Der Akron Tarot - Akron Frey - E-Book

Der Akron Tarot E-Book

Akron Frey

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Beschreibung

Mit dem Akron-Tarot ist ein grosser Wurf gelungen: der umfassendste und umfangreichste Tarot. Akron begleitet den Kenner auf einer geistreichen, vielschichtigen und spannenden Reise durch die Philosophie und Psychologie. Und doch sind die wissensreichen Texte so klar und verständlich, dass sich auch dem Neueinsteiger die vielfältige Welt des Tarot erschliesst. Erstmals gibt es hier eine Interpretation des weiblichen Teufels, eingeführt in Form einer NEUEN, zweifach zu deutenden Karte: Die dunkle Seite in der Seele der Frau als SCHWARZE GÖTTIN, und die Spiegelung der dunklen Mutter aus Sicht des Mannes als SCHARLACHROTE ANIMA. Mit einer zweiten NEUEN Karte tritt der verborgenste aller menschlichen Schatten in den Fokus des Lichts: Der verletzte und sich selbst zerstörende Aspekt der Seele als multiple Persönlichkeitskarte DAS DUNKLE KIND. In einzigartigen Streitgesprächen verhandeln Kronos, der saturnale Staatsanwalt und Hüter der Tradition, und Advocatus Diaboli die Bedeutung der Karten der Grossen Arkana vor dem Hohen Gericht – alte Lehrmeinungen werden ergötzlich in Frage gestellt. Die Deutungsebenen nach Kriterien wie Beruf und Finanzen, Liebe und Beziehung, Magie und Spiritualität werden eingehend erläutert und erstmals ausführlich aus umgekehrter Sicht geschildert. Das dazugehörige Kartenset zum ebook kann separat bei www.akron.de, über den Buchhandel oder bei VAL Silberschnur, Güllesheim, ab Februar 2017 bestellt werden.

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Der Akron-Tarot

begleitet von Arjun, Michelle and friends

Bilder von S. O. Hüttengrund

Widmung

Ich möchte diese Arbeit Frieda und Friedrich sowie Charalambos, unserem Griechen, widmen, den mein Vater während der Wirren des Zweiten Weltkrieges aus einem deutschen Arbeitslager zuerst in die Schweiz schmuggelte und nach Kriegsende aus der Quarantäne in seine Familie aufnahm. Sie alle drei waren mir in der Kindheit und Jugend ein großes Vorbild an völkerverbindender Freundschaft und schart und Nächstenliebe, was mir später die Kraft gab, aus dieser nachempfundenen Haltung Menschen in kritischen Lebenslagen begleiten und beistehen zu können. Erst aus der Reife meiner Lebenserfahrung und den vielen Gesprächen mit Klienten, deren Probleme oft in der fehlenden Zuneigung und Nähe in der Kindheit lagen, konnte ich überhaupt ermessen, welches große Geschenk der Liebe sie mir mit auf den Weg gaben. Dieses Buch wird nun das letzte größere Werk aus meinem Geist und aus meiner Kraft heraus sein. Es ist mir deshalb ein tiefes Anliegen, meinen Dank, den ich im Sturm und Drang der Jahre leider vergessen hatte, persönlich zu formulieren, durch diese Widmung nachzuholen und ihn den Erinnyen, diesen unergründlichen Töchtern der Nacht, demütig auf den Altar zu legen, um das Unbehagen, das mich von Zeit zu Zeit beschleicht, am Ende meiner Reise loszuwerden.

Meine tiefe Zuneigung gehört Lussia für die Kraft der Göttin und die unerschütterliche Loyalität, mit der sie stets treu an meiner Seite stand. Illuma für Leidenschaft und Stolz, Himmel und Hölle oder Liebe und Schmerz. Phoebe und Voenix für die seelische Verbundenheit und die Nachtmeerfahrten, die uns in den vergangenen Jahren immer wieder nahe an die Zyklone verschlingender Abgründe tanzen liessen, und last but not leastArjun für ein langes gemeinsames Stück philosophierenden Seelen- und Lebensabschnittwanderns. Ganz besonders aber will ich Ursi erwähnen, meine große Liebe und für meinen späteren Weg wichtigste Gefährtin (1976-1986), die mir die Kraft und die Unterstützung gab, in den 70er und 80er Jahren das zu säen, was ich heute ernten darf.

CFF

Originalausgabe

1. Auflage 2004

ISBN Nr. 978-3-90537-293-9

© 2004 AGM AGMüller Urania, Neuhausen/Schweiz

Das gesamte Werk ist im Rahmen des Urheberrechtsgesetzes geschützt Jegliche vom Verlag nicht genehmigte Verwertung ist unzulässig Dies gilt auch für die Verbreitung durch Film, Funk, Fernsehen, photomechanische Wiedergabe. Tonträger jeder Art, elektronische Medien sowie für auszugsweisen Nachdruck.

Umschlagbild: S. O. Hüttengrund

Umschlaggestaltung: Antje Hellmanzik

Satz: Antje Hellmanzik

Produkt Manager: Silvie Bachmann

Herstellung: Marcus Caluori

www.akron.ch

Inhalt

Cover

Titel

Widmung

Impressum

Vorwort

Ergänzender Hinweis

Die Entwicklung des Tarots

Die Struktur der Karten

Die Ursprünge

Tarot als Einweihungsweg

Tarot und der Golden Dawn

Tarot im 20. Jahrhundert

Moderne Deutung nach Jung

Akron — ein Tarot der Zukunft

Persönliche Impressionen zu den neuen Karten

Die Großen Arkana

0 Der Narr — All-Ein-Sein, Urquell, kosmische Leere

I Der Magier — Bewusstsein, Ego, Selbstverwirklichung

II Die Hohepriesterin — Weisheit, Geheimnis, Intuition

III Die Herrscherin — Lebenskraft, Wachstum, Mutterschaft

IV Der Herrscher — Ordnung, Stabilität, Struktur

V Der Hohepriester — Dogma, Tradition, Moral

VI Die Liebenden — Anziehung, Zuneigung, Vereinigung

VII Der Wagen — Aufbruch, Wille, Tatendrang

VIII Die Gerechtigkeit — Ausgleich, Balance, Objektivität

IX Der Eremit — Sammlung, Erkenntnis, Selbstfindung

X Das Schicksalsrad — Kosmisches Uhrwerk, Veränderung, Zeit

XI Die Lust — Liebeslust, Kraft, sexuelle Transformation

XII Der Gehängte — Krise, Opfer, Ego-Überwindung

XIII Der Tod — Loslassen, Abschied, Erneuerung

XIV Die Alchimie — Läuterung, Heilung, Sublimation

XV Der Teufel — Verdrängung, Hölle, Schattenprojektion

XV/I Die Schwarze Göttin — Grausamkeit, Rachelust, weibliche Dominanz

XV/II Die scharlachrote Anima — Abhängigkeit, Verstrickung, Lust nach Schmerz

XVI Der Turm — Umsturz, Zusammenbruch, Befreiung

XVII Der Stern — Sehnsucht, Inspiration, höhere Führung

XVIII Der Mond — Alptraum, Phobie, dunkle Vision

XIX Die Sonne — Bewusstheit, höheres Selbst, Schöpfergeist

XX Die Morphogenese — Mutation, Wandlung, Neues Äon

XXI Das Universum — Ganzheit, Vollendung, Transzendenz

Das dunkle Kind — Rückzug, Abweisung, Liebesmissbrauch

Die Kleinen Arkana

Stäbe — Ass bis Zehn

Prinzessin der Stäbe — Die Vatertochter

Prinz der Stäbe — Der Königsmörder

Königin der Stäbe — Die Liebesdompteuse

König der Stäbe — Der (Gott-)Vater

Kelche — Ass bis Zehn

Prinzessin der Kelche — Die Ungreifbare

Prinz der Kelche — Der Selbsterlöser

Königin der Kelche — Der Spiegel der Seele

König der Kelche — Der (Unio-)Mystiker

Schwerter — Ass bis Zehn

Prinzessin der Schwerter — Die Opfergöttin

Prinz der Schwerter — Der ewige Jüngling

Königin der Schwerter — Die Scharfrichterin

König der Schwerter — Der Global Player

Scheiben — Ass bis Zehn

Prinzessin der Scheiben — Die gehörnte Jungfrau

Prinz der Scheiben — Der Sozialerneuerer

Königin der Scheiben — Die Urmutter

König der Scheiben — Der Wirtschaftsplünderer

Rückseite der Karten — Die Befreiung der Schattengöttin

Pyramidenlegung — Die Karten als magische Energiequelle

Legesysteme

Die Ermittlung persönlicher Karten

Neun klassische Legesysteme

1. Legesystem: Ankh

2. Legesystem: Das Beziehungsspiel

3. Legesystem: Der blinde Fleck

4. Legesystem: Das Entscheidungsspiel

5. Legesystem: Das Geheimnis des Narren

6. Legesystem: Das keltische Kreuz

7. Legesystem: Das Kreuz

8. Legesystem: Das Narrenspiel

9. Legesystem: Der Weg

Sechs neue Legesysteme

Drei Legesysteme von der äußeren zur inneren Göttin

1. Legesystem: Die Liebesgöttin

2. Legesystem: Die gespiegelte Göttin

3. Legesystem: Die spirituelle Göttin

Zwei Legesysteme von der Verstrickung zur Selbstverwirklichung

4. Legesystem: Die schwarze Spirale

5. Legesystem: Die weiße Spirale

Ein feinstofflich erpendeltes Lichtsymbol markiert einen Weg zum höheren Selbst

6. Legesystem: Das Akron-Symbol

Zur Entstehung des Buches — Die Odyssee der Entwicklung dieses Projektes (1990-2004)

Der Geist der Kraft

Autorenschlüssel und Danksagung

Biografien

Living Akron-Tarot

Endnoten

Vorwort

Wie eine Sphinx so rätselhaft, geheimnisvoll und tief ist Tarot. Nur kommt es dabei nicht darauf an, die richtige Antwort zu geben, sondern die Antwort auf richtige Fragen richtig zu verstehen. Gleich der Sphinx erscheint uns auch Tarot in vielen Facetten und Gestalten. In die innersten Räume aber haben sich bislang nur wenige gewagt, da jeder, der das Labyrinth betritt, Gefahr läuft, darin verloren zu gehen.

Diese Angst ist dem als Tiefenastrologen und Schattenphilosophen bekannten Magier Akron fremd. Für ihn ist es immer erst jenseits der Schwelle wirklich interessant geworden. Nun hat er in der 14-jährigen Entstehungsgeschichte dieses Werkes unter Einbeziehung einiger Freunde einen Tarot ausgebrütet, dessen Bilder und Symbolik von ungewöhnlicher Tiefe sind und dazu noch eigenwillig faszinierend und sehr ansprechend. Sicherlich kann man auch diese Karten in bewährter Weise legen und interpretieren, doch angesichts ihrer reichhaltigen Bedeutungen und der vielschichtigen Symbolik scheint es mir, dass auch eine einzige gezogene Karte reicht, um darin alle Antworten auf eine innere Frage zu finden.

Einzigartig ist es, wie die Bedeutung der Großen Arkana nicht dogmatisch festgelegt ist, sondern in einem fiktiven Dialog zwischen einem saturnalen Staatsanwalt und dem Advocatus Diaboli verhandelt wird. Aber auch die Karten der Kleinen Arkana werden liebevoll in poetischer Sprache vielschichtig erklärt und gedeutet. Mögen alle, die diesen Tarot fragen, die tiefen Antworten recht verstehen und sich davon inspirieren und leiten lassen.

München, im Mai 2004

Hajo Banzhaf

Ergänzender Hinweis

Der Umgang mit den multiplen Ansätzen des Akron-Tarots

Der Akron-Tarot ist kein Tarot-Buch im üblichen Sinn. Der gewöhnlich beschrittene Weg, einen Tarot zu befragen liegt darin, eine vorgegebene Menge Karten zu ziehen, diese nach einem bestimmten System auszulegen und aufgrund ihrer Bedeutung, ihrer Symbolik und der Reihenfolge im Legesystem zu deuten. Ausgangssituation ist die Frage, Ergebnis ist eine Antwort, die oftmals viele Fragen offen lässt. Akron nähert sich den Karten jedoch durch ein mentales Objektiv aus verschiedenen Perspektiven. Diese stehen weniger für die von Puristen im Tarot vermuteten Geheimen Lehren, sondern mehr für die raffinierten Brechungen des menschlichen Geistes im Tanz seiner Selbstfindung um sein Spiegelbild. Der Akron-Tarot ist eine Form, den Kosmos in sich selbst zu entdecken. Oder, spiritueller ausgedrückt: die Unendlichkeit des eigenen Wir zu betreten, um dabei auf das Ich zu stoßen und so Antworten zu erhalten, die mit den vielfältigen Möglichkeiten dieses, unseres Ichs einhergehen. Deshalb legt dieses Buch auch keine einfachen Frage-Antwort-Spiele vor, sondern es nimmt uns mit auf eine spannende Reise durchs Wir—Ich, durch die Welt der Philosophien, die Sphären der Psychologie, die Welt der spannenden Geschichten um die Geschichte.

Doch Vorsicht, hier treten wir keine Pauschalreise nach All-Inklusive-Manier an, hier fließt uns kein süβer Brei ins Maul, der uns zu formloser Masse degeneriert, es gibt keine Animateure, die uns die Last, aber vor allem die Lust des Lebens abnehmen. Diese Reise ist ein Abenteuer auf der Suche nach der Umwertung vieler Werte, eine Entdeckungsreise nach dem Ich, das nicht im Wir verloren gehen soll. Sie ist eine rasante und spannende Fahrt, die uns die Hinterhöfe und Kellergewölbe präsentiert, um uns zu zeigen, wo und wie viel Licht da überall um uns herum ist, gleich ob aus einer Dachluke heraus bestaunt oder von der Spitze des höchsten zu erklimmenden Berges bewundert. Um zu sehen, wo das Licht ist, bedarf es einer tiefgründigen Erfahrung des Schattens, der dieses unter Schmerzen gebärt. Logische Konsequenz dieser Schatten-Licht-Arbeit ist eine Zwillingsgeburt: die Entstehung zweier Karten, die hier aus den Ketten ihres Jahrtausende alten Verlieses ins Strahlende treten. Mit der Schwarzen Göttin steigt aus verborgenen Tiefen die dunkle Seite der Seele der Frau empor; ein Teil von jener im Urbrunnen versunkenen Kraft, die stets verschleiern will und stets das Erleuchtende schafft. Ihre Spiegelung, die scharlachrote Anima, zeigt uns die dunkle Mutter, den Kern des Pudels eines jeden männlichen Daseins. Mit dem dunklen Kind nimmt der Wurf Freudsche Qualitäten an. Die verletzte Seele des Kindes stürzt uns ins Verderben und schreit beim Absturz in die Hölle nach unendlicher Erlösung.

Zuletzt, aber nicht als Letztes, sei gesagt, dass diesem Werk 14-jährige Geburtsschmerzen vorausgingen, die dem Gesamtwerk - den unvergleichlichen Gemälden S. O. Hüttengrunds, die allen 80 Karten zu Grunde liegen, und die sinnreichen Wortsetzungen Akrons und seiner Gefährten - einen Götterfunken und einen tiefen Ein- und Ausblick verleihen.

Wünschen wir uns allen Alles dabei.

Die Entwicklung des Tarots

Der Tarot gilt heute als Orakel und spiritueller Weg zugleich. Die Karten entsprechen nicht nur den Seelenarchetypen, die wir in uns tragen, sondern unterliegen auch einem System, das in den vier Sätzen der Kleinen Arkana und vor allem den Trümpfen der Großen Arkana die Entwicklung des menschlichen Bewusstseins vom Urknall bis zur Vollendung zeigt. Sie bebildern die notwendigen Transformationsstationen, die wir durchlaufen müssen, um in den Zustand der Vollkommenheit zu gelangen. Somit bietet die Ziehung neben den Tendenzen für die Zukunft in erster Linie wertvolle Hinweise für die eigene persönliche Entwicklung, indem sie innere Seelenprozesse durch die entstehende Komposition der Karten sichtbar macht.

Die Struktur der Karten

Eine Vielzahl von verschiedenen Tarotdecks, die heute auf dem Markt erhältlich sind, richten sich in Bedeutung und Aufbau im Wesentlichen nach den drei bekanntesten Tarotspielen: dem Tarot de Marseille, den Rider-Waite-Karten und dem Thoth-Tarot von Aleister Crowley. Diese Decks bestehen aus 22 großen Trümpfen, die in archetypischen Bildern den menschlichen Einweihungsweg nachstellen, sowie 56 weiteren Karten, die in vier Sätze zu je 14 Karten aufgeteilt sind. Sie folgen in ihrer Auslegung der hermetischen Tradition und gelten als Träger verschiedener Geheimlehren wie zum Beispiel der Magie, Hermetik, Theosophie oder dem Sepher Jezirab, dem Herzstück der Kabbala. Diese bezieht sich grob vereinfacht auf die Schöpfungsgeschichte und ihre ewigen Gesetze, die in die 32 Pfade der Weisheit, also in die zehn Sephirot und die die Sephirot miteinander verbindenden 22 Pfade, gegliedert werden. Die Sephirot stehen für die Emanation des Göttlichen und sind mit bestimmten Wirkungen und Eigenschaften belegt, die in ihrer Gesamtheit den vollkommenen, göttlichen Menschen zeigen. Die 22 Pfade, die analog zu den 22 hebräischen Buchstaben die Verbindung der Sephirot untereinander als Entwicklungswege zur Vollkommenheit repräsentieren, entsprechen den 22 Trümpfen, während die Kleinen Arkana in vier Sätze à zehn Zahlkarten und vier Hofkarten aufgeteilt sind. Die zehn Zählkarten eines jeden Satzes verlaufen analog zu den zehn Sephirot, während die vier Sätze die vier magischen Waffen - Stäbe, Kelche, Schwerter und Münzen - darstellen, die sowohl den vier Elementen Feuer. Wasser, Luft und Erde entsprechen wie auch dem hebräischen Tetragrammaton (Buchstabenkombination für Jahwe), Der Name Gottes durfte bei den Kabbalisten nicht ausgesprochen, sondern nur buchstabiert werden. Diese vier Buchstaben Jod—He—Vau—He wurden erstmals im 19. Jahrhundert den Elementen zugeordnet. Als Personenkarten schließen sich pro Satz jeweils vier Hofkarten an, die ebenfalls nach Elementen konfiguriert sind und verschiedene menschliche Charaktere darstellen: Die Könige oder Ritter entsprechen der Feuerenergie (Jod), die Königinnen dem Wasser (He). Prinzen symbolisieren die Luft (Vau) und die Prinzessinnen oder Pagen illustrieren die Erde (He).

Die Ursprünge

Die Verbindung des Tarots mit Weisheitslehren oder alten Mysterienpfaden existiert noch nicht so lange, denn ursprünglich wurde er als gewöhnliches Kartenspiel genutzt. Eines der hartnäckigsten Gerüchte besagt, dass die Karten ursprünglich aus Ägypten stammen, und ist auf Court de Gébelin (1719-1784) zurückzuführen. Erste schriftliche Erwähnungen gehen ins 14. Jahrhundert zurück, es gibt allerdings keine gesicherten Hinweise darauf, dass die Spielkarten zum Orakeln oder zu etwas anderem als zum Spielen benutzt worden sind. Trotzdem fanden sie eine schnelle Verbreitung. Als ältestes Deck gilt der italienische Visconti-Sforza-Taroccbi-Kartensatz aus dem 15. Jahrhundert. Das Wort taroccbi wurde in Italien ab dem 16. Jahrhundert für Karten benutzt. Der französische Begriff Tarot entstammt der italienischen Bezeichnung, wurde ins Englische übernommen und ist heute der allgemein verwendete Begriff.

Tarot als Einweihungsweg

Der Papst

Ihren Anfang nahm diese Entwicklung 1781 in einem Pariser Salon, in dem der Gelehrte Antoine Court de Gébelin das Tarocchi-Kartenspiel kennen lernte. Es war der Tarot de Marseille, der ihn zu der Erkenntnis veranlasste, es könne sich hierbei nicht nur um gewöhnliche Karten handeln. So glaubte er in den Bilderwelten der Trümpfe alte verborgene Erkenntnisse des Altertums, das so genannte Buch Thoth, zu entdecken. Jene geheimnisvolle Schrift galt unter Freigeistern als Wiege der Weisheit und verschlüsselte Bildersprache, die die geheimen Lehren dieses ägyptischen Gottes in Symbolen und Allegorien offenbarten. Thoth, der nach der gegenseitigen Beeinflussung der griechischen und ägyptischen Kultur eine Symbiose mit Hermes einging und zu Hermes Trismegistos, dem dreifach großen Hermes, wurde, spielte nicht nur in der Mystik des Altertums, sondern auch in den Geheimlehren des gesamten Abendlandes eine tragende Rolle. Ihm wurde die Erfindung des Wortes zugeschrieben. Weiterhin galt er als Gott des Mondes, der Zauberei und gleichzeitig auch als Seelenbegleiter, der die Einweihung in die verborgenen Mysterien gewährte, was nach Auffassung der Autoren auch ein Hinweis darauf sein könnte, dass er ursprünglich der alten dreifaltigen Göttin entsprang. Als Gott der Magier finden wir ihn im Trumpf I der Großen Arkana versinnbildlicht. Seine Werke sind vielfältig, und die okkulten Mysterien, deren Wissen ihm zugeschrieben werden, tauchen in der abendländischen Kultur als Geheimlehren immer wieder auf. Ihren Höhepunkt hatte die Hermetik in der Renaissance und Reformation, in der Denker wie Agrippa (1486-1535) oder Paracelsus (1493-1541) unter ihrem Einfluss standen. Danach wurde sie zur Randerscheinung, bis Court de Gébelin ihre mystische Weisheit wieder entdeckte und mit dem Tarotspiel in Verbindung brachte. Er glaubte auch zu wissen, dass der Tarot aus Ägypten stammte und von den Zigeunern nach Europa gebracht worden war. Ebenso schuf er die Verbindung zwischen der Großen Arkana und der jüdischen Religion, indem er feststellte, dass die großen Trumpfkarten eine bildhafte Entsprechung der 22 hebräischen Buchstaben waren, eine Behauptung, die später bei nachfolgenden okkult engagierten Gelehrten, Mystikern und Magiern reichlich Früchte tragen sollte und heute noch die spirituelle Betrachtungsweise der Karten tief beeinflusst, auch wenn sämtliche von Court de Gébelin aufgestellten Behauptungen aus heutiger Sicht zumindest als sehr fragwürdig erscheinen. Eine Erklärung seines ausgeprägten Sinnes für Eingebungen und Visionen mag die von zwei gegensätzlichen Strömungen geprägte Zeit sein, in der er lebte. Auf der einen Seite bildete sich der Siegeszug der Aufklärung und des Materialismus in Form der industriellen Revolution, und auf der anderen entfaltete sich eine immer stärker werdende Hinwendung zu Mystik und spiritueller Sinnsuche. Gébelin gehörte zu jenen Pionieren seiner Epoche, die dem Glauben frönten, man könne die materielle Welt nicht erobern, wenn man ihr tiefstes Wesen und das innere Wirken nicht begriffen hätte. Aus dieser Haltung schaffte er den Spagat zwischen den beiden Welten der Mystik und Ratio, indem er den Fortschritt mit klassischem Altertum zu verknüpfen suchte und damit einer der Vorreiter der Idee wurde, der Gesellschaft das verborgene oder verloren gegangene Geheimwissen wiederzubringen. So legte er nicht nur die Grundlage für den Tarot als spirituellen Einweihungsweg, sondern war mit seinem Bedürfnis, den Menschen die alten Weisheitslehren wieder zugänglich zu machen, zugleich auch einer der geistigen Väter der heutigen esoterischen Bewegung. Die Gegenströmung zum Rationalismus gewann in der ersten Hälfte des anbrechenden 19. Jahrhunderts immer mehr an Macht. Während im Sturm und Drang-Deutschland Goethe seinen von hermetischem Gedankengut durchtränkten Faust zu Papier brachte und Geheimgesellschaften wie die Rosenkreuzer oder Freimaurer aus dem Boden schossen, nahm auch das Wahrsagen mit Spielkarten an Beliebtheit ungeheuer zu. Zurückzuführen war dies unter anderem auf die berühmte Wahrsagerin Madame Lenormand (1772-1843), die das Kartenorakel aus dem verpönten Dunstkreis der Hinterhöfe in den Fokus der guten Gesellschaft brachte. Diese Sitten missfielen einem gewissen Abbé Alphonse Louis Constant (1810-1875), der sie in einem 1853 erschienenen Zeitungsartikel aufs Schärfste monierte. Darin beklagte er den Verfall der wahren Weisheit des Gottes Thoth zu Zigeuner- und Wahrsagekarten. Später nannte er sich Éliphas Lévi, mauserte sich zum größten Okkultisten Frankreichs und wurde nicht nur zu einem der geistigen Hauptbeeinflusser von Waite (1857-1942) und Crowley (1875-1947), sondern auch zu einem der wichtigsten Weichensteller der heutigen Esoterik und Auffassung von Magie überhaupt. Er begann seine berufliche Laufbahn als Diakon und wurde nach seinem Ausschluss aus der Kirche zum politischen Aktivist, der in der Revolution 1848 an vorderster Front kämpfte. Nach dem Scheitern seiner politischen Ideale änderte er Leben und Namen radikal. Als ehemaliger Revoluzzer und Idealist glaubte er daran, dass Spiritualität das Recht eines jeden sei und veröffentlichte im Laufe der nächsten Jahrzehnte mehrere Bücher, die heute noch als Standardwerke der Magie angesehen werden. Unbeirrt von der Tatsache, dass seine Kenntnisse der Kabbala, wie böse Zungen raunten, ähnlich bescheiden waren wie bei seinen späteren Erben Papus und Crowley, sah er den Tarot als Bilderschlüssel zum Verständnis dieser Geheimlehre und untermauerte Court de Gébelins Verknüpfung mit den 22 hebräischen Buchstaben mit einer durchdachten und sehr leidenschaftlich vertretenen Theorie. Lévi vervollständigte die Idee von der Übereinstimmung der 22 Trümpfe mit dem jüdischen Lebensbaum. Er behauptete ferner, dass die zehn Sephirot und die 22 Karten der Großen Arkana die 32 Wege absoluten Wissens für Kabbalisten darstellen und ordnete die 22 Buchstaben des hebräischen Alphabetes in einer neuen Reihenfolge den 22 Trümpfen des Tarots zu. Damit lieferte er zugleich den Nährboden für Generationen begeisterter Forscher und Stubengelehrter, die bis heute immer wieder die Verbindung zwischen Kabbala und Tarot neu durchleuchten, ordnen, ausbauen und zu Deutungszwecken nutzen. Vom Gebrauch des Spiels zu Divinationszwecken hielt der rebellische Magier jedoch wenig und schenkte seine schreibfreudige Aufmerksamkeit ausschließlich dem den Karten innewohnenden großen Mysterium. Gerard Encausse (1865-1916) schließlich, der unter seinem Pseudonym Papus gemeinsam mit dem höchst exzentrischen Baron Stanislas de Guaita den Kabbalistischen Orden des Rosenkreuzes gründete, intensivierte Lévis hermetisches Konzept und war der Letzte der französischen Linie.

Tarot und der Golden Dawn

Während die geistige Strömung Frankreichs Ende des 19. Jahrhunderts in der Dekadenz des Fin de Siècle gipfelte, die Theosophie immer mehr Anhänger fand und in den deutschsprachigen Ländern die Psychologie und das Unbewusste entdeckt wurden, verlagerte sich die Beschäftigung mit okkulten Lehren, Magie und dem Tarot von Frankreich zunehmend nach England. In den Fußstapfen zweier der bekanntesten Okkultisten des 19. Jahrhunderts, Levi und Papus, gründeten Alphonsos Woodford und Wynn Westcott zusammen mit S. L. Mathers 1887 den Hermetic Order of the Golden Dawn. Dieser Orden in der Tradition der Rosenkreuzer war in ein strenges hierarchisches System verschiedener Entwicklungsstufen (Grade) gegliedert, die die Mitglieder nacheinander durchlaufen mussten. Tarot galt als eine Übungsdisziplin besonders für Neophyten (Anfängergrad) und diente der Schulung der Imaginationskraft sowie den hellseherischen Fähigkeiten. Anders als heute, wo die Karten auf eher psychologische Art gedeutet werden, orakelte man damals mehr auf Zigeunerart - es ging unter anderem darum, möglichst exakte Vorhersagen für die Zukunft treffen zu können. Zugleich galt der Tarot weiterhin als Buch der Weisheit und kabbalistisches Einweihungssystem in die Bildersprache, das erst Mitgliedern höherer Ordensgrade in seiner wahren und geheimen Bedeutung wirklich offen war. Diese Verbindung des Tarots zur Kabbala wurde in der Tradition Lévis fortgeführt. So prägte der Orden mit seinen vielfältigen Forschungen und Theorien nicht nur die Entwicklung des Tarots, sondern viele der heute verbreiteten esoterischen und okkulten Lehren. Auch A. E. Waite und Aleister Crowley waren Mitglieder des Golden Dawn. Pamela Colman Smith (1878-1951) schuf Anfang des 20. Jahrhunderts nach Vorgaben von E. A. Waite den heute als Rider-Waite bekannten Tarot im damals modernen präraffaelitischen Stil. Crowley trat 1899 in den Orden ein, kletterte in rasanter Geschwindigkeit die Mitgliedsgrade hoch und war schließlich entscheidend daran beteiligt, dass sich der Golden Dawn zerstritt und schließlich auflöste. Den Thoth-Tarot entwickelte er zusammen mit der Malerin Lady Frieda Harris (1877-1962) erst wesentlich später, in den 40er-Jahren, kurz vor seinem Tod. Die Künstlerin ließ in die Gestaltung der Bilder anthroposophische Erkenntnisse über die projektive Geometrie einfließen, während Crowley sein gesamtes magisches Wissen, seine reichhaltige und zuweilen exzentrische Weltanschauung auf der Basis der hermetischen Geheimlehre in die Symbolik der Karten einbrachte. So hat sich Gébelins wilde Theorie vom Weisheitsbuch Thoth ein gutes Jahrhundert später in Crowleys Interpretation des Tarots tatsächlich manifestiert und ist uns als grundlegende Theorie erhalten geblieben.

Tarot im 20. Jahrhundert

Peu à peu trat die Psychologie unter Sigmund Freud (1856-1939) und besonders C. G. Jung (1875-1961) ins Rampenlicht, während das Reich der Hermetik, Magie und Spiritualität im Laufe des Kapitalismus, Rationalismus und zweier Weltkriege in die verruchte Ecke unglaubwürdiger Scharlatanerie und absonderlichen Aberglaubens verdammt und fortan belächelt wurde. Jung wurde im gleichen Jahr wie Crowley geboren und hegte wie dieser ein großes Interesse am Okkultismus, doch seine Arbeit zielte in einen anderen Bereich. Seine Lehren vom Unbewussten, den Archetypen, den Animus- und Anima-Konstrukten sowie der Synchronizität sind aus der modernen Tarotliteratur nicht mehr wegzudenken. Mit den bewegten 60er-Jahren begann ein neuer Aufschwung der Esoterik, der bis heute andauert, denn die alten Lehren, die das Fundament zur Betrachtung und Deutung der Tarotkarten bildeten, erhielten durch die Öffnung für neue religiöse Strömungen und Weltanschauungen ständig neue Impulse. Dazu zählen nicht nur östliche Einsichten und Weisheiten, sondern auch die neuen Hexen mit ihrem zunehmenden Interesse an den alten matriarchalischen Göttinnen und dem Heiden- oder Wiccakult. Die beiden tragenden Säulen dieser Vielfalt bilden zwar nach wie vor die bis heute populären Spiele von F. A. Waite und Aleister Crowley, doch hat sich dieser Boom auch in einer Vielzahl von anderen Decks niedergeschlagen, von denen die Tarotkarten von Salvador Dali (1983), Hermann Haindl (1988) und Margarete Peterson (2001), der Baphomet-Unterwelt-Tarot mit den Bildern von H. R. Giger (1992) oder der Tarotgarten von Niki de Saint-Phalle (1996) erwähnenswert sind.

Moderne Deutung nach Jung

Jungs Interesse für die hermetische Tradition brachte ihm zu Lebzeiten den damals eher negativen Ruf eines Mystikers ein; dies hatte auf sein Werk allerdings sehr positive Auswirkungen. Sein Konzept der analytischen Psychologie, das er im Laufe der Jahre entwickelte, basiert auf einem Modell der Zusammenhänge zwischen Ober-und Unterbewusstsein, letzteres gliederte Jung in das persönliche und das kollektive Unbewusste. Während dem persönlichen Unbewussten verdrängte oder vergessene Erinnerungen des einzelnen Menschen zu Grunde liegen, entspricht das kollektive Unbewusste einer Seelenmatrix, die sich als tiefere Schicht in jedem Individuum befindet, bis zur frühesten Menschheitsgeschichte zurückreicht und die natürlichen Entwicklungs- und Verhaltensmuster in sich trägt. Diese kollektiven Bilder, die Archetypen, stellen laut Jung ebenso wie Symbole und Mythen emotionsgefärbte Botschaften aus dem »Keller« dar, also eine Art Sprache, mit der dem Bewusstsein Informationen mitgeteilt werden. Ein weiterer Zusammenhang zwischen Bewusstem und Unbewusstem findet sich im Animus/Anima-Prinzip. Die Anima ist der gegengeschlechtliche und zumeist verdrängte Teil im Mann, während der Animus den männlichen Teil der Frau darstellt. Beide Geschlechter sind im Menschen kombiniert und prägen den Verlauf seines Lebens. Das Empfinden von Glück oder Unglück wird entscheidend davon abhängen, ob das männliche und weibliche Prinzip in der eigenen Seele in Frieden oder im Streit miteinander leben. So stellt die Beschäftigung des Menschen mit seinem gegengeschlechtlichen Part inklusive Projektion nach außen einen der Hauptpfeiler seines Individuationsprozesses dar.

Akron - ein Tarot der Zukunft

Zu Lévis und auch Waites Zeiten waren diese Erkenntnisse moderner Psychologie nicht mehr als eine Ahnung, ein erster Impuls, unformuliert und der Öffentlichkeit wenig zugänglich, ebenso wie die Bedeutung eines Gleichgewichts aus männlicher und weiblicher Kraft bestenfalls als erste, waghalsige Theorie entstand, aber im täglichen Leben und auch in der Spiritualität wenig Einfluss besaß. Die Entwicklung der letzten Jahrzehnte bedeutet also auch, dass im alten System des Tarots nach Levi, Waite und Crowley längst überfällige Neuerungen vollzogen werden müssen. Gehen wir weiter davon aus, dass die Karten nichts anderes als die aufgeschlüsselten Archetypen und Erinnerungen der persönlichen und kollektiven Psyche sind, die im Zeitfenster des Betrachters je nach Ausrichtung auftauchen und von ihm als persönliche Ereignisse wahrgenommen werden, beinhaltet der Ausbau des Tarotmodells eine erweiterte Sichtweise von sich selbst und der Welt. Im Laufe der Zeit bildet sich eine kritische Masse an Information, die zu einem Anschwellen von Einzeldaten führt und die Erweiterung der Großen Arkana nach sich zieht, um weiter wachsen zu können. Das jahrhundertelange Übergewicht kontrollierender männlicher Strukturen ruft beispielsweise heute eine vertiefte Betrachtung der weiblichen und verdrängten Aspekte hervor, und wie ließe sich dieses Bedürfnis besser untermauern als mit der Einbeziehung zweier neuer Karten im Set: der Schwarzen Göttin und dem dunklen Kind. Die Integration des weiblichen Schattens öffnet zunächst den Vorhang zu einer differenzierteren Form. Die verstoßenen Kräfte sind die Quellen des Niedergangs, weshalb der Ursprung der Inspiration zur Ausdehnung des Systems aus dem Verlangen der Autoren nach Wiedereingliederung der dunklen Alten in uns stammt. Auch der höllische Balg, der revolutionäre Joker, ist ein zentraler Schlüssel zur Ergründung des menschlichen Wesens. Durch die Beschäftigung mit den verdrängten kindlichen Schattenanteilen in Form von Enttäuschungen durch seelischen Missbrauch kann das Licht der Erkenntnis über unserer Dunkelheit aufleuchten und aus der Einsicht wird Mitgefühl und aus dem dunklen das goldene Kind. Mit einem Wort: Die Schreiber dieses Buches verstehen sich in der Tradition des mephistophelischen, alles in Frage stellenden Geistes, der nicht nur bereit ist, Traditionelles über den Haufen zu werfen und heilige Altäre mit neuen Inhalten zu füllen, sondern der sogar so vermessen ist zu behaupten, dass nur Modelle ohne Systemcharakter neue Modelle sind, weil sie nichts trennen und doch alles im Einzelnen beschreiben.

Persönliche Impressionen

zu den neuen Karten

Von Michelle

Tarot ist ein männlicher Einweihungsweg, Nicht umsonst finden wir in den Großen Arkana an erster Stelle den Magier und das Wort und erst an zweiter das unbewusste Wissen der Hohepriesterin. Ein weiblicher Pfad würde wohl einer anderen oder gar keiner Struktur folgen und vielleicht mit der Erdgöttin als Anfang allen Lebens beginnen. Andererseits ist in den meisten Tarotsystemen die letzte Karte weiblich oder hermaphroditisch. Crowley wählte als archetypisches Bild für das Universum die Versöhnung des Weibes mit der Schlange und war somit auf seine Art Vorreiter für die Wiederkehr der Göttin. Trotzdem erschienen mir die weiblichen Karten durch ihre Einbindung in die Symbiose abendländischer Lehren wie Kabbala, Magie, Hermetik oder Theosophie unter Einbeziehung der Mythologie des Christen- und Altertums irgendwie domestiziert. Dies alles wurde mir in dem Moment schlagartig klar, als ich begann, in die Energie der Schwarzen Göttin einzutauchen. Die Idee zu dieser weiteren Trumpfkarte wurde mitten in der Entstehung dieses Buches geboren. Akron folgte ihrem stillen Ruf nach Präsenz als erstes und beschloss, sie wieder auf ihren angestammten Thron zu heben und ihrer unterschwelligen Kraft im Tarot Form und Ausdruck zu geben. Ich bekam die Aufgabe, in meine innere Kraft dieses dunklen Urweibs zu horchen und zunächst eine Vorlage für Kartentext und Deutung aufs Papier zu bringen. Zuerst war ich irritiert. Die erprobte Tradition der 22 Karten durchbrechen? Und warum eine so höllische Ausgeburt? Was für eine neue Energie sollte sie denn in den Tarot bringen, die nicht schon längst im Teufel als Prototypen des Unholds vertreten war? Erst mit dem Schreiben begann die neue Kraft, die durch die dunkle Mutter entstand, zu wirken und katapultierte mich im Laufe der nächsten Monate auf eine völlig neue Energieebene. Um mich ihr zu nähern, etwas über sie zu erfahren, was ich zu Papier bringen könnte, zapfte ich die eigenen dunklen Seelenkammern und die anderer Frauen an, mit denen zusammen die Göttin in meinem Kopf langsam Gestalt anzunehmen begann. Die Energie, die bei uns entstand, wenn wir über sie sprachen und uns mit ihrem inneren Bild verbanden - satt, siegesgewiss, durchtrieben, gefährlich, maliziös, unendlich mächtig -, war ungeheuer und beeindruckend. Das war wirklich eine andere Kraft als die des Teufels. Seine finstere Macht war männlich, eine Kombination aus Mephistopheles, Loki und Gott Pan. Je tiefer ich in ihre weibliche Gnadenlosigkeit eindrang, desto stärker wurde ihr Ruf, und sie aus der Tiefe ins Licht zu zerren war wie eine Erlösung und Heilung zugleich. Ja, die Kraft der dunklen Mutter fehlte wirklich in den Tarotspielen, wurde mir klar, und ihre neue Präsenz zeigte schnell ihre heilsame Wirkung, indem sie unausgesprochene, unbebilderte, verdrängte, weibliche Energien ins Bewusstsein zurückbrachte. Doch wenn die Schwarze Göttin, die schon in den alten Kulturen als ein Aspekt der Großen Dreifaltigen Göttin erschienen und als Kali, Lilith oder Hel verehrt worden war, sich nun wieder anschickte, zurückzukommen, wo waren dann die beiden anderen? Die drei Ebenen, die die Große Göttin umfasst, entsprechen der lugend (Jungfräulichkeit), der Blüte (Mutterschaft) und dem Alter (Weisheit und Tod), denn so wie die Rote Göttin unablässig neues Leben gebiert, stirbt es im Angesicht der Schwarzen Göttin, um durch die Weiße Göttin wieder neu erweckt zu werden. Ich begann sie in ihrer Gesamtheit in den anderen, schon vorhandenen Karten zu suchen und wurde in der Sexualkraft der Herrscherin (Rote Göttin) und der Weisheit und Reinheit der Hohepriesterin (Weiße Göttin) fündig. Eine besondere Bewandtnis hatte es mit der Karte Lust auf sich. Zuerst dachte ich, sie wäre die Schwester der Regentin, doch dann wurde mir bewusst, dass sie vor allem die Stiefschwester der Hohen Priesterin war, denn die dunkle Göttin ist nicht zuletzt das Ergebnis der offenen Wunde oder der tiefen Kluft, die entstanden ist, weil der sexualmagische Akt der alten Tempelpriesterinnen von der christlich geprägten Zivilisation des Abendlandes entwürdigt und in die Begriffe Hure und Heilige gespalten worden war. Seither regiert ihre unerlöste Energie aus der Dunkelheit und die Fähigkeit, nicht nur über Leben, sondern auch über Tod zu gebieten, ist Hauptteil dieser Kraft. Das Ungleichgewicht, das entsteht, indem der dunkle Teil der Männer (Teufel) wahrgenommen, der dunkle Teil der Frauen aber völlig verleugnet wird, ist groß und einer der Hauptpfeiler unseres Geschlechterkampfes, der nur weichen kann, wenn sich beide Seiten mit dieser Kraft versöhnen und sie in sich wieder integrieren. Nur wenn wir das verstehen und ihr den geforderten Raum geben, bringt sie Frauen in die weibliche Energie, Männer in der Auseinandersetzung und Heilung mit ihrer Anima an ihre matriarchalischen Wurzeln und sich selbst aus der finsteren Seelengruft wieder ins Licht der Bewusstheit zurück. So wird die weibliche Kraft im männlichen Einweihungssystem verstärkt, wodurch es insgesamt ausgeglichener und stabiler wird, besonders im Hinblick auf die Lehre, dass der einzige Weg zu wahrem inneren Ausgleich die Ehrung und Verschmelzung des männlichen und des weiblichen Prinzips gleichermaßen ist.

Von Arjun

Die Angst vor der schrecklichen Urmutter kündigt sich in der Seele des Mannes meist schon vor seiner Geburt als zukünftige Projektionsfläche der scharlachroten Anima an. Alle Wesen erben die Last ihrer Vorfahren und deren Sehnsucht nach Befreiung, und so stellte ich den Fuß mutig auf die Himmelsleiter und begann meinen Abstieg. Da ist kein Gott außer dem Gott in dir, der sich selbst in allen Göttern als Gott erkennt, und da ist kein Mensch außer dem Menschen in dir, der sich selbst in allen Menschen als Mensch erkennt. Da ist keine Wahrheit außer der Wahrheit, die sich selbst für wahr hält. Da ist nichts außer Lug und Trug, es sei denn, du wärst es selbst, sagte die dunkle Alte und lächelte, während sie mir das Messer in den Bauch rammte, und schlagartig wechselte sie die Gestalt und wurde zur jungen Geburtshelferin. Das war der Start. Für den kleinen Jungen war es natürlich zunächst schwer, die dunkle Seite des Weiblichen oder den irrationalen und unberechenbaren Anteil des Mütterlichen zu integrieren. Und es wurde auch in den nächsten Jahrzehnten nicht besser. Trotzdem hatte sie Recht: Alle Töchter der Göttin in meinem Leben waren nicht berechenbar. Ihre Macht war süß, ihre Nähe warm und zuweilen eine Qual, doch standen sie als unverrückbare Instanzen der Macht in meinem Bewusstsein. Es war der ständige Ruf nach Opferung und Hingabe auf dem Altar des Weiblichen, der mich durchdrang, die stille Aufforderung nach Geborgenheit im mütterlichen Schoß und das Verlangen, mittels Libido und Kraft den Fortbestand der Sippe zu sichern. Ich merkte aber auch, dass aus der gemeinsamen Liebeseuphorie schnell eine verhängnisvolle Magie heraufbeschworen werden konnte, wenn Frau und Mann ihre gegenseitigen Projektionen, sie wären Gott und Göttin und jeder für den anderen das ultimative Ziel ihrer geschlechtlichen Sehnsucht, ineinander verankerten. Niemals darf man ein solches sexualmagisches Statement als persönliche Botschaft werten, die dem materiellen Alltag standhalten kann. Lediglich der geschützte Raum eines Liebesrituals gestattet die Übernahme der Rolle der archetypischen Bilder von Göttern und Göttinnen, die sich als Urformen des ersten Liebespaares begegnen. Werden die kosmischen Kräfte des Männlichen und Weiblichen innerhalb dieses Rahmens als Spannungsbogen benutzt, fliegt der Pfeil der Sehnsucht auf der Sehne der Libido weiter, als die Sonne scheint. Aber aufgepasst: Alle Versuche, das Geheimnis der Kraft zwischen Männern und Frauen zu lösen, sind stets am Schatten des Persönlichen gescheitert, weil dort die Quelle der Enttäuschung sitzt, und aus diesem Schmerz heraus kann das seinen Schatten verdrängende Ich ohne sein Wissen zu einem unerschütterlichen Wächter vor dem Reich der Göttin werden, der seine eigenen, in einem unbekannten Teil seines Wesens formulierten Ziele auf der unbewussten Ebene im anderen gnadenlos bekämpft. Als ich endlich aufhörte, meine Frau und die Frauen der Welt verstehen zu wollen, also den Wunsch, ihre Unberechenbarkeit als Spiegelung meiner inneren weiblichen dunklen Seite zu kontrollieren, wurde ich tief im Gedärm von der betörenden Anima berührt, so als wollte sie mir sagen, dass ich mich jetzt auf den Weg zum Vater machen soll, der einst der Geliebte der finsteren, alten Göttin war. Im Grunde genommen ist es der Auftrag eines jeden Mannes, diesen Vater in sich zu finden, denn solange Männer gegen die dunkle weibliche Seite in sich rebellieren, können Frauen ihren lichten männlichen Teil nicht entwickeln. Erst wenn die Gegenwart der dunklen Mutter in einem Mann erwacht, erhöht sich seine Ausstrahlung und Attraktivität für die Frauen enorm, denn er reitet jetzt den Tiger ihrer Kraft, der ihn überall dahin trägt, wohin er will, von dem er aber niemals mehr absteigen kann, weil dieser ihn sonst zerfleischen würde. Gelangt er schließlich an die Haustür seines inneren Vaters, wird er erkennen, dass er sich selbst die Pforte öffnet, an die er von außen anklopft, und er wird fühlen, dass aus dem Sohn der Vater geworden ist, der die Mutter suchte und die Geliebte fand. Kehrt dieser Mann zum Urbild der Mutter zurück, so kann er sagen, ich habe mich gefunden, und er wird als Geliebter der ewig jungen Alten sich selbst neu erzeugen - das ist das Geheimnis der Schöpfung der verdrängten Anima aus männlicher Sicht. In ihrer Funktion als weibliche Teufelin scheint sie das Laufrad des Lebens anzutreiben, weil sie im Scheitern den Ausgleich der Kräfte vertritt. Nichts ist je verloren gegangen, weil das Chaos, vor dem sich der Kaiser fürchtet, nichts anderes ist als die Ordnung der alles umspannenden Leere, durch die jedes Leben eintritt und wieder geht:

Ich bin der Grundstein all dessen, was möglich ist, und mein Name ist: »Nichts bleibt verborgen«, denn ich bin das Ja zum Leben

und das Ja zu deiner Kraft. Erobere die Welt und erkämpfe

dir deinen Platz, aber wisse, in mir sind alle Dinge auf ewig, weil ich nicht bin!

In Liebe allen Töchtern der dunklen Göttin in mir und dem Fest der Begegnung im Außen gewidmet.

Von Lussia

Die entscheidende Erkenntnis zum Thema des inneren dunklen Kindes entstand ganz zufällig während eines Neumond-Rituals beim Herausrufen der schwarzen weiblichen Kraft. Dabei wurde ich mir der ungeheuren, diabolischen Energie des Kindes als der Kehrseite der dunklen Göttin bewusst, die unpersönlich und in eisiger Klarheit alles um mich herum erfasste. Daraus stellte sich mir die Frage: Sollte sie als der finstere weibliche Aspekt im Menschen den Schatten der weiblichen Trümpfe verkörpern, wäre dann der unheilvolle Balg nicht möglicherweise das verlorene Kind der dunklen Mutter, das in der tiefsten Brunnenstube der menschlichen Seele verborgen und unerkannt sein Dasein fristet? Vielleicht liegt die Antwort, dass dieser wichtige Archetyp in der Welt des Tarots bisher noch keinen Zugang gefunden hat, darin, dass wir uns noch nicht lange genug mit den abgespaltenen psychischen Anteilen tiefer auseinandergesetzt haben, also den Pfründen, aus denen das verhängnisvolle Kind in unsere Welt gekommen ist. Denn aus spiritueller Sicht könnte man sagen, dass wir in unserer kollektiven Entwicklung erst jetzt in der Lage sind, eine solche komplexe Energiestruktur wie das, was wir als schwarzes oder abgespaltenes Kind umschreiben, überhaupt zu erfahren. Früher wurden die Krankheitsbilder im Persönlichkeitsaspekt des verletzten und deshalb finster wirkenden inneren Kindes, das sich unverstanden und allein wähnt, mit Begriffen wie endogene Depression, autistisches Verhalten oder manisch-depressiven Neurosen umschrieben. In der Verdichtung der Krise und als Auslösungsfaktor in Zeiten von Überforderung, Verzweiflung, Liebesentzug oder dem Gefühl, nicht mehr geliebt zu werden, resultiert ein ungeheures Angstpotenzial in Form eines psychischen schwarzen Loches. Hockt man erst einmal drin, dann reduziert sich das emotionale Wollen auf Ziele wie Stabilisierung des gekränkten Ego durch Selbstmitleid, d. h. dem Suhlen in den Erinnerungen von Missbrauch und Schmerz. Das enttäuschte Kind errichtet um die Seele einen Schutzwall, der kein äußeres Zeichen der Liebe oder Zuwendung mehr durchdringen lässt und die Psyche zwingt, sich ausschließlich mit jenen Begebenheiten zu befassen, die die Qual alter Verletzungen immer wieder neu auslösen. Beobachtungen zufolge, in denen Menschen aus unverständlichen Gründen plötzlich heimlich und beleidigt davonschleichen, trotzig sich zurückziehen, zerstören oder gar morden, können wir darauf schließen, dass sich in jedem Individuum eine verdrängte, sich aus der Ablehnung nährende Kraft verbirgt, die die verhinderte Liebe oder Nähe in einen trotzigen Abwehrmechanismus umbiegt, um die Welt für ihren Schmerz verantwortlich zu machen. In der Symbolik dieser Karte sind die sabotierenden, nachtragenden und alle Lebensfreuden verhindernden und vernichtenden Enttäuschungsmuster zusammengefasst. Das Kind stellt die Summe aller erlittenen Verletzungen, die es im Laufe seiner Entwicklung erlebt hat, dar und fühlt sich einzig dem Dämon verpflichtet, der ihm in seiner Depression unerschütterlich zur Seite steht, dessen Name Selbstbestrafung ist und dessen Weg der Selbstzerstörung sich in der Vernichtung seinerPeiniger krönt Wo aber liegen die Wurzeln dieses abgespaltenen Persönlichkeitsteiles, der sich so tief in die Schattenkammern der Seele zurückgezogen hat? Ist es grundsätzlich die kollektive Enttäuschung über den Rauswurf aus dem Paradies als ein Zustand vollkommener Einheit? Oder sind es die persönlichen, gekränkten Gefühle, nicht in seiner Eigenart wahrgenommen oder geliebt worden zu sein, denn Übergriffe, Missbräuche oder auch die unerwiderte Liebe zu den Eltern lassen ein tiefes Misstrauen in der Menschenseele wachsen und Flucht, Schmerz und Selbstzerstörung sind letztlich die folgerichtige Konsequenz daraus.

Die Großen Arkana

0   Der Narr

All-Ein-Sein, Urquell, kosmische Leere

Der Narr verkörpert sowohl das Nichts an der Schwelle zum Werden wie auch die grenzenlose Leere des Alls, die am Ende jeder Entwicklung das Sein wieder in sich aufnimmt. Er ist ein Bote reiner, ungefilterter Wahrheit aus dem Zwischenreich zwischen Tod und Geburt, und er verkörpert den schöpferischen, aber nicht personifizierten Willen, der noch keine Absicht, Richtung und Struktur kennt. Vielmehr erschafft er sich einen geistigen Raum durch bestimmte Träume, in deren Spiegelungen er sich das Mysterium visionär erschließt. Er ist ständig damit beschäftigt, sein Inneres über seine eigenen Ahnungen reflektierend zu ergründen. Wir begegnen hier dem sich spiralförmig auf ein neues Ende hin bewegenden alten Anfang, einer neuen Seite im Buch des Lebens, deren Inhalt aber immer noch die Vision des Vergangenen transportiert. Dieser beinhaltet den Ur—Willen, dessen ideelle Atome sich in der Karte des Magiers zu geistig-materiellen Verdichtungen gruppieren. Doch dazu bedarf es der kosmischen Dimension der Zeit. Sie ist der Geburtskanal, durch den das zum Leben berufene Geschöpf ausgetrieben wird. So befindet sich der Mensch fortwährend zwischen einem Ende als Anfang und einem Anfang als Ende. Wenn er zurückblickt, kann er erkennen, dass durch jedes Ende ein alter Anfang hindurchreicht und sich spiralförmig auf ein neues Ende hin fortbewegt: Nichts ist mehr, wie es einmal war, und trotzdem ist es immer dasselbe.

Bapbomet — Tarot der Unterwelt

Karte

Wie kaum eine andere Karte entzieht sich der Narr dem Versuch, ihn mit Worten beschreiben zu wollen. Das liegt in der Unfähigkeit des menschlichen Verstandes, Dinge zu erfassen, die auf der Schwelle zwischen Bewusstsein und Unbewusstem angesiedelt sind. Ziele und Inhalte blähen sich zu verworrenen und ausufernden Gedankenkonstruktionen auf, die selten mehr als eine hilflose Liebenswürdigkeit offenbaren. Und so führt uns die resignierende Reaktion des Beschreibenden - sei es durch ein schulterzuckendes Seufzen, ein verlegenes Grinsen oder einen hoffnungsvollen Blick, der uns offen und erwartungsvoll um Beistand bittet - sehr anschaulich vor Augen, was dem Narren fehlt: die für die Beschreibung des Unbeschreiblichen notwendige abstrahierende Verstandeskraft. Auf der einen Seite liegt der Vergleich zu einem Traumtänzer nahe, der unbelastet von allen persönlichen Ansprüchen und Zweifeln in einer Leichtigkeit lebt, deren Mühelosigkeit wohl am besten mit einem kindlichen Tanz verglichen werden kann. Die andere Empfindung mag bei weniger realitätsfremden Naturen jedoch zum entsetzten Ausruf führen: Vergib ihm, denn er weiß nicht, was er tut! Und beides stimmt: Er weiß es wirklich nicht, denn es fehlt ihm der Verstand, der vergleichende Maßstab, und deshalb wird ihm von den Göttern auch vergeben werden.

Angesichts der Tatsache, dass dem Narren die Grundvoraussetzung für jede Schuld fehlt, schwindet jede persönliche Tat gegenüber der fehlenden Erkenntnis zur Nichtigkeit oder zum bloßen Webmuster im Netzwerk des Ewigen. Die Unschuld der Freude, das unbefleckte Vertrauen in die Richtigkeit seines Handelns und die Selbstsicherheit im Umgang mit allen Dingen um sich herum rückt den Narren in die Nähe eines Kleinkindes, dem wir jegliche Form von Schuld aberkennen. Verstärkt wird dieser Vergleich durch die Beobachtung, dass kleine Kinder im Anfangsstadium ihrer Entwicklung von sich selbst in der dritten Person sprechen, gerade so, als ob es dabei nur um einen unbedeutenden Teil von etwas Größerem ginge. Die vorsätzliche und bewusste Anwendung dieser Ausdrucksweise, die sich früher auch bei feudalen Herrschern wiederfand, spiegelt in sich den gleichen Ansatz wider, obwohl hier die Bedeutung völlig auf den Kopf gestellt ist. Ebenfalls lässt sich bei kleinen Kindern das Fehlen eines Bewusstseins über sich selbst darin erkennen, dass Zeit für sie allenfalls eine chronologisch ordnende Rolle spielt: vorher und nachher oder später. Zeit als Ausdruck für Vergänglichkeit kann überhaupt erst an Bedeutung gewinnen durch die Entdeckung, dass diese Vergänglichkeit auch das betreffen wird, dessen man sich vorher als das eigene Ich bewusst geworden ist. Wenn ihr nicht (wieder) werdet wie die Kindlein …, heißt es in der Bibel.

Der Advocatus Diaboli weist zu Recht darauf hin, dass jeder Versuch, den Narren zu beschreiben, falsch sein muss, wenn die Sicht des Betrachters in das Bild des Narren hineinprojiziert wird und Göttlichkeit und Leere dabei gleichgestellt werden - wie es bei der Vorstellung des Nirwana geschieht. In der Verfassung des Narren käme keiner auf die Idee, seine persönliche Lage schildern zu wollen - weil er darüber nichts weiß. Somit ist die Erfahrung dieses Archetypen immer auch eine Erfahrung, der wir uns erst im Nachhinein bewusst werden können; alles, was wir später darüber zu sagen vermögen, ist, dass wir gar nicht wussten, was wir da taten. Dieser sich Raum und Zeit entziehenden Existenz wohnt jedoch auch die Möglichkeit zur Bewusstwerdung inne. Das versinnbildlicht sich auf der Karte als Meer, in dem sich das Bewusstseinspotenzial als halb verborgener Kopf offenbart. Es bleibt offen, ob er in diesem Gewässer zu versinken droht oder sich daraus zu erheben trachtet - dem Kopf selbst scheint beides, einerlei Alles, was wir über den Narren wissen können, ist, dass er existiert, weil es außer seiner puren Existenz nichts über ihn zu wissen gibt. Er ist die Existenz schlechthin, die Essenz der Existenz. Er ist die Tatsache, dass Existenz existiert - und dass er selbst nichts davon weiß.

Im traditionellen Tarot entspricht der Narr dem persönlichen Willen, der noch keine Zielrichtung hat, weil er in sich absichtslos ist und ohne die Struktur der künftigen Absicht einfach die Potenz der sich selbst aus sich heraus gebärenden neuen Lebensenergie darstellt. Auf der Karte sehen wir eine im Ozean des Unbewussten versunkene Gestalt, die ihren Kopf aus dem Wasser hält. Wenn das Meer die Auflösung aller Einschränkungen und das Sehnen nach Verschmelzung mit der Seele repräsentiert, dann symbolisiert das Herausheben des Kopfes den Drang, das Bewusstsein wie den Schnorchel eines Unterseebootes aus den Wassern des Numinosen zu hieven, ohne den verschlingenden Fluten aber in vollem Umfang zu entkommen. Deshalb sitzt er in der Falle: Die Vorstellung vom Ewigen ist zwar erreichbar, aber nur als Vision, und weil diese durch die Brille des Narren als neues Lebensziel herhalten muss, erkennen wir auch, dass das Ganze nur so lange funktionieren kann, wie das Ziel nicht richtig deutlich wird. Solange wir nur in den Nebeln herumstochern, sind wir wenigstens der Prüfung enthoben, festzustellen, ob das Angestrebte in der Realität überhaupt möglich ist.

Aus einer anderen Perspektive betrachtet könnte man auch sagen: In der Welt des Narren existiert kein Narr! In der Welt der Nicht—Narren existiert der Narr als Antipode zur Vernunft und somit ist er ein Vertreter des Irrationalen, das als Bedrohung des konzeptionellen Denkens empfunden wird. Er symbolisiert die Unschuld der Seele, bevor sie in die Strukturen des Persönlichen eingebunden wird. Daher gibt es einen naturgegebenen Widerspruch zwischen der Ungebundenheit des Narren und der Absichtlichkeit des handelnden Menschen. Im Moment des konzeptfreien Seins und Wahrnehmens dringen Energiegewebe aus dem strukturlosen Raum in die Ordnung des fünfhirnigen Menschen ein und bereichern diesen oder treiben ihn in die Nervenheilanstalt - den Ort, an dem versucht wird, Ver—Rückungen zu steuern (dem Narren die Unschuld zu nehmen, riefe den Fluch des Mühlsteins hervor, den Jesus einst aussprach, falls man versuchen sollte, dem Naiven den Glauben zu nehmen). Fazit: Die Qualität des Narren aus der Sicht der Nicht—Narren ist der Flug, der allerdings nur denen gelingen mag, die vorher kräftige Wurzeln entwickelt haben. Die Qualität der Nicht—Narren aus der Sicht des Narren ist ihre Nicht—Existenz.

Fassen wir zusammen: Das Sehnen nach Verschmelzung und die Auflösung aller Einschränkungen weisen gerade auf das Problem hin, den Narren, der unsere Persönlichkeit aufweicht, durch das beschränkende Ego erfahren zu müssen. Damit haben wir im Bewusstsein des Narren etwas, das sich im Grunde noch ein bisschen gegen das sträubt, was er im Begriff ist, aus sich hervorzubringen: die Vision eines neuen Lebensziels. Denn der Narr als Vertreter der Null ist nicht zu verwechseln mit dem Narren des Königs, der in Wahrheit ein Magier ist. Seine perfekte Beschäftigung ist die Nichtbeschäftigung. So können wir im Geist dieser Karte anderen helfen, sich weniger mit ihrem Tun zu identifizieren, und sie beim Loslassen unterstützen. Wir sind die Trainer der Manager, ihre einfühlsamen Meditationsmeister, zumindest solange wir etwas vermitteln, was nicht zu vermitteln ist. Wir schwimmen mit den Delphinen und tauchen ohne Furcht in die Urgründe der Erdspalten.

Unsere Erkenntnisse sind nicht reproduzierbar, sondern einzigartige Erscheinungen aus den Zwischenräumen unserer bewussten Gedanken. Der Narr ist außerhalb der Polarität und befindet sich nur für den Betrachter innerhalb eines dualen Körpers (dieser Widerspruch ist die Spiegelung der Absurdität des Narren im Nicht-Narren und somit das einzig Reale, was der Narr als Realität wahrnehmen kann). Gerade aus dem Drang, sich selbst in jedem Rahmen zu verlieren oder sich jeder Einschränkung zu entziehen, formen sich am Ende die noch etwas zögerlichen Konturen eines schöpferischen Willens. Der Geist führt ihn zunächst zu den Pforten mystischer Wahrnehmung, zu den Gipfeln göttlicher Erkenntnis, wo die Visionen die Wirklichkeit überprägen und die Realität zur reinen Fiktion zerschmilzt. Das Verzwickte an dieser Situation liegt daran, dass es nur selten möglich ist, etwas Persönliches zu kreieren, das nicht in den Schalen kollektiver Vorstellungen und Bewusstseinsmuster Platz finden kann - ein Umstand, der sich in dem Gebilde veranschaulicht, das sich wie ein Teufelshorn aus dem Kopf des Narren hervorgedreht hat. Es ist das Symbol für die soziale Kultur, die Struktur der Bilder, die die Menschheit in ihrer Entwicklung gesammelt und zu einem monströsen Gebilde aufeinander getürmt hat, denn: Kollektiver Glaube und kollektive Bilder schaffen jenen Teil der Wirklichkeit, den wir Realität nennen, gestalten Emotionen zu sichtbaren Formen, die wir als gegenständlich empfinden, und formen schließlich uns, die wir die Welt formen, damit die Welt, in der wir leben, immer genau unserer Wirklichkeit entspricht. Das bedeutet auch, kaum haben wir das Haupt aus dem Unbewussten erhoben, dringen die alten, scheinbar überwundenen Bilder aus unseren Köpfen mit dem Wunsch, ihnen eine neue kollektive Doktrin aufzuprägen.

Die Reise des Helden

Wenn wir das bis jetzt Gesagte nicht mehr hinterfragen, müssten wir zur Ansicht kommen, dass der Narr für die Auflösung der Realität an der Schwelle einer neuen Reise steht. Das ist aus der Sichtweise des Denkens sicher richtig, aus der man die Realität für real erklärt und die Voraussetzungen zu deren Auftreten als wahr. Wenn wir aber die Realität in Frage stellen, um zu entdecken, was oder wer es ist, der die Realität für wahr erklärt, dann relativiert sie sich auf jene Wellenlänge, auf die unsere inneren Bilder ansprechen.

Die erste Einsicht in den Mechanismus unseres Erkennens ist, dass die Welt, die wir erkennen, nicht wirklich die ist, wofür wir sie halten. Wir halten sie für eine Welt der Materie, der Gegensätze. Dabei gibt es gar keine Materie an sich. Alle Materie fußt auf einer unbekannten Kraft, die Atomteilchen in Schwingung bringt. Daher besteht sie nur aus Energie, aus Schwingung. Und da Energien keine Gegensätze kennen, weil sie die Gegensätze selbst sind, wir aber aus der Wirkung dieser Energien Gegensätze machen und damit unsere vorstellbare Welt erschaffen, lässt sich leicht feststellen, wo diese Bilder ihre Wiege haben: in unserem Bewusstsein Mensch (dem Kropf, der dem Träumer aus dem Kopf wächst)’ Aus dieser Sicht beschriebe sich der Narr wie folgt: Er ist der Stein des Weisen in der Hand des Magiers, und doch ist der Magier nichts anderes als eine Bewegung in der Freiheit des Narren. Seine Magie ist eine ohne Anhaftung und Ego. Er ist der Meister des Tao ohne das Bild eines Meisters. Diese Magie ist die Höchste aller magischen Praktiken: Kein Lehrbuch vermittelt sie, kein Guru gibt sie an einen Schüler weiter, sie offenbart sich durch sich und verliert sich in sich selbst.

Wenn wir die Realität nun als Extrakt unserer eigenen Bilder erkennen, so könnten wir den, der uns von dieser Realität befreit, als Erlöser begrüßen: als Erlöser von der Welt unserer eigenen Vorstellung. Leider ist dies nicht so einfach. Denn durch das Vorhandensein einer materiellen Umwelt sind wir darauf angewiesen, die Befreiung aus den alten Strukturen zu einem neuen Lebensziel oder zumindest zu einer Erkenntnis umzukneten. Somit wird der Narr zur Karte, die sich an den Anfang eines neuen Lebensweges stellt, indem sie alle alten Strukturen überwunden zu haben glaubt, womit sich das Denken in seiner eigenen Falle gefangen hat (ein Wort des Narren ließe den Bann der Täuschung, der über der Realität liegt, zur Wirklichkeit werden, und ein leises Plop wäre zu hören, wenn die Seifenblasen über dem Ozean zum Ozean würden: Die Magie und Spiritualität des Narren im Nicht—Narren wäre dann die Brücke zum Universum). Die Falle zeigt sich im Teufelshorn oder im monströsen Gebilde, das der Gestalt im Ozean des Unbewussten wie ein Krebsgeschwür aus dem Kopf gewachsen ist. Die Vermessenheit der menschlichen Einbildung wird unterstrichen, indem sich der Kropf (das Gesicht mit dem Auge) sozusagen selbst in der Hand hält und dem Meer des Unbewussten damit einen kontrollierten Ausschnitt entgegenstreckt. Diese Kontrolle hat ihren Grund: Des Narren Sehnsucht nach dem Unendlichen ist gerade das verdrängte Gegengewicht zu unserer materiell-polaren Perspektive, die, einmal aus den Angeln gehoben, sich immer mehr in sich verliert: als Lust des Kompensierens unseres Denkens, um sich im Grenzenlosen zu ertränken.

Erst wenn wir erkennen, was die Realität ist, dann können wir auch die Voraussetzungen erschauen, die sich der Narr als Vision zum Mittelpunkt seiner Sichtweise gemacht hat. So entsteht auf der menschlichen Ebene ein Beobachter des Beobachters, der auf einer hohen Ebene zur Erleuchtung führt und auf einer tiefen als ein Ausdruck der Ablehnung der Realitätsebene steht, was gleichbedeutend mit Ablehnung der Wirklichkeit zu sehen ist. Nicht weil er sich seine Sichtweise zum Mittelpunkt gemacht, sondern weil ihn seine Sichtweise umgekehrt in die Startlöcher eines Ausgangspunktes, der am Ende nur wieder zu sich selbst führt, hineinmanövriert hat: Die Reise des Helden ist das Bild, wie sich die Welt seiner Vorstellung durch die Kapazität seiner »zukünftigen Erinnerung« darstellt - und der unter seinen Fußsohlen liegende Weg die einzige Realität im Nebel der Leere! Seine Erkenntnisse sind nicht reproduzierbare Gedanken, sondern spotlightartige Flashs aus den Nischen und Räumen zwischen den Dualitäten.

Kontroverse

Kronos als Hüter der Tradition

Alles, was wir über den Narren wissen können, ist, dass er existiert, und weil er sich aus sich selbst hervorbringt und es außer seiner puren Existenz nichts über ihn zu wissen gibt, versuchen Sie sich über diese Karte zu mokieren. Aber ich versichere Ihnen, lieber Vertreter der Gegenseite, dass sich die Qualität des Narren nicht einfach in einer numinosen Leere, die sich selbst befruchtet, ausdrückt, sondern in der tiefen inneren Anbindung an den großen Schöpfergeist. Der Fehler Ihrer These liegt im Umstand begründet, dass Alles im Nichts enthalten ist. In der Unschuld des Narren ist die Bedeutung des Vertrauens in den Weg erkennbar, die ihn selbst vor den möglichen Gefahren schützt. Die Spontaneität seiner Reaktion auf die Herausforderungen des Lebens macht ihn zu einer vorurteilsfreien Kraft und somit zum Synonym für das kindliche Bewusstsein. Er greift tief in die Trickkiste der Wahrheit und nennt die Dinge beim Namen, ohne an deren Wirkung interessiert zu sein. Seine innere Sicherheit, an welcher Stelle er als nächstes seinen Fuß hinsetzt, erhält er aus dem Vertrauen in die Energie, die ihn führt Er macht sich keine Gedanken über die Reaktionen seiner Mitmenschen, die ständig darüber rätseln, was die Motive seiner Handlungen sind. Die Zielgerichtetheit seiner unbewussten Taten lässt die Vermutung aufkommen, dass er aus dem Pool der Ganzheit schöpft, die mit allen Ebenen der Erscheinungswelt verbunden ist. Entgegen Ihrer Vorstellung, der Narr würde sich gegen das sträuben, was aus ihm hervorbricht, weil er die Formgebung der formlosen Kräfte ablehnt, sehe ich das Motiv seiner Handlungen hinter den Ebenen, die ihn leiten. Gerade die innere Leere seines Geistes, der frei von Absichten durchs Leben geht, macht ihn offen für die Inspiration aus dem Göttlichen. Diese Kraft ist die Voraussetzung, um aus dem in der Vollendung steckenden Ende wieder zu einem für jeden Anfang offenen Nichts werden zu können. So gelenkt, kann der Mensch die hohe Inspiration in die Welt transportieren und die Wirklichkeit bereichern, denn nur durch die unendliche Größe des Alles und Nichts vermögen wir uns selbst aus einer erhöhten Perspektive wie einen im unendlichen All immer kleiner werdenden Punkt zu betrachten, bis wir uns am Ende am Rand der ersten Stufe einer neuen Ebene wiederfinden. Aus diesem Grund schrumpft die Vollkommenheit des zurückgelassenen bisherigen Seins auf die Größe eines Punktes oder eines Kreises mit dem Radius Null zusammen. Dieser verliert aus der Sicht der neuen Ebene alles an Größe und Inhalt und wird zu dem Nichts, das alles ist, zu dem Anfang, der aus dem Ende bereits entstand - und damit zu dem Einzigen, für das eben der Narr und nur der Narr stehen kann. Dadurch, dass er die Formen und Konzepte seiner Umgebung auflöst, macht er eine Neuorientierung möglich. Er ist somit der Erfüllungsgehilfe des Schöpferprinzips, das die Realität durch den Aufbruch der Konvention erweitert. Aus der Betrachtung des Ganzen gesehen, wird durch den Narren die Wirklichkeit auf den Punkt reduziert, der in sich selbst verschwindet, um von dort erneut aufzutauchen.

Akronos als Advocatus Diaboli

Wozu dieses esoterische Geschwafel, Verehrtester? Der Kreis, der aus der Sicht des Narren zu dem Nichts geworden ist, das alles sein soll, und sich im Anfang, der gleichzeitig auch Ende ist, verwirklicht - ist das nicht der Insolvenzantrag des menschlichen Verstandes, der beim Versuch, über seine eigene Begrifflichkeit hinauszuwachsen, gescheitert ist? Warum muss etwas werden, nur um sich selbst erkennend wieder aufzulösen und daraus wieder neu zu entstehen? Das tut es doch sowieso, und die Kräfte des Ewigen bedürfen weder der Erkenntnis noch der Legitimierung durch den Verstand. Ist das Klischee des Nichts, das alles beinhalten soll, nicht einfach ein Trick des überforderten Individuums, sich ein mentales Mysterium zu schaffen, auf das es ohne intellektuelle Gewissensbisse hereinfallen kann? Und ist es nicht auch so, dass sich gar nichts auflöst, um neu zu werden, sondern dass der Geist, der eine neue Spirale betritt, einfach die überholte Form abfallen lässt, die für den neuen Zyklus keine Bedeutung mehr hat? Was hier stört, ist nicht die Erkenntnis an sich, sondern der Nebenschauplatz, der sich mit dieser Einsicht verbindet. Wer aus der Sicht des Bewusstseins argumentiert, dass die Karte des Narren alles beinhaltet, was sich aus der Vollendung des Zyklus einer vorhergehenden Ebene ergeben hat, der setzt voraus, dass er weiß, worauf das Wesen der Schöpfung hinausläuft. Selbst wenn wir die Schöpferschlaufe (das Spiel der Schöpfung mit sich selbst) so sehen könnten, wie sie ist, könnten wir uns mit unseren Sinnen kein Bild von ihr machen, weil sie keinen Platz in dem Rahmen hat, den der Mensch mit seinen Sinnesorganen austastet. Wir projizieren das Inventar unserer Bilder auf alles, was uns von außen entgegentritt, und reagieren dann auf unser Bild anstatt auf das Geschehen. Deshalb leben wir auch nicht in dem, was geschieht, sondern in dem von uns durch unsere Vorstellung selber geschaffenen Raum-Zeit-Kontinuum. Fakt ist: Da wir die Wirklichkeit ja nur durch den Raster erfahren, den wir uns selbst geschaffen haben, finden wir in den Tarotbildern meist nur abgehobene Erklärungen, die wir unreflektiert widerspiegeln. Und weil wir für unsere Modelle, die den Schöpfungszyklus bebildern, zumindest das illusionäre Bild eines Kreislaufes nachstellen müssen, damit wir etwas haben, worauf wir unser Modell errichten können, brauchen wir Symbole, die nicht nur nicht halten können, was sie bebildern, sondern die darüber hinaus auch noch etwas ausdrücken sollen, was in unserem Kopf gar keinen Platz haben kann. Folglich symbolisiert das kollektive Bewusstsein auf der Stufe des Narren weder das Nichts noch die Vorstellung des Nichts (weil die Vorstellung ja Inhalte benötigt und in Ermangelung derer einfach das Nichts zum Inhalt macht), sondern es zeigt das noch unformatierte kollektive Wissen, das vom Individuum als Nichts dargestellt wird, weil es als Neuanfang erfahren werden will. Wo aber liegt der Sinn? Möglicherweise in der Wahrheit, dass es keinen gibt (denn wenn wir das Nichts als Alles erfahren wollen, dann geraten wir von der Illusion sinnvoller Ziele zum Bild sinnloser Wahrheit) oder dass er zumindest für uns nicht nachvollziehbar ist. Da der Verstand eine solche Botschaft natürlich nicht akzeptiert, versteigt sich der Mensch oft zu Begriffen, die über sein eigenes Verstehen hinausgehen und konkret nichts aussagen, damit er auf das hereinfallen kann, was er sich selbst nicht eingestehen will: auf die Beschränktheit des eigenen Bewusstseins, dem er misstraut.

Deutungen

Allgemein