Der Berlin-Monitor 2021 -  - E-Book

Der Berlin-Monitor 2021 E-Book

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Beschreibung

Im vorliegenden Buch werden die Ergebnisse der zweiten repräsentativen Befragung von 2021 vorgestellt. Mit den Schwerpunkten Antischwarzer Rassismus, Rechtsextremismus und Verschwörungserzählungen wird der Schwerpunkt auf spezifische Herausforderungen der Demokratie in Berlin gelegt. Die Ergebnisse zeigen sowohl prodemokratische Einstellungen und Engagement, wie auch rassistische Diskriminierung, rechtsextreme Einstellungen und den Glauben von Verschwörungserzählungen, wo letzterer gerade in Zeiten der Covid-19-Pandemie neue Sichtbarkeit erlangte.

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DER BERLIN-MONITOR 2021

Die herausgeforderte Demokratie der Großstadt

Gert PickelOliver DeckerKatrin Reimer-Gordinskaya

Der Berlin-Monitor ist ein seit 2019 von der Berliner Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung gefördertes Forschungsprojekt, durchgeführt in Kooperation der Universität Leipzig und der Hochschule Magdeburg-Stendal.

www.berlin-monitor.de

© 2023 zu Klampen Verlag, Röse 21, 31832 Springe, zuklampen.de

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ‹http://dnb.dnb.de› abrufbar.

Herausgegeben von Oliver Decker, Charlotte Höcker und Julia Schuler (Universität Leipzig / Sigmund-Freud-Universität Berlin)

Herausgeber und Herausgeberin der Studienreihe Berlin-Monitor: Oliver Decker (Leipzig / Berlin), Katrin Reimer-Gordinskaya (Magdeburg / Stendal), Gert Pickel (Leipzig)

Mitarbeit: Kazim Celik, Dr. Verena Schneider, Josephin Wandt, Johanna Niendorf, Markus Dilling (Universität Leipzig)

Gestaltung und Satz: Uta-Beate Mutz, Leipzig

Druck: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN 978-3-98737-373-2

Inhaltsverzeichnis

1 Vorwort und Einleitung in den Berlin-Monitor 2021

Gert Pickel und Oliver Decker

Literatur

2 Stichprobe und Methode der Repräsentativbefragung

Kazim Celik

Literatur

3 Demokratische und politische Einstellungen in Berlin 2021

Kazim Celik, Gert Pickel und Susanne Pickel

3.1 Berlin als demokratische Großstadt

3.2 Die politische Kultur in Berlin

3.3 Politische Partizipation und Engagement in Berlin

3.4 Die politische Kultur in Berlin: Starkes zivilgesellschaftliches Engagement, aber auch antidemokratisches Potential

Literatur

4 Zustimmung zu rechtsextremen Aussagen und Einstellungsdimensionen in Berlin 2021

Oliver Decker, Gert Pickel und Kazim Celik

4.1 Einleitung

4.2 Ergebnisse und Darstellung im Berlin-Monitor 2021

4.3 Zustimmung zu den Dimensionen der Neo-NS-Ideologie

4.4 Zustimmung zu den Dimensionen des Ethnozentrismus

4.5 Fazit: Weniger rechtsextreme Berliner, aber abweichende Gruppen

Literatur

5 Antischwarzer Rassismus in der Berliner Bevölkerung

Gert Pickel und Josephin Wandt

5.1 Einführung – Antischwarzer Rassismus

5.2 Vorgehen und Methodik

5.3 Antischwarzer Rassismus in Berlin

5.4 Antischwarzer Rassismus intersektional

5.5 Gründe für Antischwarzen Rassismus

5.6 Fazit: Antischwarzer Rassismus als verdecktes Problem – auch in Berlin

Literatur

6 Die Haltungen zu sexueller und geschlechtlicher Vielfalt in Berlin

Gert Pickel und Johanna Niendorf

6.1 Einführung: Sexismus, Antifeminismus, Queerfeindlichkeit und Homophobie

6.2 Sexismus und Antifeminismus in Berlin

6.3 Queerfeindlichkeit – ein ideologieübergreifendes Element?

6.4 Fazit: Geringe aber markante Probleme der Geschlechter-demokratie

Literatur

7 Diskriminierungserfahrungen in Berlin 2021

Verena Schneider und Gert Pickel

7.1 Diskriminierungserfahrungen als Perspektivverschiebung

7.2 Was ist Diskriminierung – und wo liegen die Schwierigkeiten der Messung?

7.3 Diskriminierung im Alltag – Verbreitung von Diskriminierungserfahrungen in Berlin

Literatur

8 Antisemitismus und Verschwörungsmentalität während der COVID-19-Pandemie in Berlin

Marius Dilling und Kazim Celik

8.1 Antisemitismus als Gegenwartsproblem

8.2 Verschwörungsideologie und Verschwörungsmentalität

8.3 Antisemitismus: Erscheinungsformen und Dimensionalität

8.4 Gemeinsame Funktionen und Ursachen

8.5 Verbreitung von Antisemitismus und Verschwörungsmentalität während der COVID-19-Pandemie in Berlin

8.6 Antisemitismus und Verschwörungsmentalität in Berlin 2021

8.7 Zusammenhänge zwischen Antisemitismus und Verschwörungsmentalität in Berlin

8.8 Erklärungsfaktoren von Antisemitismus und Verschwörungsmentalität in Berlin 2021

8.9 Diskussion

Literatur

9 Fazit und zentrale Ergebnisse im Kurzüberblick

Gert Pickel, Oliver Decker und Kazim Celik

Fragebogen: Berlin-Monitor 2021

1 Vorwort und Einleitung in den Berlin-Monitor 2021

Gert Pickel und Oliver Decker

Seit unserer ersten repräsentativen Befragung, dem Berlin-Monitor 2019, hat sich einiges getan.1 Die Covid-Pandemie mit umfangreichen Maßnahmen zu ihrer Eindämmung hat die gesellschaftliche Lage, wie auch die Diskussionskultur nachhaltig verändert. Anhänger: innen von Verschwörungserzählungen begaben sich auf die Straße und Politiker: innen gerieten unter Entscheidungsdruck. Diese Entwicklungen sind auch an Berlin nicht vorübergegangen. Das zeigen schon allein die immer wieder stattfindenden Demonstrationen gegen Covid-19-Maßnahmen oder das Eindringen in den Reichstag. Ob sie rechtsextreme Einstellungen und antidemokratische Positionen gestärkt haben ist allerdings noch zu überprüfen. Eine unterschiedliche Haltungen annehmende Mobilisierung auch der Berliner Stadtgesellschaft ist allerdings unzweifelhaft.

Doch nicht nur die Auseinandersetzung um Deutungsmacht in der Pandemie hat sich zu einer breiten gesellschaftlichen Diskussion entwickelt. 2020 wurde in einem 89 Punkte enthaltenden Maßnahmenprogramm zum ersten Mal eine breitere Auseinandersetzung mit Rassismus in die Wege geleitet. Diese drückt sich an verschiedenen Orten in neuen Forschungsinstitutionen aus. Spätestens nach den letzten polizeilichen Übergriffen in den USA, stellt sich auch in Deutschland die Frage nach der Existenz von Rassismus. Vielfältige Zugriffe beschäftigen sich seitdem mit der Erforschung und Diskussion über individuellen, institutionellen und auch strukturellen Rassismus. Debatten und eine Aufarbeitung der deutschen Kolonialzeit und von Beutestücken in Museen sind nur ein Ausdruck dieser Diskussion. Gerade auch Rückmeldungen aus Betroffenengruppen hinsichtlich rassistischer Diskriminierung weisen auf die Dringlichkeit, Rassismus entgegenzutreten, wie seine Hilfs- und Hemmfaktoren mit analytischen Methoden der Wissenschaft herauszuarbeiten.

Diesen Komplexen stellt sich der Berlin-Monitor 2021. In der repräsentativen Befragung wurde 2021 der Schwerpunkt auf die Erhebung von Einstellungen gelegt, die Hinweise auf Antischwarzen Rassismus geben. Selbst wenn der Zugang einer quantitativen Befragung nur begrenzt über alle Phänomene von Rassismus Auskunft geben kann, bieten die Ergebnisse doch Anhaltspunkte für Überzeugungen und Problemlagen. Begleitet wurde dieser Schwerpunkt von einem zweiten Scherpunkt zu Klassismus und entsprechenden Einstellungen. Die Ergebnisse des Klassismus-Schwerpunktes werden demnächst in Verbindung mit einer umfangreichen qualitativen Studie zum Thema gesondert veröffentlicht (Reimer-Gordinskaya et al. 2023). In ausführlicherer Form als 2019 wurden rechtsextreme Einstellungen mit dem kompletten Messinstrument mit 18 Items erfasst. So sind belastbarere Aussagen zu rechtsextremen Einstellungen in Berlin möglich. Ergänzend wurden einzelne Items zur Beurteilung der Covid-19-Pandemie, Verschwörungsmentalität (Offenheit für einen Glauben an Verschwörungserzählungen), der Erfassung einer demokratischen politischen Kultur und Diskriminierungserfahrungen erfasst. Die verschiedenen Ergebnisse unserer Erhebung werden folgend in verschiedenen geschlossenen Kapiteln vorgestellt. Diese schließen an bereits vorliegende Publikationen aus dem interdisziplinären Projekt des Berlin-Monitors an (Celik und Pickel 2022; Pickel et al. 2019, 2020; Reimer-Gordinskaya et al. 2020, 2023). Wir hoffen, dass die vorgelegten Ergebnisse die Diskussion in Zivilgesellschaft und Wissenschaft in Berlin anregt.

Allen an den Auswertungen und der Vorbereitung der Studie beteiligten Personen ist an dieser Stelle genauso herzlich zu danken, wie der Berliner Senatsverwaltung für Justiz, Vielfalt und Antidiskriminierung als Förderinstitution, ohne die diese Publikation wie unsere Arbeit nicht möglich wäre. Auch danken wir allen Autor: innen dieses Bandes, seien sie Mitglied des Teams des Berlin-Monitors oder haben dieses unterstützt. Für die vorgelegten Ergebnisse sind alleine die Projektleiter: innen des Berlin-Monitors und die jeweiligen Autor: innen der Artikel verantwortlich. Für die Unterstützung beim Verfassen der Beiträge danken wir Heinrike Rustenbeck.

Literatur

Celik, Kazim und Gert Pickel (2022): Migration und demokratische politische Kultur in Berlin – Antimuslimischer Rassismus als Gefahr für die Demokratie. Zeitschrift für Religion, Gesellschaft und Politik 6 (2): 431–461.

Pickel, Gert, Kazim Celik, Julia Schuler, und Oliver Decker (2020): Bedrohungsempfinden als Quelle gruppenbezogener Vorurteile durch Religionen in einer heterogenen Stadtgesellschaft. Analysen des Berlinmonitors. Zeitschrift für Religion, Gesellschaft und Politik 4 (1): 7–43.

Pickel, Gert, Kathrin Reimer-Gordinskaya und Oliver Decker (2019): Berlin-Monitor 2019. Vernetzte Solidarität – Fragmentierte Demokratie. Springe: zu Klampen.

Reimer-Gordinskaya, Katrin, Oliver Decker und Gert Pickel (2020): Antisemitismus – Heterogenität – Allianzen. Jüdische Perspektiven auf Herausforderungen der Berliner Zivilgesellschaft. Springe: zu Klampen.

Reimer-Gordinskaya, Katrin, Gert Pickel, Selana Tzschiesche, Franka Grella-Schmidt und Christian Obermüller (2023): Immer noch arm, aber sexy? Ungleiche Lebenslagen und Klassismus in Berlin. Forschungsbericht zum zweiten Schwerpunkt der Aktivierenden Befragung im Berlin-Monitor. Springe: zu Klampen.

1Leiter: innen des Berlin-Monitors sind Oliver Decker, Katrin Reimer-Gordinskaya und Gert Pickel. Das Abgeordnetenhaus von Berlin hat den Berliner Senat mit der Umsetzung eines „Berlin-Monitors“ beauftragt, welcher mit Vereinbarung vom 25.06.2019 vom wissenschaftlichen Berlin-Monitor-Team in Kooperation mit der Abteilung Antidiskriminierung/ Landesstelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung durchgeführt wird. Er soll wichtige Wissensgrundlagen zur Einschätzung der politisch-kulturellen Situation in Berlin liefern und Impulse für die Weiterentwicklung demokratischer Alltagskultur in Berlin geben.

2 Stichprobe und Methode der Repräsentativbefragung

Kazim Celik

Im Fokus der zweiten Berlin-Monitor Repräsentativbefragung standen Antischwarzer Rassismus und Klassismus, aber auch Diskriminierungserfahrungen, rechtsextreme Einstellungen, Einstellungen und Vorurteile gegenüber verschiedenen sozialen Gruppen, Einschätzungen zu sozialer und ökonomischer Lage, sowie politische Kultur. Im Zeitraum von September bis November 2021 wurden insgesamt 2.053 Berliner: innen im Alter ab 18 Jahren befragt. Die Erhebung wurde mittels eines standardisierten Fragebogens durchgeführt. Dieser enthielt sowohl Fragen nach soziodemographischen Angaben zu Geschlecht, Alter, Schulbildung, Einkommen, Religiosität und Migrationshintergrund, als auch Messinstrumente zur Erfassung der zuvor genannten Phänomene. Für viele der erhobenen Daten liegen Vergleichswerte aus den bundesweiten Umfragen der Leipziger Autoritarismus-Studie sowie der Mitte-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung 2 vor (u. a. Decker und Brähler 2020; Zick et al. 2021). Sie werden an gegebener Stelle in den folgenden Kapiteln mitaufgegriffen.

Von der Universität Leipzig und dem Berlin-Monitor Team beauftragt, führte das Meinungs- und Sozialforschungsinstitut UADS – Institut für Umfragen, Analysen und DataScience die Befragung durch. Der Feldphase ging ein Pretest (vom 13.09.2021 bis zum 15.09.2021) voraus, der die Funktionstüchtigkeit des Fragebogens sicherstellte. Auch in dieser zweiten Befragungswelle des Berlin-Monitors wurden die Mehrheit der Proband: innen telefonisch befragt (CATI-Interviews). An der Zahl betrifft dies 1.353. Die übrigen 700 Teilnehmer: innen haben den Fragebogen online selbst ausgefüllt (CAWI-Interviews).

Im Rahmen der Erhebung von 2019 wurde die Umfrage in den sechs am häufigsten vertretenen Sprachen in Berlin durchgeführt: Deutsch, Englisch, Türkisch, Polnisch, Russisch und Arabisch. Die Ausschöpfungsquote für diese Interviews war nicht sehr hoch, sodass für die zweite Erhebung keine Übersetzung des Fragebogens vorgenommen wurde.3

Der verwendete Fragebogen ist dem Anhang dieses Berichts beigefügt. Wie schon bei der letzten Befragungswelle 2019, wurden in den meisten Fällen Likert-Skalen (Antwortmöglichkeiten in Abstufung zwischen Zustimmung und Ablehnung) zur Erfassung von persönlichen Einstellungen genutzt. Dies gilt auch für die neuen Fragensets zur Messung von Klassismus, Antischwarzem Rassismus und Coronabezogener Verschwörungsmentalität. Für die Vergleichbarkeit mit Daten anderer Bevölkerungsumfragen sind diese Skalen jeweils vier- oder fünfstufig, je nachdem wie sie in den Vergleichsumfragen verwendet werden. Selbst wenn diese Messanpassungen gelegentlich zu einer gewissen Uneinheitlichkeit im Fragebogen führen, lassen sich die Ergebnisse des Berlin-Monitors so zumindest in Teilen in gesamtdeutsche Erhebungen einordnen. Die fünfstufigen Skalen beinhalten, neben Zustimmung und Ablehnung, eine Mittelkategorie (teilweise Zustimmung/teilweise Ablehnung). Die eigene politische Orientierung auf einer Links-Rechts-Skala und die Einschätzung der eigenen Religiosität wurden mithilfe von 10-stufigen Skalen gemessen.

Der Prozess der Stichprobenziehung wurde in mehreren Schritten realisiert. Die Stichprobenauswahl erfolgte nach dem Random-Digital-Dialing-Verfahren (RDD) (vgl. ADM 2013; Gabler und Häder 2015; Häder 2000; Häder et al. 2019). Auf die Ziehung einer Mobilfunkstichprobe im Rahmen eines Dual-Frame-Ansatzes wurde verzichtet, da Mobilfunknummern in Deutschland gegenwärtig noch nicht regionalisiert werden können bzw. dürfen. In einem ersten Schritt wurde die Zufallsziehung einer Stichprobe von Haushalten mit Telefonanschluss durchgeführt. In einem zweiten Schritt wurde eine Zufallsziehung für die jeweiligen Personen im Haushalt angeschlossen. Die Zugehörigkeit zur Zielgruppe konnte mithilfe von Screening-Fragen ermittelt werden. Traf dies auf mehrere Personen im Haushalt zu, wurde nach der Last-Birthday-Methode ausgewählt. Dabei wird diejenige Person im Haushalt ausgewählt, die zuletzt Geburtstag hatte. Nach amerikanischen Untersuchungen ist diese Methode einer Zufallsauswahl von Personen im Haushalt gleichzusetzen. Die Stichprobenziehung für die CAWI-Befragung erfolgte über ein Online-Access-Panel, deren Teilnehmer: innen über Zufallsstichproben rekrutiert wurden.

Die Tabelle 2.1 gibt einen Überblick über die Verteilung verschiedener soziodemographischer Merkmale in der Stichprobe. Die Tabelle 2.2 zeigt die Verteilung der befragten Berliner: innen über die 12 Berliner Bezirke.

Tabelle 2.1: Soziodemographische Beschreibung der Stichprobe

Verteilung

absolut

in %

Altersgruppen

16 – 30 Jahre

176

9

31 – 60 Jahre

1.051

51

ab 61 Jahre

809

39

Geschlecht

männlich

962

47

weiblich

1.088

53

divers

2

0

Staatsbürgerschaft und Migrationshintergrund

Deutsche Staatsbürger: innen ohne Migrationshintergrund

1.773

86

Deutsche Staatsbürger: innen mit Migrationshintergrund

198

10

Ohne deutsche Staatsbürgerschaft

65

3

Schulabschluss

ohne Schulabschluss

14

1

Hauptschule/8. Klasse

103

5

Mittlere Reife/Realschule

414

20

POS/10. Klasse

195

10

Fachschule

82

4

Abitur/oder abgeschl. Studium

489

24

abgeschl. Hochschul-/ FHS-Studium

739

36

Schüler: in einer allg. Schule

1

0

Haushaltsnettoeinkommen/ Monat

500 bis unter 1.000 €

148

7

1.000 bis unter 2.000 €

501

24

2.000 bis unter 3.000 €

489

24

über 3.000 €

726

35

keine Angabe

189

9

Religionszugehörigkeit

christlich-katholisch

196

10

christlich-protestantisch

465

23

christlich-orthodox

22

1

jüdisch

15

1

muslimisch

44

2

andere

46

2

keine Religionsgemeinschaft

1.226

60

keine Angabe

39

2

Quelle: Berlin-Monitor 2021, 2.053 befragte Berliner: innen, davon 1.353 CATI und 700 CAWI; Daten ungewichtet; Prozentwerte gerundet.

Tabelle 2.2: Verteilung der befragten Berliner: innen über die 12 Berliner Bezirke

Stadtbezirke

absolut

in %

Mitte

161

8

Friedrichshain-Kreuzberg

141

7

Pankow

234

11

Charlottenburg-Wilmersdorf

170

8

Spandau

114

6

Steglitz-Zehlendorf

207

10

Tempelhof-Schöneberg

163

8

Neukölln

123

6

Treptow-Köpenick

150

7

Marzahn-Hellersdorf

156

8

Lichtenberg

145

7

Reinickendorf

168

8

Quelle: Berlin-Monitor 2021, 2.053 befragte Berliner: innen, davon 1.353 CATI und 700 CAWI; Daten ungewichtet; Prozentwerte gerundet.

Durch Ausfälle (z. B. Non-Response) traten Verzerrungen hinsichtlich der Verteilung grundlegender soziodemographischer Merkmale auf, sodass auf ein Anpassungsgewichtung zurückgegriffen wurde. Dieses erfolgte auf Basis der Merkmale Geschlecht, Alter und Schulabschlüsse. Da in der vorliegenden Stichprobe die Häufigkeiten, die sich aus der Kreuzung der drei Merkmale ergeben, deutlich zu klein ausfallen, wurde auf die klassische Soll/Ist-Gewichtung für Merkmalskombinationen verzichtet. Stattdessen wurde auf ein komplexeres Verfahren zurückgegriffen, das mit Randhäufigkeiten mehrerer Merkmale gleichzeitig umgehen kann – die Maximum-Entropie-Methode (Wittenberg 2010).

Migrationshintergrund wurde im Berlin-Monitor über die eigene Staatsbürgerschaft sowie in Abhängigkeit vom eigenen Geburtsland und Geburtsland der Eltern erfasst. Falls eine Person selbst in Deutschland geboren ist, aber mindestens einen Elternteil hat, welcher die deutsche Staatsbürgerschaft nicht seit der Geburt besitzt, wird entsprechend der Mikrozensus-Definition von einem Migrationshintergrund gesprochen. 4 Wie auch schon für den Berlin-Monitor 2019 galt, sind Staatsangehörigkeit und Migrationshintergrund, gerade im Hinblick auf den neuen thematischen Fokus zu Antischwarzem Rassismus und Klassismus, auch weiterhin relevante soziodemographische Merkmale für die Beschreibung von Diskriminierungserfahrungen und politischen Teilhabemöglichkeiten. Doch ebenso bleibt zu berücksichtigen, dass der Begriff des „Migrationshintergrundes“ sowie auch ihre Erfassung entlang der beschriebenen Kriterien, umstritten bleiben: So zeigen etwa Nesterko und Glaesmer (2019), dass die synthetische Bestimmung entsprechend des Mikrozensus nicht immer deckungsgleich mit dem Selbstverständnis oder wahrgenommener Fremdzuschreibung als Migrant: in ist. Gleichermaßen sei an dieser Stelle darauf verwiesen, dass die deutsche Bevölkerung mit Migrationshintergrund eine heterogene Gruppe darstellt. Aussagen aus bevölkerungsrepräsentativen Umfragen über Migrant: innen unterschiedlicher Herkunft sind nur eingeschränkt möglich. Die Gefahr der Zusammenfassung all dieser Gruppen im Begriff des „Migrationshintergrunds“ besteht darin, diese Heterogenität zu übersehen und eine konstruierte Unterscheidung von scheinbar „natürlichen“ Deutschen und denjenigen Staatsbürger: innen, die als irgendwie anders und deshalb als weniger zugehörig wahrgenommen werden, zu reproduzieren. Das Dilemma der Forschung besteht nun darin, einerseits Differenzen, die zur Abwertung bestimmter Gruppen führen, beschreiben zu wollen, ohne dabei exkludierende Strukturen zu reproduzieren oder gar zu befördern. Aus wissenschaftlicher Perspektive wird die Erkenntnis dabei über das potentielle Risiko einer Reproduktion gestellt. Dafür spricht die teilweise erstaunlich geringe soziale Erwünschtheit bei potentiell reproduzierenden Aussagen und den schon vorher bestehenden Überzeugungen von Differenz und Abwertung, sowie das Risiko einer Diskussion im empirisch leeren Raum.

Unter Berücksichtigung der genannten Einschränkungen ist die Nutzung des Begriffs „Migrationshintergrund“ entlang der Mikrozensus-Definition dennoch eine Ablösung zum Vergleich zwischen deutschen Staatsbürger: innen und „Ausländer: innen“ und ermöglichen es, repräsentative Aussagen hinsichtlich des Vorhandenseins eines Migrationshintergrunds zu treffen. Wie auch schon 2019 beschrieben, haben sich in standardisierten Fragebögen kaum Alternativen etablieren können, sodass Vergleichbarkeit und Praktikabilität auch weiterhin Gründe für diese Handhabung darstellen. Die Tabelle 2.3 gibt eine Überblick über die Verteilung von Migrationshintergrund und Staatsangehörigkeit über die Berliner Bezirke.

Tabelle 2.3: Verteilung von Staatsbürgerschaft und Migrationshintergrund in den Berliner Bezirken

Deutsche Staatsbürger:innen ohne Migrations-hintergrund

Deutsche Staatsbürger:innen mit Migrations-hintergrund

Ohne deutsche Staatsbürger-schaft

in %

in %

in %

Mitte

83

11

6

Friedrichshain-Kreuzberg

87

9

4

Pankow

88

9

3

Charlottenburg-Wilmersdorf

82

14

4

Spandau

90

7

3

Steglitz-Zehlendorf

88

9

3

Tempelhof-Schöneberg

85

11

4

Neukölln

86

9

5

Treptow-Köpenick

92

6

2

Marzahn-Hellersdorf

90

9

1

Lichtenberg

90

8

2

Reinickendorf

88

10

2

Quelle: Berlin-Monitor 2021, 2.053 befragte Berliner: innen, davon 1.353 CATI und 700 CAWI; Daten ungewichtet; Prozentwerte gerundet.

Auch wenn es Ungleichheiten in der Verteilung gibt, dominieren doch über alle Stadtteile Berliner: innen mit deutscher Staatsbürgerschaft und ohne Migrationshintergrund. Die verwendeten Items werden jeweils bei der ersten Verwendung vorgestellt. Für die statistischen Analysen wird hauptsächlich auf gut einsehbare deskriptive Verfahren oder Häufigkeitsdarstellungen zurückgegriffen.

Literatur

Amt für Statistik Berlin-Brandenburg (2020): Statistischer Bericht – Ergebnisse des Mikrozensus im Land Berlin 2019. Berlin: Amt für Statistik.

Arbeitskreis Deutscher Markt- und Sozialforschungsinstitute e.V. (2013). Stichprobenverfahren in der Umfrageforschung (2. Auflage). Wiesbaden: Springer VS.

Gabler, Siegfried und Sabine Häder (2015). Stichproben in der Theorie (GESIS Survey Guidelines). Mannheim: GESIS.

Häder, Sabine (2000). Telefonstichproben (ZUMA-How-to-Reihe No. 6). Mannheim: ZUMA.

Häder, Sabine, Häder, Michael & Peter Schmich (2019). Stichproben in Deutschland. Wiesbaden: Springer VS.

Nesterko, Yurly & Heide Glaesmer (2019). Warum fragen wir nicht direkt nach? Eine Analyse zur subjektiven Zuschreibung des Migrationshintergrundes. Psychologische Rundschau, 70: 101–108. 10.1026/0033-3042/a000399.

Wittenberg, Martin (2010): An introduction to maximum entropy and minimum cross-entropy estimation using Stata. The Stata Journal, 10 (3): 315 – 330.

2Für die aufgeführten Studien bleibt anzumerken, dass sie unterschiedliche methodische Zugänge nutzen und die Ergebnisse im Vergleich leichte Verzerrungen aufweisen können. Die Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung ist, wie auch der Berlin-Monitor, eine Telefonbefragung, während die Leipziger Autoritarismus Studie als Face-to-Face-Befragung durchgeführt wird. Erfahrungsgemäß ergibt sich für Face-to-Face-Befragungen eine stärkere Antwortbereitschaft normabweichender Gruppen. Weiterhin werden im Rahmen der Mitte-Studien nur Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit berücksichtigt, während die Berlin-Monitor Umfrage und die jüngsten Umfragen der Leipziger Autoritarismus Studie auch Personen ohne deutsche Staatsbürgerschaft in der Ergebnisdarstellung inkludiert.

3Die Durchführung von Interviews in verschiedenen Sprachen ist mit Übersetzungskosten und Kosten für zusätzliche Interviewer: innen verbunden. Angesichts der vergleichsweise geringen Ausschöpfungsquote in der letzten Studie, war dies für die Befragungswelle von 2021 nicht realisierbar.

4Die Definition umfasst folgende Personen: Zugewanderte und nicht zugewanderte Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit, Zugewanderte und nicht zugewanderte Eingebürgerte, (Spät-)Aussiedler: innen, Personen, die die deutsche Staatsangehörigkeit durch Adoption durch einen deutschen Elternteil erhalten haben sowie mit deutscher Staatsangehörigkeit geborene Kinder der vier zuvor genannten Gruppen. Vertriebene des zweiten Weltkrieges, welche bis 1949 zugewandert sind, gehören hingegen nicht zur Bevölkerung mit Migrationshintergrund. Ebenso wenig Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit, die im Ausland geboren sind und deren beide Eltern keinen Migrationshintergrund haben (z. B. während eines Auslandsaufenthalts geboren wurden).

3 Demokratische und politische Einstellungen in Berlin 2021

Kazim Celik, Gert Pickel und Susanne Pickel

3.1 Berlin als demokratische Großstadt

Als Hauptstadt ist Berlin ein Ort der Kulmination verschiedenster gesellschaftlicher und politischer Auseinandersetzungen, ein stetiger Anlaufpunkt für Protestbewegungen, aber auch besonders stark durch Prozesse der Globalisierung, Migration und Modernisierung geprägt. So sind mehr als ein Drittel der Berliner Bevölkerung Personen mit Migrationshintergrund (Statistisches Bundesamt 2022). Als Sinnbild der pluralen Einwanderungsgesellschaft in Deutschland und deren Dynamiken (Lanz 2007, S. 9) oder als „Role Model“ der ebenfalls in Berlin beschworenen postmigrantischen Gesellschaft (Foroutan 2019), gibt es kaum einen Ort, wo sich politische Entscheidungen so schnell in Diskursen der Zivilgesellschaft manifestieren. Jüngst bestätigte sich dies für Berlin leider auch als Zielort für Querdenker, Gegner der Covid-19-Maßnahmen, Al-Quds-Demonstranten oder für Gegner der Demokratie.5 Deutlich ist, dass Berlin häufig als Referenz und Reibungsregion vieler Deutscher (Pickel et al. 2019, S. 3 – 4) wirkt. Die pluralen wie auch stadtspezifischen Lebensbedingungen erfordern Akzeptanz von Freiheits- und Schutzrechten, Toleranz, wechselseitige Anerkennung sowie ein geteiltes Gefühl der Zugehörigkeit für ein demokratisches Zusammenleben. Diese Ausgangsbedingungen sind notwendig für den Erhalt einer demokratischen politischen Kultur (Celik et al. 2022; Easton 1975; Lipset 1981; Pickel und Pickel 2020; Tajfel 1982).

Eine für Berlin besonders relevante Herausforderung stellt sich in den individuellen wie auch auf gesellschaftlichen Aushandlungsprozessen von Zugehörigkeit, von nationaler, kultureller, geschlechtlicher, politischer und anderer Identitäten sowie von Partizipationsmöglichkeiten und Chancengerechtigkeit, dar. Sie sind, auch im Rahmen von Fragen zur politischen Kultur, prägend für die Dynamiken, die sich in der Berliner Stadtgesellschaft vollziehen. Verschiedene politische Krisen, deren Kennzeichen nicht zuletzt auch gesellschaftliche Polarisierung ist, zeigen potentielle Risiken und die Sprengkraft, die hinter diesen Dynamiken auf – etwa auch im Kontext der Corona-Pandemie. Mit Blick auf Einstellungen der Berliner Bürger: innen stellt sich folglich die Frage, inwiefern die demokratische politische Kultur in der Berliner Stadtgesellschaft weiterhin verankert ist und welche zentralen Einflussfaktoren daran Anteil nehmen. Konzeptionell schließen wir für die empirische Betrachtung an das Theoriekonzept der Politischen Kulturforschung an (Almond und Verba 1963; Easton 1975; Lipset 1981; Pickel und Pickel 2006; Pickel 2015). Dieses bietet die Möglichkeit, über Einstellungen gegenüber der Demokratie, ihre Verankerung in der Bevölkerung sowie ihren Begründungsfaktoren, die Stabilität politischer Systeme theoriegeleitet zu untersuchen. Der Politischen Kulturforschung zufolge, bleibt die Demokratie nur dann stabil, wenn in der politischen Gemeinschaft ein überwiegend geteilter Grundkonsens über die Legitimität der Demokratie besteht. Dies gilt speziell für plurale Gesellschaften mit divergierenden Einzelinteressen und für liberale Demokratien. Die Ergebnisse betten wir in Ergebnisse bundesweiter Studien ein.6

3.2 Die politische Kultur in Berlin

Im Rahmen des Berlin-Monitors werden im zweijährigen Rhythmus regelmäßig Items, die unter anderem auch bei der Politischen Kulturforschung zu verordnen sind, erhoben.7