Der beste Fisch vom Schauspielhaus - Jakob Nain - E-Book

Der beste Fisch vom Schauspielhaus E-Book

Jakob Nain

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Beschreibung

Gefunden, erfunden, ausgedacht und lebendig gemacht: Geschichten

Das E-Book Der beste Fisch vom Schauspielhaus wird angeboten von tredition und wurde mit folgenden Begriffen kategorisiert:
Geschichten auf Reisen, Geschichten aus der Nähe, Geschichten für die Ferne

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 80

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Jakob Nain

Der beste Fisch vom Schauspielhaus

Geschichten

© 2021 Jakob Nain

Verlag und Druck:

tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

ISBN

Hardcover:

978-3-347-23012-5

e-Book:

978-3-347-39476-6

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Inhalt

Verständigung

Dorfdisko mit Musik im Heidekrug

Hotel Sepia Gefärbt

Frag Nicht

Schmierstoff fingerfertig

EventualitaARoma

Baldoni

Der beste Fisch vom Schauspielhaus

AromaRoma

UkrainaExport

Bier wirkt

Und Strand und Leben

Tausenddollargrau

Hitzaroma

Schwein an See

Lo Stesso Coma A Como

lIsa Rodbusch und der Hühnergott

Kranke Schiffe

Camogli und Anderswo

Liebhabervilla mit Meerblick

Das Märchen vom Mann mit der Tasche

Bandgründung nicht leicht gemacht

WeiterWaschen

Anton

Strapaziert

Junge Aufruhr

Timo und die eiligen drei Könige

Verständigung

Seit Marianne das Schild ´Eins A Mangelware` in das Schaufenster ihrer kleinen Wäscherei gestellt hat, kommen auch nicht mehr Kunden, meint ihre Mutter am Telefon und schnauft und weiß wie immer vieles besser. Oder alles.

Dass ihre Tochter besser bei ihrem Mann geblieben wäre, nur so zum Beispiel. Dass LKW-Fahrer eben so sind, dass ein Mann ein Mann ist und dass die Leute im Dorf über Marianne reden und über die Kinder auch. Weil Karina mit schmutziger Hose zur Schule geht, und dass man Carina nicht mit K schreibt. Und sonntagnachmittags isst man Kuchen und geht anschließend mit den Kindern im Dorf spazieren bis zum Kanal. Mit sauberen Kleidern.

Marianne ist fast sicher, dass es auch nicht weniger Kunden geworden sind, auch wenn es mehr sein könnten, was sie sich wünscht und eine neue Halskette und einen von den schönen Büstenhaltern auf den C-und-A-Plakaten, mehr Zeit für die Kinder, gute Französisch-Noten für ihren kleinen Emil, damit er sich nicht immer so viel Gedanken macht, einmal gemeinsam mit den Kindern Urlaub machen in Italien in einem kleinen Haus am Meer, vielleicht schon übernächstes Jahr. Und einen Mann, der sie dabei anschaut und lacht, wünscht sie sich auch.

Und es ist gut, dass Theo endlich weg ist. Das war er ja vorher auch die meiste Zeit. Und in der kleinen Wohnküche hinter der Wäscherei wird seit Wochen abends deutlich weniger rumgebrüllt und geheult, hin und her geredet die halbe Nacht und viel zu viel Bier getrunken und „Ich lieb dich doch“ gejammert und verzweifelt nach Strohhalmen auf und unter der Wäsche gesucht.

Theo genießt seine neue Freiheit und redet sich den Stau auf der A 8 bei Passau, das schlechte Zigeunerschnitzel im Autohof bei Würzburg und die deutlich überteuerten Telefongespräche mit Janine, Ramona, Mona, Bella und Stella schön. „Oh Theo, das ist wunderbar, dass du anrufst, stell dir vor, ich hab es mir gerade auf dem Sofa gemütlich gemacht, puh, mir ist so heiß, wart, ich ziehe mir eben schnell die Bluse aus, wollen wir ein bisschen Spaß zusammen haben, und dann bitte sprechen sie ihre Kreditkartennummer laut und deutlich in den Hörer. Und wenn sie erneut eine Verbindung wünschen, drücken sie die Eins.“

Freitagabends im Dorfkrug wurde in den ersten fünfzehn Jahren nach dem Krieg immer getanzt. Der alte Rosmüller spielte Schifferklavier und Mariannes Mutter hieß noch Rosel und nicht „Mama, lass mich in Ruh mit deinen Nörgeleien“ und der Seemann ließ das Träumen und seine Heimat war das Meer und seine Freunde die Sterne und sie tranken, bis sie vom Hocker vor dem Tresen fielen, weil ihnen alles schnuppe war.

Heute Abend fährt Theo am Dorfkrug vorbei, gibt kurz Zwischengas und setzt dann den Blinker rechts. Einen sehr kurzen und klaren Moment lang denkt er darüber nach, ob es Zufall ist, wenn auf einem gelben Straßenschild die Wahrheit geschrieben ist, oder Absicht.

Und auf dem Schild steht: Leer. Zweiundzwanzig Kilometer.

Dorfdisko mit Live-Musik im Heidekrug

Die Jungs auf der Bühne machen Musik. Die Mädchen schütteln wild die Köpfe, damit jeder merkt, wie lang ihre Haare sind, und keiner merkt, wer sich von den Jungs als erster vertut.

Die Jungs stehen auf der Bühne und vertun sich.

Erstens beim Haare-Schütteln und zweitens beim So-tun, als wären ihre Haare so lang wie die der Mädchen.

Am längsten sind die Musikstücke der Jungs. Die tun so, als wären sie ´Punk` und eine ewige Anklage an alle Musikschullehrer der Inselwelt.

Obwohl der Eintritt frei ist, trauen sich viele nicht hinein.

Einige, die sich hineingetraut haben, fühlen sich trotzdem weiterhin seltsam unfrei.

Sie glauben, diese Unfreiheit in großen Gläsern ertränken zu können, damit diese dann, wie Venus aus Schaum geboren, als große Freiheit unvermittelt zwischen ihre Zähne geschwemmt wird, während sie sehr langsam, behäbig fast, mit ihren großen Köpfen wippen und ´Disko Disko` murmeln, bis die Heide wackelt.

Dann folgt die Fortsetzung. Bei Licht betrachtet geht es dann erst richtig los. Das Licht geht aus.

Und dann beginnt alles zu dänzen. Wirklich alles. Also jeder im ganzen Heidekrug. Auch die Gläser hinterm Tresen im Regal. Der Wirt sowieso, egal wie er heißt. Und Margit auch. Und all ihre Friesenjungs.

„Wenn jetzt ein Schwein ´An der Nordseeküste` singt, hau ich ihn um,“ sagt Jan. „Ich hau den um, ich sachs dir“, sagt er. Dann fällt er um.

Das merkt keiner, denn das Licht ist ja aus und alle sind in ´die Stimmung ist grandios`.

Egal was die Jungs spielen. Die Mädchen schütteln ihr Haar. Der Wirt schaut Margit zu, wie sie die Friesenjungs anschaut.

Die Friesenjungs schauen in ihre Gläser, als suchten sie dort die Wahrheit, und wippen mit den Köpfen im Takt, oder in dem, was sie für den Takt halten.

Obwohl sie der Wahrheit in den Gläsern nicht völlig zu vertrauen scheinen, wippen sie weiter. Nur die Daheimgebliebenen nörgeln. Wie gestern. Wie heute. Wie morgen.

„Merken die eigentlich, wie alt sie seit Jahren riechen?“, fragt sich Jan am nächsten Morgen direkt nach dem Aufwachen vor dem Aufstehen.

Nach dem Aufstehen kann er sich das nicht fragen. Er liegt ja noch. Und das wird noch ein Weilchen so bleiben. Er ist ja noch so jung.

Hotel Sepia, Gefärbt

Wie wenn ein Graf in einer anderen Zeit einer schön seidenen Gräfin auf den Steinstiegen hinterher schlich und nicht wüsste, wohin er zunächst schauen und dann fassen wollen wollte, bevor er sich nervös über die Hose streicht und wünscht, ein einziges Mal sein eigener Stallbursche zu sein, der keine Etikette kennt, nur begehrendes Verlangen nach Liebe und Fleisch, wenn er Hunger hat.

Wie wenn der kleine Kaffee noch schneller und schwärzer wäre, die Gespräche auf der Terrasse noch profunder, das lauthalse Lachen noch eine Spur heller, möglicherweise kristallklar fast, dem perlenden Wein in den Kelchen noch ähnlicher.

Dann werden krawattige Herrenhälse gereckt nach solchen Damen, die, üppig umperlt, scheu das Rehkitz geben im großkarierten Kostüm und heimlich vom Dasein als Hirschkuh träumen, um gejagt und erlegt zu werden, in wogenden Wäldern.

Da, wo herrische Väter riesige Hände auf bebende Tische sausen lassen, weil ihr Wort noch ein Wort ist und Gesetz übern See übern See. Und wo die Jungen dann von ferner Zukunft träumen und der Zeit, wenn die Alten endlich am Dorfrand in Frieden ruhen, unter marmorumrandeten Beeten beblümt und besucht am Novembersonntag, auch wenn es grad Mai ist, weil Trübsinn und schlechtes Gewissen das Erbe verdienten.

Und dann treten sie näher, und die Zeit läuft nicht rückwärts, sondern elegant nach allen Seiten und Zeiten davon. Fast scheinen die Kerzen verlängert beim brennenden Schein, während Träume um die Tische im Restaurant schwirren wie Motten ums Licht.

Wie wenn ein Unterkellner im dunkelblauer Weste mit einem Mal ein Oberkellner in königsblau golddurchwirkter Weste wäre und mit fester Stimme „Schneller, schneller, die Herrschaften wollen nicht warten“ zischte, weil zwischen Suppe und Pasta kein Loch passt zum Amüsement, und sich einfach immer weiter träumte, grad mitten in dieses so unpassende Loch hinein, bis zum Hotelbesitzer, der der Zimmerkellnerin spätabends den Hof macht und dann einen Antrag, den sie nicht ablehnte, weil er ihr längst Haare und Herz durcheinander gebracht hätte.

Und der zum Träumen verführende Kerzenschein reicht selbst noch bis zu den altersschwachen Bänken in der Nähe des Anlegers, auf denen seit geraumer Zeit die Zimmerkellnerinnen die Beine baumeln lassen, und die jungen Männer vom Dorf wie Seewind vorüber ziehen.

So kommt es, dass Anna Lena einige flüchtige Momente tatsächlich davon träumt, wie es wohl wäre, eine indische Prinzessin zu sein, auf einem Elefanten reitend, in rosenroten Samt gehüllt und sehr weit weg, während Paulo wie zufällig vorbeigeht, uninteressiert tut und sich zum wiederholten Male an diesem Abend die Schuhe neu schnüren muss, um ein, zwei, drei Blicke auf Lenas Fußfessel zu ergattern.

Als er am nächsten Morgen früh den Freunden erzählt, dass ihre Beine golden geschimmert hätten in diesem Augenblick, wie die einer Prinzessin in einem fernen Land, vielleicht Indien, lachen die, weil sie keine Ahnung haben.

Von nichts.

Frag nicht

Frag nicht, wo es lang geht und was eine Klimaanlage kostet.

Frag nicht, was jetzt kommt und wie der Film ausgeht.

Frag nicht, wohin die Bahn fährt, wann der Bus kommt und nicht, ob du die Hose etwas billiger haben kannst, weil doch Sommer ist.

Frag nicht, warum die Frauen am Nebentisch so laut sprechen, warum die Kellner nicht singen, warum die Kellner die Frauen so bevorzugt bedient haben und warum die feinen Damen ihre kleinen Hunde in die Taschen stecken und frag nicht, warum ihre Männer nicht klein sind und nicht in Taschen und dennoch wie Hunde aussehen.

Bitte frag nicht, wie spät es ist, und ob am Ende dieser kleinen Gasse die kleine verträumte Bar kommt, in die du einst so gerne gingst und nun glücklich zurückkehren wirst, weil du doch so viele Münzen mit der linken Hand über die rechte Schulter geworfen hast und dem lachenden Wirt in den Mund.