisvolle Frau kam nie.
»Nächstes Jahr«, sagte Hope dann, als stünde dies außer Zweifel. »Ich weiß es einfach!«
 
»Die Altkluge«, wie Louises Freundinnen Hope zu nennen pflegten, wurde in ihrem zweiten Highschool-Jahr zur ersten Unterstufen-Chefredakteurin der Schulzeitung. Die Verteilung und Herausgabe der Artikel und der Verkauf von Anzeigen gefiel ihr zwar, doch ihre wahre Leidenschaft galt dem Schreiben. »Ich glaube, in ihren Adern fließt kein Blut, sondern Tinte«, staunte ihre Mutter.
Hopes krönender Abschluss an der Highschool kam, als sie einen Leitartikel über den Berufsberater der Oberstufe schrieb, der eine kostspielige Lebertransplantation benötigte. Ihr Artikel rettete dem Berater das Leben, da die Schüler und ihre Eltern neunzehntausend Dollar spendeten, und erreichte den ersten Platz bei einem bundesweiten Wettbewerb von Nachwuchsjournalisten.
Da Hope Erfahrungen sammeln wollte und bereits ihre weitere Laufbahn geplant hatte, bewarb sie sich für ein Praktikum bei der Daily Record, der einzig ernst zu nehmenden Zeitung im Umkreis. Dort tat sie, was man von ihr verlangte, und meisterte alle Herausforderungen – vom Wasserspender und Kopierer bis hin zur Briefwaage. Zwei Wochen nach Ende des Praktikums bot man ihr eine bezahlte Stelle an.
Ihr erster Arbeitsplatz war ein winziger Schreibtisch in der Anzeigenabteilung. »Aber es ist ein Anfang«, erklärte sie ihrer Mutter an dem Abend, als sie ihren ersten Gehaltsscheck fotokopierten und einrahmten. Hope, das Wunderkind, zielte auf den Pulitzer-Preis ab und wollte in die Fußstapfen der großen Journalisten Amerikas treten. Die Porträts ihrer Vorbilder – Bernstein, Woodward und Graham – bildeten ein Quadrat an der Wand über ihrem Schreibtisch. Ein Rahmen in diesem Viereck enthielt kein Foto, sondern nur ein weißes Blatt Papier, auf dem in dicken, schwarzen Blockbuchstaben Die Nächste bin ich geschrieben stand.
Da ihr Vertrag nur auf achtundzwanzig Stunden pro Woche ausgestellt war, blieb ihr reichlich Zeit, Kurse an der Abendschule zu belegen. Wenn jemand eine Anzeige bei der Zeitung aufgeben wollte, bekam er eine energiegeladene Achtzehnjährige an den Hörer, die für neunundzwanzig Dollar pro Woche die besten Texte verfasste. »Das heißeste Haus im ganzen Viertel!«, »Prächtiger Firebird, der alle Blicke auf sich zieht!« Niemand schrieb solche Anzeigen wie Hope.
Nach einem Jahr zwischen Ankauf, Verkauf und Spezialofferten wurde sie zum Lokalteil befördert, wo sie geistreiche Artikel über bevorstehende Weinfeste, Trödelmärkte und Wohltätigkeitsbasare verfasste. »So was kann ich inzwischen im Schlaf«, verkündete sie ihrer Mutter.
»Geduld, meine Liebe. Nur Geduld«, erwiderte diese dann.
Nach weiteren achtzehn Monaten harter Arbeit nebst Abendschule hatte Hope die letzte Stufe ihrer Ausbildung erreicht. »Es ist Zeit für Anspruchsvolleres«, erklärte sie ihrem Chef. Noch vor ihrem nächsten Zahltag wurde sie erneut befördert, diesmal in die Redaktion für Allgemeines. Mit diesen Neuigkeiten überraschte sie ihre Mutter bei einem Essen vom Lieferservice.
»Einfach toll«, sagte Louise. »Ich bin so stolz auf dich!«
Während sie ihre Tacos und Fritten aßen, schmiedete Hope große Pläne. »Ich werde eine Reportage schreiben, das weiß ich genau, und damit lande ich ganz oben auf der Titelseite! Das nennt man above the fold, Mom – über der Falz!«
»Das wusste ich nicht -«
»Und natürlich werde ich auch die Story of the Year schreiben. Wart’s nur ab, ich arbeite schon für die Washington Post, noch bevor der Preis bei mir ankommt.«
Sie verputzten restlos alles, pickten sogar mit dem Finger die letzten winzigen Krumen auf und leckten sie dann genießerisch ab. Nachdem sie die Verpackungen entsorgt hatten, zog Louise ihre ambitionierte Tochter zum Sofa, weil auch sie ihr etwas zu eröffnen hatte. Es war nur eine schlichte Feststellung, doch nie zuvor hatte Hope etwas derart erschüttert.
ZWEI
Hopes Begeisterung über ihre neue Stelle nahm der niederschmetternden Nachricht etwas von ihrer Wucht. Zu Hopes Aufgabenbereich gehörte es unter anderem, Entwürfe für Leitartikel zu schreiben, nachdem dienstältere Redakteure ihr die Position der Zeitung zu bestimmten wichtigen politischen Fragen erläutert hatten. »Der nächste Gouverneur sollte George A. Lee heißen«, oder »Untersuchungsausschuss für Bürgermeisterin Caren Floresca!« oder »Sheriff Eugene Jones’ Durchgreifen: hart, aber gerecht.« Sie verbrachte Stunden damit, ihre vierhundert Wörter zu Papier zu bringen, nur damit sie dann gnadenlos von oben gekürzt wurden. Aber Hope wollte auch nach oben. Ich gehöre nach oben, sagte sie zu sich.
Monatelang mühte sich Hope ab, bevor allmählich immer mehr ihrer eigenen Worte gedruckt wurden. Ganze sechs Mal blieben ihre Artikel sogar ungekürzt. Diese rahmte ihre Mutter sorgfältig ein und hängte sie an eine eigens dafür reservierte Wand in ihrer gemütlichen Wohnung.
Da Louise bereits kurz nach ihrer Diagnose ständig Schmerzen hatte, war sie gezwungen, sich von ihren Kunden zu verabschieden und ihre Aufträge an eine Firma abzutreten, die mit einer ganzen Flotte weißblau lackierter Wagen mit der Aufschrift »Clean Police« ausrückten. Hope hatte nie verstanden, warum es ihre Mutter so befriedigte, hinter anderen Leuten herzuräumen. Zwar wusste sie nicht, wie lange ihr bescheidenes Einkommen für sie beide reichen würde, doch als Louise morgens nicht mehr zur Arbeit musste, war sie erleichtert. »Jetzt gehörst du ganz mir«, erklärte sie.