Die Mittwochsbriefe - Jason F. Wright - E-Book

Die Mittwochsbriefe E-Book

Jason F. Wright

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Beschreibung

Wenn Liebesbriefe das Leben ändern

Fast vierzig Jahre waren Jack und Laurel verheiratet, als sie in derselben Nacht Arm in Arm sterben. Die drei erwachsenen Kinder kommen zum Begräbnis im Elternhaus zusammen – und entdecken im Keller ein Vermächtnis: Tausende von Briefen, die der Vater jeden Mittwoch an die Mutter schrieb. Wunderbare Briefe voller Liebe und Gefühl. Und ein Brief, der ein schreckliches Familiengeheimnis offenbart.

Innerhalb einer einzigen schicksalsschweren Nacht sterben Jack und Laurel, die seit fast vierzig Jahren glücklich verheiratet waren. Schweren Herzens finden sich ihre drei Kinder zusammen, um die Begräbnisfeierlichkeiten zu organisieren. Jeder hat sein eigenes Problem im Gepäck: Matthews Ehe ist ungewollt kinderlos und entsprechend angespannt. Samantha wiederum ist bereits geschieden und muss sich als alleinerziehende Mutter durchkämpfen. Und Malcolm ist um seiner Jugendliebe willen mit dem Gesetz in Konflikt geraten und bereits vor Jahren in Brasilien untergetaucht. Im Keller ihres Elternhauses stoßen die drei unvermutet auf einen Schatz: kistenweise Briefe des Vaters an die Mutter, die er ihr jahrzehntelang jeden Mittwoch geschrieben hat. Sie bieten wunderbar romantische Liebeserklärungen an seine Frau und zugleich eine rührende Geschichte der Familie. Die Lektüre ist zunächst enorm tröstlich. Doch dann taucht ein Brief auf, der die Familie in ihren Grundfesten erschüttert und eines der Kinder in den Abgrund zu stoßen droht.

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Seitenzahl: 283

Veröffentlichungsjahr: 2009

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Ähnliche


Inhaltsverzeichnis
 
Widmung
 
KAPITEL 1 - 13. APRIL 1988
KAPITEL 2 - Donnerstagmorgen
KAPITEL 3
 
Copyright
Für meine Eltern Willard und Sandra
KAPITEL 1
13. APRIL 1988
Mittwochabend
Kurz nach elf glitt Laurel unter den kastanienbraunen Quilt zu ihrem Mann ins Bett. Sie umschlang Jack mit ihren kräftigen Armen und registrierte besorgt, wie deutlich sie seine Rippen fühlen konnte. Sie erinnerte sich noch gut an die Zeit, da er erheblich mehr als sie gewogen hatte.
Weil sie annahm, Jack schlafe schon, begann sie mit ihrem Einschlafritual. Sie atmete tief ein und ließ dann die Luft mit zusammengepressten Lippen aus ihrer Nase entweichen. Das beruhigte sie.
Sie schloss die Augen und betete: für ihre Kinder Matthew, Malcolm und Samantha, für ihr Enkelkind Angela und ihre Schwester Allyson. Dann bat sie Gott inbrünstig, dass er ihnen noch etwas mehr Zeit schenkte, und schalt sich gleichzeitig wegen ihrer Schwäche. Am Ende des stummen Gebets vergoss sie ihre ersten und einzigen Tränen des Tages.
»Hi.«
Sie schrak auf, als sie Jacks Stimme hörte.
»Hey, ich dachte, du schläfst schon.« Laurel wischte die Tränen an dem blauen Kopfkissen ab.
»Ich habe nur gedöst. Geht es dir jetzt besser?«
»Ja, aber ich habe den Abwasch stehen lassen. Rain soll sich morgen früh darum kümmern. Ich habe immer noch Sodbrennen. Könnte es vielleicht sein, dass ich langsam zu alt für meine eigenen Quesadillas werde?« Laurel fuhr mit der Hand durch Jacks schütteres, silbergraues Haar und rieb sich mit der linken Hand die Brust. »Aber was ist mit dir? Ist dir schwindelig?«
»Nein, mein Liebling.«
»Du bist ein erbärmlicher Lügner, Jack Cooper.« Laurel ließ ihre Hand auf seine Stirn gleiten.
»Da hast du recht. Muss wohl an dem Knoten in meinem Kopf liegen.« Achtzehn Monate kämpfte Laurels einundsiebzigjähriger Mann nun schon gegen einen aggressiven, inoperablen Hirntumor, der bei seiner Entdeckung nur murmelgroß gewesen war, inzwischen aber das Ausmaß eines Pingpongballs angenommen hatte. Die Kopfschmerzen kamen und gingen: Manchmal hatte Jack zwei oder gar drei Tage überhaupt keine Schmerzen. Doch wenn sie wiederkehrten, wurde ihm gleichzeitig so übel und schwindelig, dass er praktisch ans Bett gefesselt war. Außerdem hatte er immer einen Eimer in Reichweite.
Obwohl die Ärzte ihm versicherten, dass ständig neue Medikamente und Therapien entwickelt und getestet wurden, war sich Jack doch sicher, dass nur Gott ihn noch retten konnte. Und der hatte gewiss Besseres zu tun, als einen Bed-and-Breakfast-Besitzer in irgendeiner Kleinstadt zu heilen. »Zum Beispiel, Frieden im Nahen Osten zu schaffen oder die Chicago Cubs wieder in die World Series zu bringen«, pflegte Jack nach jedem Arzttermin zu seiner Frau zu sagen. Diesen Scherz hatte Laurel seit Jacks Erstdiagnose schon in mindestens fünfzig Variationen gehört.
Ihre Frühstückspension, die die Vorbesitzer Domus Jefferson - Jeffersons Heim - getauft hatten, lag im Herzen des Shenandoah Valley, genau zwischen den Allegheny Mountains und den Blue Ridge Mountains. Jack hatte schon oft gesagt, wenn er das Jüngste Gericht überstünde und sein Schöpfer ihm die Wahl zwischen dem Himmel und diesem Fleckchen Erde ließe, würde er nicht lange überlegen müssen.
In dieser Frühlingsnacht war ihr geliebtes B & B nahezu leer. Ihr einziger Gast war Anna Belle Prestwich, eine reiche Erbin, deren Mann ein Vermögen mit Tierfutter gemacht hatte. Sicher war sie noch wach und las einen Liebesroman - in ihrem Zimmer, das eigentlich 190 Dollar pro Nacht kostete, für das sie aber unbeirrbar 300 Dollar bezahlte. Das Zimmer war mit teuren Replikaten aus Thomas Jeffersons Haus in Monticello möbliert und gab den Blick auf die ausgedehnte Wiesenfläche frei, die von der Rückseite des Gebäudes sanft bis zu einem kleinen Bach am Waldrand abfiel. Wenn Anna Belle drei, vier Kapitel gelesen hatte, würde sie sich mit der Taschenlampe ihres Mannes aufmachen, um ihre Katze Castro auszuführen. Ihr war klar, dass die meisten Menschen ihre Katzen nicht ausführten, aber Anna Belle war eben nicht wie die meisten Menschen. Und die meisten Katzen hatten auch nicht solche Gewichtsprobleme wie Castro.
Anna Belle war seit ein paar Jahren ein regelmäßiger Gast in der Frühstückspension mit den sieben Zimmern. Normalerweise kam sie ein-, zweimal pro Monat und blieb manchmal bis zu zehn Tage. Ihr eigenes Haus, eine prachtvolle, verwinkelte Südstaatenvilla mit vier Gästehäusern - die Gerüchten zufolge von einer halben bis zu einhundertzehn Millionen Dollar wert sein konnte - lag nur eine knappe Meile entfernt. An einem klaren Wintermorgen, wenn die Bäume schon längst ihre Blätter abgeworfen hatten, konnte man im Osten durch die nackten Äste hindurch das hohe Silo einer ihrer unbenutzten Scheunen und das Dach des weißen Haupthauses erkennen.
Anna Belle war eine kleine, rundliche Frau. Sie stammte ursprünglich aus Florida und war schon nicht mehr die Jüngste gewesen, als sie eines frühen Herbstmorgens am Strand von Miami Beach Alan Prestwich kennengelernt hatte. Er suchte damals gerade Muscheln für die Tochter seiner Sekretärin, und Anna Belle brachte Castro bei, sich nicht vor dem Meer zu fürchten.
Ihre Begegnung an jenem Morgen führte rasch zu einer höchst ungewöhnlichen Eheschließung - und für beide war es das erste Mal. Alan Prestwich erklärte, er liebe seine frisch Angetraute wegen ihrer unverfälschten Art, wegen ihrer breiten, kühn geschwungenen Hüften, die eine eigene Persönlichkeit zu besitzen schienen, und wegen ihrer cremeweißen, butterweichen Haut. Vor allem aber liebe er sie wegen ihres dunkelroten, fast kastanienbraunen Haars, das sie in Würde ergrauen lasse. »Die Frauen, mit denen ich liiert war«, sagte er, als sie an jenem ersten Morgen gemeinsam über den Pier schlenderten, »hätten niemals mit grauen Strähnen das Haus verlassen. Aber du, Anna Belle - du bist etwas ganz Besonderes.«
»Wenn ich etwas so Besonderes bin«, antwortete sie, »warum hat sich dann bisher kein Mann für mich interessiert?«
»So war es nicht. Es war bis jetzt nur keiner gut genug für dich.«
Sechs Wochen später waren sie verheiratet.
Im dritten Jahr ihrer glücklichen Ehe stürzte Alan, der abenteuerlustige und unverwüstliche Selfmade-Millionär, bei seinem ersten Soloflug mit seiner brandneuen 1984er Gulfstream III in die Everglades. Man fand von ihm nur noch die große Maglite, die zweihundert Meter von der Absturzstelle entfernt ihren Lichtkegel durch das trübe Wasser in den Himmel warf. Seitdem trug Anna Belle diese Taschenlampe ständig bei sich, denn sie war überzeugt, sie würde sie eines Tages benötigen, um Castro nach einem Donut-Gelage im Wald aufzuspüren, einen Schwarzbären abzuschrecken oder sie bei einem anderen edlen Unterfangen einzusetzen.
Schon seit jeher war bei Anna Belle vieles anders als bei anderen gewesen. Als sie in ihrer Heimatstadt einen Job im A & P-Supermarkt annahm, hatte eine Schar lästernder Klassenkameradinnen sie prompt A & P getauft. Nur um ihnen zu trotzen, hatte Anna Belle diesen Spitznamen bereitwillig übernommen. Spitznamen zeigen, dass man beachtet wird, hatte sie zu sich gesagt. Inzwischen fragte sich A & P hin und wieder, wie diese Lästermäuler sie wohl nennen würden, wenn sie wüssten, dass sie von ihrem Mann ein Vermögen geerbt hatte und Multimillionärin war.
Nicht lange nach Alans tödlichem Absturz hatte Anna Belle Woodstock in Virginia zu ihrer neuen Wahlheimat erklärt. Aufgefallen war ihr dieser Ort, weil er auf einer Broschüre, die sie in einem der Aktenschränke ihres Mannes gefunden hatte, mit Kugelschreiber umkringelt gewesen war. Knapp einen Monat später wohnte sie schon dort, und es dauerte nicht lange, da waren sie und die Coopers Freunde. Insgeheim hegten Jack und Laurel allerdings den Verdacht, dass das Lebensziel ihrer neuen schrulligen Nachbarin darin bestand, jeden einzelnen Penny ihres Vermögens in ihr B & B zu stecken.
»Rate mal, wie viel Trinkgeld mir A & P für ihre Abendmilch gegeben hat«, flüsterte Laurel.
»Hundert.«
»Mehr.«
»Zweihundertfünfzig?«
»Mehr«, wiederholte Laurel.
»Fünfhundert Dollar?«, fragte Jack, nun lauter.
»Fünfhundertneunzehn Dollar und zweiundfünfzig Cent. Alles, was sie in ihrem Portemonnaie hatte.«
»Gutes Geld dafür, Milch aus dem Kühlschrank zu holen und sie in ein Glas zu gießen.« Jack seufzte und schüttelte sein Kopfkissen auf. »Diese Frau ist einfach unverbesserlich.«
»Aber sie schadet niemandem.«
Jack drehte sich zu seiner Frau um und blickte in ihre lebensklugen, braunen Augen. Seine eigenen, einst so lebhaften Augen schienen mittlerweile noch tiefer in ihre Höhlen gesunken zu sein, und darunter befanden sich dunkle Ringe. Diese Waschbäraugen, wie Laurel sie scherzhaft nannte, hatte er von seinem Vater geerbt, aber im Laufe des letzten Jahres waren die Ringe noch deutlich ausgeprägter geworden.
Jack berührte jetzt mit seiner Nase fast die von Laurel. »Dir ist doch klar, dass wir es ihr bald erzählen müssen?«
Seit A & P ihr Domus Jefferson zum ersten Mal besucht hatte, gab sie fast unanständig hohe Trinkgelder für die banalsten Dienstleistungen. Dabei folgte sie in ihrer Großzügigkeit keinem erkennbaren System. Wenn Jack ihr eine Tasche trug, fischte sie einen Hundert-Dollar-Schein aus ihrem Portemonnaie. Wenn Laurel ihr abends das Bett aufschlug und ein Betthupferl aufs Kissen legte, steckte ihr A & P beim darauffolgenden Frühstück mehrere Zwanziger zu. Als die Ärzte bei Laurel Herzrhythmusstörungen diagnostizierten, bestand A & P hartnäckig darauf, ihr Geld für die Arztrechnungen zu geben, obwohl die Krankenversicherung neunzig Prozent übernahm.
Als Jacks Zwillingsbruder Joseph zum dritten Mal wegen Trunkenheit am Steuer verhaftet wurde, war A & P nicht davon abzubringen gewesen, persönlich nach Virginia Beach zu fahren, die Kaution zu stellen und Joseph in ihrem eigenen Haus zu beherbergen, da das B & B zu der Zeit ausgebucht gewesen war. Joseph blieb bei ihr, bis er Arbeit und eine eigene Wohnung gefunden hatte. Jack war A & P sehr dankbar gewesen und hegte den Verdacht, dass die Fahrt von Virginia Beach nach Woodstock für Joseph die längste seines Lebens gewesen war …
Die Coopers hatten in den Jahren ihrer Freundschaft mit A & P gelernt, dass es nichts brachte, ihr Geld zurückzuweisen. Ihr Lieblingsgast war außerordentlich starrsinnig und erhöhte einfach den Einsatz, bis sie nachgaben. Natürlich hatte A & P keine Ahnung, dass die beiden das Geld einfach an ein Kinderheim in Washington D.C. weiterleiteten. Ohne es zu wissen hatte Anna Belle Prestwich also in den letzten Jahren mit ihrer Großzügigkeit ermöglicht, dass die Küche des Kinderheims renoviert, ein Teil des baufälligen Daches repariert und ein neuer Basketball-Court mit angrenzendem Spielplatz gebaut werden konnte. Jetzt plante man bereits, eine kleine, nach ihr benannte Bibliothek einzurichten.
»Natürlich, wir werden’s ihr sagen … irgendwann …«, erwiderte Laurel, doch bevor Jack etwas erwidern konnte, riss sie plötzlich die Augen auf, presste beide Hände gegen ihre Brust und rollte sich auf den Rücken.
»Schatz?« Jack hob den Kopf. »Was ist denn? Laurel? Setz dich auf!«
Laurel richtete sich mühsam auf, fiel dann aber gegen das hölzerne Kopfende. »Ich … ich kriege … keine Luft … ruf …«, stieß sie hervor.
Jack wandte sich zum offenen Fenster und rief nach A & P. »Mrs Prestwich, kommen Sie schnell! Bitte!«
Aber A & P befand sich bereits auf ihrem Abendspaziergang, schlenderte am Bach entlang, zählte die Sterne, die sich im träge dahinfließenden Wasser spiegelten, und plauderte mit Castro, den sie hinter sich herzog, über Astrologie.
»O Himmel, hilf!«, rief Jack, als Laurel ihn mit weit aufgerissenen, schmerzerfüllten Augen anstarrte und ihr Atmen immer gepresster klang. Hektisch suchte er das schnurlose Telefon auf ihrem Nachttisch.
Es war nicht da.
»Mein Arm, Jack!« Mit ihrem Blick schien Laurel dem Schmerz zu folgen, von ihrer Brust, den linken Arm hinunter, an der Hüfte vorbei bis zu ihrem Fuß. »Jack …« Irgendwie gelang es ihr, dieses eine Wort wie eine Entschuldigung klingen zu lassen.
»Guter Gott!«, rief Jack, setzte sich auf, ergriff Laurels Schultern, rüttelte sie sanft und rief verzweifelt: »Laurel!« Aber weder ihr Mund noch ihre Augen zeigten irgendeine Reaktion. Jack schwang die Beine aus dem Bett und stand auf. Doch bereits nach zwei Schritten verlor er das Gleichgewicht und kippte nach vorn. Das ganze Zimmer drehte sich. Jack torkelte gegen eine Messingstehlampe. Als er versuchte, sich daran festzuhalten, fiel sie um, sodass er daraufstürzte und der gläserne Lampenschirm auf dem harten Holzboden unter ihm zerbarst.
»Um Gottes willen!« Jack lag auf dem Rücken, drückte die Hände flach gegen den Boden und starrte zur Decke. Ihm dröhnte der Kopf. Seine Augen füllten sich mit Tränen. Als er das Gesicht zur Seite drehte, fiel sein Blick auf Laurels altes Nummernschild aus Tennessee an der gegenüberliegenden Wand.
Langsam kam der um ihn kreisende Raum zur Ruhe. Kurz darauf war Jack imstande, sich wieder auf das hohe Bett zu hieven. Laurel lag noch genauso da wie zuvor, die Arme lang neben sich ausgestreckt, die Augen geschlossen.
»Laurel?« Jack legte ihr eine Hand an die Wange. »Schatz?« Er legte die andere Hand auf ihre reglose Brust. »Mein Schatz.« Jack schlang seine Arme um sie und zog sie an sich. »Mein Schatz«, sagte er noch einmal leise. Behutsam wiegte er ihren schlaffen Körper hin und her.
Einige Zeit später legte Jack den Kopf seiner Frau sanft auf das Kissen zurück und sah sie liebevoll an.
Dann holte er aus der obersten Schublade seines Nachttischchens einen Stift, einen Umschlag, der schon mehrere Briefe enthielt, und einen neuen Bogen des pensionseigenen Briefpapiers. Er nutzte seine King-James-Bibel als Unterlage und schrieb:
13. APRIL 1988
 
Meine liebste Laurel,
 
 
 
Zehn Minuten später beendete Jack den Brief, schob ihn zu den anderen, klebte den Umschlag zu, schrieb eine kurze Notiz darauf und steckte ihn dann irgendwo zwischen die Seiten des Neuen Testaments. Er legte die Bibel auf den Nachttisch zurück und rutschte dann zu seiner Frau hinüber. Noch einmal umarmte er sie behutsam und zog sie zu sich. Sanft strich er ihr das weiche, hellbraune Haar aus dem Gesicht und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Ihre Haut war noch warm. Jack drückte einen Kuss auf ihre Schläfe.
Dann dachte er an seinen Sohn Malcolm und betete, dass er die nächsten Tage überstehen würde.
Bald danach ergab sich Jack seiner letzten Schmerzattacke. Und schlief ein.
Am nächsten Morgen um neun Uhr vier öffnete A & P in Begleitung ihrer Katze besorgt die Tür zum Schlafzimmer der Coopers und entdeckte die beiden friedlich und eng umschlungen in ihrem Bett.
KAPITEL 2
Donnerstagmorgen
A & P rief direkt den Notarzt. Die zehn Minuten bis zu seinem Eintreffen nutzte sie für ein paar weitere Telefonate.
Als Erstes rief sie Samantha an - die nicht zu Hause war -, danach ein paar Personen, deren Telefonnummern sie auf einer Liste auf dem Schreibtisch in Laurels kleinem Arbeitszimmer fand.
Darunter befand sich auch Laurels Friseurin, Nancy Nightbell. »Wer spricht da?«, fragte diese nach. »Jemand ist gestorben, sagten Sie? Wer denn?«
»Hier ist A & P.«
»Hier gibt’s keinen A & P.«
»Nicht der Supermarkt. Hier spricht Anna Belle, die Nachbarin der Coopers.«
»Oh«, erwiderte Nancy und verbalisierte dann ihren Aha-Moment: »Alles klar, die steinreiche Lady …«
»Ja, ja«, unterbrach A & P sie. »Ich habe schlimme Neuigkeiten …«
»Was ich schon immer mal fragen wollte«, riss Nancy das Gespräch wieder an sich, »wer kümmert sich eigentlich um Ihre Haare, meine Liebe?«
»Was?«
»Ihre Haare«, wiederholte Nancy. »Wer kümmert sich darum? Denn Ihre Tönung, meine Liebe, ist nicht gerade die beste.«
»Ich …«
»Ist ja nicht tragisch«, fuhr Nancy ungerührt fort. »Rufen Sie mich einfach mal an, ja?«
»Ja, Ma’am.« Das Gespräch erwies sich als echte Herausforderung, dennoch bewahrte A & P die Fassung. »Ich rufe Sie gern an.«
»Gut. Und wer, sagten Sie, ist jetzt tot?«, fragte Nancy.
»Die Coopers.«
»Jack Cooper ist gestorben? Möge er in Frieden ruhen. Ein sehr anständiger Mann, dieser Jack Cooper. Geben Sie mir mal Laurel, meine Liebe.«
»Nancy, hören Sie: Laurel ist auch verstorben. Sie sind beide tot.«
»Beide?«
»Ja.«
»Ach du liebe Zeit!« Nancy holte tief Luft. »Ich bin gleich bei Ihnen, meine Liebe.« Und noch bevor sie auflegte, hörte A & P sie gellend rufen: »Randall! Mach die verdammte Wrestlingshow aus, leg die Süßigkeiten weg und zieh dir’ne Hose an! Du musst mich sofort wo hinfahren!«
An jedem anderen Tag hätte A & P darüber gelacht.
Die Nächsten, denen Anna Belle die Unglücksnachricht überbrachte, waren eine Fünfzehnjährige, die morgens im nahe gelegenen Supermarkt mit angrenzender Tankstelle arbeitete, wo die Coopers oft ihre Vorräte aufstockten; der Besitzer der hiesigen Molkerei; eine Frau, die Anzeigen für einen B & B-Newsletter in Philadelphia verkaufte; eine Frau, bei der sich Anna Belle verwählt hatte, die aber ebenfalls die Coopers kannte und unter hysterischem Schluchzen versprach, einen Schwung ihrer gefüllten Paprikaschoten vorbeizubringen; ein Banker in Winchester, Virginia, und Pastor Aaron Braithwaite von der christlichen Freikirche in Mount Jackson, der die Coopers angehörten. Der letzte und schwierigste Anruf galt Rain Jesperson, die im Domus Jefferson Mädchen für alles und mit den Kindern von Laurel und Jack seit der Schulzeit befreundet war. Rains Eltern waren die einzigen Hippies im gesamten Umkreis gewesen.
Rain war dreißig Jahre alt, und mit ihrer Größe von gerade mal einem Meter fünfundfünfzig hätte man sie in einer Menschenmenge gut übersehen können. Die Farbe ihres schulterlangen Haars lag irgendwo zwischen Dunkelblond und Hellbraun, doch mit ihren strahlend grünen Augen und ihrem gewinnenden Wesen stach Rain Jesperson aus jeder Menge hervor.
Rain war in Strasburg aufgewachsen, das ein Stück weiter nördlich die Route 11 hinauf lag. Ihr Südstaatenakzent war nicht besonders ausgeprägt. Nach der Highschool hatte sie Marketing an der James Madison University in Harrisonburg studiert. Während sich ihre Freunde der Völkerwanderung nach Richmond, Baltimore und New York angeschlossen hatten, war sie ihrer Heimat treu geblieben. Sie hatte niemals das Bedürfnis empfunden, die ihr vertrauten Gefilde zu verlassen. Ihre Träume konnten ebenso in der sanften Hügellandschaft des Valley wahr werden wie in irgendeiner großen Stadt - vielleicht sogar noch eher. Denn seit ihrer weit zurückliegenden Lektüre von Cinderella hatte sich ihre Vision von der Zukunft nicht geändert: Sie sah einen Mann, sie sah Kinder, sie sah einen Palisadenzaun, den sie rosa streichen würde, nicht weiß. Vor allem aber sah sie Sicherheit und Geborgenheit. Rain Jesperson war überzeugt, dass man Träumen nicht nachjagen musste, sondern sich besser von ihnen finden ließ.
Viermal schrillte das Telefon in Rains rotem Backsteinhaus, dann nahm sie ab.
»Rain?«, flüsterte A & P.
»Ja?«
»Hier ist A & P, aus der Pension.«
»Hey, A & P, haben Sie sich schon eingelebt? Ich habe Ihnen die neue Biohalbfettmilch gekauft, die Sie haben wollten. Schon gesehen? Haben Sie schon gefrühstückt?«
»Ja, Liebes, das habe ich. Aber ich …«
»Ich weiß, wir haben kein Mehrkornbrot mehr. Ich komme heute erst etwas später. Laurel meinte, ich könnte am Morgen ein paar Sachen für mich erledigen, da Sie bis Freitagabend der einzige Gast sind.«
»Rain, Liebes, es ist wohl doch besser, Sie kommen direkt hierher. Es ist etwas passiert.«
»Mit Jack?«, fragte Rain, wartete die Antwort aber gar nicht erst ab. »Okay, ich bin in fünf Minuten da. Ach, als ich gestern Nachmittag gefahren bin, hatte ich schon so ein komisches Gefühl.« Rain spürte, wie ihr die Tränen kamen. »Sagen Sie Laurel, ich bin gleich da. Und es tut mir leid, dass Sie anrufen mussten, Anna Belle, das war sehr lieb von Ihnen.«
»Rain?« A & P wurde ganz flau im Magen.
»Ja?«
»Ach, nichts, Liebes. Bis gleich.«
Zehn Minuten später fuhr Rain vor dem Domus Jefferson vor. Auf der kleinen Kiesauffahrt parkten schon mehrere Streifenwagen und ein Krankenwagen. A & P brach bei Rains Anblick in Tränen aus. In Anbetracht der niederschmetternden Nachricht, die ihr wie ein Stein im Magen lag, fing sie die zierliche Frau am Eingang des Grundstücks ab und nahm sie in ihre molligen Arme.
»Oh, Anna Belle, ist schon gut. Jack ist jetzt erlöst. Ganz ruhig.« Auch Rains Augen füllten sich erneut mit Tränen.
A & P löste sich so weit aus der Umarmung, dass sie Rain ansehen konnte. »Aber Laurel ist auch gegangen.«
Rain ließ die Arme sinken. »Was meinen Sie mit gegangen?«
»Gestorben«, würgte A & P hervor. »Laurel ist auch gestorben.«
Rain stieß die Holzpforte auf und rannte über den Kopfsteinpflasterweg auf die Veranda vor der großen Eingangstür der Pension. Die Grüppchen der Trauernden, die sich im Garten und auf der Veranda versammelt hatten, sah sie nicht. »Laurel?«, schrie Rain, kaum dass sie die Eingangshalle betreten hatte. Zwei Polizisten in Uniform und einer in Zivil lehnten an der Wand und unterhielten sich leise. »Laurel?« Rain rannte die Treppe hinauf und drängte sich an einem vierten Beamten am oberen Treppenabsatz vorbei.
»Miss Jesperson, bitte gehen Sie wieder nach unten.« Er wollte sie aufhalten und bekam einen Ärmel von ihr zu fassen, doch Rain riss sich los und stieß die Tür zum Schlafzimmer der Coopers auf. Drinnen machte eine Frau Aufnahmen von dem zersprungenen Lampenschirm. Auf dem Bett war eine Erhebung zu sehen, die mit einem dicken, weißen Laken abgedeckt war.
»Rain.« A & P tauchte hinter ihr auf und sprach sie leise, aber bestimmt an. »Sie sind beide gestorben, meine Liebe, heute Nacht.«
»Laurel auch? Wie denn? War es ein Unfall?« Rain spürte, dass ihr die Knie weich wurden, daher wollte sie sich auf einen Stuhl setzen. Doch die Polizeifotografin nahm sie beim Arm und bat sie, wieder nach unten zu gehen.
Am Küchentisch erzählte A & P Rain, wie sie die beiden Coopers entdeckt hatte.
»Man weiß noch nichts Genaues, geht aber davon aus, dass Laurel im Bett einen Schlaganfall oder Herzinfarkt hatte. Ich schätze, Jack wollte Hilfe holen, aber es war wohl zu spät. Sie wissen ja auch, dass es ihm wirklich schlecht ging, gestern Abend ist er ganz früh zu Bett gegangen. Wahrscheinlich hat er dann einfach aufgehört zu atmen.«
Rain nickte und nippte an einem Glas Wasser.
»Sie lagen eng aneinandergeschmiegt in ihrem Bett und wirkten sehr friedlich.« A & P rückte mit ihrem Stuhl näher zu Rain. »Sie sahen aus wie ein Paar von einer Grußkarte. Kennen Sie solche Karten? Es gibt sie von Hallmark: Klappkarten mit Schwarz-Weiß-Fotos von einem Liebespaar darauf und im Innenteil kann man dann etwas Persönliches schreiben. Auf solchen Bildern wirken die Paare immer, als könne nichts ihr Liebesglück gefährden. Und Jack und Laurel sahen aus, als hätten sie sich ihr Ende genau so vorgestellt. Jacks Gesicht war so anziehend wie früher - ganz schmerzfrei und friedlich.« Sie verstummte und blickte zum Fenster. »Ich wünschte, mein Alan wäre auch so gestorben.«
Beide Frauen hatten sich mittlerweile ein wenig beruhigt. Sie beobachteten durchs Küchenfenster die wachsende Menschenmenge im Garten. Rains Blick ruhte zwar auf den Trauergästen, doch mit den Gedanken war sie bei Malcolm Cooper.
KAPITEL 3
Unsere Eltern sind tot.«
»Was? Sammie?«, rief Malcolm in sein Satellitentelefon.
»Sie sind gestorben, Mal.« Seine jüngere Schwester Samantha wiederholte die Nachricht und griff nach ihrer Dienstwaffe auf der Küchentheke. Während sie in das uralte Wandtelefon aus Holz und Messing sprach, drehte sie mit ihren kräftigen Fingern an der Trommel des Revolvers. Sie sprach mit Bedacht, aber müde nach dem langen, kräftezehrenden Morgen. Im Leichenschauhaus hatte sie ihre Eltern identifizieren müssen, die in schwarzen Kunststoffhüllen dort hintransportiert worden waren. Sehnsüchtig betrachtete sie jetzt einen gepolsterten Barhocker, der außerhalb ihrer Reichweite unter einer weiteren Anrichte auf der gegenüberliegenden Seite der Wohnküche stand.
»Wie denn, Sammie? Was ist passiert?«
»Mom hatte einen Herzanfall, und Dad ist mit ihr gestorben. Irgendwann letzte Nacht.«
Malcolm beobachtete ein Kapuzineräffchen am Ufer, das aus dem Fluss trank. Nur ein paar Meter davon entfernt schlängelte sich eine drei Meter lange Schlange über die Wasseroberfläche.
»Mutter hatte einen Herzinfarkt?«
»Ja.«
»Und Dad?«
»Er hatte Krebs, Malcolm.«
»Das wusste ich nicht«, sagte er leise. Er wechselte den schweren Telefonhörer von einem Ohr zum anderen und blickte nach Westen. Dort reckten sich dunkelgrüne, mit Schlingpflanzen bewachsene Bäume hoch in den Himmel, der sich wolkenlos über dem brasilianischen Dschungel und dem Amazonas erstreckte. Malcolm tauchte einmal sein Paddel ein und zog es mit kräftigem Schwung flach durch das algenbedeckte Wasser, bevor er es senkrecht drehte, um das silberne, gut vier Meter lange Kanu zurück in die Mitte des zweitlängsten Flusses der Erde zurückzusteuern. Als er an seine Mutter dachte, füllten sich seine Augen mit Tränen.
»Ich komme nach Hause«, sagte er schließlich.
»Wirklich?«, fragte Samantha.
»Aber ich werde ein, zwei Tage brauchen.«
»Bist du sicher, Malcolm? Wenn du kommst, müssen wir ihm Bescheid sagen.«
»Ich bin mir sicher«, sagte er fest. »Wartet auf mich.«
»In Ordnung.«
»Es tut mir leid, Sam.«
»Mir auch«, flüsterte sie.
»Es tut mir leid, dass ich jetzt nicht da bin.« Es fiel ihm schwer, das zu sagen.
»Ist schon gut, Malcolm, du hast getan, was du tun musstest.«
Malcolm holte ein paarmal tief Luft.
»Ich hab dich lieb. Das weißt du doch, Schwesterherz?«
»Ich weiß. Ich auch.«
»Du hast dich auch lieb?«
»Ach, halt die Klappe.« Zum ersten Mal, seit Samantha über Polizeifunk gehört hatte, dass im Domus Jefferson zwei Tote gefunden worden waren, konnte sie wieder schmunzeln.
 
Sie drückte ihre Hand auf die Gabel des massiven Telefonapparats von Western Electric und wählte dann eine weitere Nummer. »Er ist auf dem Weg«, sagte sie, als sich ihr ältester Bruder Matthew meldete.
»Wo ist er denn jetzt?«
»Keine Ahnung«, antwortete Samantha und seufzte tief. »Im Dschungel, schätze ich.«
»Wie lange braucht er?«
»Er meinte, zwei Tage.«
»Dann ist er bestimmt noch in Brasilien.« Matthew schwieg kurz und fragte dann: »Wie hat er es aufgenommen?«
»Ruhig.«
»Ach ja?«
Fast ein Jahr lang hatte niemand aus der Familie mit Malcolm sprechen können. Seit seinem überstürzten Aufbruch zwei Jahre zuvor hatten sie nur hin und wieder eine Postkarte aus irgendeinem abgelegenen Winkel in Südamerika bekommen. Angerufen hatte er zuletzt, kurz nachdem er ein Carepaket geöffnet hatte, das Laurel an seine Wohnung im brasilianischen Sete Lagoas geschickt hatte. In dem Paket befanden sich Mürbekekse von Laurel, ein Brief von Rain, den Malcolm ungeöffnet aufbewahrte, und - versteckt in mehreren Socken - etwas Geld von A & P. Malcolm kaufte von dem Geld Wasserfilter und Schuhe für Kinder, und am Ende reichte es sogar noch für ein paar Bilderbücher.
Außerdem befand sich in dem Carepaket ein teures Satellitentelefon. Auf der Bedienungsanleitung klebte ein Zettel mit einer Nachricht seiner Mutter. In ihrer ordentlichen Handschrift stand dort: »Pass auf dich auf. Ruf an, wenn du dazu bereit bist.« Er rief zwar an, doch ihr erstes Gespräch endete abrupt, als sie ihn anflehte, nach Hause zu kommen. Später bedauerte sie, dass sie nicht die Zeit gehabt hatte, ihm mitzuteilen, dass sein Vater todkrank war. Malcolm hatte das Telefon zwar immer bei sich, schaltete es jedoch nur selten an.
»Wie sieht’s mit Dads Gästeliste aus?«, fragte Samantha Matthew.
»Gut - ich habe alle angerufen. Drei, vier Namen kannte ich zwar nicht, aber A & P half mir, die Telefonnummern rauszubekommen. Hoffentlich schaffen es alle.«
»Ja, das hoffe ich auch.«
»Ach ja«, fügte Matthew hinzu, »Tante Allyson hat mich zurückgerufen. Sie bekommt erst Samstagnachmittag einen Flug aus Vegas.«
»Ich kann’s gar nicht erwarten, sie wiederzusehen. Meine Güte, unser letztes Treffen ist schon Jahre her!«
»Sie kam zum fünfunddreißigsten Hochzeitstag von Mom und Dad, erinnerst du dich?« Matthew zögerte kurz. »Ich gehe davon aus, dass sich Dads Bruder noch nicht gemeldet hat?«
»Er ist unser Onkel«, erwiderte Samantha deutlich gereizt. »Nein, er hat sich noch nicht gemeldet. Ich habe noch mal eine Nachricht bei seinem Bewährungshelfer in St. Louis hinterlassen.«
»Behalt’s für dich, Schwesterchen, aber ich fände es nicht so schlimm, wenn er nicht käme. Malcolms Rückkehr bringt schon genug Aufregung mit sich.«
»Kann sein«, sagte Samantha. »Aber er muss es trotzdem erfahren.«
»Stimmt. Also versuche es weiter.«
Samantha wusste, was als Nächstes kommen würde.
»Hast du Nathan schon angerufen?«, fragte Matthew.
»Das ist nicht so leicht, wie du weißt.«
»Richtig, aber er ist der Bezirksanwalt. Er muss wissen, dass Malcolm zurückkommt. Willst du nicht Rain bitten, das für dich zu übernehmen?«
»Ja, vielleicht.« Samantha steckte endlich den Revolver in ihr Holster. »Sie nimmt es schwer, Matt. Sehr schwer.«
»Kann ich mir denken«, erwiderte er. »Ist sie schon da?«
»Seit einer Weile. Im Moment ist sie draußen bei Anna Belle und ein paar Nachbarn.«
»Arme Rain, im Grunde gehört sie ja zur Familie.«
»Stimmt.«
»Kannst du dich bitte auch in meinem Namen bei ihr bedanken? Ich habe einen Flug nach Dulles erwischt. Dort nehme ich einen Mietwagen und komme direkt zu euch. Ich schätze, ich bin zwischen fünf und sechs da.«
»Kommt Monica mit?«
»Nein, sie kann nicht. Ihr Unternehmen steht noch ganz am Anfang, da kann sie einfach nicht weg.«
»Das tut mir leid, Matt. Ist alles in Ordnung mit euch beiden?«
»Aber ja, es geht uns gut. Du kennst doch Monica - sie hätte ohnehin nur die ganze Zeit an ihre Kunden gedacht. Sie nimmt diese Sache ziemlich ernst und hat einen Vierundzwanzig-Stunden-Tag, du weißt doch, wie das ist. Außerdem ist alles so neu, und sie ist ganz auf sich allein gestellt, da hat sie’s nicht leicht.«
»Matt, sie arbeitet als Personal Trainer …«
»Life Coach.«
»Was auch immer. Da könnte sie sich doch freimachen. Das weißt du auch. Du brauchst sie jetzt.«
»Ich komm schon klar, Sam, ehrlich. Aber wir haben dieses Wochenende auch einen Termin mit dem Adoptionsguru und einer potenziellen Mutter in Newark. Das könnte unsere Chance sein, die will sie einfach nicht verpassen. Das Timing ist eben etwas ungünstig.«
»Dann sag das Mom und Dad! Sie hätten ja erst in ein paar Wochen sterben können!« Samanthas Stimme wurde erst lauter und brach dann. »Entschuldigung … ich freu mich, dass du kommst.«
»Ich mich auch, Sam. Tut mir leid, dass ich nicht schon da bin.«
Sie nickte. »Ich weiß«, sagte sie unter Tränen.
»Sam? Wir schaffen das schon.«
»Hoffentlich.«
»Sprich mit Rain.«
Sie stieß einen Seufzer aus. »Mach ich.«
Die Originalausgabe erschien unter dem Titel THE WEDNESDAY LETTERS bei Shadow Mountain Press
Verlagsgruppe Random House
 
 
 
Copyright © 2007 by Jason F. Wright Copyright © 2008 der deutschen Ausgabe
by Wilhelm Heyne Verlag, München in der Verlagsgruppe Random House GmbH Songtext »Nothing Exciting« © 2007 Jason Steadman mit freundlicher Genehmigung. Mehr Infos unter www.jasonsteadmanmusic.comRedaktion: lüra - Klemt & Mues GbR Herstellung und Layout: Helga Schörnig Gesetzt aus der Adobe Garamond bei C. Schaber Datentechnik, Wels
 
eISBN : 978-3-641-02516-8
 
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