Das Ziel bin ich - Christina Kropp - E-Book

Das Ziel bin ich E-Book

Christina Kropp

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Beschreibung

Warum Egoismus okay ist Ist es nicht egoistisch, uns selbst in den Mittelpunkt zu stellen? Im Flugzeug heißt es: Legen Sie zuerst Ihre Sauerstoffmaske an, bevor Sie versuchen, der Person neben Ihnen zu helfen. Das ist nicht egoistisch, sondern klug. Wir können nämlich nur helfen, wenn wir selbst genügend Sauerstoff haben. Und das gilt auch im Alltag - besonders wenn die Wellen hochschlagen. Dann können wir selbst unser Fels in der Brandung sein. Sich wie ein Coach selbst zuzuwenden bedeutet, Verantwortung für sich zu übernehmen und das Ruder fest in der Hand zu halten. Wenn wir unser Leben als unstimmig empfinden, Unsicherheit fühlen, schnell gereizt sind und lospoltern, weinerlich sind und jammern oder körperliche Zipperlein haben und verspannt sind. Dann ist die Zeit reif zu schauen, was genau uns zu schaffen macht. In diesem Buch werden wir schmunzeln über uns, das Leben und all die Dinge, die wir uns doch ganz anders vorgestellt hatten. Wir werden erkennen, wie gut es tut, sich selbst zu mögen statt sich im Weg zu stehen. Und wie stark es uns macht, wenn wir zu uns halten. Wir werden eine Zufriedenheit im Alltag empfinden, die sich wie ein wärmendes Nachhausekommen anfühlt. Das ist das Ziel, das in jedem von uns steckt.

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FÜR MICH

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Inhaltsverzeichnis

 

EINLEITUNG: JETZT FAHR’N WIR ÜBERN SEE

WIESO WIR SELBST DAS ZIEL SIND

1 DIE VIER JAHRESZEITEN

WO STEHE ICH IN MEINEM LEBEN?

2 UND TÄGLICH GRÜSST DAS MURMELTIER

WIE WIR IN IMMER WIEDERKEHRENDEN SCHWIERIGEN SITUATIONEN NEUE WEGE FINDEN

3 WIE TIERE TRAUERN

WIE WIR LERNEN, DAS ANZUNEHMEN, WAS WIR NICHT ÄNDERN KÖNNEN

4 EBBE UND FLUT

WIE WIR GESCHMEIDIGER MIT ZWEIFEL UND WIDERSTÄNDEN UMGEHEN

5 WINDSTILLE

WIE WIR UNSER GLÜCK ERKENNEN

6 TRAUMZEIT

WIE WIR ZUFRIEDENHEIT IM MOMENT FINDEN

7 SONNENFINSTERNIS

WIE WIR MIT PLÖTZLICHEN VERÄNDERUNGEN UMGEHEN KÖNNEN

8 ABEND- UND MORGENSTIMMUNG

WARUM WIR MANCHMAL DIE BALANCE VERLIEREN

9 GEDANKEN SIND WIE WOLKEN

WARUM WIR NICHT ALL UNSEREN GEDANKEN NACHGEHEN MÜSSEN

10 DEN WALD VOR LAUTER BÄUMEN NICHT SEHEN

WIE WIR UNS VOR PERFEKTIONISMUS SCHÜTZEN

11 BIS DASS DER TOD UNS SCHEIDET

ANDERE LIEBEN UND SICH SELBST TREU BLEIBEN

12 NATÜRLICHE SCHUTZRÄUME

ES GIBT NICHT EINEN WEG FÜR ALLE, ABER FÜR ALLE EINEN WEG

13 ZUGVÖGEL

WOHIN FLIEGEN WIR?

14 KEINE FEDER IM WIND

WARUM EGOISMUS OKAY IST

15 IM WALD, DA SIND DIE RÄUBER

WIE MANN UND FRAU EINANDER BESSER VERSTEHEN

16 SHOULD I STAY OR SHOULD I GO?

WIE WIR GUTE ENTSCHEIDUNGEN TREFFEN

17 NICHT IN STEIN GEMEISSELT

WIE WIR VERÄNDERN, WAS UNS NICHT GEFÄLLT

18 AUF ZU NEUEN UFERN

SECHS SCHRITTE ZUM NEUEN ICH

19 KLAR WIE EIN GEBIRGSBACH

WIE WIR KLARHEIT ERLANGEN UND LICHT INS DUNKLE BRINGEN

20 RAUS AUS DER HERDE

WARUM WIR EINZIGARTIG SIND

GUTE REISE

AUCH DIE LÄNGSTE REISE BEGINNT MIT EINEM SCHRITT

ERKENNEN – VERSTEHEN – VERÄNDERN

ÜBER DIE AUTORIN

EINLEITUNG: JETZT FAHR’N WIR ÜBERN SEE

WIESO WIR SELBST DAS ZIEL SIND

Ist es nicht egoistisch, uns selbst in den Mittelpunkt zu stellen? Uns selbst als Ziel zu deklarieren, als Maß aller Dinge? Etwas ganz für uns allein zu beanspruchen, statt es mit anderen zu teilen? Zu teilen, was wir haben, steht moralisch in der Gesellschaft hoch im Kurs. Wir können anderen jedoch nur helfen, wenn es uns selbst gut geht. Wüssten Sie, was zu tun ist, wenn das Flugzeug, in dem Sie gerade sitzen, notlanden muss? Wir haben die Sicherheitsanweisungen alle schon oft gehört, aber schon lange schenken wir ihnen keine Aufmerksamkeit mehr. Kaum jemand blickt von seiner Zeitung oder seinem Handy auf und die armen Flugbegleiter mühen sich scheinbar umsonst ab: »Falls in einer Notsituation der Luftdruck in der Kabine sinkt, dann fallen Sauerstoffmasken aus den Fächern über Ihnen. Legen Sie zuerst Ihre Maske an, bevor Sie versuchen, der Person neben Ihnen zu helfen.« Das ist nicht Egoismus, sondern klug; Sie können nämlich nur helfen, wenn Sie selbst genügend Sauerstoff und Energie haben. Und das gilt auch im Alltag. So klar und logisch ist es im Alltag für uns aber häufig nicht. Wir hocken immer wieder zwischen den Stühlen unserer Gefühle. Wenn wir so dahocken, ist es Zeit, mal wieder bei uns selbst anzukommen.

Sich selbst zuzuwenden bedeutet, Verantwortung für das eigene Tun zu übernehmen. Oft reißen wir uns jedoch lieber die Verantwortung anderer »unter den Nagel«. Zu gerne lösen wir die Probleme unserer Kinder, Partner, Kollegen, Nachbarn, statt vor der eigenen Türe zu kehren. Wir freuen uns, wenn wir für andere etwas tun können. Ist dies die einzige Art, uns Freude und Zufriedenheit zu verschaffen, wird es irgendwann »eng«. Denn das Geben und Nehmen sollte im Gleichgewicht sein. Keiner mag es, jeden Tag ein Geschenk zu bekommen, sei es materiell oder indem wir etwas tun. Freunde ziehen sich zurück oder erwidern die Geschenke nicht. Es gibt sogar das Phänomen, dass gerade dann, wenn wir besonders viel für andere tun, unser Gegenüber gar nichts mehr erwidert.

Wir erwarten von anderen viel zu häufig, dass sie uns glücklich machen. Durch diese Erwartungshaltung kommt es häufig zu Konflikten. Vordergründig haben sie mit Streit, Rückenschmerzen oder Liebeskummer zu tun. In Wirklichkeit geht es jedoch meist um Themen, die mit uns und unseren Bedürfnissen zu tun haben. Wenn uns das, was ein anderer tut, irritiert, traurig macht oder verärgert, überprüfen wir am besten zuerst unsere eigene Einstellung: Machen wir uns ein festes Bild von dem anderen und es entspricht oder gefällt uns nicht? Habe ich Erwartungen, die der andere nicht erfüllen will? Inwieweit entspringen meine Erwartungen den eigenen, nicht gelebten Träumen oder aufgestautem Frust, weil ich meine Ziele nicht erreiche? Lasse ich etwas, weil ich meine, nicht gut genug zu sein? Gibt es nicht immer irgendwo einen, der besser ist? Das wäre doch die perfekte Erlaubnis, es einfach auf die eigene Weise zu machen, statt sich zu messen und zu bewerten. Mal nur auf sich schauen ist auch ein Stück Arbeit.

Es ist gut, immer wieder auf die eigenen Bedürfnisse zu achten und sich nicht an den Freunden, den Nachbarn oder dem Partner zu orientieren. Ich nenne es ungeteilte Aufmerksamkeit für uns selbst. Das ist vielen unangenehm.

Manchmal entwickelt sich im Eifer des »Ich helfe anderen so gerne« auch eine gewisse Besserwisserei. Wenn wir es mit anderen »gut meinen«, kommt jedoch oft das Gegenteil an. Es ist sehr sinnvoll zu hinterfragen, ob andere unseren Rat wünschen. Statt dem Gegenüber etwas ein- oder auszureden und ungefragt Kommentare zu geben, sollten wir immer überlegen, was dabei unser Ziel ist.

Ist das Ziel mein Ziel oder habe ich es von jemandem übernommen? Manchmal leihen wir uns Ideen von Menschen aus, die wir bewundern, obwohl sie nicht zu uns passen. Manche Ziele gehören uns also gar nicht. Es fühlt sich dann an wie Kleidung, die zu eng oder zu weit ist, die nicht passt oder vielleicht auch einfach nicht unser Stil ist. Eine Rüschenbluse kann an mancher Frau klasse aussehen und andere wiederherum sehen darin verkleidet aus. Manche Männer mögen Anzüge tragen und andere würden am liebsten in Jogginghose zur Arbeit gehen. Ich kenne einen Kfz-Meister, der zeit seines Lebens immer erfolgreich Autos verkauft hat. Weil er Fahrzeuge liebte. Weil er gerne ölverschmiert unter den Autos lag. Er hat im Laufe der Jahre mehrmals die Marke gewechselt. Der Grund dafür waren nie die Konditionen oder ausbleibender Erfolg, sondern die Bedingungen, die ihm auferlegt wurden. Der Vertragspartner wollte bestimmen, wie er sich zu kleiden hatte: eine bestimmte Anzugfarbe und Schlips in den Verkaufsräumen zu tragen war Pflicht. Der Kfz-Meister kam sich vor wie in einem Theaterstück. Obwohl seine Firma ein Familienerbe war, entschied er sich für einen eigenen Weg. Er wollte sich nicht kostümieren. Heute verkauft er eine andere Marke und ist, wie auch schon vorher, ein erfolgreicher Geschäftsmann. Es war viel Aufwand und kostete viel Zeit und Geld, die Marke zu wechseln. Doch für ihn war es wichtig, sich nicht zu verbiegen.

Es ist immer wieder gut, die eigenen Ziele zu überprüfen. Ob sie uns selbst gehören oder ob wir sie uns auferlegen. Wenn Ziele nicht unsere eigenen sind, kommen wir zwar auch voran, doch es macht oft keinen Spaß. Das Ziel macht uns nicht glücklich. Bei Zielen, die zu uns passen, ist auch der Weg dahin fast immer ein Vergnügen. Auch in Zeiten von Widerständen und Zweifeln, die zu einem guten Ziel immer dazugehören. Zweckziele sind häufig nur auf eine kurze Distanz sinnvoll, weil Sie sehr viel Kraft kosten. Wenn wir uns im Klaren darüber sind, etwas gegen unsere Bedürfnisse zu verfolgen, weil wir x oder y erreichen wollen, geht es dabei oft um das »Ziel hinter dem Ziel«.

Ziele sind auch eine Frage der Zugehörigkeit. Welche Sorte Bier wir trinken, welche Schuhe wir tragen, das Auto, das wir fahren – alles ordnet uns bestimmten Menschengruppen zu. Im Marketing spricht man von »Milieus«. Es geht also bei Zielen auch darum, welcher gesellschaftlichen Schicht wir angehören wollen.

SELTEN FRAGEN WIR UNS: »WAS WILL ICH WIRKLICH? «

Wir essen oder trinken, wenn andere essen, obwohl wir vielleicht gerade gar nicht hungrig sind oder wir uns vorgenommen hatten, gar keinen Alkohol mehr zu trinken. So verlieren wir irgendwann die Fähigkeit, selbst zu spüren, ob wir Hunger oder Durst haben, ob wir uns bewegen wollen oder lieber ausruhen. Deswegen bringt es uns einen echten Gewinn, wenn wir uns immer mal wieder abgrenzen. Wir lernen so wieder, uns auf unsere eigene Wahrnehmung zu verlassen und nicht mehr die Ziele anderer für unsere eigenen zu halten. Davon profitieren nicht nur wir selbst, sondern auch die Menschen um uns herum.

Wie wähle ich mein Ziel? Manchmal haben wir einfach zu viele Möglichkeiten. Während die Kriegsgenerationen gerne »Wir hatten ja nix«-Parolen rufen, fällt es uns im Meer der Möglichkeiten schwer auszuwählen, was wir wirklich wollen. Da gibt es eine gute Lösung: ab ins Schneckenhaus! Es hilft, wenn wir uns immer mal in unser Schneckenhaus zurückziehen, uns auf die eigene Wahrnehmung verlassen und überlegen, was genau hinter dem steckt, das uns zu schaffen macht.

Woran merken wir, dass es mal wieder Zeit ist, sich nur auf sich zu konzentrieren? Wenn wir unsere aktuelle Situation als besonders unangenehm empfinden, können wir bei genauer Betrachtung eigentlich am meisten von ihr profitieren. In unser Schneckenhaus passt keiner – außer wir selbst! Auch wenn wir in Momenten des Rückzugs oft Gedanken und Stimmen erleben, die sich in unsere Ruhe hineinzwängen wollen. Diese Grenzüberschreitungen in unser Schneckenhaus können wir kontrollieren. Anzeichen, dass die Zeit reif fürs innere Schneckenhaus ist, können folgende sein:

ein komisches mulmiges Gefühl

eine Unruhe und Unsicherheit, die wir als Angst empfinden

wenn wir schnell gereizt sind und lospoltern

wenn wir besonders weinerlich sind und ständig jammern

wenn wir körperliche Zipperlein haben oder sich Krankheiten einstellen

wie hoher Blutdruck oder Verspannungen

wenn wir schlecht schlafen können oder nachts aufwachen

Kennen Sie Wilson? Den Volleyball aus dem Film »Verschollen« mit Tom Hanks? Mit seinem eigenen Handabdruck, zwei Augen, einer Nase und einem Mund, hat Hanks den Ball zu seinem Freund und Berater gemacht. Wilson hat ihm vier Jahre dabei geholfen, auf einer einsamen Insel zu überleben und bei Verstand zu bleiben, und als er ihn auf hoher See ans Meer verliert, trauert man als Zuschauer mit um den Verlust. Dabei spricht Tom Hanks genau genommen mit sich selbst, seinem inneren Berater.

Wenn wir auf uns selbst hören, ist es oft genau das, was unser Selbstbewusstsein stärkt. Wir wissen wieder, wo es langgeht. Was unser Ziel ist. Auch wenn wir vielleicht auf dem Weg abbiegen und die Navigation ändern. Ziele sind im Grunde lediglich Etappen, die uns bestenfalls immer wieder zu uns selbst führen. Und: Wer nicht bei sich ankommt, wird auch woanders nicht ankommen. Auch wenn es nicht wünschenswert ist, vier Jahre auf einer Insel gefangen zu sein und sich von Kokosnüssen zu ernähren, das Fazit des Films lautet: Die

Sonne geht jeden Tag wieder auf. Egal wo wir gerade stehen, können wir im Zwiegespräch mit uns selbst darauf vertrauen, dass es weitergeht.

Sich immer wieder zurückzuziehen ist auch gut, um unsere Beziehungen besser zu gestalten. Denn wenn wir uns auf uns selbst und unsere inneren Themen konzentrieren, können wir auch im Außen ein günstigeres Verhalten zeigen und bei anderen auslösen. So profitieren wir alle davon. Und wir bemerken: Wenn wir uns selbst mehr achten, werden wir auch von anderen mehr ge- und beachtet.

Wenn wir uns auf den Weg machen, erleben wir immer wieder etwas Neues. Manches ist für uns günstig, vieles aber auch ungünstig. Unsere gesammelte Erfahrung ist die Kraft, die uns den Rücken stärkt – auch wenn es sich oft zunächst anders anfühlt. Viele Menschen wollen die unangenehme Vergangenheit löschen oder ungeschehen machen. Es scheint der erste gute Gedanke zu sein. Doch eigentlich wissen wir, dass insbesondere die lästigen und unlustigen Erlebnisse uns stark gemacht haben und uns helfen, wenn wir das nächste Ziel in Angriff nehmen. Wir profitieren von dem, was wir auf dem Weg zu vorangegangenen Zielen erfahren und gelernt haben. Wir integrieren, was vielleicht zuvor nicht beachtet wurde. So können wir uns mit Abstand betrachten und sagen: Spannend, wie ich das damals gemacht habe. Mit meiner Erfahrung von heute würde ich es vielleicht anders machen, aber damals war es okay.

»Das Ziel bin ich« bedeutet, immer wieder bei mir selbst anzukommen. In mein Schneckenhaus passe nur ich allein, sonst keiner. Wenn wir uns regelmäßig zurückziehen, können wir auch mit anderen viel besser »aus dem Häuschen« sein. Wer im Innen ist, bei dem klappt’s auch im Außen viel besser.

Wie würden Sie den Satz vollenden?

»ICH BIN EINE FRAU, DIE … «

»ICH BIN EIN MANN, DER … «

WAS SIE IN DIESEM BUCH ERWARTET

Dieses Buch ist ein bisschen wie ein Spaziergang eines Hundes. Wir gehen los, schnuppern, überlegen, wo wir stehen, laufen wieder ein Stück weiter, futtern, wenn wir hungrig sind, lösen uns, löschen den (Wissens-)Durst, schlafen, dösen, ruhen uns aus und mit der Nase im Wind schnuppern wir schon nach dem nächsten Thema. Doch immer wenn wir denken: Jetzt hab ich’s, geht alles wieder von vorne los. So ist das Leben.

In diesem Buch werden wir schmunzeln über uns, das Leben und all die Dinge, die wir uns so oft ganz anders vorstellen. Wir werden lernen, endlich bei uns selbst anzukommen und fast alle Alltagsprobleme zu lösen.

Wir werden erkennen, wie gut es tut, sich selbst zu mögen und auch im größten Chaos auf der eigenen Seite statt sich selbst im Weg zu stehen. Wir entdecken, wie stark und liebenswert wir uns finden können, wenn wir uns die Zeit nehmen, wieder bei uns selbst anzukommen. Es geht um Sorgen, Glück, Geld und die Liebe – den ganz normalen Wahnsinn. Wir erkennen, wie stark es uns macht, wenn wir zu uns halten, wenn kein anderer Zeit hat. Um endlich wieder die Zufriedenheit im Alltag zu spüren, die uns ebenso unerreichbar wie unspektakulär scheint und die sich wie ein wärmendes Nachhausekommen anfühlt. Leise und kostbar. Das ist ein Ziel, das in jedem von uns steckt. Also los! Nehmen wir uns Zeit für unser Leben – dann haben wir mehr davon. In jedem der folgenden Kapitel werden Sie merken: Sie kommen (immer) wieder bei sich selbst an.

Am Ende des Buches finden Sie für jedes Kapitel eine Seite, auf der Sie notieren können, was Sie mitgenommen haben und was Sie umsetzen möchten. So bleiben Ihre Ideen frisch und führen Sie auf Ihrer Reise Etappe für Etappe zum Ziel. Zu sich selbst. Gute Reise!

1

DIE VIER JAHRESZEITEN

WO STEHE ICH IN MEINEM LEBEN?

In jedem Leben geht es – unabhängig von Herkunft, Position, Bildung, Familienstand oder Bankkonto – immer wieder drunter und drüber. Eine Lebensphase folgt der nächsten, unweigerlich wie die Jahreszeiten. Auf manches können wir Einfluss nehmen, doch das meiste liegt nicht in unserer Macht. Wir können nicht bestimmen, wann die Sonne morgens auf- und am Abend untergeht. Wir können uns nicht aussuchen, ob es Sommer oder Winter ist, kalt oder warm, stürmisch oder mild. Wie sagte die Mama von Forrest Gump in dem gleichnamigen Film so schön: »Das Leben ist eine Pralinenschachtel. Du weißt nie, was du als Nächstes bekommst.«

Wir alle sind ein kleiner Teil des großen Ganzen und wissen nicht, was noch kommen wird. Wenn wir die leisen Töne zulassen, dann können wir unser Leben in Einklang bringen. Die Komposition ist jedoch individuell und sie ist nicht auf unserer Lebens-CD, die wir bei der Geburt mitbekommen. Das ist gut so. Denn wir können bei allem, was uns in die Wiege gelegt wurde, auch selbstwirksam sein. Die Melodie können wir jedoch nicht einfach downloaden, wir entwickeln sie. Wir können uns Zeit nehmen und sie auch ohne ein Instrument perfekt spielen. Es wird sich schön anhören, wir können uns gut fühlen und das Ergebnis kann sich sehen lassen.

Wie in Antonio Vivaldis »Vier Jahreszeiten« ist unser Leben eine Abfolge von Tönen, Empfindungen und jeder hat seine eigene Sicht auf die Dinge. Wie in der Musik erleben wir immer neue Strophen und Passagen in unserem Lebenswandel. Mal sind sie traurig in Moll, mal fröhlich in Dur angelegt. Wie bemerken wir, wo wir stehen und in welcher Tonlage unser Leben gerade spielt? Wenn wir morgens mehr aus dem Bett kriechen statt voll Freude herauszuspringen? Wenn für jedes bisher große Ja plötzlich ein großes Nein steht? Dann ist es manchmal Zeit, dass wir unsere Aufmerksamkeit auf uns selbst richten.

In der Natur erleben wir, wie sich über Nacht die Jahreszeit ändert. Veränderungen sind nicht einfach, aber oftmals viel leichter, als wir zuvor denken. Wenn es Unruhe in unserem selbstgewählten Paradies gibt, sind wir zunächst bemüht, die Störungen zu ignorieren, oder wir lenken uns ab. Wir wollen keine Veränderungen, wir wollen das, was wir kennen. Deshalb halten wir unangenehme Situationen auch lange aus.

Sind unsere Lebensstrecken anstrengend, ist es wie auf einer Wanderung: Wir fragen uns vielleicht: »Warum tust du dir das an?« Bleibt es bei dieser Frage, können schon mal Tage, Monate und Jahre vergehen, ehe wir anhalten oder auch: gezwungen sind, anhalten zu müssen. Erst dann schauen wir uns um. Viele beschreiben solche unfreiwilligen Situationen so: »Ich stehe vor einem Scherbenhaufen.« Fragen wir uns doch einfach mal ohne Druck: Bin ich, wo ich sein will? Bin ich auf dem richtigen Weg? Passt es, wo ich entlanggehe, oder wäre ich gern woanders? Will ich schneller oder langsamer gehen? Wenn wir eine Pause einlegen, spüren wir vielleicht plötzlich, wo der Schuh drückt, oder wir merken, dass wir hungrig und durstig sind. Im Galopp erkennen wir oft nicht, wo die Natur uns den Tisch gedeckt hat. Es gibt zahlreiche Menschen, die von sich behaupten: »Ich habe alles, und doch fehlt mir das Entscheidende.« Sie verhungern am reich gedeckten Tisch.

Vor einer Weile, auf einer Wanderung in den Bergen, war ich eigentlich müde und durstig. Ich ging trotzdem immer weiter und bemerkte die Quelle am Wegesrand, aus der ich hätte trinken können, zunächst gar nicht. Als ich sie sah, war ich nicht sicher, ob es wirklich gutes Trinkwasser war. So wanderte ich mit meinen Zweifeln durstig bis ins Tal, weil ich mir mit dem Bergwasser nicht den Magen verderben wollte. In der Rückschau habe ich mich amüsiert und konnte darüber lächeln, wie übervorsichtig ich mich verhalten hatte. Früher hätte ich mit mir geschimpft, was die Situation jedoch weder verändert noch verbessert hätte.

Wie wir mit uns selbst umgehen, ist etwas, das wir trainieren können. Uns selbst wie ein verängstigtes Häschen anzusehen und zu fragen: Was hast du? Was sorgt dich? Was brauchst du gerade am nötigsten? Sich selbst freundlich zu unterstützen ist sehr viel hilfreicher, als uns zuzüglich zu allem Übel selbst in den Allerwertesten zu treten.

Das Auf und Ab im Leben, die Flexibilität, die wir zeigen müssen, verunsichert uns und hält uns immer wieder davon ab, bei uns selbst anzukommen. Besonders, wenn es es um wichtige Themen wie Geld, unsere Gesundheit, um unsere Liebe, unsere Beziehungen, Freunde oder die Familie geht. Angesichts dieses Auf und Abs tauchen permanent Fragen auf. Finde ich einen guten Job, der mir auch Spaß macht? Bleibe ich gesund? Bleiben die Menschen, die mir am Herzen liegen, bei mir? Werde ich geliebt? Liebe ich meinen Partner wirklich? Was will ich vom Leben? Bin ich erfolgreich genug oder kann ich noch mehr leisten?

Es gibt viele grundlegende Veränderungsfragen und sie können uns sehr belasten. Die Anspannung sitzt uns dann im Nacken oder im Rücken. Wir schlafen schlecht oder liegen nachts wach, sind tagsüber abgelenkt und können uns nicht gut konzentrieren. Die Gedanken kreisen. Wir sind überall – nur nicht bei uns selbst.

In unserem Gehirn gibt es eine Region, die, wenn sie besonders aktiviert ist, für Anspannung in uns sorgt. Wir alle kennen solche körperlichen Störungen, die uns mitteilen, dass wir etwas nicht verdauen. Ob Durchfall oder Verstopfung, hoher Blutdruck, Hautreaktionen oder Atemwegserkrankungen – unser Körper hat eine Message. Statt uns in solchen Situationen unserem Körper wie einer Maschine zuzuwenden, die nicht gut läuft, wäre es günstiger, sich solche Messages wie einen Schrankenwärter im Hirn vorzu stellen. Einen Wächter im Kopf, der dafür sorgt, nur das »durchzulassen«, was er kennt. Das wäre hilfreich, um so manches Unheil abzuwehren.

Wenn wir angesichts von Veränderungen aufgeregt sind, möchten wir die Unruhe vertreiben. Aber da es eine künstliche innere Unruhe ist, die wir selbst in unseren Gedanken herstellen, gelingt das nicht. Der Schrankenwärter in unserem Kopf winkt dummerweise auch all das durch, was uns nicht guttut – ihm aber bekannt vorkommt. Deshalb halten wir oft jahrelang an Dingen fest, die uns nicht guttun. Und im Umkehrschluss können wir Neues nicht installieren, weil – um bei dem Beispiel zu bleiben – der Schrankenwärter im Kopf die Situation noch nicht kennt. Wir haben noch keine Datei dafür im Kopf angelegt.

Unser Gehirn arbeitet sich also an Problemen ab, die es real noch gar nicht gibt. Dabei entsteht immer mehr Anspannung. Das ist zum einen unangenehm, zum anderen sorgt die Anspannung dafür, dass wir eher schlechte Entscheidungen treffen. Wie bei meiner Wanderung: Ich habe den sicheren Weg gewählt und nicht aus der Quelle getrunken. Das war ungünstig, denn ich war lange Zeit durstig und die Wanderung geriet zum disziplinierten Gewaltmarsch. Viele Menschen machen immer weiter, weil sie für das, was sie sich wünschen, noch keine Datei haben. Disziplin und Willensstärke sind gesellschaftlich sehr anerkannt. Wir alle kennen die Sprüche: »Von nix kommt nix« oder »… und wenn es das Letzte ist, was ich schaffe, ich halte nun durch«.

Ist unsere Entscheidung also von Angst dominiert, wählen wir eher ungünstige, aber sichere Wege. Sie kennen das vielleicht von Bankgeschäften. Wir nehmen lieber bei der uns bekannten Hausbank einen Kredit mit höheren Zinsen auf, anstatt uns auf risikoreichere Optionen einzulassen, mit denen wir am Ende mehr gewinnen würden.

Auch spannend ist, dass das Gefühl der Unsicherheit häufig schlimmer ist als das, was wir in unserer Unsicherheit eigentlich fürchten. So erleben Menschen das Warten auf eine bevorstehende Entscheidung als sehr belastend und aufgeregt. Sobald die Entscheidung vorliegt, sind sie vergleichsweise ruhig – selbst wenn die Entscheidung eine Kündigung ist. Ich hätte es bestimmt auch überlebt, wenn ich entschieden hätte, das nicht ganz frische Quellwasser zu trinken. Doch so weit habe ich gar nicht gedacht.

Wenn wir wissen, womit wir zu rechnen haben, können wir uns meist darauf einstellen. Wir machen konkrete Pläne. Solange wir aber nur auf diffuse Weise warten, tut unser Körper alles, um diese Unsicherheit auszugleichen. Unsere Gedanken drehen sich im Kreis, wir kommen zu keiner Lösung. Stattdessen werden wir immer unruhiger, manchmal sogar verzweifelt, panisch oder depressiv.

In solch unsicheren Zeiten kann es uns helfen, unsere Aufmerksamkeit von außen nach innen zu lenken. Unser Gehirn versucht dann nicht länger etwas zu kontrollieren, was außerhalb unserer Kompetenz liegt. Stattdessen wenden wir uns dem zu, was im Moment wirklich Aufmerksamkeit braucht: uns selbst und dem, was uns gerade bewegt. Wir wenden uns unserem auch mal desolaten Zustand freundlich und aufmerksam zu. Wir erkennen an, wie uns zumute ist. Wir helfen uns und übernehmen die Verantwortung für unsere Entscheidung. Dabei ist Angst durchaus ein sehr gutes Warnsystem. Trauer weist uns darauf hin, dass wir uns Zeit geben sollten, um einen Verlust zu verarbeiten. Wut ist ein Geschenk, sagt Ghandi. Es gibt uns Energie und Power, um Ungerechtigkeiten aus dem Weg zu räumen.

Wenn wir den Kampf gegen den Wandel der Jahreszeiten aufgeben, dann lernen wir, mit ihm zu leben. Dann leiten uns die Jahreszeiten. Unsere Gedanken beruhigen sich und wir können wieder klarer sehen und günstiger handeln. Wir kommen wieder in den Moment, in das Jetzt. Von dort können wir sehen, was als Nächstes zu tun ist, damit es uns und den Menschen um uns herum besser geht.

Es gibt viele Unsicherheiten. Wir können unser Portemonnaie verlieren – oder unverhofft eine Steuerrückzahlung erhalten. Wir verlieben uns oder haben Streit mit unserem Lebenspartner. Eine geniale Idee wird zu einem guten Plan. Die Sonne in unserem Gesicht stimmt uns aus heiterem Himmel dankbar und fröhlich. Ein großer Baum schützt uns, wenn ein Regenguss vom Himmel stürzt. Eine stille Freude überkommt uns aufgrund einer gelungenen Überraschung. Wir machen auch Fehler, die wir teuer bezahlen müssen. Wie das Wachstum in den Jahreszeiten geht es auf und ab. Doch wann die Stimmung steigt oder sinkt, ist nicht vorhersehbar. Was wir ernten, ist nicht planbar. Wenn wir guter Dinge sind und gut gestimmt das Leben betrachten, blicken wir erfreut zurück auf das, was wir schon alles geschafft haben. Sogar Fehler scheinen unsere Freunde zu sein, von und aus denen wir kontinuierlich lernen. Wenn wir gut gelaunt sind, entspannt bei einem schönen Essen mit einem guten Glas Wein sitzen, empfinden wir das Leben nie als langweilig.

Die Gedankenpferde und das Leben lassen sich nicht anbinden. Genau das macht es interessant. Wir dürfen gespannt sein, auch wenn wir es uns immer wieder anders vorgestellt haben, als es am Ende passiert. Da wir immer wieder lernen, uns entwickeln, uns anpassen, erlauben wir uns, lebendig zu sein, uns berühren zu lassen. Wenn etwas immer gleich ist, sind wir nicht so aufmerksam. Dann öffnet der Wärter automatisch seine Schranken und lässt auch das durch, was wir vielleicht gar nicht mehr passend finden.

Manchmal wollen wir etwas ändern, wissen aber nicht genau, wo wir ansetzen sollen. Zu unserer aller Beruhigung: Manchmal ist es auch gut, die Dinge so anzunehmen, wie sie sind. Im Zeitalter des Optimierungswahns sind wir manchmal zu sehr bestrebt, alles unter die Lupe zu nehmen. Betrachten wir die Dinge und Geschehnisse lieber mit Abstand – so wie wir die Wolken am Himmel betrachten – und lassen sie weiterziehen. Nicht jede graue Wolke bedeutet, dass es regnen wird, und selbst wenn es einen Guss gibt, ist nicht gleich die ganze Ernte gefährdet.

Doch wie realisieren wir, wo wir stehen? Wenn aus einem großen Ja ein Nein wird, merken wir, dass etwas nicht passend ist. Das macht sich in ganz alltäglichen Dingen bemerkbar. Was uns immer Freude gemacht hat, ist langweilig, der Lieblingspulli kratzt und scheint nicht mehr tragbar, Menschen, mit denen wir uns umgeben, sind nicht mehr inspirierend und geben uns nicht wie sonst Kraft, sondern räubern unsere Energie. Der Mann schnarcht nervtötend und die Frau lacht zu laut. Die Kinder sind undankbar und auch von den Freunden weiß keiner so richtig zu schätzen, was wir alles für sie tun. Doch das bedeutet nicht, dass man nun ein komplett neues Leben braucht. Auch mit uns selbst ist alles okay. Was es braucht, ist Klarheit, Ordnung und Aufmerksamkeit. Wenn wir alles nur schwarz und weiß bewerten, gibt es kein ausgleichendes Grau. Gleichzeitig kennt unser Gehirn keine abstrakten Bilder. Es mag Schwarz oder Weiß. Das Grau scheint langweilig und monoton. Wir lechzen nach Abwechslung, und wenn das Auf und Ab da ist, wollen wir endlich innere Ruhe finden. Die Aggregatzustände sind bei vielen Menschen wie bei einem technischen Gerät: Es gibt nur »on« oder »off«. Wir sind – trotz all der technischen Vergleiche (ich habe eine Schraube locker, mein Gehirn muss geölt werden, ich habe keinen Saft mehr …) – aber keine Maschine. Wir brauchen eine menschliche, uns selbst zugewandte Wartung und Pflege.

Wenn uns die Aufmerksamkeit und Akzeptanz für die Jahreszeiten abhanden kommen, dann ist auch das Wachstum und die Ernte in Gefahr. Wenn wir also das Gefühl haben, nichts mehr zu erreichen oder auf der Stelle zu treten, dann ist es oft Zeit, dass sich der Wind mal dreht und wir uns neu aufstellen.

Wie gehen wir damit um, wenn das Leben unschön wird? Wenn wir anerkennen, was ist, fühlen wir uns wie nach einer unschönen Entscheidung. Alles wird klarer und wir können etwas für uns tun. Die notwendige Distanz schenkt uns Klarheit. Wir sind aufmerksam und können mithilfe unserer Erfahrung, die ein guter Berater ist, weitermachen. Im eigenen Tempo. Das kann schnell(er) oder langsam(er) sein. Dafür gibt es keine allgemeingültige Bewertung. Gut ist, was zu uns passt. Gleichgültig, ob wir dem Treiben lächelnd zuschauen oder aktiv konkrete Pläne machen. Nichtstun und Tun sind gleichermaßen kluges Handeln, sofern uns der Unterschied bewusst ist. Einzig dem Schrankenwärter müssen wir manchmal Neues beibringen und aushalten, dass er meckert, wenn er noch nicht weiß, warum er das, was wir uns einfallen lassen, durchwinken darf.

»Es ist nicht die stärkste Spezies, die überlebt, auch nicht die intelligenteste. Es ist diejenige, die sich am ehesten dem Wandel anpassen kann.« Die Aussage des berühmten britischen Evolutionsforschers Charles Darwin gilt heute mehr denn je. Bei aller Vorausschau und Lebensplanung: Es geht immer nur um den nächsten Schritt. Wenn wir aufmerksam sind, bemerken wir. was um uns herum passiert. Dann können wir die richtige »Diagnose« stellen und einen »Behandlungsplan« entwerfen. Dabei gibt es kein Rezept für alle. Nicht einen Weg für alle, aber für alle einen Weg.

ES GIBT NICHT EINEN WEG FÜR ALLE, ABER FÜR ALLE EINEN WEG.

Wir können, egal wie das Wetter ist, Einfluss nehmen. Grundsätzlich können wir uns natürlich warm anziehen oder den schweren Mantel ablegen, wenn es zu heiß wird – je nachdem, in welcher Jahreszeit wir uns befinden. Wenn wir rausgehen und uns bewegen, können wir Licht ins Dunkle bringen, was nachweislich unsere mentale Verfassung positiv beeinflusst und uns Luft zum Atmen gibt. Naturräumen wird inzwischen ein großes gesundheitsschützendes und entwicklungsförderndes Potenzial beigemessen. Jeder weiß, wie gut ein flotter Spaziergang in der Natur tut. Erst einmal frische Luft schnappen zu gehen und in der Bewegung wieder klare Gedanken, Verständnis für uns selbst und andere zu generieren ist besser, als direkt loszupoltern. Wir können also in vielfältiger Weise positiv auf unsere psychische, physische und soziale Entwicklung und unser Wohlbefinden einwirken. Zu jeder Jahreszeit.

Wo der eine durch die Heide rennt, will ein anderer in Ruhe auf dem Sofa eine Seifenoper sehen und dabei die eine oder andere Tafel Schokolade vernichten. Es ist auch schön, jegliche Aktivität einmal wegzulassen, zu faulenzen, gut zu essen und sich richtig auszuschlafen. Virginia Woolf sagte: »Man kann weder gut denken noch gut lieben noch gut schlafen, wenn man nicht gut gegessen hat.« Ich glaube, manchmal ist es gut, wenn wir all diese Dinge tun, damit unser Leben uns wieder in einem besseren Licht erscheint. Vorsichtig sollten wir sein, wenn wir dazu neigen, mangelndes Wohlbefinden mit ein paar Gläschen Rotwein, Zigaretten oder der ebenso legalen Droge, dem Essen, zu kompensieren. Wenn wir etwas in uns hineinschütten und die lauten Schiffshupen in unserem Kopf betäuben. Manchmal ist das okay. Unser Verhalten kompensiert, wie ein Krückstock, stützt und hält uns, damit wir nicht umfallen. Auf Dauer können wir aber günstigere und gesündere Lösungen finden.

Gerade wenn wir an den Übergängen nicht aufmerksam sind, dann hakt es oft immer an der gleichen Stelle. Im vollen Galopp ist alles prima, wir hecheln dann dem Wochenende oder vielleicht dem Urlaub, der Hochzeit, dem ersten Kind entgegen. Dann soll all das, was wir bis dahin verdrängt oder versäumt haben, nachgeholt werden und wir werden glücklich. Es hat sich rumgesprochen, dass dies leider nicht funktioniert.

Günstiger wäre es, wenn wir uns bewusst machen: Wo stehe ich jetzt gerade? Wenn wir in den Süden fliegen und dort in eine andere Klimazone kommen, dann stellen wir uns vor, wie es dort sein wird, und packen die passenden Dinge für die Jahreszeit in unseren Koffer. Wenn wir aufmerksam sind, wissen wir, wo wir stehen, lernen wir automatisch, die Dinge mit Abstand zu betrachten. Bleiben wir in dem Bild: Wenn wir in den Urlaub fliegen, empfinden wir den Abstand zur Welt weit unter uns als befreiend und atmen durch. Wir können auch ohne Flieger Abstand bekommen und unsere Aufmerksamkeit lenken. Wir haben zwar keinen Einfluss auf das, was passiert, aber darauf wie wir mit unserem Leben umgehen. Wir entscheiden, worauf wir unsere Aufmerksamkeit legen.

Achten wir, im Wissen, wo wir stehen, auf das, was für uns aktuell wichtig ist, erkennen wir auch meist direkt, wo unsere Vorstellungen mit denen der anderen kollidieren. Warum wir enttäuscht sind, ängstlich, wütend, traurig oder unsicher. Die Bewusstheit ist der erste Schritt zu mehr Selbstverantwortung.

Beachten wir dabei die eigene Natur unserer menschlichen Jahreszeiten, wie wir im Kalender ja bestenfalls auch erst nach den Eisheiligen die Blumen rausstellen, dann gestalten wir die Übergänge geschmeidig und können einen Blumentopf retten oder sogar einen gewinnen. Wenn wir akzeptieren, was ist, und innerlich das Wörtchen »noch« einbauen, weiß der Schrankenwärter: Okay, noch nicht, aber vielleicht später. Wir entscheiden dann nicht schwarzweiß (das geht nicht, das wird nie so sein), sondern in Grau. Ich kann das noch nicht. Es ist noch nicht so, wie es sein soll. Das gibt uns ein gutes Gefühl, weil das Handeln offen ist und der Gedanke alles möglich sein lässt.

Wenn wir Klarheit darüber haben, wo wir in »unseren Jahreszeiten« stehen, und erkennen, dass es vielleicht gerade nicht schönster Sommer ist, dürfen wir doch davon ausgehen, dass auch am nächsten Tag die Sonne aufgehen wird. Wir können sie manchmal nicht sehen, auch nicht bestimmen, wann sie auf- oder untergeht, doch wir wissen ganz sicher: Sie wird wieder scheinen. Der Lauf der Jahreszeiten hält nicht inne.

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UND TÄGLICH GRÜSST DAS MURMELTIER

WIE WIR IN IMMER WIEDERKEHRENDEN SCHWIERIGEN SITUATIONEN NEUE WEGE FINDEN

Manchmal ist es wie verhext: Wie in einer Dauerschleife passiert uns immer wieder das gleiche Missgeschick oder wir stehen vor exakt dem gleichen Problem. Eine meiner eindrücklichsten Serien in Sachen »Und täglich grüßt das Murmeltier« war die mehrfache Versenkung meines Mobiltelefons im Klo. Es ist mir innerhalb eines Jahres nicht nur ein Mal, sondern es ist mir drei Mal passiert. Und ich bin nicht stolz drauf, glauben Sie mir. Zwei Mal ist mein Handy aus der Hosentasche direkt ins Klo geplumpst. Dann wollte ich schlau sein. In weiser Vorausschau hatte ich es in meiner Manteltasche platziert. Und trotzdem! Bei dem Geräusch, diesem leisen Plopp, wenn das Mobilgerät ins Wasser plumpst, dachte ich: »Das kann ja wohl nicht wahr sein.« Aber es war wahr, denn ich erlebte es ja gerade.

Beim dritten Mal kam ich mir vor wie Bill Murray in der Filmkomödie »Und täglich grüßt das Murmeltier« von Harold Ramis aus dem Jahr 1993, in der der Protagonist Phil Connors in einer Zeitschleife feststeckt. Anders als Phil bekomme ich allerdings nicht jeden Tag erneut die Chance, meinen Fehler noch einmal zu korrigieren. Bezahlen (ein neues Handy) und »fröhlich sein« war meine Devise. Wobei »fröhlich sein« mir in dem Moment wirklich schwerfiel. Ich musste sehr aufpassen, nicht in der Selbstvernichtungsschleife hängen zu bleiben: Wie doof kann man sein? Wieso habe ich nicht daran gedacht? Ich konnte der Situation dann zu guter Letzt doch mit Humor beikommen und dachte an Hape Kerkeling und seine Worte: »Also, isch glaub et nisch!«

»HUMOR IST EBEN DOCH DER ENTSCHEIDENDE KNOPF, DAMIT UNS NICHT DER KRAGEN PLATZT. «

JOACHIM RINGELNATZ

Wenn uns ein negatives Erlebnis immer wieder passiert, ist das nicht nur unangenehm, es macht uns wütend oder traurig, es nervt, weil wir scheinbar nicht eingreifen können. Wir suchen nach Verantwortlichen oder Schuldigen oder glauben gar, dass wir vom Pech verfolgt sind. Dabei führen die stetigen Wiederholungen schlicht dazu, unserem Schrankenwärter im Kopf, den wir ja schon kennengelernt haben, ein Verhaltensprogramm zu liefern. Manchmal reicht ein kleines Verhaltensmuster, damit der Schrankenwärter es sich merkt und einspeichert. Neue Muster oder Programme hingegen können wir ihm nur sehr mühsam beibringen. Das Versenken meines Handys war ein großer Schreck und teuer für mich. Es war mein Firmenhandy. Weder meine Kunden noch meine Kinder oder mein Mann konnten mich erreichen. Die Situationen führten dazu, dass sich viele Waggons der Ohnmacht und der irrationalen Ängste an meine Lok anhängten.

Unser Gehirn ist also ein Bahnhof. Wir selbst sind die Lok und unsere Erlebnisse sind die Waggons. Im Kopf parken alle unsere Erlebnisse wie Waggons. Der Schrankenwärter ist ein sehr aufmerksamer Wachposten. Er kontrolliert, wer in unseren Bahnhof darf und wer ihn verlässt. Der Schrankenwärter ist – auch wenn es sich oft anders anfühlt – unser Freund. Er möchte uns helfen, alles richtig zu machen. Doch auch wenn er durch seine Programme oft starke Gefühle auslöst, er selbst hat keine Emotionen.

Stellen wir es uns einmal mit einem zugegebenermaßen drastischen Bild vor: Jeden Morgen um 8 Uhr rammen wir uns ein Messer ins Bein. Das Blut spritzt, es tut weh und wir hören uns schreien: »Oh nein, nicht schon wieder!« Der Schrankenwärter kennt dieses Programm schon seit vielen Jahren. Er tröstet uns damit, dass er und auch wir das Procedere schon längst kennen und also keinen Grund haben, uns immer wieder aufzuregen. Wenn wir ihm nun versuchen klarzumachen, dass wir einfach keine Lust mehr haben, uns jeden Morgen um 8 Uhr ein Messer ins Bein zu rammen, sagt er schlicht: »Nein!« Er kann nur schlecht von seinen Plänen abweichen. Dann erklären wir zunächst geduldig, dann wütend oder mit jammernder Stimme: »Ach bitte, es tut weh, blutet und ich mag das nicht mehr aushalten.« Wenn wir es ihm immer wieder erklären, wird er es irgendwann knurrend hinnehmen, dass die Wiederholungsschleife zu Ende ist. Doch die ersten Wochen wird er uns jeden Morgen Punkt acht daran erinnern, dass gerade »Messer-ins-Bein-rammen-Zeit« ist.

Wenn wir nicht aufmerksam sind, hängt der Wärter uns all die Erlebnisse an, die er für wichtig hält, um eine aktuell brenzlige Situation zu lösen. Denn er weiß, dass viel von dem, was wir erfahren haben, sehr nützlich ist, um neue Themen zu lösen. Dass es für uns unangenehm ist, Situationen ständig erneut zu erleben, kann er nicht nachvollziehen. Für ihn gibt es keine guten oder schlechten Gefühle. Er hat nur eine Software: Kenne ich oder kenne ich nicht. Und seine Schranke öffnet er ausschließlich für das, was er kennt. So beschützt er uns. Das Ankoppeln von den geparkten Waggons nennt man in der Psychologie »triggern«. Ein Geruch, ein Bild oder ein Song im Radio und zack! zieht uns das alles wie ein Magnet mit in eine andere Zeit.