Der Blechmann von Oz - Die Oz-Bücher Band 12 - L. Frank Baum - E-Book

Der Blechmann von Oz - Die Oz-Bücher Band 12 E-Book

L. Frank Baum

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Beschreibung

Im 12. Band der Oz-Reihe - Der Blechmann von Oz - macht sich der blecherne Holzfäller auf den Weg, um seine einstige Verlobte wiederzufinden und sie zu heiraten. Einst beging der Blechmann einen großen Fehler: Er ließ seine Verlobte kurz vor der Hochzeit in einer furchtbaren Lage sitzen und meldete sich nie wieder bei ihr. Nun bereut er dieses Versäumnis und will seine alten Fehler wiedergutmachen. Doch wo ist Nimmie Amee? Eine abenteuerliche Suche beginnt. Auf seiner gefährlichen Reise wird der Blechmann von mehreren seiner Freunde begleitet, die gemeinsam mit ihm verschiedene Gefahren überstehen müssen. Doch als sie Nimmie Amee schließlich finden, scheint diese nicht sehr erfreut über seine Rückkehr zu sein ... Empfohlenes Alter: 5 bis 10 Jahre. Große Schrift, auch für Leseanfänger geeignet.

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Seitenzahl: 219

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Dieses Buch ist dem Sohn meines Sohnes Frank Alden Baum gewidmet.

Nach dem Text der amerikanischen Erstausgabe von „The Tin Woodman of Oz” (1918) übersetzt von Maria Weber.

Inhalt.

An meine Leser.

Kapitel 1: Woot der Wanderer.

Kapitel 2: Das Herz des Blechmanns.

Kapitel 3: Über Umwege.

Kapitel 4: Die Lons von Lonville.

Kapitel 5: Frau Yoop, die Riesin.

Kapitel 6: Die Magie einer Yookoohoo.

Kapitel 7: Die Spitzenschürze.

Kapitel 8: Die Gefahr im Wald.

Kapitel 9: Die streitsüchtigen Drachen.

Kapitel 10: Tommy Schnellschritt.

Kapitel 11: Jinjurs Bauernhof.

Kapitel 12: Ozma und Dorothy.

Kapitel 13: Die Entzauberung.

Kapitel 14: Der Grüne Affe.

Kapitel 15: Der Mann aus Blech.

Kapitel 16: Hauptmann Sölldner.

Kapitel 17: Ku-Klips Werkstatt.

Kapitel 18: Der Blechmann spricht mit sich selbst.

Kapitel 19: Das unsichtbare Land.

Kapitel 20: Über Nacht.

Kapitel 21: Polychroms Magie.

Kapitel 22: Nimmie Amee.

Kapitel 23: Durch den Tunnel.

Kapitel 24: Der Vorhang fällt.

An meine Leser.

ICH weiß, daß einige von euch auf diese Geschichte vom blechernen Holzfäller gewartet haben, denn viele meiner Korrespondenten haben mich immer wieder gefragt, was denn aus dem „hübschen Munchkin-Mädchen“ geworden wäre, mit dem Keil Hacker verlobt war, ehe die Böse Hexe seine Axt verzauberte und er sein Fleisch gegen Blech tauschte. Ich habe mich auch gefragt, was aus ihr geworden ist, aber bis sich Woot der Wanderer für die Angelegenheit interessierte, wußte der Blechmann nicht mehr als wir. Er fand sie jedoch nach vielen aufregenden Abenteuern, wie ihr erfahren werdet, wenn ihr diese Geschichte lest.

Ich freue mich über das anhaltende Interesse von Jung und Alt an den Oz-Geschichten. Ein gelehrter Professor schrieb mir kürzlich: „Für Leser welchen Alters sind Ihre Bücher bestimmt?“ Es bereitete mit Schwierigkeiten, dies richtig zu beantworten, bis ich mir einige der Briefe angesehen habe, die ich erhalten hatte. Einer lautet: „Ich bin ein kleiner Junge, 5 Jahre alt, und ich liebe Ihre Oz-Geschichten. Meine Schwester, die dies für mich schreibt, liest mir die Oz-Bücher vor, aber ich wünschte, ich könnte sie selbst lesen.“ Ein anderer Brief sagt: „Ich bin ein großes Mädchen von 13 Jahren, daher werden Sie überrascht sein, wenn ich Ihnen sage, daß ich noch nicht zu alt für die Oz-Geschichten bin.“ Und ein weiterer Brief: „Seit ich ein junges Mädchen war, habe ich jedes Jahr zu Weihnachten ein Baum-Buch bekommen. Ich bin jetzt verheiratet, aber ich bin immer noch genauso gespannt darauf, die Oz-Geschichten zu bekommen und zu lesen.“ Und ein weiterer lautet „Meine liebe Frau und ich, beide über 70 Jahre alt, glauben, daß wir mehr Spaß an Ihren Oz-Büchern haben als an anderen Büchern, die wir lesen.“ In Anbetracht dieser Aussagen schrieb ich dem Hochschulprofessor, daß meine Bücher für all diejenigen gedacht sind, deren Herzen jung sind, unabhängig von ihrem Alter.

Ich glaube, daß ich mit gutem Gewissen versprechen kann, daß es in meinem 1919 erscheinenden Buch erstaunliche Enthüllungen über die Magie von Oz geben wird.

Stets euer liebevoller und dankbarer Freund,

L. FRANK BAUM.

Königlicher Historiker von Oz.

„OZCOT“

bei Hollywood in Kalifornien

1918.

Kapitel 1.

Woot der Wanderer.

DER Blechmann saß auf seinem glitzernden blechernen Thron im schönen Blechsaal seines prächtigen Blechschlosses im Winkie-Land von Oz. Neben ihm saß auf einem Stuhl aus geflochtenem Stroh sein bester Freund, die Vogelscheuche von Oz. Zuweilen sprachen sie miteinander über interessante Dinge, die sie gesehen, und seltsame Abenteuer, die sie erlebt hatten, seit sie einander kannten und Kameraden waren. Manchmal schwiegen sie jedoch, denn sie sprachen oft über diese Dinge, und sie waren zufrieden damit, einfach beisammen zu sein und ab und zu einen kurzen Satz zu sprechen, um zu beweisen, daß sie wach und aufmerksam waren. Aber andererseits schliefen diese beiden wunderlichen Personen nie. Warum sollten sie auch schlafen, wenn sie niemals müde waren?

Und jetzt, als die strahlende Sonne tief über dem Winkie-Land von Oz versank und die glitzernden Blechtürme des Blechschlosses in die herrlichen Farben des Sonnenuntergangs tauchte, näherte sich Woot der Wanderer auf einem gewundenen Pfad, und traf am Schloßtor auf einen Winkie-Diener.

Die Diener des Blechmanns trugen alle blecherne Helme, blecherne Brustharnische und Uniformen, die mit winzigen, auf silbernem Stoff eng zusammengenähten Blechscheiben bedeckt waren, so daß ihre Körper ebenso schön funkelten wie das Blechschloß – und beinahe ebenso schön wie der Blechmann selbst.

Woot der Wanderer blickte auf den Diener – der strahlte und glitzerte – und das prächtige Schloß – ebenfalls strahlend und glitzernd – und als er so schaute, wurden seine Augen groß vor Staunen. Denn Woot war nicht sehr groß und nicht sehr alt, und obwohl er ein Wanderer war, war dies der herrlichste Anblick, der seinen jungen Augen je begegnet war.

„Wer lebt hier?“, fragte er.

„Der Kaiser der Winkies, der berühmte blecherne Holzfäller von Oz“, antwortete der Diener, dem befohlen worden war, alle Fremden mit Höflichkeit zu behandeln.

„Ein blecherner Holzfäller? Wie seltsam!“, rief der kleine Wanderer aus.

„Nun, vielleicht ist unser Kaiser seltsam“, gab der Diener zu, „aber er ist ein gütiger Herr und so ehrlich und aufrichtig wie gutes Blech ihn nur machen kann. Wir, die wir ihm gern dienen, vergessen leicht, daß er nicht wie andere Leute ist.“

„Darf ich ihn sehen?“, fragte Woot der Wanderer nach kurzem Nachdenken.

„Wenn du einen Moment warten würdest, werde ich gehen und ihn fragen“, sagte der Diener und ging dann in den Saal, wo der Blechmann mit seinem Freund, der Vogelscheuche, saß. Beide freuten sich zu erfahren, daß ein Fremder angekommen war, denn dies würde ihnen etwas Neues geben, worüber sie sprechen könnten, und der Diener wurde aufgefordert, den Jungen sofort hereinzuführen.

Als Woot der Wanderer die großen Korridore passiert hatte – alle mit verziertem Blech ausgekleidet – und stattliche blecherne Bögen und die vielen blechernen Räume, die mit schönen Blechmöbeln eingerichtet waren, waren seine Augen größer denn je und sein ganzer kleiner Körper zitterte vor Aufregung. Es gelang ihm aber, sich trotz seines Herzklopfens höflich vor dem Thron zu verbeugen und mit respektvoller Stimme zu sagen: „Ich grüße Eure Erlauchte Majestät und biete Euch meine bescheidenen Dienste an.“

„Schön!“, antwortete der Blechmann auf seine gewohnt fröhliche Art. „Sag mir, wer du bist und woher du kommst.“

„Ich bin als Woot der Wanderer bekannt“, antwortete der Junge, „und ich bin durch viele Reisen und Umwege von meinem früheren Zuhause in einem entlegenen Winkel des Gillikin-Landes von Oz zu Euch gekommen.“

„Von zu Hause fortzuwandern“, bemerkte die Vogelscheuche, „bedeutet, Gefahren und Nöten zu begegnen, besonders wenn man aus Fleisch und Knochen besteht. Hattest du in jenem Winkel des Gillikin-Landes keine Freunde? War es dort nicht heimelig und angenehm?“

Einen strohgefüllten Mann sprechen – und so gut sprechen – zu hören, erschreckte Woot ziemlich, und vielleicht starrte er die Vogelscheuche auf eine etwas unhöfliche Weise an. Aber nach einem Moment antwortete er:

„Ich hatte ein Zuhause und Freunde, Euer ehrenwerte Strohheit, aber sie waren so ruhig und glücklich und angenehm, daß ich sie gräßlich langweilig fand. Nichts in diesem Winkel von Oz fesselte mein Interesse, aber ich glaubte, daß ich in anderen Teilen des Landes interessante Leute finden und neue Sehenswürdigkeiten sehen würde, und so begann ich mit meiner Wanderung. Ich bin seit fast einem ganzen Jahr ein Wanderer, und jetzt haben mich meine Wanderungen zu diesem herrlichen Schloß geführt.“

„Ich schätze“, sagte der Blechmann, „daß du in diesem Jahr so viel gesehen hast, daß du sehr weise geworden bist.“

„Nein“, antwortete Woot nachdenklich, „ich bin überhaupt nicht weise, Euer Majestät. Je mehr ich wandere, desto mehr stelle ich fest, wie wenig ich weiß, denn im Land von Oz kann viel Weisheit erworben werden.“

„Lernen ist einfach. Stellst du denn keine Fragen?“, fragte die Vogelscheuche.

„Doch, ich stelle so viele Fragen, wie ich zu stellen wage; aber einige Leute weigern sich, Fragen zu beantworten.“

„Das ist nicht nett von ihnen“, erklärte der Blechmann. „Wer nicht um Informationen bittet, erhält sie für gewöhnlich auch nicht; daher mache ich es für mich zur Regel, jede höfliche Frage zu beantworten, die mir gestellt wird.“

„Ich auch“, fügte die Vogelscheuche kopfnickend hinzu.

„Ich bin froh, das zu hören“, sagte der Wanderer, „denn es läßt mich Mut fassen, nach etwas zu essen zu fragen.“

„Der arme Junge!“, rief der Kaiser der Winkies. „Wie gedankenlos von mir, daß ich nicht daran gedacht habe, daß Wanderer normalerweise hungrig sind. Ich werde dir sofort Essen bringen lassen.“

Mit diesen Worten blies er in eine blecherne Pfeife, die um seinen blechernen Hals hing, und auf den Pfiff hin erschien ein Diener und verbeugte sich tief. Der blecherne Holzfäller bestellte Essen für den Fremden, und in wenigen Minuten brachte der Diener ein Blechtablett mit einer Auswahl an guten Speisen, alles ordentlich auf Blechgeschirr angerichtet, das so sehr poliert war, daß es wie Spiegel glänzte. Das Tablett wurde auf einem vor den Thron gezogenen Blechtisch abgesetzt, und der Diener stellte einen Blechstuhl vor den Tisch, damit der Junge sich setzen konnte.

„Iß, Freund Wanderer“, sagte der Kaiser herzlich, „und ich vertraue darauf, daß das Festmahl dir munden wird. Ich selbst esse nicht, da ich so gebaut bin, daß ich keine Nahrung brauche, um mich am Leben zu erhalten. Und bei meinem Freund, der Vogelscheuche, verhält es sich ebenso. Aber alle meine Winkie-Leute essen, da sie wie du aus Fleisch geformt sind, und daher ist mein Blechschrank nie leer, und Fremde sind immer willkommen, sich an dem gütlich zu tun, was er enthält.“

Der Junge aß eine Zeitlang schweigend, da er wirklich hungrig war, aber nachdem er seinen Appetit etwas gestillt hatte, fragte er:

„Wie kommt es, daß Eure Majestät aus Blech gemacht und dennoch am Leben ist?“

„Das“, antwortete der Blechmann, „ist eine lange Geschichte.“

„Je länger, desto besser“, sagte der Junge. „Würdet Ihr mir die Geschichte erzählen?“

„Wenn du es wünscht“, versprach der Blechmann, lehnte sich in seinem blechernen Thron zurück und schlug seine blechernen Beine übereinander. „Ich habe meine Geschichte schon lange nicht mehr erzählt, weil jeder sie fast genauso gut kennt wie ich. Aber du als Fremder bist zweifellos neugierig zu erfahren, wie ich so schön und wohlhabend wurde, also werde ich dir zuliebe von meinen außergewöhnlichen Abenteuern erzählen.“

„Danke“, sagte Woot der Wanderer, der immer noch aß.

„Ich war nicht immer aus Blech“, begann der Kaiser, „denn ich war anfangs ein Mann aus Fleisch, Knochen und Blut und lebte im Munchkin-Land von Oz. Dort war ich ein Holzhacker von Beruf und habe zum Wohl des Volkes von Oz beigetragen, indem ich die Bäume des Waldes zu Brennholz zerhackt habe, mit dem die Frauen dann ihr Essen kochen konnten, während sich die Kinder am Herd wärmten. Mein Zuhause war eine kleine Hütte am Waldrand, und mein Leben war ein sehr zufriedenes, bis ich mich in ein schönes Munchkin-Mädchen verliebte, das nicht weit von mir entfernt wohnte.“

„Wie hieß das Munchkin-Mädchen?“, fragte Woot.

„Nimmie Amee. Dieses Mädchen, das so schön war, daß die Sonnenuntergänge erröteten, wenn ihre Strahlen auf sie fielen, lebte mit einer mächtigen Hexe zusammen, die silberne Schuhe trug und das arme Kind zu ihrer Sklavin gemacht hatte. Nimmie Amee mußte von morgens bis abends für die alte Hexe des Ostens arbeiten, schrubbte und fegte ihre Hütte, kochte ihre Mahlzeiten und spülte ihr Geschirr, und sie mußte auch Brennholz hacken, bis ich sie eines Tages dabei im Wald fand und mich in sie verliebte. Von da an brachte ich Nimmie Amee reichlich Brennholz und wir wurden einander sehr zugetan. Schließlich bat ich sie, mich zu heiraten, und sie stimmte zu, aber die Hexe hörte zufällig unser Gespräch und es machte sie sehr wütend, denn sie wollte ihre Sklavin nicht verlieren. Die Hexe verbot mir, jemals wieder in Nimmie Amees Nähe zu kommen, aber ich sagte ihr, ich wäre mein eigener Herr und würde tun, was ich tun wollte, ohne zu ahnen, daß es sehr unvorsichtig war, auf eine solche Weise mit einer Hexe zu sprechen.

Als ich am nächsten Tag im Wald Holz schnitt, verzauberte die grausame Hexe meine Axt, sodaß sie ausrutschte und mein rechtes Bein abschnitt.“

„Wie schrecklich!“, rief Woot der Wanderer.

„Ja, es war ein großes Unglück“, stimmte der Blechmann zu, „denn ein einbeiniger Holzhacker ist in seinem Handwerk ziemlich nutzlos. Aber ich wollte nicht zulassen, daß die Hexe mich so leicht besiegte. Ich kannte einen sehr geschickten Handwerker auf der anderen Seite des Waldes, der mein Freund war, also hüpfte ich auf einem Bein zu ihm und bat ihn, mir zu helfen. Er machte mir bald ein neues Bein aus Blech und befestigte es geschickt an meinem fleischernen Körper. Es hatte Gelenke am Knie und am Knöchel und war beinahe ebenso bequem wie das Bein, das ich verloren hatte.“

„Dein Freund muß ein wunderbarer Handwerker gewesen sein!“, rief Woot aus.

„Das war er in der Tat“, gab der Kaiser zu. „Er war ein Blechschmied von Beruf und konnte alles aus Blech machen. Als ich zu Nimmie Amee zurückkehrte, war das Mädchen sehr erleichtert und warf mir die Arme um den Hals, küßte mich und erklärte, sie sei stolz auf mich. Die Hexe sah den Kuß und war wütender als zuvor. Als ich am nächsten Tag im Wald meiner Arbeit nachging, entglitt mir meine Axt, die immer noch verzaubert war, und schnitt mir das andere Bein ab. Wieder hüpfte ich – auf meinem Blechbein – zu meinem Freund, dem Blechschmied, der so freundlich war, mir ein weiteres Blechbein anzufertigen und es an meinem Körper zu befestigen. So kehrte ich freudig zu Nimmie Amee zurück, der meine glänzenden Beine sehr gefielen und die versprach, sie, wenn wir verheiratet waren, immer geölt und poliert zu halten. Doch die Hexe war wütender als je zuvor, und sobald ich meine Axt hob, um zu hacken, drehte diese sich um und schnitt mir einen Arm ab. Der Blechschmied machte mir einen Arm aus Blech, und ich machte mir keine großen Sorgen, weil Nimmie Amee erklärte, daß sie mich immer noch liebte.“

Kapitel 2.

Das Herz des Blechmanns.

DER Kaiser der Winkies hielt in seiner Geschichte inne, um nach einer Ölkanne zu greifen, mit der er die Gelenke in seiner blechernen Kehle sorgfältig einölte, denn seine Stimme hatte ein wenig zu quietschen begonnen. Woot der Wanderer, der seinen Hunger gestillt hatte, beobachtete diesen Prozeß mit großer Neugier, bat jedoch den Blechmann, mit seiner Geschichte fortzufahren.

„Die Hexe mit den silbernen Schuhen haßte mich, weil ich sie herausgefordert hatte“, fuhr der Kaiser fort, dessen Stimme jetzt klar wie eine Glocke klang, „und sie bestand darauf, daß Nimmie Amee mich niemals heiraten sollte. Deshalb ließ sie die verzauberte Axt meinen anderen Arm abschneiden und der Blechschmied ersetzte dieses Glied ebenfalls durch eines aus Blech, einschließlich dieser feingliedrigen Hände, die du mich gebrauchen siehst. Aber danach schnitt die Axt, die noch immer von der grausamen Hexe verzaubert war, meinen Körper in zwei Hälften, so daß ich zu Boden fiel. Dann lief die Hexe herbei, die von einem nahegelegenen Busch aus zugesehen hatte, ergriff die Axt und zerhackte meinen Körper in mehrere kleine Stücke. Danach glaubte sie, daß sie mich völlig zerstört hätte, und rannte schadenfroh lachend davon.

Aber Nimmie Amee fand mich. Sie hob meine Arme und Beine und meinen Kopf auf, bündelte sie und trug sie zum Blechschmied, der sich ans Werk setzte und mir einen feinen Körper aus solidem Blech formte. Als er die Arme und Beine an den Körper gesetzt hatte, und meinen Kopf in den Blechkragen, war ich ein viel besserer Mann als je zuvor, denn mein Körper konnte keine Schmerzen mehr empfinden, und ich war so schön und glänzend, daß ich keiner Kleidung mehr bedurfte. Kleidung ist immer ein Ärgernis, weil sie verschmutzt und reißt und ersetzt werden muß, aber mein Blechkörper muß nur geölt und poliert werden.

Nimmie Amee sagte immer noch, daß sie mich heiraten wollte, da sie mich trotz der bösen Taten der Hexe immer noch liebte. Das Mädchen erklärte, ich würde der glänzendste Ehemann auf der ganzen Welt sein, was durchaus stimmte. Allerdings war die Böse Hexe damit nicht besiegt. Als ich zu meiner Arbeit zurückkehrte, rutschte die Axt ab und schnitt mir den Kopf ab, was der einzige fleischerne Teil von mir war, der mir noch verblieben war. Und als wäre das nicht genug, packte die alte Frau meinen abgetrennten Kopf, trug ihn mit sich fort und versteckte ihn. Aber Nimmie Amee kam in den Wald und fand mich hilflos umherirrend, weil ich nicht sehen konnte, wohin ich ging, und führte mich zu meinem Freund, dem Blechschmied. Der treue Bursche machte sich sofort an die Arbeit, um mir einen blechernen Kopf zu machen, und er hatte ihn eben vollendet, als Nimmie Amee mit meinem alten Kopf angerannt kam, den sie der Hexe gestohlen hatte. Aber nachdem ich darüber nachgedacht hatte, hielt ich den blechernen Kopf für weit höherwertiger als den fleischernen – ich trage ihn noch, so daß man seine Schönheit und die Anmut seiner Konturen sehen kann – und das Mädchen stimmte mir zu, daß ein Mann, der ganz aus Blech gemacht war, weitaus perfekter war als einer, der aus verschiedenen Materialien bestand. Der Blechschmied war ebenso stolz auf seine Arbeit wie ich, und drei Tage lang bewunderten mich alle und priesen meine Schönheit.

Da ich jetzt komplett aus Blech geformt war, hatte ich keine Angst mehr vor der Bösen Hexe, denn sie konnte mich nicht mehr verletzen. Nimmie Amee sagte, wir müßten sofort heiraten, denn dann könnte sie in meine Hütte kommen und mit mir zusammenleben und darauf achten, daß ich stets glänzend und funkelnd aussah.

‚Ich bin mir sicher, mein lieber Keil‘, sagte das tapfere und schöne Mädchen – mein damaliger Name lautete Keil Hacker, mußt du wissen – ‚daß du der beste Ehemann sein wirst, den ein Mädchen nur haben könnte. Ich muß nicht für dich kochen, denn du ißt jetzt nichts mehr; ich werde dein Bett nicht machen müssen, denn Blech ermüdet nicht und benötigt keinen Schlaf. Wenn wir zu einem Tanz gehen, wirst du nicht müde werden, bevor die Musik aufhört und sagen, daß du nach Hause gehen willst. Den ganzen Tag, während du im Wald Holz hackst, werde ich mich auf meine Weise amüsieren können – ein Privileg, das nur wenigen Ehefrauen zuteil wird. In deinem neuen Kopf gibt es kein Aufbrausen, und du wirst nicht böse auf mich werden. Und nicht zuletzt werde ich stolz darauf sein, die Frau des einzigen lebendigen blechernen Holzfällers auf der ganzen Welt zu sein!‘ Was beweist, daß Nimmie Amee ebenso weise wie mutig und schön war.“

„Ich denke, daß sie ein sehr nettes Mädchen war“, sagte Woot der Wanderer. „Aber sagt mir bitte, warum wurdet Ihr nicht getötet, als Ihr in Stücke geschnitten wurdet?“

„Im Land von Oz“, antwortete der Kaiser, „kann niemand je getötet werden. Ein Mann mit einem Holzbein oder einem Blechbein ist immer noch derselbe Mann, und als ich allmählich Teile meines fleischernen Körpers verlor, blieb ich doch stets dieselbe Person wie zuvor, obwohl ich am Ende ganz aus Blech bestand und kein Fleisch mehr an mir hatte.“

„Ich verstehe“, sagte der Junge nachdenklich. „Und habt Ihr Nimmie Amee geheiratet?“

„Nein“, antwortete der Blechmann, „das habe ich nicht. Sie sagte, daß sie mich immer noch liebte, aber ich stellte fest, daß ich sie nicht mehr liebte. Mein Blechkörper enthielt kein Herz, und ohne ein Herz kann niemand lieben. Auf diese Weise hatte die Böse Hexe am Ende gesiegt, und als ich das Munchkin-Land von Oz verließ, war das arme Mädchen immer noch Sklavin der Hexe und mußte Tag und Nacht ihren Befehlen gehorchen.“

„Wohin seid Ihr gegangen?“, fragte Woot.

„Nun, ich habe mich zuerst aufgemacht, um ein Herz zu finden, damit ich Nimmie Amee wieder lieben könnte; aber Herzen sind seltener als man denkt. Eines Tages, in einem großen Wald, der mir fremd war, rosteten meine Gelenke plötzlich, weil ich vergessen hatte, sie zu ölen. Da stand ich nun und konnte weder Hand noch Fuß bewegen. Und ich stand so lange da – während die Tage kamen und gingen –, bis Dorothy und die Vogelscheuche vorbeikamen und mich retteten. Sie ölten meine Gelenke und befreiten mich dadurch, und ich habe seither gut darauf geachtet, nie wieder zu rosten.“

„Wer war diese Dorothy?“, fragte der Wanderer.

„Ein kleines Mädchen, das sich zufällig in einem Haus befand, als dieses von einem Wirbelsturm den ganzen Weg von Kansas bis ins Land von Oz getragen wurde. Als das Haus im Munchkin-Land herabfiel, landete es glücklicherweise auf der Bösen Hexe und zerquetschte sie. Es war ein großes Haus, und ich denke, die Hexe liegt noch immer darunter.“

„Nein“, korrigierte ihn die Vogelscheuche, „Dorothy sagt, die Hexe wurde zu Staub, und der Wind zerstreute den Staub in alle Windrichtungen.“

„Nun“, fuhr der Blechmann fort, „nachdem ich der Vogelscheuche und Dorothy begegnet war, ging ich mit ihnen in die Smaragdstadt, wo mir der Zauberer von Oz ein Herz gab. Aber der Herzenbestand des Zauberers war gering, und so gab er mir ein freundliches Herz anstelle eines liebenden Herzens, so daß ich Nimmie Amee nicht mehr lieben konnte, als ich es ohne Herz vermocht hatte.“

„Konnte der Zauberer Euch kein Herz geben, das sowohl freundlich als auch liebevoll war?“, fragte der Junge.

„Nein, ich hatte zwar darum gebeten, aber er sagte, er habe so wenige Herzen, daß nur eines vorrätig wäre, und ich könnte jenes oder gar keines nehmen. Also habe ich es akzeptiert, und ich muß sagen, daß es auf seine Art ein wirklich gutes Herz ist.“

„Es scheint mir“, sagte Woot nachdenklich, „daß der Zauberer Euch betrogen hat. Es kann kein sehr freundliches Herz sein, wißt Ihr.“

„Warum nicht?“, fragte der Kaiser.

„Weil es unfreundlich von Euch war, das Mädchen zu verlassen, das Euch geliebt hat und das Euch treu war, als Ihr in Schwierigkeiten wart. Wäre das Herz, das der Zauberer Euch gab, ein freundliches Herz gewesen, wärt Ihr nach Hause gegangen, hättet das schöne Munchkin-Mädchen zu Eurer Frau gemacht und sie dann hierher gebracht, um eine Kaiserin zu sein und in Eurem prächtigen Blechschloß zu leben.“

Der Blechmann war so überrascht von dieser freimütigen Rede, daß er eine Zeitlang nichts anderes tat, als den jungen Wanderer anzustarren. Aber die Vogelscheuche wackelte mit ihrem ausgestopften Kopf und sagte zustimmend:

„Der Junge hat recht. Ich habe mich oft gefragt, warum du nicht zurückgegangen bist und das arme Munchkin-Mädchen gesucht hast.“

Darauf starrte der Blechmann seinen Freund, die Vogelscheuche, an. Aber schließlich sagte er in einem ernsten Ton:

„Ich muß gestehen, daß ich nie zuvor daran gedacht hatte, Nimmie Amee zu finden und sie zur Kaiserin der Winkies zu machen. Aber es ist sicher auch jetzt noch nicht zu spät, um das zu tun, denn das Mädchen muß noch immer im Munchkin-Land leben. Und da mich dieser merkwürdige Wanderer an Nimmie Amee erinnert hat, glaube ich, daß es meine Pflicht ist, mich aufzumachen und sie zu suchen. Gewiß ist es nicht die Schuld des Mädchens, daß ich sie nicht mehr liebe, und wenn ich sie glücklich machen kann, ist es nur recht, daß ich dies tun, und sie auf diese Weise für ihre Treue belohnen sollte.“

„Ganz recht, mein Freund!“, stimmte die Vogelscheuche zu.

„Begleitest du mich bei diesem Gang?“, fragte der blecherne Kaiser.

„Gewiß“, sagte die Vogelscheuche.

„Und werdet Ihr auch mich mitnehmen?“, bat Woot der Wanderer aufgeregt.

„Aber ja“, sagte der Blechmann, „wenn du dich unserer Gesellschaft anschließen möchtest. Immerhin warst du es, der mir als erster sagte, es sei meine Pflicht, Nimmie Amee zu finden und zu heiraten, und ich möchte, daß du weißt, daß Keil Hacker, der blecherne Kaiser der Winkies, ein Mann ist, der sich niemals aus seiner Pflicht stiehlt, wenn man ihn einmal darauf aufmerksam gemacht hat.“

„Es sollte ebenso eine Freude als eine Pflicht sein, wenn das Mädchen so schön ist“, sagte Woot, der sich sehr auf das zu erwartende Abenteuer freute.

„Schöne Dinge können bewundert werden, selbst wenn sie nicht geliebt werden“, stellte der Blechmann fest. „Blumen zum Beispiel sind schön, aber wir neigen nicht dazu, sie zu heiraten. Die Pflicht hingegen ist der Aufruf, der einen zur Handlung treibt, unabhängig davon, ob man handeln möchte oder nicht. In diesem Fall gehorche ich dem Ruf der Pflicht.“

„Wann sollen wir losgehen?“, fragte die Vogelscheuche, die immer froh war, sich auf ein neues Abenteuer einzulassen.

„So bald wie möglich“, antwortete der Kaiser. „Ich werde sofort meine Diener rufen und ihnen befehlen, Vorbereitungen für unsere Abreise zu treffen.“

Kapitel 3.

Über Umwege.

WOOT der Wanderer schlief in dieser Nacht im Blechschloß des Kaisers der Winkies und fand sein blechernes Bett sehr bequem. Am nächsten Morgen stand er früh auf und machte einen Spaziergang durch die Gärten, wo blecherne Brunnen und Beete mit merkwürdigen blechernen Blumen standen und wo blecherne Vögel auf den Zweigen der blechernen Bäume saßen und Lieder sangen, die wie Töne von Blechflöten klangen. Alle diese Wunder waren von den klugen Winkie-Blechschmieden geschaffen worden, die jeden Morgen die Vögel aufzogen, damit sie sich bewegen und singen konnten.

Nach dem Frühstück ging der Junge in den Thronsaal, wo der Kaiser seine Blechgelenke sorgfältig von einem Diener einölen ließ, während andere Diener duftendes frisches Stroh in den Körper der Vogelscheuche stopften.

Woot beobachtete diese Operation mit großem Interesse, denn der Körper der Vogelscheuche bestand nur aus einem mit Stroh gefüllten Anzug. Der Mantel war fest zugeknöpft, damit das eingepackte Stroh nicht herausfallen konnte. Um die Taille war ein Seil geschnürt, um sie in Form zu halten und ein Absacken des Strohs zu verhindern. Der Kopf der Vogelscheuche war ein mit Kleie gefüllter Jutesack, auf den Augen, Nase und Mund gemalt worden waren. Ihre Hände waren weiße Baumwollhandschuhe, die mit feinem Stroh gefüllt waren. Woot bemerkte, daß der Strohmann, selbst wenn er sorgfältig gestopft und in Form geklopft war, unbeholfen in seinen Bewegungen war und mit wackeligen Beinen ging, daher fragte sich der Junge, ob die Vogelscheuche in der Lage sein würde, den ganzen Weg bis in die Wälder des Munchkin-Landes von Oz mit ihnen mitzuhalten.

Die Vorbereitungen für diese wichtige Reise waren sehr schlicht. Ein Rucksack wurde mit Essen gefüllt und Woot dem Wanderer übergeben, damit er ihn auf seinem Rücken tragen könnte, denn das Essen war für ihn allein bestimmt. Der blecherne Holzfäller schulterte eine Axt, die scharf und glänzend poliert war, und die Vogelscheuche steckte die Ölkanne des Herrschers in ihre Tasche, damit sie die Gelenke ihres Freundes einölen könnte, falls dies nötig sein würde.