Daten der Weltgeschichte -  - E-Book

Daten der Weltgeschichte E-Book

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Beschreibung

Das leicht verständliche Nachschlagewerk! Mit diesem kompakten Handbuch zur Weltgeschichte erhält der Leser ein Kompendium historischen WIssens, das alle bedeutenden historisch-politischen, geistigen und wirtschaftlichen Entwicklungen und Ereignisse der letzten 2000 Jahre berücksichtigt. Wie mit dem Brennglas wird die Menschheitsgeschichte von der römischen Kaiserzeit bis in die Gegenwart lebendig, genau und übersichtlich dargestellt. Sowohl Erwachsene als auch Schüler können ihre Geschichtskenntnisse mithilfe dieser Chronik ganz einfach auffrischen und vertiefen. Die praktische Navigation nach Jahreszahlen in diesem eBook ermöglicht es, die Ereignisse schnell in ihrem historischen Zusammenhang einzuordnen. Die Lektüre dieses eBooks regt außerdem zu einer intensiven Beschäftigung mit der Vergangenheit an und führt somit zu einem besseren Verständnis unserer Gegenwart.

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© Naumann & Göbel Verlagsgesellschaft mbHEmil-Hoffmann-Str. 1, D-50996 KölnGesamtherstellung: Naumann & Göbel Verlagsgesellschaft mbHAlle Rechte vorbehaltenE-Book ISBN 978-3-8155-7871-1www.naumann-goebel.de

Daten der Weltgeschichte

Vorwort

Aufgezeichnete Geschichte ist das Gedächtnis der Völker. Im Leben eines jeden Volkes kommen Augenblicke, in denen die Erinnerung an die eigene Geschichte notwendig wird. Die Jahrtausendwende beispielsweise war ein solcher Moment, ein tiefer Einschnitt, ein Schlussstrich unter zwei Jahrtausende Menschheitsgeschichte. Grund genug für eine Bilanz der jüngsten Ereignisse und einen nachdenklichen Blick auf zwanzig Jahrhunderte, die hinter uns liegen.

Diese Chronik möchte dem Leser ein Kompendium historischen Wissens an die Hand geben, das nicht nur seinem Interesse für geschichtlich relevante politische Ereignisse gerecht wird, sondern auch wirtschaftliche, kulturelle, geistige und soziale Fragen angemessen berücksichtigt – »Welt-Geschichte« in einem umfassenden, universalhistorischen Rahmen. Globale Veränderungen in der Gesellschaft und in den Beziehungen der Menschen zueinander werden erfasst und dargestellt: sei es die Entwicklung neuer Staatswesen, die Wandlung ihrer Völker oder der rasante Fortschritt auf den Gebieten Medizin, Naturwissenschaften, Industrie und Technik.

Wie mit einem Brennglas werden zweitausend Jahre Menschheitsgeschichte in das Gesichtsfeld des Lesers gerückt. Bei dieser Darstellung wird neben den großen geschichtlichen Ereignissen aber auch die Alltagsgeschichte berücksichtigt, die mitunter viel häufiger den Geist einer Epoche treffend darstellt: Die Erinnerung an eine Schlagermelodie, an den Inhalt eines Buches, eines Filmes oder eines Theaterstücks wird wieder wach, eine Naturkatastrophe oder ein Emotionen wachrufendes Verbrechen wird wieder in Erinnerung gebracht.

Das moderne Wissen friedlich zu nutzen und die nicht minder großen Risiken der Gegenwart verantwortungsbewusst zu bewältigen ist nur möglich bei einer kritischen Rückbesinnung auf das spezifisch Menschliche, auf unsere Geschichte. Das vorliegende Werk will dazu einen grundsätzlichen Beitrag leisten.

27 v. Chr.

Augustus begründet das Römische Kaisertum

Mit dem großen Heer, das er in der Bürgerkriegszeit aufgestellt hatte, konnte Octavian die Alleinherrschaft im Römischen Reich erobern. Lange zögerte er, ob er nicht die Republik wieder errichten sollte. Gedrängt vom Senat und aus Angst vor ähnlichen Wirren aber, wie sie nach dem Tod seines Onkels das Weltreich erschüttert hatten, akzeptierte Octavian schließlich am 16. Januar 27 v. Chr. die Ernennung zum »Augustus« (der Erhabene) und damit die Rolle des Alleinherrschers. Zwar bemühte er sich, nach außen eine Art republikanische Fassade zu bewahren, doch verhinderte das nicht die Entstehung einer Art Super-Monarchie, des Kaisertums, das seinen Namen dem Ehrentitel aller römischen Herrscher, nämlich »Caesar« verdankt. Beim Geschichtsschreiber Cassius Dio heißt es darüber: »Auf diese Weise ging nun die ganze Gewalt von Volk und Senat in die Hände von Augustus über, und mit ihm begann auch eine wirkliche Monarchie … denn das wäre die angemessenste Bezeichnung. Freilich verabscheuten die Römer diese Bezeichnung ›Monarch‹ so sehr, dass sie ihre Herrscher weder als Diktatoren noch als Könige noch mit ähnlichen Titeln bezeichneten. Da jedoch die letzte Entscheidung in der Politik ihnen zukommt, kann man unmöglich abstreiten, dass sie wie Könige herrschen. Zwar werden die Ämter, die … auf den Gesetzen begründet sind, – abgesehen von dem des Censors – auch heute noch besetzt, aber alles wird ohne Unterschied so vollzogen und verwaltet, wie es der jeweilige Herrscher will. Um aber den Schein aufrechtzuerhalten, das alles besäßen sie aufgrund von Gesetzen, nicht aufgrund ihrer persönlichen Macht, haben sie alle Ämter (einschließlich der alten Titel), die in der Zeit der Republik nach dem Willen des Volkes großen Einfluss hatten – allein die Diktatur ausgenommen – an sich gezogen. Konsuln werden sie sehr häufig, … die Bezeichnung ›lmperator‹ führen sie ihr Leben hindurch, nicht nur die, die einen Sieg davongetragen haben, sondern auch alle anderen Herrscher, um ihre unbeschränkte Macht dadurch zum Ausdruck zu bringen anstelle des Titels König oder Diktator: Und so haben sie sich aufgrund dieser aus der Zeit der Republik stammenden Bezeichnungen die gesamte Staatsgewalt zugelegt, sodass sie auch die Macht eines Königs besitzen, ohne doch den verpönten Titel zu führen.«

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Die Geburt Jesu

Jesus ist die lateinische Form des hebräischen Namens Joshua, der sich von Jahwe (Gott) ableitet, das griechische Wort christos bedeutet »der Gesalbte«, also »der König«. Millionen Menschen auf unserem Planeten erkennen in Jesus den Gottessohn und Erlöser. Wer ihn nicht als Messias anerkennt, verehrt ihn doch als den »Bruder Jesus«, den Propheten der Nächstenliebe, dessen leuchtendes Vorbild über alle Zeiten strahlen wird. Seine Botschaft, ob als Gottes Wort oder Menschenwort verstanden, hat an Aktualität niemals eingebüßt, insbesondere der Geist, der aus seiner Bergpredigt spricht, gilt bis heute als die größte Herausforderung an die Mitmenschlichkeit des Menschen. Die Geburt Jesu wird der vierzehnjährigen Maria, verlobt mit Joseph, dem Zimmermann, durch den Erzengel Gabriel verkündigt: »Ave Maria! (Gegrüßet seist du, Hochbegnadete!) Der Herr ist mit dir! … Siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären, des Namen sollst du Jesus heißen. Der wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden; und Gott, der Herr, wird ihm den Thron seines Vaters David geben, und er wird ein König sein über das Haus Jakob ewiglich, und seines Reiches wird kein Ende sein« (Lukas 1, 28 und folgende).

Mit 15 Jahren, vermutlich im Jahre 6 vor der Zeitenwende, gebar Maria ihren Sohn. Um der Verfolgung des Königs Herodes zu entgehen, der wegen der Geburt eines Königs der Juden (nach Matthäus 2, 16) den Kindermord zu Bethlehem befahl, floh die Familie nach Ägypten. Nach Herodes’ Tod (im Jahre 4 vor der Zeitenwende) kehrte sie nach Galiläa zurück und wohnte in Nazareth.

9

Schlacht im Teutoburger Wald

Im Jahre 9 n. Chr. gelang dem Cheruskerfürsten Hermann (Arminius) im Teutoburger Wald ein vernichtender Schlag gegen die Legionen des Quintilius Varus. Der Geschichtsschreiber Cassius Dio berichtet:

»Die Römer hatten nur einzelne Punkte des Germanenlandes in ihrer Gewalt, nicht ein zusammenhängendes Gebiet, sondern wie sie gerade hier und da von ihnen unterworfen waren … Daher ist auch in der geschichtlichen Überlieferung hiervon keine Rede. Ihre Truppen überwinterten dort und legten städtische Ansiedlungen an, und die Barbaren wurden zur Ordnung der Römer umgestimmt: Sie gewöhnten sich an ihre Märkte und hatten friedliche Zusammenkünfte. Aber den Geist der Väter, ihren angeborenen Charakter, ihre selbstherrliche Lebensweise und ihre Freiheit aufgrund ihrer Wehrhaftigkeit hatten sie nicht vergessen. Daher empörten sie sich, solange sie nur allmählich und gewissermaßen schrittweise bei der nötigen Vorsicht vonseiten der Römer ihre Eigenart verlernten, auch nicht über die Veränderung ihres Lebens. Sie merkten kaum, dass sich ihr Wesen wandelte. Als aber Quintilius Varus die Statthalterschaft in Germanien übernahm und, während er die Verhältnisse bei ihnen aufgrund seiner Amtsgewalt zu regeln suchte, danach trachtete, sie auf einmal zu anderen Menschen zu machen und ihnen Vorschriften gab, als ob sie schon geknechtet wären, und nun gar Geldzahlungen von ihnen wie von Untertanen eintreiben wollte, da war ihre Geduld zu Ende: Die Vornehmen, die ihre frühere Machtstellung wiedererlangen wollten, und das Volk, das den altgewohnten Zustand der Fremdherrschaft vorzog, sie alle lehnten sich zwar nicht offen auf, denn sie sahen, wie viele Römer am Rhein und wie viele in ihrem eigenen Lande standen. Vielmehr nahmen sie Varus auf, als ob sie alle seine Gebote erfüllen würden und lockten ihn fern vom Rheine fort in das Land der Cherusker und zur Weser.

Den Ablauf der furchtbaren Katastrophe, der schwersten, die Rom nach dem Fall des Crassus bei den Parthern in fremdem Lande erlitten hat, kann ich nur mit Wehmut berichten. Das beste Heer von allen, das an Manneszucht, Tapferkeit und Kriegserfahrung unter den römischen Truppen das erste war, geriet durch die Stumpfheit seines Führers, die Tücke des Feindes und die Missgunst des Schicksals in die Falle. Und da den Truppen nicht einmal ungehindert Gelegenheit gegeben wurde, zu kämpfen oder vorzurücken, soweit sie es wollten, ja, sogar einzelne schwer bestraft wurden, weil sie römische Waffen gebraucht und römischen Mut gezeigt hatten, ward es eingeschlossen durch Wälder, Sümpfe und Hinterhalt, bis zur Vernichtung von dem Feinde niedergehauen. Der Feldherr hatte mehr Mut zum Sterben als zum Kämpfen, denn nach dem Vorbilde seines Vaters und Großvaters stürzte er sich selbst in das Schwert …«

14

Tod des Augustus

Am 19. August 43 v. Chr. hatte er sein erstes Konsulat angetreten und am 19. August 14 n. Chr. starb er: Gaius Octavius, später Octavianus, genannt Augustus (der Erhabene), Neffe und Adoptivsohn des großen Caesar, erster Kaiser des Römischen Reiches, in dessen Regierungszeit die Geburt Christi fiel, die Zeitenwende. Wahrlich ein weltgeschichtliches Datum! Prophetisch geradezu muss man es nennen, dass der römische Senat schon im Januar 27 v. Chr. den Monat Sextilis zu Ehren des Herrschers in Augustus umbenannte, den Monat, in dem der Kaiser auch sterben sollte.

Der Merkwürdigkeiten sind noch mehr, so etwa, dass er im gleichen Hause in Nola bei Neapel verschied, in dem auch sein Vater gestorben war. Mit ihm hatte der römische Bürgerkrieg, gleichzeitig aber auch die Republik ein Ende gefunden, mit ihm erreichten römische Kultur und Gesittung einen nie gekannten Gipfel. Die »pax augusta«, der augusteische Frieden, wurde zum Kennzeichen der Epoche. Des Kaisers letzte Stunden schildert der römische Historiker Sueton so: »An dem letzten Tage seines Lebens erkundigte er sich wiederholt danach, ob das Volk auf der Straße über seinen Zustand schon beunruhigt sei, ließ sich einen Spiegel reichen, sein Haar kämmen, sein Gesicht schminken und pudern und die herabsinkenden Kinnladen heraufziehen. An die Freunde, die er vorgelassen hatte, richtete er die Frage, ob sie nicht dächten, dass er seine Rolle in der Komödie des Lebens ganz artig gespielt hätte. Darauf verabschiedete er alle Anwesenden. Während er sich bei den eben aus Rom Eingetroffenen nach dem Befinden der kranken Tochter des Drusus erkundigte, verschied er plötzlich in den Armen seiner Gattin Livia.«

30

Kreuzigung Jesu

In Nazareth wuchs Jesus als frommer Jude auf. Mit ungefähr 30 Jahren ließ er sich von Johannes taufen und begann öffentlich zu wirken. Er predigte, dass Gottes Reich nahegekommen sei, verkehrte mit Leuten aus allen Schichten, nahm sich besonders der Armen, Kranken und Unterdrückten an und berief einige Männer in seine unmittelbare Nachfolge (die zwölf Apostel). Durch seinen Anspruch, von Gott gesandt zu sein und dessen Willen letztgültig auszulegen, gefährdete Jesus den Machtanspruch der gesetzesfrommen jüdischen Geistlichkeit, der Schriftgelehrten und Pharisäer. Der unbequeme Aufrührer wurde der Gotteslästerung angeklagt und vor den Statthalter Pontius Pilatus geführt, der um des römischen Friedens in Palästina willen das Todesurteil aussprach. Jesus wurde wie ein Verbrecher am Kreuz hingerichtet (vermutlich am Freitag vor dem Passahfest des Jahres 30), einer Reihe von Zeugen erschien er nach drei Tagen (Ostern) als Auferstandener in verklärter Gestalt. Er wurde zu Gott erhoben (Himmelfahrt) und sandte der jungen Christengemeinde den Geist Gottes am Pfingstfest. Die Gestalt des strafenden Gottes des Alten Testaments war abgelöst von der frohen Botschaft.

37

Tod des Tiberius

Tiberius (42 v. Chr.–37), als römischer Kaiser Tiberius Julius Caesar Augustus genannt, war der Sohn der Livia Drusilla, die in zweiter Ehe 38 v. Chr. Octavian-Augustus geheiratet hatte, Lebensschicksal und Karriere waren dadurch vorgezeichnet. Sein militärisches und organisatorisches Talent konnte Tiberius in Kriegen gegen Pannonier und Dalmater und dann gegen die Germanen beweisen. Als alle anderen Versuche des Augustus, einen Nachfolger aufzubauen, gescheitert waren, griff er im Jahre 4 n. Chr. auf seinen Stiefsohn, der in einer frei gewählten Verbannung auf Rhodos lebte, zurück, adoptierte ihn und ließ ihm jene staatsrechtlich abgesicherten Machtpositionen verleihen, die dem Senat 14 n. Chr. keine andere Wahl ließen, als diesen mächtigsten Mann zum neuen Kaiser (Princeps) auszurufen. Seine Regierungszeit war eine Phase der Konsolidierung des Reiches. Die Expansionspolitik in Germanien, die 9 n. Chr. durch Arminius einen schweren Rückschlag erlitten hatte, wurde im Jahre 16 endgültig aufgegeben.

Die außeritalischen Provinzen erholten sich im Frieden, da die Verwaltung funktionierte und die Tributverpflichtungen tragbar waren. Wenn trotzdem das Urteil zwiespältig bleibt, weil mit dem Namen des Tiberius auch die massenhaften Majestätsprozesse verbunden sind, so liegt das an den unerfreulichen Cliquenbildungen und Rivalitäten im Kaiserhaus und an der undurchsichtigen Haltung des Kaisers, der in der senatorischen Führungsschicht wenig beliebt war, sich im Jahre 26 nach Capri zurückzog und noch stärker alle Macht dem ehrgeizigen Prätorianerpräfekten Seianus überließ. Mit Jubel wurden darum im Jahre 37 sein Tod und das neue Kaisertum Caligulas begrüßt. Eine wenig schmeichelhafte Beurteilung des Charakters von Tiberius findet sich in den »Annalen« des Tacitus. Freilich ahnten die Römer, die das Ableben des Tiberius bejubelten, noch nicht, dass es unter Caligula noch schlimmer kommen sollte:

»Tiberius’ Charakter zeigte im Laufe seines Lebens Veränderungen. Solange er Privatmann oder Heerführer unter Augustus war, war sein Wandel und Ruf vorzüglich. Solange noch Germanicus und Drusus am Leben waren, versuchte er seine Laster geheim zu halten und Tugendhaftigkeit zu heucheln. Auch bis zum Tode seiner Mutter kreuzten sich noch gute und schlechte Eigenschaften in ihm. Solange er dann Seianus liebte oder fürchtete, verbarg er immerhin noch seine unnatürlichen Lüste, wenn seine Grausamkeit ihm auch allgemeinen Abscheu zuzog. Als er nach dem Schwinden der Scham oder Furcht ganz seiner eigenen Art leben konnte, da trat seine Verruchtheit und Lasterhaftigkeit offen zutage.«

41

Die Schreckensherrschaft Caligulas

Der römische Kaiser Gaius Julius Caesar Germanicus (12–41) bekam von Soldaten den Spitznamen »Caligula« (Soldatenstiefelchen), als er seine ersten Jahre im Lager seines Vaters Germanicus, des Oberbefehlshabers an der Rheinfront, verbrachte. Als Einziger, der in direkter Linie noch mit Augustus blutsverwandt war, hat dieser unreife, launische und grausame Psychopath die Nachfolge des Kaisers Tiberius angetreten. Er war ohne alle politischen Erfahrungen. Aufgewachsen in den Intrigen und Machtkämpfen am Hofe, hatte er die Feindschaft seiner Mutter gegen den regierenden Kaiser kennen gelernt. Sein Kaisertum war eine einzige Groteske und Sinnbild einer entarteten Monarchie. Öffentlich trat er in der Gestalt von Göttern, selbst von weiblichen Gottheiten auf. Mit seiner Schwester versuchte er, die hellenische Geschwisterehe nachzuahmen. Die Juden zwang er in Alexandria, seine Statue in den Synagogen, in Jerusalem im Allerheiligsten des Tempels aufzustellen. Majestätsprozesse und Erpressungen mussten die Gelder für seine Verschwendungssucht liefern. Die Führungsschicht der Mitglieder des Senats provozierte er durch kindische Beleidigungen, bis sein bizarrer Caesarenwahnsinn nach verschiedenen erfolglos verlaufenen Verschwörungen im Jahre 41 in einer Palastrevolte mit seiner Ermordung endete.

54

Der Reformkaiser Claudius

Kaiser Tiberius Claudius Caesar Augustus Germanicus (10 v. Chr.–54) war ein Sohn des Drusus und ein Großneffe des Augustus. Von Kind an sprachbehindert, mit stetem Zittern von Kopf und Händen und mit allzu schwachen Knien – Augustus und Tiberius hatten ihn deshalb vom öffentlichen Leben ferngehalten – machte ihn erst sein Neffe Caligula im Jahre 17 zum Konsul und Senator. Ein Prätorianer fand ihn im Jahre 41 nach der Ermordung des Kaisers zitternd hinter einem Vorhang in einem Palastversteck und führte ihn in die Kaserne, wo er von den Truppen zum Kaiser ausgerufen wurde.

Die hohen Herren im Senat haben diesen etwas schrulligen, aber kenntnisreichen Antiquar, der am liebsten ausgefallene historische Studien betrieb und zu Gericht saß, nur mühsam ernst genommen, ja zuletzt gehasst, weil er zu stark von seinen Freigelassenen am Hofe abhängig und periodenweise seinen lüsternen und gewalttätigen Frauen, der Messalina und später der Agrippina, hörig war und nach ihren Einflüsterungen viele Bluturteile fällte.

Diese stille Opposition konnte jedoch nicht leugnen, dass Claudius mit seinem Blick für die Erfordernisse des Tages eine Reihe nützlicher Reformen durchgeführt, insbesondere den zentralen kaiserlichen Regierungsapparat, mit Freigelassenen als Ressortchefs, gestrafft hat. Seine Sorge für Italien und die Außenländer hat die Sicherheit und den Wohlstand des Reiches gestärkt. Unter ihm wurde Südostengland erobert und als Provinz Britannia eingegliedert.

Als Agrippina um die Thronfolge ihres Sohnes Nero fürchten musste, beseitigte sie den Kaiser im Jahre 54 mit vergifteten Pillen. Sie besiegeIte damit endgültig den Abstieg und Untergang der julisch-claudischen Dynastie.

64

Der Brand von Rom

Am 19. Juli 64 weilte der römische Kaiser Nero im Seebad Antium (Anzio) bei Rom, wo er eine Villa mit einem Privattheater hatte und seiner Leidenschaft frönen konnte, sich als Sänger oder Schauspieler zu gerieren. Gegen 2 Uhr morgens erreichte ihn ein Eilkurier aus Rom, der von einem gefährlich sich ausbreitenden Brand berichtete. Das Feuer breitete sich mit rasender Geschwindigkeit aus, griff auf die Kaiserpaläste am Aventin über, verzehrte Armenhäuser, Tempel und Palais des Adels. Der Kaiser, ein nervöser und fraglos geistig nicht gesunder Mann, warf sich aufs Pferd und galoppierte nach Rom. Der Palast, den er sich gerade neu erbaut hatte, stand in Flammen. Von 14 Bezirken der Weltstadt wurden drei völlig zerstört, sieben erlitten mehr oder weniger große Schäden. Nur vier blieben verschont. Der Kaiser, so absonderlich er sich gab, als Schwelger, Blutschänder, Homosexueller, Pseudokünstler, letzter Spross des julisch-claudischen Hauses, bezeigte in diesem Fall das Verantwortungsbewusstsein des Regenten. Für das nie verstummende Gerücht, er sei selbst der Brandstifter gewesen, gibt es keine Belege.

73

Der Untergang Massadas

Der Jüdische Krieg (66–73) endete mit dem Untergang Massadas, des letzten Zufluchtsorts der aufständischen Juden, an dem sich die römischen Elitedivisionen unter dem Oberbefehl Silvas monatelang die Zähne ausgebissen hatten. Die Festung lag auf einem Bergplateau und bot knapp tausend Menschen Schutz – einigen Hundert Kämpfern mit ihren Frauen und Kindern. Ihr Führer war der Sikarier Eleazar. Nach erfolgloser Belagerung – die Juden hatten genügend Vorräte – konstruierten die Römer ein gigantisches Gerüst und rückten dem Bollwerk auf gleicher Höhe mit einem riesigen Rammbock zu Leibe, während pausenloser Pfeilregen und Katapultbeschuss die Arbeit deckten.

Aber die Mauer hielt, da der Schutt zwischen den Balken durch die Schläge der Kriegsmaschine nur fester wurde. Nun verfiel Silva auf die Idee, die Mauer abzubrennen. Über das folgende Geschehen, das die neueste Geschichtsforschung auf den 2. Mai des Jahres 73 legt, schreibt der Zeitgenosse Flavius Josephus in seinem Werk »Über den Jüdischen Krieg« (Buch 7, 8. Kapitel): »Noch war das Feuer erst gerade ausgebrochen, als ein Nordwind aufkam und die Flammenlohe gegen die Römer selbst trieb … diese gaben beinahe die Hoffnung auf, da es so aussah, als sollten die Kriegsmaschinen in Flammen aufgehen. Da aber sprang der Wind ganz plötzlich nach Süden um, blies mit voller Kraft gegen die Mauer und setzte so das Ganze schnell bis in die Tiefe in Brand. Eleazar wusste nun keinerlei Rettung oder Hilfe mehr … als er sich zudem vor Augen führte, was die Römer im Augenblick ihres Sieges ihnen, den Kindern und Frauen antun würden, beschloss er für alle den Tod.

Durch Los wählten sie darauf zehn Männer aus ihrer Mitte. Dann legte sich ein jeder neben die Seinen und bot bereitwillig die Kehle. Ohne Wanken mordeten die Zehn alle insgesamt; darauf losten sie einen aus, der die Neun zu töten hatte. Als der einsame Letzte erkannte, dass alle getötet seien, stieß er mit geballter Kraft das Schwert ganz durch seinen Körper und brach neben den Seinen zusammen. Nur eine alte Frau und eine Verwandte des Eleazar hatten sich in den unterirdischen Gängen versteckt, die das Trinkwasser durch die Erde leiteten, und schließlich noch fünf Kinder. Die Zahl der Toten belief sich auf 960, Frauen und Kinder mitgerechnet. Die Römer nun erblickten keinen einzigen Feind, stattdessen war überall schaurige Öde und Schweigen. Die Frauen krochen aus den Gängen hervor und deckten den Hergang des Geschehens auf. Es fiel den Römern nicht leicht, an die Größe eines solchen Einsatzes zu glauben. Als sie aber auf die Menge der Ermordeten trafen, freuten sie sich keineswegs; vielmehr bewunderten sie den Edelmut des Entschlusses.«

79

Der Untergang Pompejis

Einer Naturkatastrophe verdanken wir entscheidende Kenntnisse über Geschichte und Kultur der Römer: Beim Ausbruch des Vesuvs am 24. August 79 nämlich wurden die Ortschaften Pompeji, Herkulaneum und Stabiae verschüttet, die erst in neuerer Zeit ausgegraben wurden. Wegen der konservierenden Wirkung von Asche und Lava fand man einige völlig erhaltene Häuser und konnte die gesamte Stadtanlage rekonstruieren. Was sich an jenem Augusttag abspielte, ist uns zudem durch einen aufmerksamen Beobachter überliefert. Der junge Schriftsteller Plinius, mit seinen erst 18 Jahren schon fundiert gebildet, schrieb über den Tod seines Onkels beim Vesuvausbruch an den berühmten Historiker Tacitus einen Brief:

»Schon war es anderwärts Tag, dort aber Nacht, schwärzer und finsterer als alle Nächte, nur dass zahlreiche Fackeln und allerlei Feuererscheinungen das Dunkel etwas erhellten. Man entschloss sich nunmehr, an den Strand zu gehen und aus der Nähe Umschau zu halten, ob das Meer schon einen Rettungsversuch gestatte; doch dieses blieb stürmisch und der Gegenwind ungebrochen. Hier legte sich mein Oheim auf ein hingebreitetes Tuch, ließ sich mehrmals kaltes Wasser reichen und trank es. Dann trieben die Flammen und deren Vorbote, der Schwefelgeruch, die anderen in die Flucht, ihn nötigten sie zum Aufstehen. Gestützt auf zwei junge Sklaven, erhob er sich: Aber im nächsten Augenblick brach er zusammen. Ich vermute, der dichte Rauchqualm hatte ihm den Atem genommen und die Luftröhre verschlossen, die bei ihm von Natur schwach und eng war, sodass er viel unter asthmatischen Anfällen litt. Als es wieder hell wurde (seit seinem letzten Tag der dritte), fand man seinen Leichnam unversehrt, ohne Wunden und mit Bekleidung, sein Aussehen glich mehr einem Schlafenden als einem Toten.«

Konsolidierung des Reiches unter Vespasian

Nachdem die julisch-claudische Dynastie mit Kaiser Nero im Chaos untergegangen war, kam nach einigen Thronwirren mit Vespasian im Jahre 69 ein Flavier auf den römischen Kaiserthron. Er konsolidierte das Reich mit beachtlichem organisatorischem Geschick und sicherte durch umsichtige Verteidigungspolitik den Römern eine Epoche der relativen Ruhe. Dennoch schwankt das Bild Kaiser Vespasians in der Geschichte. Das Porträt des römischen Geschichtsschreibers Sueton ist jedenfalls zwiespältig, wenn auch die positiven Züge überwiegen. Sueton schreibt über den Kaiser, der noch im Angesicht des Todes am 24. Juni 79 seinen Humor bewahrte:

»Das Einzige, was man dem Kaiser mit Recht vorwerfen kann, ist Geldgier. Nicht genug, dass er die unter Galba aufgehobenen Abgaben wieder einführte, neue, sehr drückende hinzufügte und die Tribute der Provinzen erhöhte, bei einigen geradezu verdoppelte, trieb er auch sogar öffentlich Finanzgeschäfte, deren selbst ein Privatmann sich hätte schämen müssen. Denn er kaufte gewisse Waren bloß deshalb auf, um sie nachher einzeln mit großem Gewinn wieder weiter zu veräußern.

Nach Ansicht einiger Leute ist diese große Habgier ein Naturfehler gewesen … Dagegen sind andere der Meinung, Vespasian sei bei dem ungeheuren Fehlbetrag im Staatsschatz und in der kaiserlichen Kasse notgedrungen zu seinen gewaltigen Eingriffen gezwungen worden. Er hat denn auch gleich am Anfang seiner Regierung mit Bezug hierauf öffentlich erklärt: ›Vierzig Milliarden Sestertien benötige ich, um den Staat vor dem Bankrott zu bewahren.‹

Diese Ansicht über seinen Charakter dürfte wohl die richtigere sein, weil er jedenfalls auch von den nicht ganz rechtmäßig erworbenen Geldmitteln den besten Gebrauch gemacht hat … Ganz besonders gern machte Vespasian Witze über seine nicht eben sauberen Finanzoperationen … Die Abgesandten einer Stadt kündigten ihm einmal an, man habe beschlossen, ihm auf öffentliche Kosten für eine beträchtliche Geldsumme eine Kolossalstatue zu setzen. Vespasian forderte sie auf, die Statue sofort zu errichten, hielt die hohle Hand hin und sagte: ›Der Grundstein ist gelegt.‹ Selbst nicht einmal die Furcht und die unmittelbare Nähe seines Todes hielten ihn davon ab, Witze zu machen …

Beim ersten Anfall seiner tödlichen Krankheit rief er aus: ›0 weh, ich glaube, ich werde ein Gott!‹ … Trotzdem besorgte er wie sonst alle seine Regierungsgeschäfte, ja er gab sogar, obwohl zu Bett liegend, den Gesandten Audienz. Aber plötzlich trat ein furchtbarer Durchfall ein, der eine völlige Abnahme seiner Kräfte zur Folge hatte. Mit den Worten: ›Ein Imperator muss stehend sterben‹, versuchte Vespasian, sich mit Anstrengung aufzurichten; und hierbei starb er unter den Händen der Leute, welche ihm aufhelfen wollten … «

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Tod des Apostels Johannes

Der galiläische Fischer Johannes war ein Sohn des Zebedäus und ein Bruder von Jakobus dem Älteren. Zunächst Schüler von Johannes dem Täufer, wurde er von Jesus zum Jünger berufen und war einer der zwölf Apostel. Wegen seiner lauteren Seele gehörte er neben seinem Bruder und Simon Petrus zu den »Lieblingsjüngern« Jesu (Johannes 13, 23).

Johannes stand auch als Vertrauter Jesu unter dem Kreuz und wurde von Jesus hier in ein Sohnverhältnis zu Maria eingesetzt. Nach Jesu Tod soll er mit Maria nach Ephesus übergesiedelt sein und dort Schüler gesammelt haben. Auf die Insel Patmos verbannt, dann wieder in Ephesus, starb er um 100 n. Chr. 90-jährig unter Trajan.

Zum Beweis, dass Jesus Christus der ewige, Mensch gewordene Gottessohn und die Quelle allen Lebens sei, schrieb er das »Johannesevangelium« und die drei »Briefe des heiligen Johannes«, die hauptsächlich zu Bruderliebe und Glauben an Jesus Christus aufrufen. Der Eingangsvers seines Evangeliums, »Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort«, hat die Exegeten zu allen Zeiten beschäftigt und noch Goethes Faust grübeln und deuten lassen. Die altkirchliche Tradition hält Johannes auch für den Verfasser der »Apokalypse«, was aber heute weitgehend widerlegt ist. Im Mittelalter wurde Johannes als Patron der Schriftsteller und Kopisten sowie der Winzer und Kerzenzieher verehrt. Er wird in der Kunst dargestellt als Evangelist mit dem Adler, sonst mit einem Kelch, aus dem sich eine Schlange windet, als Seher auf Patmos oder im siedenden Kessel.

117

Trajan führt Rom auf den Gipfel seiner Macht

Marcus Ulpius Trajanus (53–117), der kraftvolle und populäre römische Kaiser (seit 98), hat durch die Eroberung Dakiens (105/106) und großer Teile des starken Partherreiches (114–116) die größte Ausdehnung des Imperium Romanun herbeigeführt. Als Gouverneur von Obergermanien war er 97 von Kaiser Nerva adoptiert worden. Nach 16 Jahren Regierungszeit zeichnete ihn der Senat mit dem offiziellen Titel »der Beste« (Optimus) aus, den er durch demonstrative Gesten des Respekts und eine kluge Politik gewonnen hatte. Die breiten Massen dachten an seine prachtvollen Spiele, die großzügigen Spenden, an die Anlage von Straßen, Häfen und Städten und an sozialpolitische Maßnahmen, die von dakischem Gold und Silber finanziert worden waren. Die umfangreiche trajanische Forumsanlage in Rom (ca. 300 m x 185 m) mit ihren Repräsentativbauten imponierte noch jahrhundertelang; die 30 m hohe Trajanssäule (113 von Apollodorus errichtet) erinnert daran. Ein um die Säule gelegtes 200 m langes Spiralband mit 2500 Figuren erzählt noch heute von den Dakerkriegen. Im Sockel stand die Aschenurne des Kaisers, der auf der Heimkehr aus dem Partherkrieg in Kleinasien gestorben war, nachdem seine groß angelegte Offensive an dem Judenaufstand und der Rebellion in Südmesopotamien gescheitert war. Wie glänzend der Ruf ist, den Trajan der Nachwelt hinterließ, mag die folgende Laudatio des römischen Historikers Eutropius belegen:

»Die Grenzen des römischen Reiches, das seit Augustus’ Tod eher verteidigt als bemerkenswert erweitert war, dehnte er in alle Richtungen aus. Er drang vor bis zu den Grenzen Indiens und dem Roten Meere und schuf dort drei Provinzen, Armenien, Assyrien und Mesopotamien … Auch Arabien machte er später zur Provinz. Auf dem Roten Meere schuf er eine Flotte, um mit ihr das indische Gebiet zu verwüsten. Und doch übertraf er seinen Kriegsruhm noch durch sein leutseliges und bescheidenes Auftreten … Noch bis auf unsere Zeiten begrüßt man die Kaiser im Senate mit dem Zuruf: Sei glücklicher als Augustus, und besser als Trajanus!«

130

Das Weltbild des Ptolemäus

Ptolemäus (um 100 bis 170) lebte während der fruchtbarsten Periode seines Wirkens als Astronom in Alexandrien. In seinem als »Tabir alamaghesthi« von den Arabern 827 übersetzten und im Beginn des 15. Jahrhunderts als »Almagest« in einer lateinischen Übertragung zur Grundlage gewordenen Hauptwerk »Megiste syntaxis« (»Große Syntaxis«) legte Ptolemäus in 13 Büchern die erste systematische Ausarbeitung der mathematischen Astronomie vor. Ihm gelang es, mit überraschend genauen Berechnungen über die Ergebnisse des Hipparchos hinauszugehen, auf denen Ptolemäus weiterarbeitete. Dabei hielt er am geozentrischen Weltbild fest bzw. wurde zum Exponenten dieser Anschauung, indem er mit seiner Theorie den umfassendsten, prinzipiellen und durch Berechnungen und Beobachtungen abgesicherten Ausdruck dieser Weltsicht gab. Gegen dieses System, das die Erde fest in den Mittelpunkt sämtlicher auf Kugeln oder Kugelsegmenten befestigter Fixsterne, Planeten und Trabanten sowie deren Bewegungen stellte, konnte sich das bei Aristarch bereits entwickelte heliozentrische Weltbild in der Antike nicht durchsetzen. Die platonisch gedachte Planetentheorie Ptolemäus’, in der diese Himmelskörper als selbstständige Wesen mit eigenen Bewegungsabläufen gedacht wurden (»Hypothesen der Planeten«), erscheint aus neuzeitlicher Sicht belächelnswert.

138

Das römische Weltreich unter Hadrian

Hadrian (76–138), als römischer Kaiser Imperator Caesar Traianus Hadrianus Augustus (117–138), stammte aus einer Senatorenfamilie der Stadt Italica in Südspanien und war entfernt verwandt mit Trajan, der auch im Jahre 85 sein Vormund wurde und dessen Großnichte Hadrian im Jahre 100 heiratete. Er wurde in Rom erzogen und durchlief die übliche Ämterkarriere eines Senators. Er nahm an den Dakerkriegen Trajans teil und erlebte seit 114 den Partherkrieg im kaiserlichen Generalstab. Als Gouverneur von Syrien erfuhr er den Tod Trajans und wurde in Antiochia zum Kaiser ausgerufen. Er gab sofort die imperialistischen Osteroberungen (Assyrien, Mesopotamien, Armenien) auf und zerschlug den Widerstand trajanischer Generäle durch deren Hinrichtung. Wer heute in der »Villa Hadriana« bei Tivoli in der Nähe Roms die imponierenden Bauanlagen und bizarren Architekturfantasien, die ihn an alles, was er auf seinen Reisen bewundert hatte, erinnern sollten, überdenkt, ahnt etwas von der Unruhe und dem Empfindungsreichtum dieses philhellenischen Kaisers. Die meiste Zeit seiner Regierung reiste er durch sein Imperium. Er hat Truppen inspiziert, die Reichsverteidigung und die Grenzzonen neu gestärkt (Ausbau des obergermanischen Limes, Hadrianswall in Nordengland). Ferner wurden Verwaltung und Rechtsprechung verbessert und neue Städte in den Provinzen gegründet. Wenn sich das Imperium auch freiwillig in die Verteidigung zurückzog, so hat Hadrian durch die Anlage einer Veteranenkolonie in Jerusalem und die Errichtung eines Jupitertempels den blutigen jüdischen Aufstand unter Bar Kochba (132–135) hervorgerufen. Kein Kaiser hatte sich seit Augustus so sehr um den wirksamen Ausbau und die Straffung der Reichsverwaltung gekümmert. Zuletzt hat er Antoninus Pius adoptiert und ihm die Auflage gemacht, Marc Aurel und Verus an Sohnes statt anzunehmen. Zur letzten Ruhe gebettet wurde er in einem prächtigen Mausoleum zu Rom, in der heutigen Engelsburg am Ufer des Tibers. Wie sehr das politisch-militärische Denken Hadrians auf Bewahrung des römischen Besitzstandes ausgerichtet war, mag der folgende Wortlaut einer Ansprache des Kaisers anlässlich einer Inspektion von Grenzverteidigungsanlagen in Nordafrika belegen. Der defensive Charakter dieser Rede zeigt sich nicht bloß in dem großen Interesse, das Hadrian für die Befestigungen zeigt, sondern auch in seiner Mahnung an die Soldaten, ihre Angriffslust zügeln zu lernen und die Deckung nie zu vernachlässigen.

»Befestigungsanlagen, für die andere mehrere Tage gebraucht hätten, habt ihr an einem einzigen Tage vollendet; eine Mauer, die viel Arbeit erforderte, von der Art, wie sie für feste Winterquartiere errichtet zu werden pflegt, habt ihr gebaut in einer Zeit, die nicht viel länger war als die, die man benötigt für einen Wall aus Rasenstücken, die alle gleich groß gestochen, sich leicht fortschaffen und bearbeiten und ohne große Mühe aufbauen lassen, weich und eben, wie sie von Natur sind. Ihr dagegen habt die Mauer aus großen, schweren und ungleichmäßigen Steinen errichtet, die man nur schwer fortbewegen und anheben und zusammenstellen kann, ohne dass ihre Ungleichmäßigkeit in die Augen fällt. Einen Graben habt ihr in gerader Linie durch harten und groben Kiesuntergrund gezogen und seine Wände glatt gemacht. Als diese Schanzarbeit zur Befriedigung fertig gestellt war, seid ihr ins Lager zurückgekehrt, habt eure Rationen und Waffen eilends gefasst, seid den ausgesandten Reitern nachgeeilt und habt sie mit lautem Geschrei bei ihrer Rückkehr empfangen. Mein Legat Catullinus erhält meine Anerkennung, dass er euch in diesen Übungen ausgebildet hat, die den Eindruck eines echten Kampfes haben aufkommen lassen. Er lässt euch eine solche Ausbildung zukommen, dass ich auch euch mein volles Lob aussprechen kann. Euer Präfekt Cornelianus hat seine Aufgaben zur Zufriedenheit erfüllt. Reiterscharmützel in Parteien finden meinen Beifall nicht. Die Reiter sollen sich davor hüten …, unüberlegt die Deckung zu verlassen und querfeldein zu reiten. Bei der Verfolgung müssen sie überlegt vorgehen. Überblicken sie das Gelände nicht oder können sie ihr Pferd nicht nach ihrem Willen zum Stehen bringen, so kommen sie unweigerlich durch versteckte Gruben und Gräben zu Schaden … «

Tod Juvenals

Im Jahre 138 starb Juvenal, mit vollem Namen Decimus Iunius Iuvenalis. Die Nachrichten über sein Leben sind unzuverlässig. Sicher ist, dass er in Rom als Rhetor tätig war, bevor er sich als reifer Mann der Dichtkunst zuwandte. Juvenal gilt als der letzte große Satiriker der römischen Literatur. Seine in fünf Büchern herausgegebenen 16 Satiren schildern in grellen Farben und mit grausamer Schärfe die Laster der Menschen. Obwohl er seine Schilderungen zumeist in die Vergangenheit verlegte, ist doch die Beziehung auf die damalige Gegenwart unverkennbar. Angesichts der Verkommenheit der römischen Gesellschaft sei es »schwer, nicht Satiren zu schreiben«, und die Empörung über diese Zustände führte ihm die Feder. Zum schonungslosen Gesellschaftskritiker dürfte den Dichter das persönliche Erlebnis der Schreckensherrschaft des Kaisers Domitian gemacht haben.

150

Leben und Werk Suetons

Sueton, mit vollem Namen Gaius Suetonius Tranquillus (etwa 75–150), war ein römischer Schriftsteller von umfassender Gelehrsamkeit. Bevor er 119 Sekretär in der Kanzlei Kaiser Hadrians wurde, war er unter Trajan Verwalter in Rom. Als Schriftsteller war Sueton außerordentlich produktiv. Neben philologischen und naturwissenschaftlichen Arbeiten verfasste er zahlreiche Biografien. Das Werk »De vita Caesarum« bietet in gedrängter, aber klarer Sprache die Viten der zwölf römischen Herrscher von Julius Cäsar bis Domitian nach einem stets stereotypen Schema (Geschlecht, Familie, Geburt, Erziehung, Laufbahn, Kriegstaten, Tod, Testament u. a. m.). Die Schrift »De viris illustribus« (»Berühmte Männer«) ist ebenfalls eine Sammelbiografie, die in skizzenhaften Zügen das Leben namhafter Dichter, Historiker und Grammatiker schildert.

180

Der Philosophenkaiser Marc Aurel

Marc Aurel (121–180), der Neffe und Adoptivsohn des Friedenskaisers Antoninus Pius, ist als der Philosoph auf dem römischen Kaiserthron berühmt. Seine »Selbstbetrachtungen« machten ihn zum letzten bedeutenden Vertreter der Stoa neben Seneca und Epiktet. In einer Zeit politischer Gefährdung und im Wandel aller Verhältnisse forderten diese Denker die Gemeinschaft aller Menschen als Vernunftwesen und Bürger eines Weltstaates. In ihrer Haltung verbanden sich tätiger Einsatz für die je eigene Aufgabe und Ergebung in das Weltgeschehen. Diese Denken und Handeln des Kaisers bestimmende Weltanschauung repräsentierte eine alle Bürger verbindende, Staatsbewusstsein und altrömische Tugend erhaltende Kraft, die für den Bestand des Weltreiches von hoher Bedeutung war. Seit seinem Regierungsantritt (161) musste Marc Aurel in ständigen Kriegen die Grenzen des Reiches sichern. Gegen die Chatten in Germanien (162), die Parther in Syrien (162–166), die Markomannen im Norden (166) behauptete er das Reich. Mehrere Feldzüge im Donaugebiet (seit 169), Kämpfe in Ägypten (seit 172) und Spanien (172, 177) und vor allem die Markomannenkriege, in deren Verlauf der Kaiser im Heerlager in Wien starb, ließen ihm kaum Möglichkeiten, seine innenpolitischen Initiativen in Verwaltung und Rechtsprechung bis zum Ende durchzuführen.

Ihm zu Ehren wurde (180 dekretiert, 193 fertig gestellt) in Rom die 42 m hohe Marc-Aurel-Säule errichtet, die, 1589 unter Papst Sixtus V. restauriert, auf einem Reliefband seine Feldzüge gegen Markomannen, Quaden und Sarmaten schildert. Über seinem Leben liegt der tiefe Schatten eines düsteren, menschlich erschütternden Schicksals. Erfüllt von hohen Idealen ging er ganz in seinen Pflichten auf, war selbstlos und mühte sich, hinter dem Schleier der Schmeicheleien nicht die Wirklichkeit aus den Augen zu verlieren; sein Wahlspruch:

»Hüte dich, dass du nicht verkaiserst!«

Seiner Regierungszeit aber war wenig Glück beschieden, und wenn die Katastrophe für Rom in diesen Jahren noch ausblieb, war es nicht zuletzt ihm zu danken. Missernten, Erdbeben, Pestepidemien machten immer wieder zunichte, was mühsam aufgebaut worden war. An allen Grenzen des Reiches entbrannten Kriege, am Hof des Kaisers überboten sich Intriganten in immer abgefeimteren Verschwörungen. Marc Aurels Frau Faustina kannte nur ihr Vergnügen und verschwendete Unsummen, sein haltloser Sohn Commodus brachte den Vater durch Orgien der Grausamkeit in Misskredit.

Der Kaiser ist klaglos und erschüttert durch Rückschläge seinen schweren Weg gegangen. Als er am 17. März des Jahres 180 nach Christi Geburt starb, mag er sich seiner eigenen Worte erinnert haben, die er in den Betrachtungen »An sich selbst« niedergeschrieben hatte. Es heißt darin an zwei Stellen über den Tod:

»Niemand ist so begnadet, dass nicht an seinem Sterbebett einige Leute säßen, die seinen Tod begrüßten. Und wenn er auch klug und tüchtig war, schließlich findet sich doch einer, der bei sich sagt: ›Endlich können wir einmal aufatmen von diesem Schulmeister! Er war ja nicht schlimm gegen unsereinen, aber ich merkte doch, dass er uns im Stillen verachtete.‹ So also geht es selbst dem guten Menschen; an uns selber aber, wie viele andere Fehler lassen sich da finden, wegen derer gar mancher von uns befreit zu werden wünschte! Daran denke, wenn du stirbst; dann wirst du leichter scheiden, wenn du bedenkst: ›Aus einem solchen Leben nehme ich Abschied, in dem meine eigenen Brüder, eben sie, für die ich so unsäglich gekämpft, gebetet, gesorgt habe, den Wunsch hegen, das ich mich zurückziehe, weil sie davon irgendeine Erleichterung für sich hoffen!‹ Mensch, du bist Bürger gewesen in diesem großen Staat: Was macht es da aus, ob fünf Jahre oder hundert? Denn gemäß den Gesetzen zu leben ist für einen jeden gleich. Was ist es da schlimm, wenn dich aus dem Staat nicht ein Tyrann oder ein ungerechter Richter hinausweist, sondern die Allnatur, die dich einst in ihn hineingeführt hat? Es ist gerade, wie wenn der Praetor einen Schauspieler, den er in Dienst genommen hat, von seiner Pflicht zu spielen entbindet. – Aber ich habe nicht meine fünf Akte gespielt, sondern nur drei. – Gut, aber im Leben bedeuten drei Akte das ganze Drama. Denn wann es zu Ende ist, das bestimmt jener, der dich einst hat ins Dasein treten lassen, wie er jetzt dein Ende beschlossen hat. Du aber bist unschuldig an beidem. Scheide darum in Frieden. Denn auch er, der dich in seiner Weisheit abberuft, ist voll Frieden.«

199

Galenus, Arzt des Kaisers und »König der Ärzte«

Galenus lebte von 129 bis 199; er stammte aus Pergamon in Kleinasien, studierte Philosophie und Medizin und war Leibarzt des Kaisers Marc Aurel. Der »König der Ärzte«, wie Galenus, kurz Galen genannt, schon zu Lebzeiten gepriesen wurde, hat die Arzneikunst seiner Zeit weniger durch eigene Entwicklungen bereichert als vorhandenes medizinisches Wissensgut gesammelt und in ein eindrucksvolles System der Heilkunde eingegliedert, das sich über Jahrhunderte von überragendem Einfluss erwies.

Theoretischer Kern seines Lehrgebäudes ist die zur Humoralpathologie ausgebaute Säftelehre der Hippokratiker. Er führte die Begriffe der vier Temperamente: Phlegmatiker, Sanguiniker, Choleriker und Melancholiker ein, die bis heute verwendet werden, u. a. in der Körperbautypologie. Galen hat in seinen Werken auch eine erhebliche Anzahl von Arzneimitteln aufgeführt und Angaben zu deren Herstellung gemacht. »Galenik« bezeichnet heute die pharmazeutische Fachrichtung, die alle Aspekte der Arzneimittelformgebung, vornehmlich auf dem Gebiet der Technologie und Wirkstoffbeigabe, zum Gegenstand hat.

217

Träumer auf dem Thron: Kaiser Caracalla

Der römische Kaiser Marcus Aurelius Antonius (188–217) erhielt seinen Spitznamen Caracalla nach dem gallischen Kapuzenmantel, den er gerne trug. Er war der älteste Sohn des Kaisers Septimius Severus und der Julia Domna. Mit 10 Jahren wurde er schon Mitregent und übernahm im Jahre 211 die Herrschaft zusammen mit seinem Bruder Geta, den er jedoch schon ein Jahr später vor den Augen der Mutter erstach. Alle sorgfältigen Erziehungsversuche hatten den rohen, grausamen und hemmungslosen Menschen nicht ändern können. Allein die Armee, die er mit Geldgeschenken verwöhnte, sollte die Stütze seines absolutistischen Despotismus sein.

In einer Gönnerlaune – jedoch nicht ohne den Hintergedanken, neue Steuerquellen zu erschließen – machte er durch einen Erlass alle freien Bewohner des Reiches zu römischen Bürgern. Kindisch träumte er nach einem Sieg über die Alemannen (213) immer mehr davon, als wiedererstandener Alexander der Große das östliche Partherreich zu unterwerfen. Sein einfältiger Versuch, über eine Heirat mit der Tochter des Partherkönigs seinem Ziele näherzukommen, scheiterte. Im Partherkrieg wurde er vor einer neuen Offensive auf Veranlassung seines Gardepräfekten ermordet. Der römische Geschichtsschreiber Cassius Dio verfasste einen wenig schmeichelhaften Nachruf auf Caracalla:

»Er war ein Freund der Verschwendung seinen Soldaten gegenüber … alle übrigen Menschen war er gewohnt, ringsum auszuziehen, zu berauben und aufzureiben, nicht zum wenigsten die Senatoren. Denn abgesehen von den goldenen Kränzen, die er als steter Sieger über irgendwelche Feinde öfters forderte (ich meine damit nicht die Anfertigung der Kränze – denn wie viel kostet das schon? – sondern die großen Geldsummen, die unter diesem Namen gegeben werden mussten, mit denen die Städte die Selbstherrscher zu bekränzen pflegen), abgesehen von den Proviantlieferungen, die von uns in großen Mengen und bei allen Gelegenheiten, teils umsonst, teils auch noch unter eigenem Aufwand eingetrieben wurden, die er alle seinen Soldaten zukommen ließ oder auch verhökerte, von den Geschenken, die er von reichen Privatleuten wie auch von den Gemeinden zusätzlich forderte, von den sonstigen Steuern, die er neu einführte, und von dem Zehnten, den er anstelle des Zwanzigsten für Freilassungen, für Erbschaften und alle Schenkungen erhob …, abgesehen von dem Bürgerrecht, das er allen Untertanen des Römischen Reiches, angeblich als eine Auszeichnung, tatsächlich aber in der Absicht verlieh, dadurch seine Einkünfte zu vermehren … außer allem dem mussten wir für seine Reisen zahllose Absteigequartiere mit Verköstigungsgelegenheit errichten lassen.«

220

Das Ende der Han-Dynastie

Nach dem Sturz der Tsin-Dynastie gründete einer der Rebellenführer namens Liu Pang 206 v. Chr. die Han-Dynastie. Fünf Jahre später bestieg er den Thron als Kaiser Kao-tsu und erklärte Changan zur Hauptstadt. Unter Kaiser Wu (140–87) stand die Han-Dynastie auf dem Höhepunkt ihrer Macht. Um die Machtanmaßung des Kaisers ideologisch zu rechtfertigen, wurde die Lehre des Konfuzius, welche u. a. unbedingte Treuepflicht gegenüber dem Herrscher fordert, zur entscheidenden Lehre erklärt. Damit verbunden war die rasche Erweiterung des Erziehungswesens. Als das Reich gefestigt und wirtschaftlich stark war, nahm Kaiser Wu 129 v. Chr. den Kampf gegen die Hunnen auf, die seit alters her eine ständige Bedrohung darstellten. Nach deren Kapitulation 125 v. Chr. wurden sie zu Vasallen erklärt.

Infolge dieses Sieges vermochte sich Kaiser Wu Gebiete westlich des Hwangho anzueignen, sich in der heutigen Provinz Kansu einen Zugang nach Innerasien zu verschaffen und die Westgebiete zu erschließen. Kaiser Wu eroberte schließlich auch in den Jahren 111/110 v. Chr. den Norden Vietnams, die heutigen Provinzen Kuangtung, Kuangsi, Fukien und Yünnan, 108 v. Chr. das Gebiet Liaotung und den Norden Koreas.

Los und Belastung der Bauern wurden durch Steuern und Ableistung des Frondienstes unerträglich. Die Lage wurde nach dem Tod Kaiser Wus noch durch unfähige Herrscher, Bodenkonzentration in wenigen Händen sowie Naturkatastrophen verschärft. Diese Situation ausnutzend, usurpierte Wang Mang die Macht und bezeichnete seine Regierungsperiode, die 15 Jahre dauerte, als »Hsin-Dynastie«.

Ein Angehöriger der kaiserlichen Familie namens Liu Hsiu warf die Bauernaufstände nieder und stellte die Herrschaft der Han-Dynastie mit Unterstützung der Grundbesitzer wieder her. Hauptstadt wurde Loyang im Osten. Daher wird diese Dynastie auch östliche bzw. späte Han-Dynastie genannt. Liu Hsiu traf als Kaiser Kuangwu neue Maßnahmen bezüglich des Boden- und Sklavenproblems und der Steuern. Die landwirtschaftliche Produktion stieg an, und damit nahm auch die gesamte Wirtschaft einen Aufschwung. Die politische Zersetzung durch die Kaiserinsippe und die Eunuchen seit Beginn der östlichen Han-Dynastie sowie das soziale Chaos riefen seit 184 n. Chr. zahlreiche Aufstände hervor. Im Jahre 220 ging die Han-Dynastie zu Ende. Die Zentralgewalt ging verloren.

236

Die römischen Katakomben – Ruhestätte der Christen

Katakomben (von der lateinischen Bezeichnung »ad Catacumbas«, ein Flurname für ein Gelände an der Gräberstraße der Via Appia in Rom bei der Basilika San Sebastiano) waren unterirdische Gänge mit Kammern, die zur Körperbestattung dienten und vornehmlich in Rom, aber auch etwa in Neapel und Syrakus entdeckt wurden. Erst seit etwa 200 n. Chr. gab es rein christliche Katakomben als Gemeindefriedhöfe für die ärmere Bevölkerung, in denen seit dem Jahr 236 auch römische Bischöfe beigesetzt wurden. Die Kalixtus-Katakombe war die größte von elf Begräbnisstätten, die vom Ende des 3. Jahrhunderts n. Chr. bekannt sind, und lag unter einem Areal von 61 060 Quadratmetern. Solche Katakomben konnten nach einem Rostsystem mit einem Mittelstollen und Seitenarmen, die am Ende durch zwei sich rechtwinklig schneidende Gänge verbunden waren, oder mit einem Hauptgang und mehreren Abzweigungen gebaut sein. Beide Arten benutzten in die Wände eingetiefte Gräber oder auch ebenerdige, die dann meist zu einem gewölbten Raum gehörten. Als Schmuck wurden hier häufig die Decken mit den Bildern christlicher Erlösung (z. B. des »guten Hirten«) oder volkstümlicher Frömmigkeit ausgemalt (Fresken). Vielfach erhoben sich über den Katakomben Kirchen, die zum Gedächtnis an einzelne herausragende Märtyrer errichtet worden waren.

253

Tod des Origenes

Origenes (185–253) war der bedeutendste Theologe der frühchristlichen Zeit; er zog die voll entfaltete antike Gelehrsamkeit zur Darstellung des christlichen Glaubens heran und hob damit die Auseinandersetzung mit dem Heidentum auf das weltanschauliche Niveau seiner Zeit. Inspiriert vom Neuplatonismus, hat er eine erste systematische christliche Theologie entwickelt (»De principiis«).

231 musste er wegen Anfeindungen seine Geburtsstadt Alexandria verlassen und seine Lehrtätigkeit in Cäsarea fortsetzen. In Kommentaren und Predigten legte er die Schriften des Alten Testaments aus und stellte als Grundlage dafür eine kritische Ausgabe her (»Hexapla«), in der in sechs Spalten der hebräische Text neben verschiedenen griechischen Übersetzungen stand.

257

Das Pontifikat Stephans I.

Stephan wurde in Rom geboren, erzogen und erhielt hier auch seine Ausbildung. Er wurde später fälschlicherweise als Märtyrer verehrt, was wohl auf eine Verwechslung mit seinem Nachfolger Papst Sixtus II. zurückzuführen ist. Stephan war Priester in Rom, als er im Jahr 254 zum Nachfolger von Papst Lucius I. gewählt wurde. Obwohl seine Amtszeit zwischen die Christenverfolgungen der Kaiser Decius und Valerian fiel, verlief sie ruhig, wenngleich sein autoritärer Führungsstil zu innerkirchlichen Auseinandersetzungen führte. Durch Amtshandlungen, wie Rehabilitierungen und Absetzungen von Bischöfen in Spanien und Gallien, stellte er die Vorherrschaft des Bischofs von Rom unter Beweis.

In Stephans Regierungszeit kam es zum sogenannten Ketzertaufstreit mit Cyprian von Karthago. Dieser vertrat die Ansicht, dass Anhänger einer Irrlehre bei Eintritt in die katholische Kirche wieder getauft werden müssten. Papst Stephan und das Abendland jedoch hielten die schon früher erfolgte Ketzertaufe für gültig.

So forderte er von Cyprian von Karthago die Annahme des römischen Brauches und verbot jegliche Wiedertaufe von Ketzern mit den Worten: »Nihil innovetur nisi quod traditum est«, »Es soll nichts eingeführt werden, was nicht in der Tradition enthalten ist.«

Es kam zu immer größeren Spannungen zwischen Stephan I. und Cyprian von Karthago. Dieser rief drei Synoden ein und hatte die afrikanischen und kleinasiatischen Bischöfe auf seiner Seite. Doch Stephan negierte die Beschlüsse in seiner Funktion als Papst und erteilte keine Bestätigung. Er drohte sogar mit der Aufhebung der Kirchengemeinschaften. Auch Cyprian gab nicht nach. So kam es, wenn auch nur äußerlich, zu einem Bruch zwischen einem Teil der kleinasiatischen und der afrikanischen Kirche und Rom. Stephan lehnte es sogar ab, im Jahr 256 eine Delegation aus Karthago zu empfangen.

Papst Stephan I. starb am 2. August 257. Obwohl er traditionsgemäß als Märtyrer verehrt wird, findet man darüber nichts in den alten Überlieferungen.

Wie schon erwähnt, wurden Einzelheiten aus der Lebensgeschichte seines Nachfolgers Sixtus II. abgeleitet, der während der Christenverfolgungen des Kaisers Valerian in Rom enthauptet wurde.

268

Roms Rückschläge unter Valerian und Gallienus

Publius Licinius Valerianus, römischer Kaiser von 253 bis 260, endete 260 in der Kriegsgefangenschaft der aggressiven Neuperser unter ihrem König Schapur I. Sein Sohn und Mitkaiser Gallienus (253–268) hatte die westlichen Reichsteile übernommen und in schweren Abwehrkämpfen gegen Invasionen der Germanen und gegen Usurpatoren anarchistische Zustände zu überwinden versucht, während Valerian im Osten ohne durchschlagende Erfolge darum bemüht war, die zerstörerischen Gotenangriffe über das Schwarze Meer nach Kleinasien und die neupersischen Einbrüche ins Reich abzuwehren. Für die Christen war sein Schicksal nur die Strafe für die von ihm eingeleitete neue Christenverfolgung vom Jahre 257. Über den Ansturm an allen Grenzen Mitte des 3. Jahrhunderts, die bis dahin schwerste Krise des römischen Staates, berichtet der Geschichtsschreiber Aurelius Victor, ein hoher römischer Beamter aus Nordafrika:

»Die Goten drangen, ohne Widerstand zu finden, nach Thrakien vor und besetzten Makedonien, Achaia und die benachbarten Gebiete Asiens, die Parther Mesopotamien, der Orient war in der Hand von Räubern oder unter der Herrschaft einer Frau (gemeint ist die Beduinenfürstin Zenobia, Herrscherin von Palmyra). Die Macht der Alemannen besetzte damals in ähnlicher Weise Italien, Frankenstämme plünderten Gallien und setzten sich in Spanien fest, wo sie die Stadt Tarraco verwüsteten und fast völlig ausplünderten; ja, ein Teil von ihnen drang auf Schiffen, die ihnen in die Hände gefallen waren, bis nach Afrika vor; verloren ging alles, was Traianus jenseits der Donau erobert hatte. So wurde wie von Stürmen, die von allen Seiten wüteten, auf dem ganzen Erdkreise alles, Kleines und Großes, Unterstes und Oberstes, durcheinandergeworfen. Zugleich drang die Pest in Rom ein …«

275

Aurelian, der »Wiederhersteller der Welt«

Lucius Domitius Aurelianus (214–275), römischer Kaiser seit 270, war nach den Worten des Kulturhistorikers Rümelin einer jener »trefflichsten Generale, die dem Römischen Reich noch eine Frist von zwei Jahrhunderten verschafften«.

Aurelian stammte aus Moesien, einer römischen Provinz an der unteren Donau. Als Reiterführer kämpfte er für Kaiser Gallienus glücklich gegen den Usurpator Aureolus. Unbedenklich beteiligte er sich jedoch wenig später mit Claudius Gothicus an der Ermordung des Gallienus. Nach dem Tod des Claudius (270) von den Legionen zum Kaiser ausgerufen, zeigte er außerordentliche, besonders militärische Talente. Fürsten wie die Königin Zenobia von Palmyra oder aufrührerische Statthalter wie Septimius Vaballathus, die er nicht sogleich bekämpften konnte, wiegte er durch Verträge in Sicherheit, gab das schwer zu haltende Dakien den Goten preis, sicherte die Donaugrenze und kämpfte dann nacheinander die unbotmäßigen Reichsteile von Gallien im Westen bis Palmyra und Ägypten im Osten nieder. In nur fünf Jahren festigte er das bereits in Auflösung befindliche Römerreich neu, ließ die »Aurelianische Stadtmauer« in Rom errichten und den alten Kaiserkult im Staatskult des »Deus Sol Invictus« (»Gott der unbesiegten Sonne«) wieder aufleben und darf als Wiederbegründer des Imperiums gelten. Er wurde 275 auf dem Zug gegen die Perser unweit von Byzanz von meuternden Soldaten ermordet. Das Heer war über diese Untat so aufgebracht, dass kein anderer General die Nachfolge Aurelians anzutreten wagte und der nächste Kaiser vom Senat gewählt wurde.

303

Christenverfolgung Kaiser Diokletians

lm dritten Jahrhundert geriet das Römische Weltreich in erhebliche Turbulenzen. In nur fünfzig Jahren wechselten die Kaiser 26-mal, und nur einer von ihnen starb eines natürlichen Todes. Diese Wirren beendete der Regierungsantritt (284) Diokletians aus Illyrien.

Zur Vollendung seines Reformwerkes suchte er nach Erneuerung der universalen Kaiseridee und meinte im religiösen Kaiserkult die Klammer gefunden zu haben, die die auseinanderstrebenden Kräfte zusammenhalten könnte. Er setzte ihn zuerst im Heer durch, aus dem er alle entließ, die die göttliche Verehrung des Kaisers verweigerten. Das aber waren so viele und natürlich fast alle Christen, dass Diokletian zur aktiven Bekämpfung dieses Glaubens überging, von dem er den Bestand des Reiches gefährdet sah. Am 23. Februar 303 erließ er ein Edikt zur Christenverfolgung, dessen Wirkung der Kirchengeschichtsschreiber Eusebios (um 260–339) dargestellt hat: »Es war das 19. Jahr der Regierung des Diocletianus bei den Römern Martius genannt, als beim Herannahen des Festes des erlösenden Leidens allenthalben ein kaiserlicher Erlass angeschlagen wurde, der befahl, die Kirchen … auf den Grund niederzureißen und die Schriften zu verbrennen, und verfügte, dass lnhaber von Ehrenstellungen die bürgerlichen Rechte und Bedienstete, sofern sie im Bekenntnis des Christentums verharrten, die Freiheit verlieren sollten … Bald darauf erschien ein zweiter Erlass, wonach alle Vorsteher allerorts zuerst in Fesseln gelegt und dann auf jede Weise zum Opfern gezwungen werden sollten. Tausende könnte man aufzählen, die einen bewundernswerten Eifer für die Frömmigkeit gegen den Gott des Alls bekundeten und das nicht erst, seitdem die Verfolgung wider alle begonnen, sondern viel früher schon, da noch Friede herrschte. Als nämlich vor kurzem der Inhaber der Macht erst heimlich nach der auf Decius und Valerianus folgenden Zwischenzeit Hand an die Kirchen legte, indem er nicht zugleich uns allen den Krieg ankündigte, sondern vorerst auf eine Probe mit den im Heere Stehenden sich beschränkte … da konnte man sehen, wie sehr viele Krieger freudigst ins bürgerliche Leben übertraten, um nicht ihre Frömmigkeit gegen den Schöpfer des Alls verleugnen zu müssen … Als sich aber bald darauf einige in der sogenannten melitenischen Landschaft und wiederum andere in Syrien gegen die kaiserliche Herrschaft aufzulehnen versuchten, erging ein kaiserlicher Befehl, dass allenthalben die Vorsteher der Kirchen in Gefängnisse und Fesseln geworfen werden sollten … Die Gefängnisse, ehedem bestimmt für Mörder und Grabschänder, waren nun überall angefüllt mit Bischöfen, Priestern, Diakonen, Lektoren und Exorzisten. Als dann auf den ersten Erlass ein zweiter folgte, welcher den Gefangenen, wenn sie opferten, die Freiheit gewährte, die Hartnäckigen aber mit unzähligen Foltern bedrohte, wer hätte da hinwiederum die Menge derer zählen können, die in jeder Provinz, vor allem in Afrika, Mauretanien, in der Thebais und in Ägypten, den Zeugentod starben?«

312

Schlacht an der Milvischen Brücke

Nach dem Rückzug Kaiser Diokletians, des Christenverfolgers, im Jahre 305 entbrannte um die Nachfolge im Römischen Reich ein erbitterter Diadochenkampf. Einer der Prätendenten war Konstantin, Sohn des Konstantius, sein Gegner im Westen des Reiches hieß Maxentius. Konstantin rückte mit einem Heer auf Rom zu, das Maxentius fest im Griff hatte.

Wie konnte er den Feind in so günstiger Stellung bezwingen, fragte sich Konstantin bang, als er der gegnerischen Truppen ansichtig wurde und wusste, dass am nächsten Tag die Entscheidung über die Geschicke des Reiches und, was ihm mindestens so wichtig schien, über sein eigenes fallen würde.

Konstantin schlief schlecht in dieser Nacht vom 27. auf den 28. Oktober 312, warf sich auf dem Lager herum und fiel immer wieder in wirre Träume. Nur einer, der war ganz deutlich: Ihm erschien das Christuskreuz und er hörte die Worte: »In hoc signo vinces – in diesem Zeichen wirst du siegen!« Eilends ließ er seine Feldschneider kommen und auf seine Fahnen das Kreuz nähen. Damit stürzte er sich am Morgen des 28. Oktober 312 in die Schlacht an der Milvischen Brücke in Rom. War es nun die unbändige Siegeszuversicht des Kaisers oder die magische Kraft des »Labarums«, wie die Fahne hieß, Konstantins Truppen stürmten unwiderstehlich voran und vertrieben die Feinde. Maxentius stürzte von der Brücke und ertrank. Konstantin aber, den man später den Großen nannte, hatte seinen Frieden mit Christus gemacht, einen Frieden auch für das seit Jahrzehnten friedlose Reich. Was weder Verfolgung noch Folterung erreichten, gelang mit Tolerierung, ja Umarmung des angeblichen Gegners. Eusebius Pamphili, Bischof von Cäsarea und Biograf Kaiser Konstantins, beschrieb die Geschichte des wundersamen Traumes wie folgt:

»Nachdem Kaiser Konstantin Christ geworden war, flehte er Gott an, ihm in dem bevorstehenden Kampf gegen Maxentius, den Tyrannen von Rom, beizustehen. Während der Kaiser inbrünstig flehte, erschien ihm ein wunderbares göttliches Zeichen. Hätte ein anderer von einer solchen Erscheinung berichtet, so würde man ihm gewiss keinen Glauben schenken, da sie aber der siegreiche Kaiser uns, die wir diese Geschichte schreiben, lange Zeit nachher, als wir seiner Freundschaft und seines Umganges gewürdigt wurden, erzählte und seine Worte mit Eidschwüren bekräftigte, wer sollte da noch Bedenken tragen, dieser Erzählung zu glauben? Er versicherte, zur Mittagszeit, als bereits der Tag sich neigte, am Himmel ein aus Feuer bestehendes Kreuz, das über der Sonne schwebte, und an dem die Inschrift befestigt war: ›In diesem Zeichen wirst du siegen!‹ mit eigenen Augen gesehen zu haben. Über diese Erscheinung habe ihn und das ganze Heer, welches ihn auf seinem Marsche begleitete und das Wunder schaute, Staunen ergriffen.

Mit Tagesanbruch stand der Kaiser auf und teilte seinen Freunden das Wunder mit. Darauf ließ er Goldarbeiter und Juweliere zu sich kommen, setzte sich mitten unter sie, beschrieb ihnen die Gestalt des Zeichens und befahl ihnen, in Gold und Edelsteinen dasselbe nachzubilden. Auch wir hatten einmal Gelegenheit, es zu sehen.

Dieses Zeichens unserer Erlösung bediente sich der Kaiser später stets als Schutzmittel gegen jede sich ihm entgegenstellende feindliche Macht und ließ es später allen seinen Heeren vorantragen.«

325

Das Konzil von Nicäa

Der römische Kaiser Konstantin hatte beim Kampf um die Macht seinen Rivalen Maxentius in Rom an der Milvischen Brücke 312 besiegt. Er führte den Erfolg auf ein neues Feldzeichen zurück, das ihm im Traume erschienen war und das er auf seine Fahnen hatte nähen lassen: das Christuskreuz. Nach Jahrhunderten der Verfolgung im Römischen Reich avancierte nun das Christentum zur Staatsreligion, weil Konstantin begriff, dass die heidnischen Kräfte dem Reich nicht mehr die innere Klammer zu geben vermochten, die es bei den zentrifugalen Kräften dringend brauchte. Die Lehre von Jesus Christus aber überwölbte alle Provinzen und alle Partikularinteressen. Verärgert stellte der Kaiser daher fest, dass innerhalb dieser Glaubensgemeinschaft der Nächstenliebe durchaus heftige Fehden im Gange waren. Sie waren ausgelöst worden durch die Lehre des Theologen Arius, der die Wesensgleichheit Christi mit Gott bestritt. Konstantin, selbst noch nicht Mitglied der Kirche, mühte sich um Überbrückung der Gegensätze und berief das erste Konzil nach Nicäa in seinen Sommerpalast ein, das er selbst am 19. Juni 325 eröffnete. Darüber berichtet der zeitgenössische Geschichtsschreiber Eusebios in seiner Biografie Konstantins. »Als aber der festgesetzte Tag, an dem die Synode die Zwistigkeiten endlich beheben sollte, erschienen war, da kamen alle, die zur Synode berufen worden waren, in dem Saal mitten im kaiserlichen Palaste zusammen, in dem, da er auch alle anderen an Größe zu überbieten schien, der Reihe nach viele Sitze an beiden Seiten aufgestellt waren, und alle nahmen den ihnen zukommenden Sitz ein. Als sich aber die ganze Versammlung mit der geziemenden Würde niedergelassen hatte, herrschte in der Erwartung des Einzugs vom Kaiser allgemeines Schweigen. Auf das Zeichen aber, das die Ankunft des Kaisers verkündete, erhoben sich alle, und nun trat er selber mitten in die Versammlung, wie ein Engel Gottes vom Himmel her, leuchtend in seinem glänzenden Gewande wie von Lichtglanz, strahlend in der feurigen Glut des Purpurs und geschmückt mit dem hellen Schimmer von Gold und kostbarem Edelgestein. Als er aber bis zur vordersten Reihe der Plätze gegangen war und dort, wo ihm ein kleiner Sessel aus Gold hingestellt war, mitten in der Versammlung stand, wollte er sich nicht eher setzen, als bis die Bischöfe ihn durch Winke dazu aufgefordert hatten. Dasselbe tat auch die ganze Begleitung des Kaisers.

Darauf erhob sich der Bischof, der auf der rechten Seite den ersten Platz einnahm, und hielt eine ziemlich kurze Rede, in der er sich an den Kaiser wandte und seinetwegen dem allmächtigen Gott feierlich Dank sagte. Als sich aber auch dieser gesetzt hatte, trat Stille ein; aller Augen blickten unverwandt auf den Kaiser, dieser aber sah sie alle mild mit freundlichem Blicke an, sammelte sich im Geiste und hielt dann mit ruhiger und sanfter Stimme folgende Rede:

›Mein höchster Wunsch war es, meine Freunde, mich eurer Versammlung erfreuen zu können, und da ich ihn erfüllt sehe, spreche ich offen dem Herrscher der Welt meinen Dank aus, dass er mir zu allem andern auch noch dieses Glück zu erleben gewährt hat, das jedes andere übersteigt; ich meine das Glück, euch alle hier versammelt zu finden und zu sehen, dass alle ein und dieselbe einträchtige Gesinnung haben.

Nicht also soll ein neidischer Feind unser Glück trüben, nicht soll der Dämon, der Freund alles Schlechten, nachdem durch die Macht des Erlöser-Gottes die gegen Gott ankämpfenden Tyrannen aus dem Wege geräumt sind, das göttliche Gesetz auf andere Weise bekriegen, indem er es mit Lästerungen überschüttet. Denn für schlimmer als jeder Krieg und jeder furchtbare Kampf gilt mir der innere Zwist der Kirche Gottes, und schmerzlicher scheint mir dies als Kämpfe nach außen.

Als ich wider alles Erwarten von eurem Zwiste vernahm, hielt ich, was ich hörte, durchaus nicht für unbedeutend, sondern von dem Wunsche beseelt, dass auch hierin durch meine Vermittlung Abhilfe geschaffen werde, rief ich ohne Verzug euch alle zusammen. Dann aber, glaube ich, sind am allermeisten meine Wünsche erfüllt, wenn ich finde, dass ihr alle eines Herzens seid und dass ein allgemeiner Friede und eine Eintracht unter euch allen herrscht, die ihr als Priester Gottes geziemender Weise auch anderen predigen müsst. Zögert also nicht, o geliebte Diener Gottes und getreue Knechte des gemeinsamen Herrn und Erlösers von uns allen, die Veranlassung zu eurem Zwist jetzt sogleich vorzubringen und die ganze Kette von Streitigkeiten durch Gesetze des Friedens zu lösen.‹«

Konstantin entschied zugunsten des Athanasius und ließ die Lehre des Arius verdammen – eine pragmatische Entscheidung, der Einheitlichkeit willen, aber mit weitreichenden Folgen.

337

Tod Kaiser Konstantins

Im Jahre 324, nachdem Konstantin bei Adrianopel den Herrscher über die östliche Reichshälfte Roms, Licinius, besiegt hatte, war er der alleinige Herrscher Roms. Als Erinnerung an seinen Sieg gründete er am Bosporus eine Stadt, die seinen Namen tragen und bewahren sollte: Konstantinopel. Eine Säule auf dem Marktplatz zeigte den Gründer als Sonnengott im Strahlenkranz und mit dem Christenkreuz. Die Vermischung heidnischer und christlicher Symbole war bezeichnend für das Rom jener Jahre.

Die Macht des christlichen Glaubens und der Wert der jungen Kirche für den Staat wurden von Konstantin schon früh mit seltener Klarheit erkannt. Längst bevor er als Sieger in Rom einzog, hatte er in seinem Befehlsbereich die schrecklichen Verfolgungsedikte Diokletians gegen die Christen außer Kraft gesetzt. Streitigkeiten innerhalb der christlichen Priesterschaft über die Kirchenordnung nutzte er als Mittler aus, um die Einheit zwischen Kirche und Staat herzustellen.

Innenpolitisch setzte er den unter Diokletian begonnenen Aufbau eines absolutistischen Staatsapparates fort, kämpfte erfolgreich gegen einen weiteren Zerfall der Wirtschaft und ordnete das Militärwesen neu. Von weittragender Wirkung war der von ihm begonnene Einbau der jungen christlichen Kirche in die bestehende Verwaltungsordnung des Römischen Reichs. Er gab damit dem Vielvölkerstaat die Kraft, den Angriffen der Völkerwanderung lange Zeit zu trotzen. Um eine Zersplitterung innerhalb der Kirche zu verhindern, berief Konstantin das Konzil von Nicäa ein. Kurz vor seinem Tode am 22. Mai 337 ließ er sich taufen und ordnete an, dass sein Leichnam nach christlichem Ritus in der Apostelkirche von Konstantinopel beigesetzt werde.