Deep Lies - Emmi Winter - E-Book
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Emmi Winter

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Beschreibung

Vor zwei Jahren verschwand Savannahs Mann Todd spurlos von ihrer Ranch in Pine Valley, Texas. Von einer Minute auf die andere war ihr Leben völlig auf den Kopf gestellt. Sämtliche Nachforschungen führten ins Leere, und am Ende begann sie das zu glauben, was alle im Tal glaubten – dass Todd sie für eine andere Frau verlassen hat. Als er eines Tages plötzlich wieder vor ihr steht, ist das ein Schock für sie. Noch größer ist der Schock, als ihr klar wird, dass er sie nicht erkennt. Denn Todd hat sein Gedächtnis verloren … Gemeinsam versuchen sie herauszufinden, was vor zwei Jahren geschehen ist. Aber kann Savannah ihrem Mann wirklich trauen? Stimmt es, dass er sich an gar nichts erinnert? Und kann Todd seiner Frau wirklich trauen? Mysteriöse Erinnerungsblitze sprechen dagegen – und je weiter er in der Vergangenheit gräbt, desto klarer wird: Es gibt jemanden, der will, dass der Cowboy wieder verschwindet. Aber dieses Mal für immer … Spannung, Romantik – Geheimnis und Erotik. Cowboy Romane von Emmi Winter!

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Emmi Winter

Deep Lies

Was hast du getan, Cowboy?

Spannung, Romantik – Geheimnis und Erotik. Cowboy Romane von Emmi Winter!

Inhaltsverzeichnis

Prolog

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

14.

15.

16.

Epilog

Impressum

Impressum

Prolog

Damals

Ich erwache mit dem Geschmack von Blut in meinem Mund, stechend und metallisch. Ein Stöhnen entringt sich meiner Kehle, die trocken und rau wie Schmirgelpapier ist. Die Zunge klebt mir am Gaumen, und ich schaffe es nur mit Mühe, genug Speichel zusammenzubekommen, um zu schlucken.

Blinzelnd öffne ich die Augen.

Um mich herum bleibt es dunkel.

Ist vielleicht auch besser so, denn ich bin ziemlich sicher, dass grelles Licht bei dem Hämmern in meinem Schädel nicht unbedingt hilfreich wäre.

Ich versuche meine Beine auszustrecken, doch ganz davon abgesehen, dass meine Glieder steif sind und schmerzen, fehlt es schlichtweg an Platz.

Mit den Händen taste ich die Dimensionen des Raums ab, in dem ich mich befinde. Schnell wird mir klar, dass von Raum nicht die Rede sein kann.

Eher von einer Kiste …

Panik rollt in einer eisigen Woge über mich hinweg.

Ein Sarg?

Nein, sage ich zu mir selbst. Kein Sarg. Dazu ist mein Gefängnis wiederum zu breit. Und die Wände sind ganz eindeutig aus Metall. Ziemlich heißem Metall, wie ich merke, als ich mit dem Arm die Außenwand rechts von mir berühre.

Ich atme scharf ein, als ein scharfer Schmerz mich wie ein Blitz durchzuckt.

Langsam fangen meine Augen an, sich an die Dunkelheit zu gewöhnen. Da ist ein dünner Streifen Licht, der sich längs von meinen Füßen bis zu meinem Kopf zieht. Außerdem befindet sich direkt neben meinem Kopf ein heller wirkendes Rechteck.

Plötzlich fällt es mir wie Schuppen von den Augen.

Ein Auto! Ich befinde mich im Kofferraum eines Autos!

»Hilfe …« Es ist kein Schrei, mehr ein jämmerliches Krächzen. Ich räuspere mich mühsam und versuche es nochmal. »Hilfe! Hil…«

Ich breche ab, als plötzlich alles zu wackeln anfängt.

Ein Erdbeben?

Nein, da ist auch ein Geräusch, das mir irgendwie bekannt vorkommt. Es klingt wie ein Baufahrzeug oder etwas in der Art. Irgendetwas Hydraulisches.

Ich zermartere mir das Hirn. Wo habe ich so etwas schon einmal gehört?

Als es mir wieder einfällt, bin ich für einen Moment vor Schock wie erstarrt. Dann fange ich an, mit den Fäusten gegen den Deckel des Kofferraums zu hämmern.

»Hilfe! Hilfe! Ich bin hier drin! Hilfe!«

Ich höre das Kreischen von sich verbiegendem Metall, und ich weiß, dass ich recht mit meinem Verdacht hatte. Das, was ich da draußen höre, ist eine arbeitende Schrottpresse. Und wie es aussieht, ist der Wagen, in dem ich mich befinde, als nächstes an der Reihe.

Ich verdopple meine Anstrengungen, fange auch an, mich mit den Füßen gegen den Kofferraum zu stemmen, um ihn so vielleicht irgendwie aufzuhebeln. Doch das verdammte Ding rührt sich kein Stück.

Schweiß strömt mir übers Gesicht, mein Kopf steht kurz vorm Explodieren – doch darauf kann ich keine Rücksicht nehmen. Wenn ich tot bin, brauche ich mir über Kopfschmerzen keine Gedanken mehr zu machen.

»Hilfe! Hört mich denn niemand?«

Aber um ehrlich zu sein, ich rechne kaum damit, dass mich jemand über den Lärm der Maschine hinweg hört.

Das Ruckeln wird zu einem Schaukeln, ich spüre, wie der Wagen in die Luft gehoben wird.

Ich muss mich bemerkbar machen. Nur wie? Wie?

Mit beiden Händen taste ich den Boden des Kofferraums nach etwas ab, das ich als Hilfsmittel benutzen kann. Dabei schneide ich mir fast die Handinnenfläche an einem spitzen, scharfen Gegenstand auf.

Ein Messer? Warum liegt ein Messer bei mir im Kofferraum?

Egal.

Mir ist inzwischen klar, dass es sich bei dem hellen Rechteck vor meinem Gesicht um das Rücklicht handelt. Mit dem Messer heble ich die Plastikabdeckung auf und schlage dann mit der Faust gegen das Innenleben. Dass ich mir dabei diverse Verletzungen zuziehen, ignoriere ich.

Keine Zeit.

Irgendwie schaffe ich es, meine Hand durch das Loch zu schieben.

Jetzt kann ich nur hoffen, dass die Person, die die Schrottpresse bedient, mich sieht. Ansonsten bin ich nämlich am Arsch.

Endgültig.

Ich winke und winke. »Komm schon«, stoße ich hervor. »Komm schon!«

Und dann stoppt die Maschine plötzlich wirklich, und ich höre laute, aufgeregte Stimmen.

Der Wagen wird wieder zu Boden gelassen, kurz darauf springt der Kofferraumdeckel auf. Das helle Licht blendet mich, sodass ich nur Umrisse erkennen kann.

»Mierda! Hey, hermano! Va todo bien? Quién eres? De dónde vienes?«

Ich verstehe nur ein paar Brocken Spanisch – aber es reicht, um zu begreifen, dass sie mich fragen, wer ich bin und woher ich komme.

Und in dem Moment wird mir schlagartig klar, dass ich es nicht weiß.

Ich weiß weder meinen Namen noch meine Adresse.

Weiß nicht, ob ich Familie habe, Freunde …

Ich bin ein Mann ohne Vergangenheit.

Ein Mann ohne Gedächtnis.

1.

Todd

Als die Ranch in Sichtweite kommt, halte ich meinen Pick-up an, stelle den Motor ab und steige aus. Unter den Sohlen meiner Stiefel knirscht der Sand. Die Sonne brennt mir unbarmherzig ins Gesicht. Ich ziehe meinen Stetson tiefer in die Stirn, um meine Augen abzuschirmen, und starre geradeaus.

Vor mir erstreckt sich die Zufahrt zur Ranch. Die Luft über dem Asphalt flirrt vor Hitze. In einiger Entfernung sehe ich über dem Weg einen Torbogen, auf dem in großen, verwitterten Lettern der Name steht, der mir eigentlich etwas sagen sollte.

SILVER CREEK RANCH.

Tut er aber nicht. Zumindest nicht so, wie es eigentlich der Fall sein müsste. Ich weiß, dass dies die Ranch ist, zu der ich muss, aber eigentlich sollte der Name mehr für mich bedeuten.

Viel mehr.

Liegt sie da wirklich vor mir – meine Vergangenheit?

Mein Blick folgt dem Weg, der von mehreren Scheunen und Koppeln gesäumt wird. Das Haupthaus, das ganz am Ende des Weges liegt, ist nicht sonderlich eindrucksvoll. Es verfügt über zwei Geschosse und ist komplett aus weiß getünchtem Holz errichtet. Es gibt eine erhöhte Veranda, auf der ein einsamer Schaukelstuhl im Wind vor und zurück wippt.

Ich horche in mich hinein. Aber da ist nichts. Keinerlei Emotionen, keinerlei …

Ich schüttele den Kopf. Was habe ich auch erwartet? Ein Wunder?

Heißer Wind weht mir ins Gesicht und bringt Staub mit sich, der sich mir auch auf die Zunge legt. Ich ziehe einen Zahnstocher aus meiner Hosentasche, schiebe ihn mir zwischen die Lippen und beginne, auf dem Holz herum zu kauen, was den unangenehmen Geschmack vertreibt.

Noch einmal sehe ich nachdenklich nach vorn; dann wende ich mich ab, steige wieder in den Pick-up und starte den Motor. Als ich anfahre, sehe ich im Rückspiegel, wie die Hinterräder des Wagens Staub aufwirbeln. Kurz darauf fahre ich unter dem Torbogen hindurch. Die Lattenzäune am Wegesrand wirken brüchig, und auch die diversen Schuppen machen nicht den besten Eindruck.

Vor dem Haupthaus halte ich den Wagen an und erkenne, dass der allgemein schlechte Zustand der Ranch auch davor nicht haltmacht. Überall springt Farbe ab, die Fensterläden sind zum Teil morsch, eines der oberen Fenster ist zerbrochen und nur notdürftig mit Folie geflickt, die im Wind flattert.

Einen Augenblick bleibe ich noch im Wagen sitzen. Spiele mit dem Gedanken, den Motor wieder zu starten, den Rückwärtsgang einzulegen und die Flucht zu ergreifen. Die Flucht vor … der Wahrheit.

Vor meinem wahren Ich.

Vor dem, was ich getan habe.

Gleichzeitig will ich nicht davonrennen. Im Gegenteil: Ich bin schließlich hergekommen, um Antworten zu finden. Antworten auf all die Fragen, die ich seit jenem Tag vor zwei Jahren habe. Als ich in der dunklen Enge aufgewacht bin, mit schmerzendem Kopf und …

Sofort blitzen die Bilder wieder vor meinem geistigen Auge auf. Ich sehe meine Hände, sehe das Blut … das viele Blut …

Ich schüttele den Kopf und vertreibe die Bilder. Entschlossen atme ich zwei, drei Mal tief durch. Ich werde das hier durchziehen. Auf diesen Moment habe ich schließlich zwei Jahre hingearbeitet.

Ich nicke mir selbst zu, steige aus dem Wagen und trete auf das Haus zu. Die Stufen, die zur Veranda hinaufführen, sind ebenfalls nicht mehr in Schuss. Das Holz ist morsch, an einer Stelle ist eine Latte herausgesprungen, an einer anderen Stelle lugt ein großer rostiger Nagel hervor. Ganz eindeutig fehlt hier ein Mann.

Ein Mann, den ich jeden Tag sehe, wenn ich in den Spiegel schaue.

Zögernd bleibe ich vor der Veranda stehen. Dort jetzt hinaufzugehen und an die Tür zu klopfen, kostet mich eine ungeahnte Überwindung. Was soll ich sagen, wenn sie mir die Tür öffnet? Wenn sie mir gegenübersteht und …

Wieder schüttele ich den Gedanken ab. Entschlossen steige ich jetzt die drei Stufen hinauf. Die Bretter knarzen unter meinen Füßen, und als ich schließlich vor der Tür stehe und die rechte Hand erhebe, um anzuklopfen, werde ich von einem Geräusch in der Nähe abgelenkt.

Es klingt wie ein lauter Schlag … dann noch einer. Ein Hämmern? Ich kneife die Augen zusammen und blicke nach links, von wo die Geräusche kommen. Zu sehen ist nichts, und jetzt ist es auch wieder still.

Ich beschließe, erst einmal ums Haus herumzugehen. Warum? Keine Ahnung. Das heißt, doch, eigentlich schon. Ich gebe es nur ungern zu, aber meine Angst, einfach anzuklopfen und gleich der Frau gegenüberzustehen, wegen der ich hier bin, ist ziemlich groß. Und was macht man, wenn man vor etwas, das man tun will, Angst hat? Richtig, man zögert es hinaus. Und genau deshalb beschließe ich jetzt, statt anzuklopfen erst einmal ums Haus herumzuschleichen.

Und schleichen ist das richtige Wort, denn als ich jetzt die Verandastufen hinuntergehe und mich unten nach rechts wende, tue ich dies so leise wie möglich. Komme mir dabei schon wie ein Eindringling vor, obwohl ich das nicht bin. Oder … wer weiß? Vielleicht bin ich es ja doch? Oder werde nach all der Zeit zumindest wie einer angesehen?

Der Weg seitlich vom Haus führt mich an einer Weide vorbei. Tiere befinden sich nicht darauf, und zwar aus einem offensichtlichen Grund: Der Holzzaun, der das Gelände umgibt, ist schlicht und ergreifend baufällig. Nachdenklich bleibe ich stehen. War hier immer schon alles so heruntergekommen? Auch damals, als ich noch …

Das Hämmern, das nun wieder erklingt, reißt mich aus meinen Überlegungen. Ich gehe weiter. Als ich die Rückseite des Hauses erreiche, sehe ich sie sofort, und der Anblick raubt mir schlagartig den Atem.

Die Frau steht mit dem Rücken zu mir gewandt vor einem Zaunpfahl, der lose in der Erde steckt. Sie trägt staubige Stiefel, kurze Jeans-Hotpants und ein weißes Hemd, das den unteren Teil ihres Rückens freilässt. Auf dem Kopf hat sie einen braunen Cowboyhut, unter dem das lange blonde Haar in Wellen über ihre Schultern fällt.

Ihr Anblick sorgt sofort dafür, dass sich in meiner Hose etwas regt.

Tief atme ich durch. Ich sollte mich zusammenreißen. Der Grund, der mich zur Silver Creek Ranch in Pine Valley, Texas, geführt hat, ist nämlich keineswegs die Aussicht auf eine schnelle Nummer mit einer heißen Unbekannten.

Und genau das ist diese Frau hier für mich. Eine mir völlig unbekannte Person.

Obwohl sie das eigentlich nicht sein sollte.

Sofern es sich tatsächlich um die Person handelt, wegen der ich hier bin.

Ich ziehe mein Handy aus der Tasche und sehe mir noch einmal das Bild an, das mir der Privatdetektiv geschickt hat. Darauf ist die Frau von vorn zu sehen. Ein bildhübsches Gesicht, kaum Make-up, strahlend blaue Augen, eine kleine Nase und herrlich rote Lippen, die zum Küssen einladen und …

Ich blicke auf und sehe, wie die Unbekannte sich jetzt mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn wischt; dann greift sie zu dem langstieligen Hammer, den sie neben sich auf dem staubigen Boden wie einen Stock abgestellt hat, umfasst den Stiel mit beiden Händen, holt aus, indem sie den Hammer weit nach hinten über den Kopf schwingt, und …

Da zerreißt ein Schrillen die Stille, und im ersten Augenblick bin ich so erschrocken, dass es eine Sekunde dauert, bis ich erkenne, dass das Schrillen von meiner Hand kommt – genauer gesagt handelt es sich um den Klingelton meines Handys, das ich in der Hand halte.

Im selben Moment lässt die Unbekannte vor Schreck den Hammer fallen, der mit einem dumpfen Laut neben ihr im Staub landet – und wirbelt herum.

Während der Klingelton meines Handys erneut erklingt … und noch einmal, und noch einmal, bis der Anruf zu meiner Mailbox weitergeleitet wird, starre ich die Frau vor mir an. Ja, ich gebe es zu. Mein Blick fällt als Erstes auf ihren Körper. Sie trägt ein dunkles bauchfreies Top. Das leichte weiße Hemd darüber ist unten zusammengeknotet, der Anblick ihres nackten flachen Bauchs raubt mir den Atem. Mein Blick wandert höher, aber nur ein Stück, zu den kleinen festen Brüsten, die sich unter dem Stoff des Tops abzeichnen. Mein Mund wird noch trockener, als er ohnehin schon ist.

Ich muss meinen Blick förmlich von ihrer betörenden Gestalt losreißen. Endlich sehe ich in ihr Gesicht, und ich erkenne sie eindeutig als die Frau von dem Foto. Ihr Gesicht wirkt etwas älter und mitgenommener, was sicher daran liegt, dass sie gerade einer starken körperlichen Arbeit nachgeht und entsprechend schwitzt. Mehr Erinnerung an diese Frau habe ich aber nicht.

Sie hingegen hat Erinnerung an mich, das erkenne ich sofort. Ihr Blick wirkt wie der einer Frau, die nach langer Zeit ihren Ehemann wiedersieht.

Und genau das bin ich für Savannah McReady.

Ihr lange verschollener Ehemann.

2.

Savannah

Halte ich den Hammer noch fest? Habe ich ihn fallenlassen? Träume ich? Oder bin ich tatsächlich wach und sehe so etwas wie eine Fata Morgana? Vielleicht hat mir die Arbeit in der prallen Hitze wirklich nicht gutgetan. Wie äußert sich eigentlich ein Sonnenstich?

Bestimmt nicht, indem man plötzlich seinen eigenen Ehemann vor sich sieht, der vor fast genau zwei Jahren sang- und klanglos verschwunden ist!

Ich blinzele gegen die Sonne an. Einmal, zweimal. Doch das Bild vor mir bleibt. Vor mir steht ein Mann. Und zwar nicht irgendein Mann. Weder mein Hilfsarbeiter John, noch der Bürgermeister oder jemand aus dem Ort. Auch nicht der Tierarzt oder irgendein Stranger.

Nein, vor mir steht Todd.

Mein Ehemann.

Mein Ehemann, der sich vor zwei Jahren eines Nachts aus meinem Leben geschlichen hat.

Ohne sich zu verabschieden oder irgendeinen Hinweis auf seinen Verbleib zu hinterlassen.

Der Mann, der mir in jener Nacht das Herz gebrochen hat.

Und mich beinahe in den Ruin stürzte.

Er hat sich verändert. Sein ganzer Körperbau wirkt gedrungener, aber auf eine gute Art und Weise. Die Art und Weise eines Mannes, der an schwere körperliche Arbeit gewöhnt ist. Seine Haltung drückt Stolz aus, aber auch einen Anflug von Unsicherheit. Meinetwegen? Geschähe ihm recht. Der traut sich was, einfach so hier aufzutauchen, nach allem, was ich seinetwegen durchgemacht habe.

Aber, Teufel auch, er sieht gut aus. Verdammt gut sogar. Und er hat seine Wirkung auf mich trotz allem nicht verloren – wofür ich mich am liebsten selbst ohrfeigen möchte. Aber ich bin eben auch nur eine Frau. Und wie sich das Shirt unter seinem offenen Baumfällerhemd über seine muskulöse Brust spannt, und dann der Zahnstocher zwischen seinen Lippen …

Ich schüttele den Kopf. Ich sehe meinen Mann zum ersten Mal nach zwei Jahren wieder und habe nichts anderes im Sinn, als seinen verflixten Körper zu bewundern oder die Art, wie er auf einem verdammten Stückchen Holz herumkaut? Himmel, was ist los mit mir? Habe ich den Verstand verloren?

»Hallo«, sagt er nur, während er das Handy, dessen Klingelton mich gerade so erschreckt hat, in die Tasche seiner engen ausgewaschenen Jeans steckt.

Seine Stimme, rau aber auch warm, streichelt meine Seele.

»Hallo, Todd.«

Hallo, Todd? Ist das deine Begrüßung? Im Ernst jetzt?

Wissen Sie, wie oft ich dieses Wiedersehen mit Todd in Gedanken schon erlebt habe? Wie oft ich mir ausgemalt habe, ihm einfach wieder gegenüberzustehen, so wie jetzt? Hunderte Male. Tausende Male! Seit zwei Jahren stelle ich es mir jeden Tag und jede Nacht vor. Immer wieder und wieder. Und fast jedes Mal besteht meine Begrüßung aus Beschimpfungen und einer saftigen Ohrfeige, die ich ihm verpasse. Weil er es gewagt hat, einfach abzuhauen, mich im Stich zu lassen – und jetzt wieder vor mir steht, als sei nichts gewesen.

Doch genau so reagiere ich jetzt eben nicht. Stattdessen würde ich am liebsten auf der Stelle in seine starken Arme sinken. Und ein Wunder ist das nicht. Schließlich wusste ich ja nichts mit Sicherheit. Dass er mich einfach sitzengelassen hat nach dem Motto »Bin nur mal schnell Zigaretten holen«. Genauso gut hätte es ja auch sein können, dass er verschleppt und ermordet wurde oder einfach bei einem Unfall ums Leben kam, ohne dass jemand seine Leiche jemals fand.

Natürlich sind mir schreckliche Szenarien dieser Art durch den Kopf gegangen, immer wieder und wieder. Vor allem in der ersten Zeit nach Todds Verschwinden. Nachdem wir Ärzte und Krankenhäuser abgeklappert und die Umgebung abgesucht haben. Doch das alles brachte keinerlei Ergebnis. Es gab einfach keine Spur von Todd, und irgendwann begann ich zu glauben, was alle im Ort glaubten: dass Todd in unserer Ehe nicht mehr glücklich war und deshalb das Weite gesucht hat.

Und wissen Sie, warum ich es glaubte? Weil es so war: Todd hat sich nicht mehr wohlgefühlt in unserer Ehe, das wusste ich schon vor seinem Verschwinden. Eine Frau spürt so etwas nun mal. Bloß unternommen habe ich nichts dagegen. Sondern einfach nur abgewartet. Es wird schon alles wieder in Ordnung kommen, habe ich mir immer wieder gesagt – und unsere Probleme stattdessen verdrängt.

Aber das ist nicht der einzige Grund, weshalb ich mich an diese Erklärung klammerte. Der Glaube daran, dass Todd noch lebt, hat mich ebenfalls am Leben gehalten. Egal, ob er wegging, weil unsere Ehe eine nicht auszuhaltende Belastung für ihn war, oder wegen einer anderen Frau – die Hoffnung, ihn eines Tages vielleicht doch noch mal wiederzusehen, gab mir die Kraft, unser bisheriges gemeinsames Leben allein weiterzuführen und das Andenken an Todd in Ehren zu halten.

Klingt das verrückt? Ist das verrückt? Oder handelt man einfach so, wenn man jemanden liebt?

Ich weiß es nicht. Todd ist auch der einzige Mann, den ich je geliebt habe … und immer noch liebe.

Stimmt das? Liebe ich ihn immer noch? Kann ich das überhaupt sagen, nachdem er fast zwei Jahre fort war und jetzt plötzlich wieder vor mir steht, als sei nichts gewesen?

Ich habe keine Ahnung. Aber bei seinem Anblick hämmert mein Herz wie verrückt, und ich wünsche mir nichts sehnlicher, als einfach in seine Arme zu sinken.

Oder ist das nur die Erleichterung angesichts der nun endgültigen Gewissheit, dass er noch lebt?

Möglich. Und weil ich es eben nicht genau weiß und noch immer keine Ahnung habe, warum er einfach ohne ein Wort des Abschieds ging, werde ich den Teufel tun, ihm in die Arme zu fallen!

Nun merke ich doch, wie Wut in mir aufsteigt. Und zwar deshalb, weil sich meine Gedanken in diesen Sekunden um ein ganz bestimmtes Szenario drehen: Wenn Todd sich damals tatsächlich aus dem Staub gemacht hat, um mit einer anderen Frau an einem anderen Ort ein neues Leben zu beginnen – warum ist er dann auf einmal wieder hier? Warum steht er mir jetzt gegenüber? Weil er gesehen hat, dass die andere Frau doch nichts für ihn ist? War das neue Leben doch nicht bequem genug? Oder hat die andere Frau ihn vielleicht sogar verlassen, und jetzt ist er wieder hier, um nicht allein sein zu müssen?

Falls ja, kann er sich aber mal gleich wieder dahin verpissen, wo er hergekommen ist!

»Wie … geht es dir?«, fragt er heiser. Als ich nicht antworte, öffnet sich sein Mund ein weiteres Mal: »Freust du dich … mich zu sehen?«

Einen Moment bin ich baff. Sind das wirklich ernstgemeinte Fragen? »Wie es mir geht? Ob ich mich freue?«, wiederhole ich fassungslos und verenge die Augen zu Schlitzen. »Da fragst du noch? Kannst du dir das nicht denken, nachdem du mich einfach im Stich gelassen hast?«

Das hat er schließlich. Zwar habe ich noch immer keine Ahnung, was genau geschehen ist – ob er mich wirklich wegen einer anderen Frau oder aus sonst irgendwelchen Gründen verlassen hat. Aber eines steht fest: Selbst wenn er einen Unfall oder irgendetwas in der Richtung hatte, hätte er wohl kaum zwei Jahre fortbleiben müssen. Ohne sich bei mir zu melden!

»Im Stich gelassen?«, fragt er. »Wie … meinst du das?«

Ich reiße die Augen auf. »Ist das dein Ernst? Du stehst einfach wieder vor mir … nach all der Zeit … und fragst mich das? Willst du mich eigentlich verarschen, Todd McReady?«

»Ich …«

»Oh nein, jetzt rede ich!«, falle ich ihm ins Wort. »Glaubst du etwa, ich habe Lust auf deine Ausreden? Du verschwindest in einer Nacht-und-Nebel-Aktion aus unserem gemeinsamen Leben, ohne ein Wort des Abschieds, ohne eine Nachricht zu hinterlassen. Selbst eine SMS hast du nicht für nötig gehalten, und sogar die größten Feiglinge machen wenigstens auf diese beschissene Art und Weise Schluss. Du aber bist einfach abgehauen. Ich habe nichts gewusst, nichts! Ob du einen Unfall hattest, entführt oder umgebracht worden bist … nichts habe ich gewusst! Na, willst du jetzt immer noch wissen, ob ich mich freue? Und ob es mir gutgeht?«

Ich sehe, wie er unter meinen Worten zusammenzuckt wie unter einem Peitschenhieb. Verwundert runzele ich die Stirn. Sein Verhalten irritiert mich. Muss er denn nicht geahnt haben, dass ich genauso reagiere? Und muss ihm nicht klar gewesen sein, wie schlecht es mir nach seinem Verschwinden ging? Natürlich muss es das!

»Savannah, ich …«

»Was ich?«, falle ich ihm aufgebracht ins Wort. Ich merke selbst, wie es in mir immer mehr brodelt, aber daran ist keineswegs die Hitze schuld. Sondern einzig und allein meine Wut auf den Mann, der da vor mir steht. Den ich am liebsten gleichzeitig davonjagen und mit ins Haus zerren würde, geradewegs ins Schlafzimmer …

Himmel, was sind das für unangebrachte Gedanken! Habe ich womöglich doch einen Sonnenstich?

Kopfschüttelnd trete ich zurück, bis ich mit dem Hintern gegen den Zaunpfahl stoße, den ich gerade in die verdammte Erde gerammt habe. Tja, sagen wir besser, ich habe es versucht, aber fest in der Erde steckt der Pfahl nicht, wie ich jetzt merke, als ich mich anlehne – und zusammen mit dem Pfahl geradewegs nach hinten kippe.

Ich reiße die Augen auf und die Arme nach oben, versuche noch, irgendwie das Gleichgewicht zu halten, doch keine Chance. Ich falle weiter und bereite mich schon auf den Aufprall in den Staub vor.

Doch ehe der erfolgt, taucht Todd ganz dicht vor meinen Augen auf. Im nächsten Moment spüre ich einen Arm um meinen Rücken. Kurz hänge ich in der Luft, dann zieht Todd mich zu sich hoch, und als ich wieder sicher auf den Füßen stehe, bin ich ihm so nah, dass ich die Wärme spüre, die von seinem Körper ausgeht und mich viel mehr ins Schwitzen bringt als die hoch am Himmel stehende Sonne es je könnte. Sein Duft dringt mir in die Nase, vernebelt meine Sinne. Eine Mischung aus Schweiß und einfach-nur-Mann. Und ist das nicht das gleiche After Shave wie früher?

Manches hat er ganz offensichtlich beibehalten, manch anderem hat er sich entledigt. Ich gehöre zu letzterer Gruppe. Zumindest war das so. Hat er jetzt plötzlich seine Meinung geändert? Denkt er, ach, so schlecht war es ja doch nicht zu Hause? Tja, dann kann er sich gleich wieder verziehen!

Ich blicke zu ihm hoch. Senkt sich sein Gesicht gerade zu meinem herab? Gott, wie sehr wünscht sich zumindest ein Teil von mir genau das. Dass er sich zu mir hinunterbeugt, mir seine Lippen auf den Mund presst und mich endlich wieder küsst. So wild und leidenschaftlich wie ganz früher, als unsere Ehe noch nicht problembelastet war und wir …

Stopp! Aufhören! Diese Zeiten sind nun wirklich längst vorbei! Und ich sollte jetzt gerade alles tun – aber ganz bestimmt nicht an unsere guten Zeiten denken!

Hastig reiße ich mich von ihm los. »Ich will gar nichts groß von dir hören«, funkele ich ihn an. »Nur zwei Dinge will ich wissen: Warum? Warum bist du abgehauen – und warum bist du wieder hier?«

Er sieht mich einen Moment schweigend an. Unter seinem Blick habe ich das Gefühl, jeden Moment wie Eis in der Sonne dahin zu schmelzen. Endlich nimmt er seinen Zahnstocher aus dem Mund, lässt ihn achtlos in den Staub fallen – und sagt:

»Warum ich abgehauen bin, weiß ich nicht. Und wieder hier bin ich, um genau das zu erfahren. Ich weiß es nämlich selbst nicht.«

Seine Worte brauchen eine ganze Weile, bis sie mich wirklich erreichen.

---ENDE DER LESEPROBE---