Dein böses Herz - Paul Buderath - E-Book
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Dein böses Herz E-Book

Paul Buderath

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Beschreibung

Eigentlich hatte sich Kommissarin Sandra Rehbein auf ein freies Wochenende mit ihrem Sohn gefreut. Doch dann wird sie zu einem Tatort gerufen: Auf einem verlassenen Parkplatz liegt ein toter Mann - ihm wurde das Herz herausgeschnitten. Als Sandra und ihr Team die Ehefrau des Opfers verständigen, finden sie heraus, dass diese ein Video erhalten hat, auf dem ihr Ehemann beim Sex mit einer auffällig tätowierten Frau zu sehen ist. Gibt es da einen Zusammenhang? Kurz darauf wird eine weitere Leiche gefunden - ebenfalls ohne Herz. Bei ihren Ermittlungen deckt Sandra ein dunkles Geheimnis auf, das die Opfer miteinander verbindet. Und das Morden ist noch nicht vorbei ...

Ein packender Thriller, der unter die Haut geht.

eBooks von beTHRILLED - mörderisch gute Unterhaltung!



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Seitenzahl: 274

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Inhalt

Cover

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Über dieses Buch

Über den Autor

Titel

Impressum

Widmung

Prolog

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

27. Kapitel

28. Kapitel

29. Kapitel

30. Kapitel

31. Kapitel

32. Kapitel

33. Kapitel

34. Kapitel

35. Kapitel

36. Kapitel

37. Kapitel

38. Kapitel

39. Kapitel

40. Kapitel

41. Kapitel

42. Kapitel

43. Kapitel

44. Kapitel

45. Kapitel

46. Kapitel

47. Kapitel

48. Kapitel

49. Kapitel

50. Kapitel

51. Kapitel

52. Kapitel

53. Kapitel

54. Kapitel

55. Kapitel

56. Kapitel

57. Kapitel

58. Kapitel

59. Kapitel

60. Kapitel

61. Kapitel

62. Kapitel

63. Kapitel

64. Kapitel

65. Kapitel

66. Kapitel

67. Kapitel

68. Kapitel

69. Kapitel

70. Kapitel

71. Kapitel

Epilog

Danksagung

Weitere Titel des Autors

Der Künstler

Über dieses Buch

Eigentlich hatte sich Kommissarin Sandra Rehbein auf ein freies Wochenende mit ihrem Sohn gefreut. Doch dann wird sie zu einem Tatort gerufen: Auf einem verlassenen Parkplatz liegt ein toter Mann – ihm wurde das Herz herausgeschnitten. Als Sandra und ihr Team die Ehefrau des Opfers verständigen, finden sie heraus, dass diese ein Video erhalten hat, auf dem ihr Ehemann beim Sex mit einer auffällig tätowierten Frau zu sehen ist. Gibt es da einen Zusammenhang? Kurz darauf wird eine weitere Leiche gefunden – ebenfalls ohne Herz. Bei ihren Ermittlungen deckt Sandra ein dunkles Geheimnis auf, das die Opfer miteinander verbindet. Und das Morden ist noch nicht vorbei ...

Über den Autor

Paul Buderath, geboren 1981, lebt und arbeitet in Essen, im Herzen des Ruhrgebiets. Neben seiner Tätigkeit als Arzt widmet er sich seit Jahren seiner zweiten großen Leidenschaft, dem Schreiben. Dabei beschäftigt er sich mit nervenzerreißenden Geschichten, wie sie nur im Moloch der Großstadt entstehen können. Im vergangenem Jahr erschien sein Debütroman Der Künstler. Dein böses Herz ist sein zweiter Thriller.

Paul Buderath

Dein böses Herz

Thriller

Originalausgabe

»be« – Das eBook-Imprint der Bastei Lübbe AG

Copyright © 2021 by Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Nadine Buranaseda

Lektorat/Projektmanagement: Kathrin Kummer

Covergestaltung: Massimo Peter-Bille unter Verwendung von Motiven © JasminkaM/shutterstock, © Steve Collender/shutterstock

eBook-Erstellung: 3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 978-3-7517-0607-0

www.be-ebooks.de

www.lesejury.de

Für Regina, Paul Moritz und Sophia

Prolog

Verlassen lag der Parkplatz in der eisigen Nacht. Der abnehmende Mond war hinter dichten Wolken verborgen, und die wenigen Laternen warfen dünnes Licht auf die vereinzelt parkenden Autos. Dirk Lettorf war das nur recht. Die Dunkelheit gab ihm ein Gefühl der Sicherheit. Er konnte keine Zuschauer brauchen, auch wenn es unwahrscheinlich war, dass er hier draußen jemandem begegnete. Sie hatten den Ort für ihr Treffen nicht grundlos gewählt. Fröstelnd vergrub er die Hände in den Manteltaschen und bewegte die eingefrorenen Zehen in den Schuhen. Bereits seit Wochen herrschte eine grimmige Kälte. Selbst in der Finsternis konnte er sehen, wie sich bei jedem Ausatmen eine Dampfwolke vor seinem Gesicht bildete. Wann mochte Nicki erscheinen?

Er sah auf die Uhr. 2:26 Uhr. Fast eine halbe Stunde zu spät. Hoffentlich versetzte sie ihn nicht. Es war schwierig genug gewesen, Ramona die Lügengeschichte von der Betriebsfeier aufzutischen. Manchmal hatte er das Gefühl, dass sie langsam misstrauisch wurde, wenn er wieder einmal mit einer neuen Ausrede für sein merkwürdiges Verhalten ankam. Immerhin, bis jetzt hatte sie nie etwas gesagt.

Er hauchte in die hohlen Handflächen, um sie zu wärmen. Hätte er gewusst, dass er so lange würde warten müssen, hätte er Handschuhe mitgenommen. War es nicht ohnehin völlig bescheuert, sich mitten in der Nacht mit einer Frau zu treffen, die er kaum kannte? Er dachte an ihre erste Verabredung zurück und lächelte. Nein, das war es nicht. Ungewöhnlich, ja. Aber er musste Nicki unbedingt wiedersehen. Und wenn sie sich bloß heimlich treffen konnten, musste es eben so sein.

Dirk sah sich um. War Nicki schon da? Der Parkplatz war groß, und sie hatte ihm keinen genaueren Treffpunkt genannt. Vielleicht irrte sie ebenso durchs Dunkel wie er vorhin. Und obwohl sich seine Augen mittlerweile an die Lichtverhältnisse gewöhnt hatten, konnte er nirgends eine Bewegung ausmachen. Er überlegte, ob er sich wieder in den Wagen setzen und die Sitzheizung anschalten sollte, als er glaubte, eine Stimme zu vernehmen. Dirk hielt den Atem an und lauschte. In der Ferne schien jemand zu singen.

»Mariechen saß auf einem Stein ...«

Die Melodie klang nach einem Kinderlied. Er runzelte die Stirn. Schon im nächsten Moment war wieder alles ruhig. Nur das Rauschen der benachbarten Autobahn war zu hören. Unsicher machte er einige Schritte. Der Asphalt war an manchen Stellen teuflisch glatt. Beim Aussteigen hatte er sich beinahe langgelegt.

»Dirk!«, sprach plötzlich eine Stimme in seinem Rücken.

Er fuhr zusammen.

»Schön, dass du kommen konntest.«

Dirk drehte sich um und erkannte in wenigen Metern Entfernung die Silhouette einer Person, die langsam auf ihn zutrat. Er kniff die Augen zusammen. Die Frau, die sich mit jedem weiteren Schritt aus der Dunkelheit schälte, war jedoch nicht Nicki. Nicki hatte lange blonde Locken, diese Frau trug die Haare zu einem Dutt gebunden und einen altmodischen langen Rock, den Nicki im Leben nicht angezogen hätte.

»Wer sind Sie?«, fragte er verunsichert.

Die fremde Frau lächelte. »Ich glaube, wir kennen uns lange genug, um Du zu sagen.«

»Das muss ein Missverständnis sein. Ich kenne Sie nicht«, erwiderte er ärgerlich.

»Doch, Dirk, du kennst mich sehr gut.«

»Woher kennen Sie meinen Namen?«

Er zwang sich nachzudenken. Konnte irgendjemand von ihrem Treffen erfahren haben? Nein. Außer Nicki und ihm wusste niemand, dass er hier war.

»Du enttäuschst mich, Dirk.«

Etwas in der Art, wie sie sprach, rief eine Ahnung in ihm wach. Eine schreckliche Ahnung. Dirk spürte, wie ihm das Grauen die Kehle zuschnürte. Ja, er erinnerte sich. Aber das war unmöglich.

»Lassen Sie mich in Ruhe!«, fuhr er sie an. »Wir sind uns nie begegnet!«

»Ach, wirklich nicht?« Mit ruhigen, festen Schritten trat die Frau näher an ihn heran. »Nun, dann muss ich deinem Gedächtnis wohl ein wenig auf die Sprünge helfen. Ich bin mir ganz sicher, dass du dich erinnerst.«

»Sie sind völlig durchgeknallt! Ich habe keine Lust, mich mit Ihnen zu unterhalten.«

Für einen Augenblick tat sich eine Lücke in der Wolkendecke auf, und ein Strahl fahlen Mondlichts fiel auf das Gesicht der Fremden. Dirk gefror das Blut in den Adern.

»Das ... das ist unmöglich.«

Mit einem Mal machte die Frau eine blitzschnelle Bewegung mit der Hand. Ehe Dirk begriff, was geschah, zerriss ein eiskalter Schmerz seine Brust. Schockiert schaute er an sich hinunter und sah die Klinge des Messers, das aus seinem Fleisch ragte, im Mondschein aufblitzen.

»Was ...?« Schon spürte er, wie ihm schwarz vor Augen wurde.

Während er zu Boden sank, begann die Frau leise zu singen.

»Mariechen saß auf einem Stein,

Einem Stein, einem Stein ...«

1. Kapitel

»Sorry, tut mir leid, dass es schon wieder so spät geworden ist. Aber ich musste den Bericht unbedingt vor dem Wochenende fertig bekommen«, sagte Kriminalhauptkommissarin Sandra Rehbein, nachdem sie die Wohnung betreten hatte.

Sie stopfte den Schal in den Ärmel ihrer Lederjacke und hängte sie an die Garderobe.

»Mach dir unseretwegen keine Sorgen«, antwortete ihre Mutter und bedachte sie mit einem mitleidigen Blick. »Wir sind sowieso noch wach. Doch du solltest mehr auf dich aufpassen. Du arbeitest zu viel.«

»Ich weiß. Erzähl das lieber meinem Chef. Wenn's nach dem geht, leistet meine Abteilung viel zu wenig. Schläft Tim schon?« Sandra traute sich kaum zu fragen.

Ihre Mutter nickte. »Er wollte unbedingt wach bleiben, bis du da bist. Vor einer halben Stunde ist er trotzdem eingeschlafen.«

Sandra biss sich auf die Unterlippe. »Mist!«

»Alles halb so wild. Wenn er gleich aufwacht, freut er sich umso mehr.«

Es war rührend, wie ihre Mutter versuchte, ihr das Gefühl zu geben, alles wäre okay. Dennoch, das schlechte Gewissen, wenn sie ihren Sohn mal wieder viel zu spät von seinen Großeltern abholte, konnte sie dadurch nicht vertreiben.

Sie gingen ins Wohnzimmer, wo sich ihr Vater in seinem Fernsehsessel gerade ein Glas Bier einschenkte. Als er Sandra bemerkte, stand er auf.

»Da ist ja unsere Kommissarin!« Er sah auf die Uhr. »Halb neun. Wird auch immer später bei dir.«

Sie begrüßte ihn mit einer Umarmung. »Ja, viel zu tun und zwei Kollegen krank. Es ist wie verhext.«

»Brauchst du mir nicht zu erzählen.« Ihr Vater lachte. »Ich hab vierzig Jahre Behörde hinter mir.«

Sie entdeckte Tim auf der Couch. »Da ist ja mein Schatz!«

Auf Zehenspitzen trat sie näher und ging vor dem Sofa in die Hocke. Tim atmete tief und gleichmäßig. Wie er so zusammengekauert dalag, sah er beinahe aus wie ein Baby. Dabei wurde er nächsten Monat acht. Acht Jahre! Gott, wo war die Zeit geblieben? Sie strich zärtlich durch Tims strohblondes Haar. Er lächelte im Schlaf und rollte sich noch etwas kleiner zusammen.

»Können wir dir irgendwas anbieten?«, fragte ihre Mutter leise. »Du hast sicher wieder den ganzen Tag nichts gegessen und getrunken.«

Sandra winkte ab. »Danke, danke. Ich nehme euch sowieso schon viel zu sehr in Anspruch. Außerdem hatte ich heute Mittag ein Sandwich.«

Ihre Mutter hob eine Braue. »Na großartig! Das kann nicht so weitergehen, Sandra. Auf Dauer hältst du das nicht durch!«

»Ja, Mama. Wir fahren jetzt schnell nach Hause. Ich bringe Tim ins Bett, und danach esse ich was, versprochen. Jetzt ist ja Wochenende, da haben wir endlich mal richtig Zeit zusammen.«

»Das wird euch guttun. Dann seht zu, dass ihr loskommt. Und wenn du irgendwas brauchst, ruf einfach an.«

»Mach ich, Mama.«

Sandra fragte sich, was alleinerziehende Mütter taten, die nicht auf die Unterstützung ihrer Eltern zählen konnten. Sie wollte gerade die Hand ausstrecken, um Tim zu wecken, als das Handy in ihrer Hosentasche vibrierte. Sie zog die Hand zurück und holte das Telefon hervor. Die Einsatzzentrale. Das durfte nicht wahr sein!

»Rehbein«, meldete sie sich halb flüsternd, um Tim nicht aufzuschrecken.

»Rettkowski von der Leitstelle. Guten Abend! Die Kollegen des KDD haben etwas für Sie.«

»Was heißt das? ›Etwas für mich‹?«

»Männliche Person, mutmaßlich gewaltsamer Tod.«

Sandra schloss die Augen. So eine Scheiße! Ein Mordfall in ihrer Bereitschaftswoche bedeutete, dass das Wochenende gelaufen war. Sie würde Tim erklären müssen, dass sie auch in den nächsten Tagen kaum Zeit für ihn haben würde. Der Gedanke brach ihr das Herz. Doch es half nichts. Sie leitete die Mordkommission, da konnte sie sich nicht aussuchen, wann es Arbeit gab und wann nicht. Sie erhob sich und ging in die gegenüberliegende Zimmerecke, um etwas lauter sprechen zu können. Rasch fragte sie die Eckdaten ab und legte auf.

»Sag jetzt nicht ...«

Sie wagte es kaum, ihrer Mutter in die Augen zu sehen. Ihr Blick verriet, dass sie genau wusste, was der Anruf zu bedeuten hatte.

»Ich muss los, es geht nicht anders.«

Ihre Mutter seufzte. »Meinst du, es wird lange dauern?«

Sandra zuckte mit den Schultern. »Ich hoffe nicht.«

Natürlich würde es lange dauern. Es dauerte immer lange.

»Mami?«

Sandra fuhr herum. Auch das noch.

Tim hatte sich aufgesetzt. Die Haare völlig zerzaust, schaute er sie mit seinen müden Kinderaugen an. »Fahren wir jetzt nach Hause?«

»Hör zu, Schatz ...« Mit zwei Schritten war Sandra bei ihrem Sohn. »... ich muss noch mal ganz kurz weg. Schlaf weiter, ich hole dich gleich ab, und dann fahren wir nach Hause.«

»Hm ... wann kommst du wieder?« Er versuchte, tapfer zu sein, aber die Enttäuschung in seiner hellen Kinderstimme war unüberhörbar.

»So schnell es geht, mein Schatz, versprochen.« Sie drückte ihn an sich und gab ihm einen Kuss auf die Stirn.

2. Kapitel

Nervös schaute die junge Frau, die sich »Nicki« nannte, zum hundertsten Mal die Straße hinunter. Es schneite ohne Unterlass, und sie fror in ihrer kurzen Felljacke erbärmlich. Sie hielt den Oberkörper mit einem Arm umschlungen, während sie an ihrer Zigarette zog. Kurz überlegte sie, ob sie sich an der Bushaltestelle gegenüber unterstellen sollte. Aber Lorena hatte den Kiosk als Treffpunkt genannt, und Nicki hatte kein Interesse daran, sie zu verärgern. Sie presste die Kiefer zusammen, um nicht mit den Zähnen zu klappern. Als sie noch auf der Straße gearbeitet hatte, hatte sie bei Wind und Wetter draußen stehen müssen. Die Zeiten waren glücklicherweise vorbei, auch wenn es fraglich war, ob ihre aktuelle Situation wirklich eine Verbesserung war. Sie zog noch einmal an der Zigarette und schnippte die Kippe in den Rinnstein. Wenn alles glattging, konnte sie die Stadt schon bald hinter sich lassen und damit all den Dreck, der bisher ihr gesamtes Leben bestimmt hatte. Vorausgesetzt, Lorena hielt Wort und tauchte auf. Sie sah noch einmal aufs Handy. 21:57 Uhr. Noch drei Minuten bis zur vereinbarten Zeit.

»Hey, Nicki«, zischte es in ihrem Rücken.

Nicki fuhr herum. »Lorena! Müssen Sie mich so erschrecken?«

Die kleine Frau, die wie bei ihren ersten beiden Begegnungen eine braune Steppjacke und einen langen dunklen Rock trug, antwortete nicht, sondern zog sie am Arm näher an die Hauswand heran.

»Ich möchte nicht, dass uns jemand sieht«, flüsterte Lorena.

»In dem Punkt sind wir uns einig. Haben Sie das Geld?«, fragte Nicki ungeduldig und sah sich verstohlen um.

Natürlich war kein Mensch auf der Straße. Welcher Idiot ging bei dem Sauwetter schon freiwillig vor die Tür?

Lächelnd drückte Lorena ihr einen Briefumschlag in die Hand. In ihren Bewegungen lag nicht die geringste Spur von Eile. Kälte und Schnee schienen sie kein bisschen zu beeindrucken.

»Das war ausgezeichnete Arbeit. Mit so gutem Material hatte ich nicht gerechnet.«

Nicki warf einen Blick in den Umschlag. Im Dunkeln konnte sie nicht genau nachzählen, aber sie erkannte ein Bündel großer Scheine. Hastig packte sie das Geld in ihre Jackentasche und wandte sich zum Gehen.

»Warte!«, sagte Lorena scharf.

»Was denn noch?«

Lorena senkte die Stimme. »Ich möchte, dass du einen weiteren Auftrag für mich erledigst.«

»Danke, kein Interesse«, antwortete Nicki und wollte sich wieder umdrehen.

Lorena ergriff ihre Hand und hielt sie zurück. »Glaub mir, es lohnt sich für dich.«

Nicki zögerte. Irgendetwas an der seltsamen Frau machte ihr Angst. Sie kannte nicht einmal ihren richtigen Namen. Abgesehen davon, dass der Auftrag der Unbekannten höchst ungewöhnlich gewesen war. Außerdem musste sie Dortmund so schnell wie möglich verlassen. Mit jedem weiteren Tag, den sie in der Stadt verbrachte, stieg das Risiko, entdeckt zu werden. Gleichzeitig war die Aussicht auf einen zweiten Umschlag voller Geld verlockend.

»Was für einen Auftrag?«, fragte sie gedämpft.

»Das Gleiche wie beim letzten Mal.«

Der eisige Wind wehte eine Plastiktüte vorbei, die einige Sekunden über den Asphalt tänzelte, als könnte sie sich nicht für eine Richtung entscheiden, bevor sie im Rinnstein landete und liegen blieb.

»Und wenn ich's nicht mache?«, flüsterte Nicki. »Ich hab gerade fünftausend Euro verdient. Ich hab's erst mal nicht nötig.«

»Zehntausend Euro, wenn du es noch einmal tust.«

Nickis Herz begann wie wild zu schlagen. Zehntausend Euro. Leicht verdientes Geld und genug, um sich endgültig eine neue Existenz aufzubauen. Dazu konnte sie unmöglich Nein sagen. Dennoch sträubte sich alles in ihr, das Angebot anzunehmen.

»Diesmal will ich eine Anzahlung«, sagte sie trotzdem.

Lorena nickte zufrieden. »Einverstanden. Zweitausend jetzt, dreitausend bei Übergabe des Films. Den Rest, wenn ich das Material gesehen habe. Sind wir im Geschäft?«

Mit zitternder Hand schlug Nicki ein. »Um wen geht es?«

3. Kapitel

Angestrengt starrte Sandra Rehbein durch die Windschutzscheibe, während die Scheibenwischer gegen den immer stärker werdenden Schneefall ankämpften. Der Winter war dieses Jahr ungewöhnlich kalt. Seit sie vor zehn Jahren nach Essen gezogen war, hatte sie nur ein einziges Mal richtigen Schnee erlebt. Normalerweise gab es hin und wieder etwas Schneeregen, viel zu schnell fallende Flocken, die sich am Boden sofort in schwarzgrauen Matsch verwandelten. Dennoch genügte es, um den Verkehr jedes Jahr pünktlich zum Wintereinbruch vollständig zum Erliegen zu bringen. Doch jetzt schneite es bereits seit einigen Tagen beinahe durchgehend. Bäume und Dächer waren weiß bedeckt, und die wenigen Streufahrzeuge schafften es gerade einmal, die wichtigsten Straßen frei zu halten. Zum Glück waren nicht mehr viele Autos unterwegs, sodass sie trotz der Wetterlage gut vorankam.

»In fünfzig Metern links abbiegen«, wies die emotionslose Frauenstimme des Navigationssystems sie an.

Überflüssig, denn der Beamte mit der gelben Warnweste, der die Einfahrt zum Parkplatz bewachte, verriet, dass sie richtig war. Als sich Sandra näherte, beugte er sich hinunter und leuchtete mit der Taschenlampe ins Wageninnere. Er trug gefütterte Handschuhe und hatte die Kapuze seiner Winterjacke tief heruntergezogen, sodass das Gesicht kaum zu erkennen war. Sandra hob ihren Dienstausweis, und der Mann nickte. Im Schritttempo fuhr sie weiter.

Sandra war immer wieder erstaunt, was für gottverlassene Orte es in dieser Stadt gab. Orte, an denen unbemerkt Dinge geschahen, die die meisten Menschen nicht einmal ahnten. Es lag in der Natur ihres Berufs, sich an genau diesen Orten aufzuhalten.

Der Parkplatz direkt neben der A40 an der Grenze zu Bochum wurde von hohen Sträuchern und Büschen umschlossen. Tagsüber mochten hier die Angestellten aus dem angrenzenden Industriegebiet parken. Jetzt, Freitagabend um halb zehn, war er wie leer gefegt. Nur eine Handvoll schneebedeckte Autos standen herum. Außerhalb der Lichtkegel der hohen Scheinwerfermasten herrschte völlige Dunkelheit. Auf der gegenüberliegenden Seite jedoch konnte sie einige helle Lichter ausmachen.

Die Markierungen der Parkflächen und Fahrtwege waren nicht zu erkennen. Sandra folgte den frischen Reifenspuren im Schnee und lenkte den schwarzen BMW bis ans andere Ende des Parkplatzes. Beim Näherkommen begriff sie, dass es sich bei den Lichtern um die Scheinwerfer von Wagen handelte, die dort mit laufendem Motor standen. Irgendwo in der Tiefe des Gebüschs, das den Parkplatz umgab, schien ein noch helleres Licht. Flutlicht. Das musste der Fundort sein.

Sie parkte den Dienstwagen neben einer Streife und stieg aus. Schneidende Kälte schlug ihr entgegen, und sie ärgerte sich, dass sie keine Handschuhe mitgenommen hatte.

»Ah, schau an! Bambi ist auch schon da.«

Sandra verdrehte die Augen. Ronny Schäfer war vor einem Jahr als stellvertretender Leiter zur Mordkommission gestoßen und war ihr schon nach drei Tagen auf die Nerven gegangen. Obwohl der Sprung nach Essen nach einer steilen Karriere bei der Dortmunder Kripo eine Beförderung für ihn gewesen war, ließ er seitdem keinen Zweifel daran, dass er sich zu Höherem berufen fühlte, als die zweite Geige zu spielen – noch dazu unter einer Frau. Dass er ihr aufgrund ihres Nachnamens den Spitznamen »Bambi« verpasst hatte, gehörte nicht zu den größten Respektlosigkeiten, die er sich leistete.

»Was gibt's?«, fragte sie knapp und zog den Reißverschluss ihres Hoodies unter der Lederjacke bis ans Kinn zu.

»Schlechte Laune?«, flachste Ronny. »Hast du etwa schon geschlafen?«

»Jedenfalls hatte ich was Besseres vor, als den Freitagabend hier draußen zu verbringen.«

»Geht mir ähnlich. Meine Abendunterhaltung liegt jetzt allein in meinem Bett und wartet, bis ich zurückkehre.«

Sie schenkte ihm einen durchdringenden Blick. »Könntest du zur Sache kommen?«

Einen Moment lang schien er über eine erneute unpassende Bemerkung nachzudenken, besann sich jedoch eines Besseren.

»Na gut. Männlicher Toter, um die vierzig. Eindeutig gewaltsamer Tod, ziemlich blutige Angelegenheit. Nach den Ausweispapieren, die er bei sich trägt, handelt es sich um einen gewissen Dirk Lettorf. Die Leiche liegt da hinten im Gebüsch.«

Sandra nickte und machte sich auf den Weg zum Fundort. Der Schnee auf dem gefrorenen Erdboden knirschte bei jedem Schritt. Schon aus einigen Metern Entfernung sah sie den blutüberströmten Körper eines Mannes auf dem dunklen Untergrund liegen. Zwei große Bäume hatten den Toten weitgehend vor dem Schnee geschützt. Der Scheinwerfer, den die Kollegen aufgestellt hatten, ließ den Leichnam in einem makabren Spotlight erstrahlen. Unaufhörlich klickte die Kamera des Tatortfotografen. Sie trat näher und begutachtete die Leiche genauer. Der braunhaarige Mann trug eine dunkelblaue Jacke mit Fellkragen, deren Reißverschluss geöffnet war. Die Kleidung darunter war vollkommen zerrissen und blutgetränkt. Sie erkannte das schmutzige Weiß frei liegender Rippen in der riesigen Wunde. Was war hier geschehen?

Sandra ließ die Augen über die Umgebung wandern und erblickte Saskia Dudek von der Spurensicherung, die ein paar Schritte weiter auf dem Boden kniete. Als sie Sandra bemerkte, winkte sie sie zu sich heran.

»Hi, Sandra!«

»Hatte gehofft, dass wir uns nicht so schnell wiedersehen.«

»Wie?«, entgegnete Saskia mit gespielter Empörung. »Siehst du mich etwa nicht gerne?«

»Lieber jedenfalls als meinen Kotzbrocken von Kollegen.«

»Hör bloß auf. Guck dir lieber das an.« Saskia ging wieder in die Hocke. »Die Blutspur führt vom Parkplatz bis ins Gebüsch.«

»Glaubst du, der Mann hat sich noch hierhergeschleppt?«

Saskia schüttelte den Kopf. »Ich denke eher, dass er ins Gebüsch gezogen wurde, als er bereits tot gewesen ist. Die Schleifspuren auf dem Erdboden und im Schnee sprechen dafür. Da drüben in der Nähe des Scheinwerfers haben wir das meiste Blut gefunden. Vermutlich ist es dort geschehen.«

»Verstehe«, murmelte Sandra.

Das ergab Sinn. Der Täter hatte sein Opfer auf dem Parkplatz ermordet und die Leiche danach im Gebüsch versteckt. Wenn die Tat nachts geschehen war, war es möglich, dass er dabei unbeobachtet geblieben war. Gemessen an dem Blutbad musste der Mörder ebenfalls ziemlich übel ausgesehen haben. Wenn er auf seiner Flucht jemandem begegnet war, standen die Chancen gut, dass man sich an den blutüberströmten Mann erinnerte.

»Frau Kriminalhauptkommissarin, schönen guten Abend!«

Auch ohne sich umzudrehen, erkannte Sandra den freundlichen griechischen Akzent von Dr. Feliakis sofort. Sie begrüßte den sympathischen Rechtsmediziner mit Handschlag. Er trug eine blaue Wollmütze und Handschuhe. Sandra wünschte sich, sie hätte sich auch etwas Wärmeres angezogen.

»Guten Abend, Doktor! Wissen Sie, was passiert ist?«

Dr. Feliakis zuckte mit den Schultern. »Um ehrlich zu sein, nicht ganz. Doch irgendjemand scheint verdammt wütend auf den armen Kerl gewesen zu sein.« Der kleine, untersetzte Mann schaute betrübt drein.

»Wie meinen Sie das?«

»Das Opfer hat massive thorakale Verletzungen. Der gesamte Brustkorb ist förmlich zerfleischt, als hätte ihn jemand mit einem Messer oder einer Axt attackiert. Natürlich können auch schon Tiere an der Leiche gewesen sein. Bis zum Beweis des Gegenteils tippe ich aber auf die genannten Verletzungen als Todesursache. Für alles Weitere müssen wir die Obduktion abwarten.«

»Glauben Sie, dass die Leiche schon länger hier liegt?«, fragte Sandra.

Der Doktor wiegte den Kopf hin und her. »Ich würde sagen, nicht allzu lange. Vielleicht einen, maximal zwei Tage. Bei der Kälte laufen die Zersetzungsprozesse deutlich langsamer ab.«

Mittwoch oder Donnerstag. Im Geiste entwarf Sandra bereits den Fahndungstext.

»Na? Ganz schöne Sauerei, was?« Ronny, der ihr gefolgt war, deutete auf den Toten. »Genau das Richtige für einen Freitagabend.«

»Wer hat den Toten gefunden?«, erkundigte sich Sandra.

»Ein Angestellter, der seinen Wagen geparkt hat. Er wollte vor der Heimfahrt noch im Gebüsch pinkeln gehen und ist auf die Leiche gestoßen.«

»Wo ist er, Ronny?«

»Auf dem Weg zum Polizeipräsidium.«

Sandra nickte und sah auf die Uhr. Schon nach zehn. Sie musste schnellstens zu ihren Eltern und Tim abholen. Vor Ort konnte sie sowieso nicht mehr viel ausrichten.

»In Ordnung. Findet heraus, wer dieser Lettorf ist, seit wann er verschwunden ist und was er auf diesem Parkplatz zu suchen hatte. Außerdem will ich wissen, ob jemand in den letzten Tagen auf dem Parkplatz oder in der Umgebung etwas Auffälliges beobachtet hat. Ich glaube, mein Job ist für heute erledigt. Wir sehen uns morgen früh im Präsidium.«

Bei den letzten Worten krampfte sich ihr Magen zusammen. Ja, sie konnte die Drecksarbeit delegieren. Sie musste nicht die ganze Nacht in der Kälte am Fundort der Leiche verbringen und der Spurensicherung zusehen. Sie musste nicht zur Familie von Dirk Lettorf fahren und die schreckliche Nachricht überbringen. Das Wochenende würde sie trotzdem mit der Suche nach dem Täter verbringen. Ihr gemeinsames Wochenende mit Tim.

»Willst du etwa schon gehen?«, fragte Ronny irritiert.

»Den Rest kriegst du auch allein hin.« Sie klopfte ihm auf die Schulter. »Bist ja schließlich schon groß.«

4. Kapitel

Natürlich hatte Tim längst wieder tief und fest geschlafen, als Sandra ihn kurz vor elf Uhr bei ihren Eltern abgeholt hatte. Nun lag er in seinem Bett und atmete so langsam und ruhig, als könnte nichts auf der Welt seinen Schlaf stören.

Sandra konnte nicht ausdrücken, wie stolz sie auf den kleinen Mann war. In den fast acht Jahren seines Lebens hatte er schon so viel verkraften müssen. Die Scheidung. Unzählige Enttäuschungen, wenn seine Mutter ihn wieder einmal zu Oma und Opa brachte, anstatt Zeit mit ihm zu verbringen, weil sie arbeiten musste. Sandra wusste, dass ihm die Trennung von seinem Vater und ihre ständige Abwesenheit zu schaffen machten, obwohl er es nicht zeigte. Nachdem Sandra Erik aus der gemeinsamen Wohnung geworfen hatte, hatte Tim über ein Jahr lang unter Schlafstörungen gelitten, die nur langsam und nach mehreren Stunden beim Kinder- und Jugendpsychologen nachgelassen hatten. Noch heute kam es vor, dass er nachts wach wurde und nach seinem Papa rief. Gerade für Scheidungskinder war es wichtig, ein stabiles und verlässliches Umfeld zu haben. Und genau das war es, woran Sandra ständig scheiterte. Sie lächelte, als sich Tim im Schlaf die Augen rieb. Das hatte er schon als Baby getan.

Sie strich ihm zärtlich über die Wange und ging ins Bad. Während sie sich auszog und die Zähne putzte, kreisten ihre Gedanken unaufhörlich um den toten Dirk Lettorf. Ihr Körper verlangte dringend nach Schlaf, dennoch war sie voller Adrenalin und hellwach. Daran hatte sich seit ihrem ersten Leichenfund nichts geändert. Sie brannte darauf, die Obduktionsergebnisse, den Bericht der Spurensicherung und die ersten Zeugenaussagen vor sich zu haben. Vermutlich würde sie den Rest der Nacht wach sein.

Sandra legte ihr Privathandy auf den Nachttisch. Auf dem Startbildschirm blinkte eine Benachrichtigung. Sie erkannte das Logo von LoveMatch, einer Dating-App, bei der sie sich im letzten Sommer angemeldet hatte. Sie hatte das Gefühl gehabt, dass es fünf Jahre nach der Trennung an der Zeit wäre, einen neuen Mann in ihr Leben zu lassen – oder zumindest ein wenig Spaß zu haben. Bis heute war nicht ein einziges Date dabei herausgekommen.

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Kraftlos drückte sie die Meldung weg und schaltete das Telefon aus. Für Dates hatte sie jetzt wahrhaftig keine Zeit. Jetzt nicht und die nächsten hundert Jahre vermutlich auch nicht.

Am nächsten Morgen weckte sie Tim früh, damit sie wenigstens zusammen frühstücken konnten, ehe sie ihn wieder zu ihren Eltern brachte. Zum Glück fühlte er sich bei Oma und Opa pudelwohl. Er liebte es, mit Sandras Vater im Hobbykeller herumzuwerkeln oder im Garten zu arbeiten. Manchmal konnte sie ihn kaum loseisen, wenn sie ihn abends abholen wollte.

Nachdem sie Tim abgegeben hatte, fuhr sie auf direktem Weg zum Präsidium. Auf dem Weg zu den Räumen der Mordkommission grüßte sie ihren Kollegen Alex Michelsen. Alex ermittelte noch in einem Totschlagsdelikt aus seiner letzten Bereitschaftswoche. Auch er sah fertig aus, obwohl der massige Kriminalhauptkommissar sonst den Eindruck erweckte, dass ihn nichts erschüttern könnte. Doch die Arbeit bei der Kripo ging an niemandem spurlos vorbei. Vielleicht ließ sich dieser Fall ja schnell aufklären. Wenn sie Glück hatte, waren die Kollegen in der Nacht schon weitergekommen und hatten einen Verdächtigen oder wenigstens einen eindeutigen Hinweis.

Sie hatte kein Glück.

Als sie das Großraumbüro der Mordkommission betrat, fand sie Ronny mit Werner Dietharz vor einen Computerbildschirm gedrängt. Sie hoben nicht einmal den Blick, als sie die beiden grüßte. Stirnrunzelnd schaute sie über die Köpfe der Männer hinweg auf den Monitor.

»Darf ich fragen, was das soll?«

Das Video, das über den Bildschirm flimmerte, zeigte ein Paar beim Geschlechtsakt.

»Sandra, hi! Ich habe dich gar nicht kommen hören«, sagte Werner eilig und erhob sich, während Ronny unbeirrt auf die Aufnahmen starrte.

»Weil ihr zu sehr damit beschäftigt wart, Pornos zu schauen?«

»Quatsch!«, antwortete Werner und pausierte das Video.

Jetzt wandte auch Ronny den Kopf. »Morgen, Bambi!«

»Sieht aber ganz so aus.« Sandra deutete auf den Monitor. »Was, zum Henker, guckt ihr euch da an?«

»Die vermutlich letzten Bilder, die unser Mordopfer lebend zeigen«, antwortete Ronny. Der Triumph in seiner Stimme war nicht zu überhören.

Sandra machte ein verständnisloses Gesicht. »Ihr wart bei ihm zu Hause und habt seine private Videosammlung mitgenommen?«

»Klar, gönn uns doch unseren Spaß.«

Sandra funkelte Ronny an. Konnte er nicht einmal eine vernünftige Antwort geben?

»Natürlich nicht«, schaltete sich Werner ein.

Obwohl Werner deutlich mehr Berufserfahrung hatte als Sandra, stellte er niemals ihre Autorität infrage. Nicht nur deswegen war der erfahrene Ermittler Gold wert für ihr Team. Das väterliche Erscheinungsbild des großen grauhaarigen Mannes täuschte gelegentlich über seine enorme Auffassungs- und Kombinationsgabe hinweg. Darüber hinaus diente er nicht selten als Vermittler und Pufferzone zwischen Sandra und Ronny.

»Was hat es dann mit dem Video auf sich?«, fragte sie.

»Lettorfs Frau – also seine Witwe – hat es gestern in ihrem Briefkasten gefunden«, antwortete Werner.

Sandra brauchte einen Moment, um ihre Gedanken zu ordnen. »Also ist das nicht seine Frau auf dem Film?«

»Nee, die ist nicht ganz so scharf wie die Kleine.« Ronny lachte anzüglich.

»Wer ist es dann?«

»Das wissen wir nicht«, erwiderte Werner. »In dem Umschlag war nur ein USB-Stick mit dem Vermerk ›Schau dir das an‹.«

Sandra begann auf und ab zu gehen. »Jemand schickt Lettorfs Frau eine Aufzeichnung von ihrem Mann, wie er es mit einer anderen treibt. Am selben Tag wird er tot aufgefunden«, resümierte sie.

Werner nickte.

»Hat seine Frau für die Tatzeit ein Alibi?«

»Wird gerade überprüft«, sagte Werner. »Wahrscheinlich nicht, sie war wohl allein zu Hause.«

Sandra fuhr sich übers Gesicht. Eifersucht konnte aus gewöhnlichen Menschen Mörder machen, das hatte sie oft genug erlebt. Es war nicht auszuschließen, dass die Wut über den Seitensprung ihres Mannes Lettorfs Frau zum Äußersten getrieben hatte. Das erklärte allerdings nicht, wer ihr das Video zugespielt hatte. Und wer die Frau war, mit der Dirk Lettorf seine Ehefrau betrogen hatte.

Sie wandte sich wieder dem Standbild auf dem Monitor zu. Dort lag ein etwas übergewichtiger Mann auf einem Bett. Rittlings auf ihm saß eine schlanke junge Frau. Sie war blond, ein großflächiges Tribaltattoo erstreckte sich auf ihrer linken Körperseite vom Hals über Brust und Hüfte bis zum Oberschenkel. Sandra startete die Wiedergabe erneut. Die Aufnahme wirkte wie ein Handyvideo. Gerade beugte sich die Frau zu Lettorf hinunter, während sie ihr Becken rhythmisch vor- und zurückbewegte. Lettorfs Hände ruhten auf ihren Pobacken, sein Gesicht wurde halb durch ein Kissen verdeckt. Einmal erschien es Sandra, als schielte die Frau verstohlen Richtung Kamera. Wussten die beiden, dass sie gefilmt wurden?

»Und ihr seid euch sicher, dass der Mann auf dem Video Dirk Lettorf ist?«

Werner nickte. »Seine Frau hat ihn eindeutig identifiziert, Sandra. Am Anfang erkennt man ihn ganz gut.«

»Ich will sofort mit ihr reden! Und ich muss wissen, wer die Frau auf dem Video ist.«

»Ja, das würde mich auch interessieren«, schaltete sich Ronny wieder ein. »Das Mädel ist ziemlich scharf. Ein echtes Rodeotalent.«

»Frau Lettorf wird uns heute zur Verfügung stehen«, bemühte sich Werner, die unangenehme Pause zu überbrücken. »Sie muss ihre Kinder bei Verwandten unterbringen und einige Dinge regeln, jetzt da ihr Mann von heute auf morgen tot ist. Sie erwartet uns heute Abend um acht. Vorher habt ihr noch einen Termin in der Rechtsmedizin. Ich habe euch bei Dr. Feliakis für sechs Uhr angekündigt. Er sagt, eher sei mit einem Obduktionsergebnis nicht zu rechnen.«

Sandra nickte. »In Ordnung. Dann sehen wir uns später. Bis dahin fahre ich noch mal nach Hause. Ich muss nämlich auch noch ein paar Dinge regeln.«

5. Kapitel

Nachdem Sandra vom Polizeipräsidium zurückgekehrt war, aßen sie bei ihren Eltern zu Mittag, dann fuhr sie mit Tim erst zu Edeka und anschließend zu dm. Sie konnte sich schönere Beschäftigungen für die wenigen Stunden mit ihrem Sohn vorstellen, sie war jedoch die ganze Woche über nicht zum Einkaufen gekommen. Natürlich wäre es einfacher gewesen, Erik zu fragen, ob Tim das Wochenende bei ihm verbringen könnte. Nur manchmal hatte sie das Gefühl, dass ihnen gerade diese Alltagserlebnisse fehlten. Zeit miteinander zu verbringen, Dinge gemeinsam zu erledigen. War es das, was andere Leute »Privatleben« nannten?

Tim erzählte von seiner Woche in der Schule. Stolz berichtete er, wie er in der Mathestunde am Freitag als Einziger die letzte Textaufgabe hatte lösen können. Sosehr sich Sandra allerdings bemühte, ihm aufmerksam zuzuhören, ihre Gedanken wanderten immer wieder zu dem toten Dirk Lettorf und der blonden Frau mit dem auffälligen Tattoo.

»Wie lange musst du heute Abend arbeiten, Mama?«, fragte Tim, als sie mit ihren Einkaufstüten die Stufen zu ihrer Wohnung hinaufstiegen.

»Ich weiß es nicht, ich hoffe, nicht so lange.«

»Glaubst du, du fängst den Mörder heute?«

»Vielleicht haben meine Kollegen ihn ja längst.«

»Dann hättest du ja doch frei!«

»Stimmt. Aber ich glaube, dann hätten sie mich schon angerufen, Tim.«

»Wer ist denn umgebracht worden?«