Der Buddhismus II -  - E-Book

Der Buddhismus II E-Book

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Beschreibung

Following the first volume, which described Buddhism in India, this volume discusses the historical and doctrinal development of Theravada Buddhism in its ?classical= homelands (Sri Lanka, Myanmar, Cambodia, Thailand and Laos), as well as its spread and revival in India, Bangladesh, Malaysia and Indonesia. The various schools of Tibetan Buddhism are also presented in detail and placed in the context of Tibetan history, and local forms of Tibetan Buddhism in Bhutan and among the ethnic groups of Mongolia are also described. A final chapter discusses Buddhism among the Turkic peoples of Central Asia before their conversion to Islam.

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Die Religionen der Menschheit

Begründet von

Christel Matthias Schröder

Fortgeführt und herausgegeben von

Peter Antes, Manfred Hutter und Jörg Rüpke

Band 24,2

Manfred Hutter (Hrsg.)

Der Buddhismus II

Theravāda-Buddhismus und Tibetischer Buddhismus

Verlag W. Kohlhammer

Umschlagbild: Statue einer Schutzgottheit im Wat Chedi Luang in Chiang Mai (Thailand), die den Stadtpfeiler Sao Inthakin als Wohnsitz des Stadtgeistes (phi) vor Unheil beschützen soll. Errichtet um 1800 von Phaya Kawila, dem Lokalherrscher von Chiang Mai. (Foto M. Hutter).

1. Auflage 2016

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

294.3 - dc23

Print:

ISBN 978-3-17-028497-5

E-Book-Formate:

pdf: ISBN 978-3-17-028498-2

epub: ISBN 978-3-17-028499-9

mobi: ISBN 978-3-17-028500-2

Für den Inhalt abgedruckter oder verlinkter Websites ist ausschließlich der jeweilige Betreiber verantwortlich. Die W. Kohlhammer GmbH hat keinen Einfluss auf die verknüpften Seiten und übernimmt hierfür keinerlei Haftung.

Inhalt

Einleitung

Manfred Hutter

A.  Regionale Formen des Theravāda-Buddhismus

Buddhismus in Sri Lanka

Lauren Drover/Manfred Hutter

1.  Einleitung: Zur klassischen Quellensituation

2.  Geschichtliche Entwicklung des Buddhismus in Sri Lanka

2.1.  Die vorkoloniale Zeit

2.1.1.  Von den Anfängen bis zur zweiten Hälfte des 1. Jahrtausends n. Chr.

2.1.2.  Mönche im Mittelalter als Machtfaktor

2.2.  Die Rolle des Buddhismus während der Kolonialzeit

2.2.1.  Die Zeit der Portugiesen und Holländer

2.2.2.  Erneuerungsbewegungen während der englischen Kolonialperiode

2.2.3.  Auseinandersetzungen mit anderen religiösen Gruppen

2.3.  Buddhismus im unabhängigen Sri Lanka

2.3.1.  Mönche und Politik

2.3.2.  Sarvōdaya und Frauenordination

3.  Die religiöse Praxis

3.1.  Mönche und Laien

3.2.  „Große“ und „kleine“ Traditionen

3.2.1.  Vor-buddhistische Yakkha als Schutzgötter

3.2.2.  Hindu-Gottheiten und mahāyāna-buddhistische Bodhisattvas als Beschützer der Insel

3.3.  Der „Kult“ als Verehrung Buddhas und die rituelle Umsetzung seiner Lehre

3.3.1.  Reliquien und Verständnis von gelebter Frömmigkeit

3.3.2.  Feste

3.3.3.  Wallfahrten

3.3.4.  Pirit

3.3.5.  Sterbe- und Totenriten

3.4.  Schlussbemerkung

Buddhismus in Birma

Tilman Frasch

1.  Ankunft und Verbreitung des Buddhismus in Birma

2.  Pagan – die Hauptstadt des Buddhismus im 13. Jahrhundert

2.1.  Pagan als buddhistische Kosmopolis

2.2.  Der Niedergang Pagans

3.  Das Jahr 1456: Eine buddhistische Ökumene

4.  Der Buddhismus in Birma im 16. und 17. Jahrhundert

5.  Die Konbaung-Zeit und die Kolonialherrschaft

5.1.  Reformen im Zeichen der Kolonialherrschaft

5.2.  Der Saṅgha im kolonialen Birma

5.3.  Nationalbewegung und politischer Buddhismus

6.  Buddhismus im unabhängigen Birma

6.1.  Die BSPP-Ära

6.2.  Buddhismus und Gesellschaft in Birma heute

Der zeitgenössische Theravāda-Buddhismus in Bangladesh

Jacques P. Leider

1.  Historische Hintergründe

1.1.  Barua, Chakma und die Reform des Mönchtums im 19. Jahrhundert

1.2.  Marma, Rakhaing und der Untergang des arakanesischen Königreichs

2.  Mönche und buddhistische Laien im zeitgenössischen Wandel

2.1.  Vom Erfolg religiöser Erneuerung: Der städtische Buddhismus der Barua

2.2.  Vom Nutzen religiöser Erneuerung: Buddhismus als Teil des Überlebenskampfes der Chakma

2.3.  Kulturelle Selbstbehauptung und buddhistische Identität der Arakanesen

3.  Pilgerorte, Feste und religiöse Verehrung

Formen des Theravāda im heutigen Indien

Detlef Kantowsky

1.  Die Mahā Bodhi Society

2.  Die Bauddha Dharmankur Sabhā

3.  Die Neo-Buddhisten

4.  Die Trailokya Bauddha Mahasangha Sahayak Gana (TBMSG)

5.  Der All India Bhikkhu Sangha (AIBS)

6.  Die Vipassanā-Bewegung von S. N. Goenka

Buddhismus in Thailand und Laos

Manfred Hutter

1.  Einleitung

2.  Die vormodernen Königreiche

2.1.  Sukhothai als erstes größeres Thai-Zentrum

2.2.  Ayutthaya

2.3.  Lan Na

2.4.  Lan Sang

3.  Entwicklungen in der Moderne

3.1.  Die Zeit der Chakri-Dynastie bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts

3.2.  Thai-Nationalismus und Buddhismus

3.3.  Vom französischen Protektorat in Laos bis zur Gegenwart

4.  Mönchtum und Gesellschaft im Umbruch

4.1.  Die seelsorgliche Seite des Mönchtums

4.2.  Zwei kritisch betrachtete Reformströmungen: Santi Asok und Thammakai

4.2.1.  Santi Asok

4.2.2.  Die Bewegung des Wat Phra Thammakai

4.3.  Drei Reform-Denker: Buddhadasa Bhikkhu, Sulak Sivaraksa, P.A. Payutto

4.4.  Bhikkhunīs und Maechis

5.  Die öffentliche und alltägliche Seite der Religion

5.1.  Die Einbettung vor-buddhistischer Geister in die Religion

5.2.  Feste im Jahreslauf

5.3.  Schlussbemerkung

Theravāda-Buddhismus in Kambodscha

Karl-Heinz Golzio

1.  Einleitung

2.  Geschichtliche Entwicklung

2.1.  Das 13. und 14. Jahrhundert

2.2.  Das 15. und 16. Jahrhundert

2.3.  Kambodscha verliert seine Souveränität (17. und 18. Jahrhundert)

2.4.  Die Religion als identitätsstiftende Kraft

2.5.  Unter dem französischen Protektorat

2.6.  Das unabhängige Kambodscha

3.  Religiöse Feste

Theravāda-Buddhismus in Malaysia

Manfred Hutter

1.  Die historische Entwicklung vom 5. bis zum 14. Jahrhundert

2.  Buddhistische Migranten in den malaiischen Sultanaten in der Kolonialzeit

3.  Traditionell ethnisch geprägter Theravāda-Buddhismus im unabhängigen Malaysia

4.  Chinesische Mahāyāna-Traditionen und die „Sinisierung“ des Theravāda

5.  Buddhismus im islamischen Malaysia

Entwicklungen im Theravāda-Buddhismus in Indonesien

Julia Linder

1.  Die Entwicklung des Buddhismus im indonesischen Nationalstaat

1.1.  Die Entwicklung der buddhistischen Orden

1.2.  Politisierung des indonesischen Buddhismus

1.2.1.  Indonesianisierung des Buddhismus unter der Neuen Ordnung

1.2.2.  Die Spaltung der Gemeinde

2.  Profil der buddhistischen Verbände

2.1.  SAGIN: Sangha Agung Indonesia

2.2.  STI: Sangha Theravada Indonesia

2.3.  Die Dachorganisationen: Zusammenarbeit der buddhistischen Verbände

3.  Schlussbetrachtung

B.  Die Verbreitung des tantrischen Buddhismus

Buddhismus in Tibet

Andrea Loseries

1.  Einführung

2.  Die erste Verbreitung des Buddhismus in Tibet (7. bis 9. Jahrhundert)

2.1.  Die Anfänge

2.2.  Der erste Dharma-König Songtsen Gampo (613/14–649/50 n. Chr.)

2.3.  Der zweite Dharma-König Trisong Detsen (755–797)

2.4.  Der dritte Dharma-König Ralpachen (815–838)

2.5.  Hintergründe und Lehrinhalte der ersten Verbreitung des Buddhismus in Tibet

2.6.  Die Welt der Götter und Dämonen im tibetischen Volksglauben

2.7.  Zur Entstehung und Entwicklung der Bön-Religion

2.8.  Zur Entwicklung der monastischen Tradition Tibets

2.9.  Die Nyingmapa-Schule der „Alten“

3.  Die zweite Verbreitung des Buddhismus in Tibet

3.1.  Die Zersplitterung des Reiches (10. bis 11. Jahrhundert)

3.2.  Renaissance oder Kontinuität der Lehre des Buddha

3.2.1.  Die Wiederbelebung der Mönchsweihe

3.2.2.  Rinchen Zangpo (958–1055)

3.2.3.  Atīśa Dīpaṃkara (982–1054) und die Schule der Kadampa

3.3.  Die neuen tantrischen Transmissionen in Tibet (11. bis 14. Jahrhundert)

3.3.1.  Die Schule der Sakyapa und die Transmission des Lamdre-Systems

3.3.2.  Die Schulen der Kagyüpa

3.3.2.1.  Marpa Lotsava und die Transmission des Nāropa

3.3.2.2.  Der große Yogi Milarepa und sein Schüler Gampopa

3.3.2.3.  Gampopas Nachfolge

3.3.3.  Padampas Schije-Transmission und Macigs Friedhofpraxis Tschöd

3.4.  Bemerkungen zur Institutionalisierung des „Lamaismus“ in Tibet

4.  Die Gelbe Kirche (15. bis 20. Jahrhundert)

4.1.  Tsongkhapa, der Reformator

4.2.  Tsongkhapas Erbe und Nachfolge

4.3.  Die Einführung der Dalai Lama-Würde

4.4.  Der Sieg der Gelben Kirche

4.5.  Der Große Fünfte Dalai Lama

4.6.  Theokratie als Streitpunkt ausländischer Macht

4.7.  Die Dalai Lamas als Spielball der Mandschu

4.8.  Der Dreizehnte Dalai Lama – Reformer und Politiker

4.9.  Der Fall der Gelben Kirche – die kommunistische Invasion der Chinesen

5.  Klosterleben und religiöse Praxis in Tibet

5.1.  Monastische Erziehung

5.2.  Mystik und Ekstasetechniken

5.3.  Klosterorganisation und Zeremonialwesen

6.  Neubeginn im indischen Exil (1959 bis 2016)

Buddhismus in Bhutan

Christian Schicklgruber

1.  Einleitendes

2.  Der Buddhismus im Verfassungsrang

3.  Buddhismus und Staat I: Shabdrung Ngawang Namgyel

3.1.  Mahākāla

3.2.  Die Heiligen Berge und das Modell der Welt

3.3.  Die Reichseinigung durch Shabdrung Ngawang Namgyel

4.  Der Zweite Buddha: Guru Rinpoche

5.  „Heilige Schätze“ und Pema Lingpa

6.  Buddhismus und Staat II: Von Jigme Namgyel bis heute

6.1.  Lokale Schutzgötter

6.2.  Mahākāla im 21. Jahrhundert

7.  Buddhismus und moderne Politik

8.  Buddhismus und Laien

Der mongolische Buddhismus

Klaus Sagaster

1.  Der geographische Bereich

2.  Die vormongolische Zeit: Der Buddhismus in den Staaten Liao und Jin

3.  Der Buddhismus zur Zeit des mongolischen Großreiches und der Teilreiche

3.1.  Frühzeit und das Khanat China

3.2.  Die westlichen Mongolenreiche

3.2.1.  Der Buddhismus im Ilkhanat von Iran

3.2.2.  Der Buddhismus im Khanat Čaγatai

3.2.3.  Der Buddhismus im Khanat der Goldenen Horde

4.  Der Buddhismus bei den Ostmongolen seit 1368

5.  Der Buddhismus bei den Westmongolen

5.1.  Der Buddhismus bei den Oiraten

5.2.  Der Buddhismus bei den Kalmücken

6.  Der Buddhismus bei den Burjaten

7.  Der Buddhismus bei den Altai-Türken

7.1.  Der Buddhismus bei den Tuwinern

7.2.  Der Buddhismus bei den Altaiern und Chakassen

7.2.1.  Altaier

7.2.2.  Chakassen

C.  Buddhismus in Zentralasien als Schnittstelle zu Ostasien

Buddhismus bei den türkischen Völkern in Zentralasien

Jens Wilkens

1.  Einleitung

1.1.  Aspekte der Buddhisierung der Uiguren

1.2.  Der buddhistische Lehnwortschatz

2.  Quellen

2.1.  Skizze der buddhistischen Literatur der Uiguren

3.  Religiöse Bewegungen und Schulen

4.  Alltagsrelevanz

5.  Ausblick

Register

Einleitung

Manfred Hutter

Als im Jahr 2000 die dreibändige Gesamtdarstellung des Buddhismus für die Reihe „Die Religionen der Menschheit“ mit Buddhismus I: Der indische Buddhismus und seine Verzweigungen startete, beschrieb Heinz Bechert den Editionsplan folgendermaßen: „Nach der Gesamtkonzeption sollen im ersten Band der indische Buddhismus und seine Verzweigungen, im zweiten Band der Theravāda-Buddhismus und der tibetische Buddhismus sowie im dritten Band der ostasiatische Buddhismus in seinen verschiedenen Erscheinungsformen und Verbreitungsgebieten … dargestellt werden. Im dritten Band soll ferner die Ausbreitung des Buddhismus in der so genannten westlichen Welt besprochen werden.“1 Erste Überlegungen zu diesem Konzept hatte Bechert bereits in den späten 1970er Jahren entwickelt und schließlich mehr als ein Jahrzehnt später wieder für die Verwirklichung im ersten Band aufgegriffen.2 Genauso hatte er ab etwa 1998 Kontakte zur Autorengewinnung für den zweiten Band geknüpft: Bechert selbst wollte den Theravāda-Buddhismus in Sri Lanka, Birma, Ostbengalen/Bangladesh, auf der malaiischen Halbinsel und in Indonesien behandeln, für Formen der Revitalisierung des (Theravāda-)Buddhismus konnte Detlef Kantowsky gewonnen werden und für den umfangreichen Teil der Verbreitung des tibetischen Buddhismus (Tantrayāna) sagte Klaus Sagaster seine Mitarbeit zu.

Damit schien eine relativ zügige Verwirklichung des Bandes möglich, doch durch Becherts angegriffene Gesundheit und seinen Tod im Jahr 2005 geriet das Ganze ins Stocken. Als Reaktion auf diese Situation suchten der Verlag und die damaligen Reihenherausgeber nach Möglichkeiten der Weiterführung des Projekts unter Beibehaltung von Becherts Stoffverteilung auf Theravāda-Buddhismus und „tibetischen“ Buddhismus. Religionshistorisch ist die Behandlung dieser beiden großen Strömungen in einem gemeinsamen Band insofern gerechtfertigt, als sie in ihrer je eigenen Weise den „indischen“ Buddhismus (des ersten Bandes) fortsetzen.3 Jedoch wurden schrittweise Modifikationen notwendig: Für Becherts vorgesehene Beiträge waren neue Autoren zu finden, so dass Jacques Leider, Tilman Frasch bzw. Manfred Hutter den Buddhismus in Bangladesh, Birma bzw. Malaysia übernahmen. Ein Eingriff betraf den umfangreichen Teil des tibetischen Buddhismus. Dieser wurde auf drei Teile – in Tibet, in Bhutan und bei den Mongolen – verfeinert. In der zweiten Jahreshälfte 2006 war dadurch die Um- bzw. Neugestaltung des Bandes weitgehend abgeschlossen und Ende des Jahres 2007 lagen mehrere Beiträge vor.

Während der folgenden Jahre drohte das Projekt im Sande zu verlaufen. Nachdem Manfred Hutter im Jahr 2013 vom Verlag zu einem der vier Herausgeber der Reihe „Die Religionen der Menschheit“ bestellt worden war, war es die vordringliche Aufgabe, den zweiten (und den daran zeitnah anschließenden dritten) Band des Buddhismus endlich zu realisieren. Die weitere Vorgangsweise erforderte folgende Schritte: Die Autoren der vorliegenden Beiträge waren um die Aufgabe der Überarbeitung und Aktualisierung ihrer Beiträge zu bitten. Für noch fehlende Beiträge war eine zeitnahe Abgabe der Manuskripte zu vereinbaren bzw. es galt, neue Autoren zu finden. Schließlich lagen im Sommer 2015 die Beiträge zur redaktionellen Bearbeitung vor, abgesehen vom relativ umfangreichen Beitrag zu Thailand, Laos und Kambodscha. Hierfür erklärte sich Karl-Heinz Golzio, der redaktionell am ersten Buddhismus-Band mitgewirkt hatte,4 kurzfristig bereit, den Kambodscha-Teil zu verfassen, während – nach erfolgloser Suche nach einem Autor bzw. einer Autorin – der Bandherausgeber den Thailand- und Laos-Teil selbst übernommen hat, um einen zügigen Abschluss des Buches zu gewährleisten.

Diese lange – und nicht immer geradlinige – Entstehungsgeschichte des Bandes hat einige Unausgewogenheiten unvermeidbar gemacht. Überarbeitung (nach sieben oder acht Jahren) von einmal geschriebenen Beiträgen ist für Autoren immer eine unerfreuliche Aufgabe, so dass ihnen von Herausgeberseite für die Bereitschaft, ihre Beiträge auf den aktuellen Kenntnisstand zu bringen, uneingeschränkt gedankt sei. Die Beiträge spiegeln dabei unterschiedliche Zugangsweisen zur Behandlung des Themas wider, da die jeweilige wissenschaftliche Herkunft der Autoren Gewichtung und Auswertung der Quellen beeinflusst: In ihrer Mehrheit kann man die Autoren als Philologen bzw. Historiker charakterisieren (Frasch, Golzio, Leider, Sagaster, Wilkens), andere kommen aus der Soziologie oder Ethnologie (Kantowsky, Loseries, Schicklgruber) bzw. aus der Vergleichenden Religionswissenschaft (Drover, Hutter, Linder). Dadurch gewinnt der inhaltliche Schwerpunkt „Buddhismus“ aber jeweils unterschiedliche „Bezugswissenschafen“ für die Präsentation des Materials. Hier war den Autoren weitgehend freie Hand gelassen, wie sie das Thema aus ihrer Sicht inhaltlich optimal gestalten wollten. In formaler Hinsicht ist jedoch insofern eine Einheitlichkeit angestrebt, als in der Regel Diakritika und Umschriftsysteme (soweit vorhanden) einheitlich gesetzt werden, jedoch mit der Ausnahme, dass (international) eingespielte Selbstbezeichnungen von religiösen Gruppen in dieser Form übernommen werden, ohne sie z. B. zu „pālisieren“. Auch für die Schreibung von bekannten Namen wird die gängige Form gewählt, so dass beispielsweise „Sri Lanka“ (anstelle von Śrī Laṅka) oder im historischen Kontext „Birma“ (anstelle des anglisierten Burma oder des gegenwärtigen Myanmar) verwendet wird.

Die nun vorliegenden Kapitel ordnen diesen Band zwischen Indien und Ostasien ein, so dass es selbstverständlich ist, dass der Theravāda-Block mit Sri Lanka beginnt, gefolgt von Birma und Bangladesh. Der kürzere Abschnitt über neue Theravāda-Strömungen in Indien kann deutlich machen, wie diese „Re-Vitalisierung“ teilweise mit Sri Lanka (Mahā Bodhi Society), Bangladesh (Bauddha Dharmakur Sabhā) und Birma (vipassanā) verbunden ist. Die beiden Kapitel zu Thailand und Laos bzw. zu Kambodscha zeigen ihrerseits die historischen Beziehungen dieser Länder zueinander, aber auch zu Sri Lanka und Birma. Malaysias Theravāda-Buddhismus hängt – aufgrund der Kolonialzeit – eng mit Sri Lanka und Birma sowie – aufgrund der geographischen Nachbarschaft – eng mit Thailand zusammen, während Indonesiens Theravāda-Buddhisten maßgebliche Impulse in ihrer Entwicklung aus Birma bzw. Thailand erfahren haben. Daher schließen diese beiden Kapitel den Theravāda-Teil des Buches ab. Am Anfang der Richtungen des Tantrayāna bzw. Vajrayāna steht Tibet, da die Verbreitung dieser buddhistischen Schulen von hier nach Bhutan bzw. zu den Mongolen gelangt ist. Der Weg des Buddhismus nach Zentralasien5 wird dabei am Ende des Bandes mit der Darstellung des Buddhismus der türkischen Völker abgerundet. Dieser letzte Beitrag fungiert dabei als doppelte „Überleitung“ zum abschließenden dritten Band. Einerseits finden sich im alttürkischen Buddhismus Formen und Richtungen des Hīnayāna, Mahāyāna und Tantrayāna, so dass der alttürkische Buddhismus sinnvoll im vorliegenden Band verortet ist. Andererseits zeigen manche alttürkisch-buddhistischen (Mahāyāna-)Texte – wie auch Teile des Buddhismus bei den Mongolen – einen Zusammenhang mit Entwicklungen des Buddhismus in China, der im nachfolgenden dritten Band als erstes Kapitel behandelt wird. Mit dieser Kapitelanordnung möchte der Band somit den Leser schrittweise in die Entwicklung und Verbreitung des Buddhismus einführen, wobei sowohl lokale Strömungen als auch die immer wiederkehrenden Verflechtungen die Vielfalt des Buddhismus als globaler Religion zeigen.

Literaturverzeichnis

Bechert, Heinz: Einleitung, in: Heinz Bechert et al.: Der Buddhismus I. Der indische Buddhismus und seine Verzweigungen, Stuttgart 2000 (= Die Religionen der Menschheit 24,1), 1–20.

Golzio, Karl-Heinz: Namen- und Sachregister, in: Heinz Bechert et al.: Der Buddhismus I. Der indische Buddhismus und seine Verzweigungen, Stuttgart 2000 (= Die Religionen der Menschheit 24,1), 501–512.

Hartmann, Jens-Uwe: Die Verbreitung des indischen Buddhismus nach Afghanistan und Zentralasien, in: Heinz Bechert et al.: Der Buddhismus I. Der indische Buddhismus und seine Verzweigungen, Stuttgart 2000 (= Die Religionen der Menschheit 24,1), 421–439.

Mabbett, Ian W.: Buddhismus im frühen Festland-Südostasien, in: Heinz Bechert et al.: Der Buddhismus I. Der indische Buddhismus und seine Verzweigungen, Stuttgart 2000 (= Die Religionen der Menschheit 24,1), 441–470.

A.  Regionale Formen des Theravāda-Buddhismus

Buddhismus in Sri Lanka

Lauren Drover/Manfred Hutter

1.  Einleitung: Zur klassischen Quellensituation

Der Buddhismus in Sri Lanka beansprucht, die längste kontinuierliche Überlieferung zu besitzen, da die Religion wahrscheinlich bereits vor der Mitte des 3. Jahrhunderts v. Chr. durch Gesandte des Maurya-Herrschers Aśoka (reg. 268–233 v. Chr.) auf die Insel gebracht worden ist. Diese Nachricht aus dem 13. Felsedikt Aśokas wird in den Inselchroniken und der weiteren Tradition in Sri Lanka weiter ausgeschmückt, dass Mahinda und seine Schwester Saṅghamittā, zwei Kinder des indischen Herrschers, mit den Anfängen der Verbreitung des Buddhismus in Sri Lanka verbunden werden. Der historische Wert dieser Aussagen der Chroniken ist problematisch, da die frühesten Quellen Sri Lankas (Brāhmī-Inschriften an Felswänden und in Höhlen) erst etwa um 200 v. Chr. datierbar sind und lediglich die Namen von buddhistischen Stiftern nennen.1 Dennoch gehören diese Chroniken sowie die Überlieferungen über die „Verschriftlichung“ des Pāli-Kanons und die Weitergabe des Textes zu den zentralen Quellen für den Theravāda-Buddhismus Sri Lankas. Die Tradierung und Kommentierung des Pāli-Kanons macht den Buddhismus Sri Lankas aber auch zu einem Bezugspunkt für den Theravāda-Buddhismus in den anderen Ländern Süd(ost)asiens.

Das älteste und am besten erhaltene Textkorpus für den frühen Buddhismus ist eine am Ende des 1. Jahrhunderts erstmals schriftlich fixierte Textsammlung, die von der Theravāda-Schule des Hīnayāna-Buddhismus stammt. Die Schule hat diese Texte in „drei Körben“ (pāli tipiṭaka; skt. tripiṭaka) angeordnet, die die Ordensregeln (Vinaya-Piṭaka), die Lehrtexte (Sutta-Piṭaka) und dogmatisch-spekulative Traktate (Abhidhamma-Piṭaka) umfassen. Für die Theravāda-Richtung ist diese Überlieferung die normative Sammlung buddhistischer Texte, die man als „Pāli-Kanon“ bezeichnet. Dass diese Texte auf mündliche Überlieferungen zurückgehen, wird im Saṅgīti-Sutta (Dīgha-Nikāya III 24f.) deutlich. Darin wird ein dreifacher Unterschied bei der Wiedergabe der Lehre genannt: Es gibt einen Unterschied zwischen dem Buddha, der den Dhamma vorträgt, und dem Mönch, der den Dhamma lehrt, wie er ihn „gehört“ und gelernt hat, und ferner dem Mönch, der den Dhamma rezitiert, wie er ihn „gehört“ und gelernt hat. Diese je unterschiedliche Wiedergabe und Weitergabe des Dhamma machen Formen der Mündlichkeit deutlich: Man hört die Lehre als Predigt oder als Rezitation und lernt die Lehrinhalte durch das Zuhören – und nicht durch das Lesen oder Schreiben. Erst das Dīpavaṃsa erwähnt das Zustandekommen der Verschriftlichung durch die Mönche aus Aluvihāra (Ālokavihāra), die dieses Unterfangen auf dem (nach Theravāda-Zählung vierten) Konzil von Aluvihāra in Sri Lanka durchgeführt haben. Die Verschriftlichung dürfte sowohl weltliche Gründe wie Hunger und kriegerische Auseinandersetzungen als auch theologische Gründe, nämlich den Machtzuwachs der Mönche des Abhayagiri-Vihāra, gehabt haben. Neueren chronologischen Argumenten zufolge geschah dies während der Regierungszeit des Herrschers Vaṭṭagāmaṇī Abhaya (27–19 v. Chr.)2. Die Zeitspanne von etwas mehr als zwei Jahrhunderten (seit dem dritten buddhistischen Konzil unter Aśoka) hat dazu beigetragen, das Textmaterial zu erweitern, aber inhaltlich dürfte es nicht zu entscheidenden Neuerungen gekommen sein – zumindest was die Schule der Sthaviravādins betrifft, die den uns bekannten Pāli-Kanon weitertradiert haben. Es ist damit rechnen, dass unter Vaṭṭagāmaṇī zwar der Großteil des Textes schriftlich aufgezeichnet wurde, allerdings offensichtlich bis ins 2. Jahrhundert n. Chr. weitere Texte aus Indien nach Sri Lanka gebracht und in den Kanon eingefügt wurden. Diese „Zusätze“ stammen nicht nur aus der Feder der Sthaviravādin-Tradition, sondern geben wohl auch andere Schulmeinungen wieder. Insofern ist der Pāli-Kanon weder aus einem einzigen literarischen Guss noch völlig einheitlich bezüglich seiner Lehraussagen, auch wenn das Gros der Aussagen den Theravāda-Standpunkt widerspiegelt. Die Überlieferung des Pāli-Kanons – nachdem er niedergeschrieben war – führte zwar zu einer Fixierung des Textes, erlaubte aber dennoch – im Laufe der Zeit – bis zu einem gewissen Ausmaß auch eine sprachliche Beeinflussung durch die Gelehrtensprache Sanskrit und das lokale Singhalesisch. Solche sprachlichen Einflüsse zeigen, dass Pāli zwar „Sakralsprache“ der Theravāda-Buddhisten ist, „Pāli“ als Sprache des Kanons jedoch ein Produkt einer langen historischen Entwicklung und der Veränderung durch Einflüsse von anderen Sprachen ist, aber nicht die authentische „Sprache des Buddha Gautama“.3 Die Texte des Pāli-Kanons sind gut zugänglich, da sie in der von der „Pāli Text Society“ initiierten „Translation Series“ vorliegen. Auch in der klassischen Reihe „Sacred Books of the East“ sowie in der Textsammlung der „Sacred Books of the Buddhists“ sind zahlreiche Übersetzungen aus dem Pāli-Kanon zugänglich.

Mit der Schriftlichkeit und Wertschätzung des Pāli-Kanons verbunden sind auch Kommentierungen des Textes. Der Legende nach soll bereits Mahinda einen Kommentar (Aṭṭhakathā, „Erklärungsschriften“) auf die Insel gebracht haben. Einen Meilenstein in der Kommentierung des Kanons und für die Entwicklung des (singhalesischen) Theravāda-Buddhismus stellt Buddhaghosas Visuddhimagga („Pfad der Reinigung“) aus dem 5. Jahrhundert dar, ein praktisch bis heute gültiges Handbuch für Theravāda-Buddhisten, auf dem spätere Kommentare und Subkommentare aufbauen.

Für die singhalesische buddhistische Identität nicht zu unterschätzende Pāli-Quellen sind die „Nationalchroniken“, Dīpavaṃsa und Mahāvaṃsa4, die eine Fortschreibung im Cūlavaṃsa (12. Jahrhundert) erfahren und die teilweise in anderen Theravāda-Ländern nachgeahmt wurden, um so die eigene Buddhismusgeschichte zu deuten. Dadurch entstand eine buddhistische Geschichtsschreibung, die zugleich ein politischer Akt war, um eine untrennbare – und bis zur Gegenwart nachwirkende – Verbindung zwischen Religion und Politik zu schaffen, so dass der Staat den Anweisungen der Mönche entsprechend zu regieren sei.

Das Dīpavaṃsa („Inselchronik“) dürfte noch vor 450 n. Chr. abgeschlossen worden sein, das Mahāvaṃsa („Große Chronik“) wurde im letzten Viertel des 5. Jahrhunderts von einem Mönch namens Mahānāma verfasst. Beide Darstellungen behandeln die Geschichte Sri Lankas bis ins 4. Jahrhundert, wobei die „Inselchronik“ der erste Versuch ist, die Geschichte der Insel in epischer Form darzustellen. Wichtiger als die „Inselchronik“ ist die „Große Chronik“ für das Selbstverständnis Sri Lankas als „Insel Buddhas“. Denn der Verfasser hat sein Werk nicht nur in ausgefeilter Epik mit exakter Metrik geschrieben, wobei er sich manchmal am Stil der höfischen Kāvya-Dichtung Indiens orientiert, sondern auch inhaltlich gewinnt das Mahāvaṃsa einen besonderen Rang: Die Geschichte Sri Lankas ist eine Geschichte Buddhas, dessen drei angebliche Besuche auf der Insel zu Beginn des Mahāvaṃsa literarisch anspruchsvoll beschrieben sind. Man kann diese Chroniken dahingehend charakterisieren, dass sie historische Informationen, religiöse Vorstellungen und politisch-„nationale“ Einstellungen zu einem literarischen Ganzen verbinden. Damit bilden diese Chroniken auch für die folgenden Jahrhunderte eine nicht zu unterschätzende literarische Grundlegung der Idee, dass die Insel Sri Lanka ein buddhistisches Land ist.

Neben diesen „klassischen“ Pāli-Quellen setzen singhalesische Quellen, die historisch verlässlichen Aufschluss über den Buddhismus der Insel geben, erst später ein. Zwar nennt Jayabāhu Dharmakīrti (13. Jahrhundert) in seinem Nikāyasaṃgraha5 („Sammlung der Schriften über die Lehre“) Namen von 28 Mönchen und neun Laien, die zwischen dem 5. und 13. Jahrhundert religiöse Werke verfasst haben sollen; allerdings ist keines dieser Werke erhalten geblieben. Zu den frühesten singhalesischen Quellen gehören Graffiti (7. bis 9. Jahrhundert) von buddhistischen Besuchern auf der Felsenfestung von Sigiriya. Zwischen dem 10. und 13. Jahrhundert zeigen singhalesische literarische Quellen Einflüsse der indischen Hofliteratur, aber auch Themen, die mit den Jātakas verwandt sind, werden in dieser Literatur verarbeitet, so etwa im Mukhadevāvata (Geburtsgeschichte des Bodhisattva als König Mukhadeva; 12. Jahrhundert) oder im Sasadāvata (Geburtsgeschichte des Bodhisattva als Hase). Andere singhalesische Quellen, die sich an Laien richten, betonen religiöse (und moralische) Werte und sind stilistisch wie Predigten gehalten.6

2.  Geschichtliche Entwicklung des Buddhismus in Sri Lanka

2.1.  Die vorkoloniale Zeit

2.1.1.  Von den Anfängen bis zur zweiten Hälfte des 1. Jahrtausends n. Chr.

Für das Selbstverständnis buddhistischer Singhalesen ist die legendarische Überlieferung, dass bereits der historische Buddha die Insel dreimal besucht haben soll, der Ausgangspunkt der Buddhismus-Geschichte Sri Lankas. Dabei soll Buddha selbst Sri Lanka zur Insel seiner Religion (dhammadīpa) bestimmt haben. Deswegen sollen die Bewohner der Insel in Zukunft die Überlieferung der Religion sichern, wobei sich die buddhistische Staatsideologie bis heute auf solche Vorstellungen stützt.7 Die Grundlage dieser Überlieferung ist ein Narrativ aus dem Mahāvaṃsa: Erstmals sei der Buddha im neunten Monat seiner Buddhaschaft auf die Insel gekommen, habe dort die Yakkha, Geister und übermenschliche Wesen der vor-buddhistischen Religion der Insel, vertrieben bzw. bekehrt, um so Platz für Buddhas Anhänger zu machen. Bevor er nach Indien zurückkehrte, ließ er eine Haarreliquie zurück, die im Stūpa von Mahiyangana bewahrt wird (vgl. Mahāvaṃsa [Mv.] 1,19f.). Die Aussage drückt bereits ein frühes Missionsprogramm aus, indem durch die Bekehrung der Dämonen zum Buddhismus die Insel an den „indischen“ Kulturraum angeschlossen wird. Dabei erfasst Buddhas Besuch das Zentrum der Insel und wird auch Ausgangspunkt für den Reliquienkult. Der zweite Besuch wird im Mahāvaṃsa in das fünfte Jahr der Buddhaschaft datiert (Mv. 1,44ff.): Zwei Nāga-Könige laden Buddha ein, damit er einen Streit zwischen ihnen schlichtet. Als die beiden ihn kommen sehen, verehren sie ihn und nehmen seine Botschaft an. Die Episode wird auf die Insel Nāgadīpa (d. h. die heutige Halbinsel Jaffna) an der Nordwestspitze Sri Lankas lokalisiert. Bevor er die Insel mit dem Versprechen wiederzukommen verlässt, pflanzt er als weitere Reliquie einen Baum als Mahnmal, damit der Friede zwischen den Inselbewohnern bewahrt bleibe. Zum dritten Besuch im achten Jahr der Buddhaschaft wird der Buddha vom Schlangenkönig in den Südwesten der Insel eingeladen (Mv. 1,77). Bei diesem Besuch begleiten bereits die Mönche den Buddha. Nach der Bekehrungspredigt geht Buddha zum Sumanakūṭa, dem „heiteren Gipfel“ (d. h. zum heutigen Adam’s Peak), und hinterlässt dort seinen Fußabdruck. Dabei kommt es zur Bekehrung der vorbuddhistischen Berggottheit (Mahā-)Sumana/Saman, die nunmehr zum Beschützer der Religion auf der Insel wird. Buddha setzt seine Besuchsreise entlang der Ostküste fort, bis er nach Anurādhapura kommt. Dort meditiert er für lange Zeit an der Stelle, an der später ein Bodhi-Baum (aus Bodh Gayā) gepflanzt werden soll. Danach kehrt Buddha nach Indien zurück. Der dritte Besuch ist nicht nur der umfangreichste, sondern er erfasst praktisch die ganze Insel und verbindet durch die Hinterlassung einer Baum-Reliquie auch die (spätere) Hauptstadt Anurādhapura eng mit Bodh Gayā, dem Erleuchtungsort in Indien. – Die drei Besuche besitzen keinen historischen Wert, transferieren jedoch die Anfänge der Religion auf der Insel in die unmittelbare Entstehungszeit des Buddhismus und begründen die Popularität der volkstümlichen Reliquienverehrung genauso wie die religiöse Legitimierung der Hauptstadt Anurādhapura.

Die historischen Anfänge des Buddhismus in Sri Lanka fallen in die Regierungszeit von König Devānampiya Tissa (247–207), der unmittelbar nach seinem Regierungsantritt eine diplomatische Gesandtschaft zu Aśoka sandte (vgl. Mv. 9). Aśokas Antwort verweist auf seine eigene Annahme des Buddhismus, weshalb er seinen Sohn (oder Neffen, wie andere Quellen sagen) Mahinda (begleitet von Mönchen) auf die Insel schickt. Legendarisch8 wird die Begegnung zwischen Mahinda und Devānampiya Tissa dahingehend ausgeschmückt, dass der König – mit 40 000 Personen seiner Gefolgschaft – sich der Lehre Buddhas anschloss. Damit die Mönche in der Hauptstadt Anurādhapura blieben, stiftete der König ein großes Areal im Mahāmegha-Park, auf dem das Mahāvihāra errichtet wurde; der umgrenzte Klosterbezirk (sīmā) schloss dabei die königliche Residenz und die Hauptstadt ein. Während der Regenzeit verweilte Mahinda in Mihintale, wo später das Cetiyagiri-Vihāra entstand. Auf Anraten Mahindas schickte der König eine Botschaft zu Aśoka, um Mahindas Schwester Saṅghamittā auf die Insel einzuladen, damit sie sich um die buddhistische Unterweisung der Frauen kümmere. Saṅghamittā brachte bei ihrer Ankunft auf der Insel auf Geheiß Aśokas auch einen Setzling des Bodhi-Baumes aus Bodh Gayā mit, der mit großen Festlichkeiten im Mahāmegha-Park der Hauptstadt beim Mahāvihāra gepflanzt wurde. Nach der singhalesisch-buddhistischen Tradition entfaltete sich der Buddhismus mit größtem Erfolg unmittelbar nach seiner Einführung. Mahinda und Saṅghamittā starben im achten bzw. neunten Regierungsjahr von Devānampiya Tissas Nachfolger Uttiya. Hinsichtlich der verlässlichen Historizität der Traditionen dieser Anfänge des Buddhismus kann man festhalten, dass die erfolgreiche „Einpflanzung“ der Religion ohne die Förderung durch Devānampiya Tissa nicht möglich gewesen wäre. Zugleich machen diese Traditionen deutlich, dass man – durch den unmittelbaren Rückbezug auf den großen indischen Buddhismus-Förderer Aśoka und damit auch auf das dritte buddhistische Konzil – zum Ausdruck bringen will, dass der Buddhismus der Insel die völlig reine und ursprüngliche Lehre ist, die Buddha verkündet hat.

Das Festhalten an der Reinheit der Lehre zeigt sich auch in der Überlieferung über Duṭṭhagāmaṇī (161–137) sowie über die Konflikte zwischen Singhalesen und Tamilen. Duṭṭhagāmaṇī hat in einem Feldzug tamilische Invasoren aus Südindien, die den Norden der Insel besetzt haben, wieder vertrieben. Im Mahāvaṃsa wird diese Auseinandersetzung ausführlich beschrieben (Mv. 22–32),9 wobei der Kampf gegen die politischen Feinde zugleich zu einem Kampf für die Religion stilisiert wird. Damit finden wir erstmals die enge Verbindung von singhalesischem Buddhismus und dem politischen Wohlergehen des Landes, ein Motiv, das mehrfach im Laufe der Geschichte Sri Lankas aufgegriffen und mit Duṭṭhagāmaṇīs Handlungsweise legitimiert wird. Duṭṭhagāmaṇīs Rolle als Schützer und Förderer des Buddhismus drückt die Tradition des Weiteren auch dadurch aus, dass während seiner Regierungszeit angeblich zum ersten Mal das Vesakh-Fest gefeiert wurde.

Wichtige Ereignisse für die weitere Entwicklung fallen ins 1. Jahrhundert v. Chr., v. a. in die Regierungszeit von König Vaṭṭagāmaṇī.10 Wenige Monate nach seinem Regierungsantritt wurde er von einer tamilischen Armee für vierzehn Jahre aus seinem Herrschaftsbereich vertrieben. Dies schwächte den Buddhismus genauso wie eine Hungersnot, durch die Laien und Mönche ihr Leben verloren. Das Mahāvihāra als buddhistisches Zentrum des Landes wurde aufgegeben. Nachdem Vaṭṭagāmaṇī wieder auf den Thron gelangte, errichtete er ein neues Kloster, Abhayagiri Vihāra, das er dem Mönch Kupikkala Mahā Tissa übertrug, der ihn während seines Exils unterstützt hatte (Mv. 33,78–81). Dieses neue Kloster entwickelte sich in Konkurrenz zum wiederbelebten Mahāvihāra. Die Mönche des Mahāvihāra hielten das neue Kloster für häretisch, weil deren Mönche durch Kontakte zu indischen Mönchen eigene Lehrinterpretationen entwickelten, die – als Dhammarucika-Richtung11 bis zum Beginn des 2. Jahrtausends – eine eigenständige Gruppe innerhalb des Buddhismus auf Sri Lanka blieben. Diese Spannung und die Gefahr des Verlustes von buddhistischem Wissen führte zu einem weiteren entscheidenden Ereignis. Die Mahāvihāra-Mönche beriefen mit der Zustimmung des Königs, der trotz seiner Stiftung des Abhayagiri-Vihāra auch das Mahāvihāra unterstützte, eine Versammlung ein, um die Pāli-Überlieferung zu sichern. Nach dem Nikāyasaṃgraha sollen 500 Mönche und Schreiber im Höhlentempel von Aluvihāra bei Matale im zentralen Hochland der Insel alle Überlieferungen Buddhas niedergeschrieben haben. Unsicher muss dabei jedoch bleiben, ob diese Textfassung schon alle jene Texte enthalten hat, die wir als Pāli-Kanon bezeichnen. Denn erst Kommentare aus dem 5. Jahrhundert lassen erschließen, was zur Entstehungszeit der Kommentare zum Pāli-Kanon gerechnet wurde.12

Eine dritte Schulrichtung auf Sri Lanka entstand im 3. Jahrhundert, die Vetullavāda (skt. vaitulyavāda; pāli auch vetulyavāda) mit dem Jetavanavihāra, die als Neuerung von den Mahāvihāra-Mönchen stärker bekämpft wurde als von den Abhayagiri-Vihāra-Mönchen.13 Durch wechselnde Unterstützung von Seiten der Könige konnten allerdings alle drei Theravāda-Subschulen während der folgenden Jahrhunderte den Buddhismus der Insel prägen, auch wenn die Mönche des Mahāvihāra quantitativ wohl durchgehend in der Überzahl waren. Besonders in der Entstehungszeit der Vetullavāda verfolgte König Vohārika Tissa (269–291) die neue Richtung, einer seiner Nachfolger, Mahāsena (334–361), hingegen unterstützte die Mahāyāna-Tradition, die teilweise das Gedankengut der Vetullavāda beeinflusste, und ließ auch das Mahāvihāra zerstören.14 Auch die Ankunft der Zahnreliquie Buddhas zu Beginn der Regierungszeit von Siri Meghavaṇṇa (362–409) und deren Übernahme durch Abhayagiri-Mönche zeigt die Nähe dieser Mönche zum Mahā­yāna-Denken mit dem Reliquienkult.15

Für die – die weitere Geschichte Sri Lankas prägende – Fokussierung auf den Theravāda-Buddhismus ist das Wirken Buddhaghosas (Anfang 5. Jahrhundert) zu nennen,16 der wohl aus einer indischen Brahmanenfamilie stammte, aber als Mönch im Mahāvihāra zum maßgeblichen Kommentator wichtiger Teile des Pāli-Kanons wurde und mit seinem Visuddhimagga17 („Weg der Reinheit“) auch eine grundlegende systematische Darstellung der Theravāda-Lehren lieferte. Inhaltlich ordnet Buddhaghosa den „Weg zur Reinheit“ nach den drei Themenkreisen Sittlichkeit (sīla), Konzentration/Meditation (samādhi) und Weisheit (paññā). Buddha­ghosas Strukturierung von Meditation18 benennt vierzig Elemente der samatha-Technik und -Praxis, um sich dadurch von den Sinneseindrücken immer mehr zu distanzieren und durch die Meditation sieben Qualitäten von Reinheit (visuddhi) zu kultivieren. Ferner ist hinsichtlich der Bedeutung Buddha­ghosas nicht zu unterschätzen, dass er entscheidend dazu beigetragen hat, dass Pāli zur „Sakralsprache“ der Theravādins wurde. In der überregionalen Praxis stellte dies eine wesentliche Erleichterung der Kommunikation zwischen Theravāda-Mönchen in ganz Süd- und Südostasien dar.

So entstand eine „Buchgelehrsamkeit“ der Mönche, für deren Selbstverständnis die Pflege des Pāli-Kanons eine wichtige Rolle zu spielen begann. Dadurch entwickelten sie eine hohe Kompetenz in den „Hilfswissenschaften“ der Textinterpretation. Dazu gehören Kenntnisse der Sprache und der Grammatik, aber auch der buddhistischen Geschichte, der Logik und der Mathematik. Auf diese Weise gilt Sri Lanka ab der Mitte des 1. Jahrtausends n. Chr. als das buddhistische Zentrum schlechthin, das zeitweilig sogar Indien übertroffen hat. Chinesische Pilger wie Faxian (ca. 340–420) oder Xuanzang (603–664) besuchten auf ihren Pilgerreisen zu den buddhistischen Stätten Indiens auch die Insel und sprachen voller Lob über die Buddhisten als Bewahrer des alten Erbes. Allerdings ist die politische Geschichte der Insel in der zweiten Hälfte des 1. Jahrtausends bis ins 11. Jahrhundert von Unruhen, Kriegen und Invasoren geprägt. Vor allem der Aufstieg der Chola in Südindien führte dazu, dass die Insel unter die Herrschaft der Chola-Fürsten Rājarāja und Rājendra geriet und die Hauptstadt Anurādhapura im Jahr 993 zerstört wurde. Solche politischen Veränderungen betrafen auch den Buddhismus, da die königliche Förderung von Klöstern ausblieb. Genauso ist – trotz der Betonung der Theravāda-Traditionen – nicht zu übersehen, dass in diesen Jahrhunderten auch mahāyāna-geprägte Weisheitsschulen (prajñāpāramitā), buddhistisches Tantra sowie seit dem 8. Jahrhundert auch hinduistische Strömungen Anhänger auf der Insel hatten.

2.1.2.  Mönche im Mittelalter als Machtfaktor

Trotz der wechselnden politischen Situation sind die letzten Jahrhunderte des 1. Jahrtausends eine Blütezeit des Saṅgha in Sri Lanka, da die Mönche eine zentrale Rolle in der Gesellschaft spielen und Klöster bis ins frühe 2. Jahrtausend die größten Grundbesitzer auf der Insel sind.19 Da den Mönchen schon frühzeitig Ländereien und Parkgelände gespendet wurden, die landwirtschaftlich bearbeitet werden mussten, wurden die Klöster zu Wirtschaftsfaktoren der Insel. Da aber – nach den Ordensregeln – Mönche nicht den Boden bearbeiten oder andere wirtschaftliche Aktivitäten ausüben durften, um auch den Status der „Besitzlosigkeit“ zu bewahren, war es notwendig, dass dieser Grundbesitz von Laien als Klosterbediensteten versorgt wurde. Die Verflechtung der Klöster mit der Landwirtschaft hob die Mönche praktisch auf eine gesellschaftliche Stufe mit „Laien-Grundbesitzern“. Zugleich ist aber anzunehmen, dass hinsichtlich des Grundbesitzes (und der damit verbundenen wirtschaftlichen Macht) ein Unterschied zwischen den großen Klöstern in den Städten und den kleinen Dorfklöstern bestanden hat, durch den Erstere Teil der Oberschicht der Gesellschaft wurden. Neben den wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen Klöstern und Laien bestanden teilweise auch verwandtschaftliche Beziehungen zwischen hochrangigen Mönchen und weltlichen Machthabern. Diesen sozialen Aufstieg spiegeln auch die Klosteranlagen in der Hauptstadt Anurādhapura wieder, deren architektonische und künstlerische Ausführung im Laufe der Zeit an Qualität deutlich zunahm. Die so genannte Jetavanārāma-Inschrift20 aus dem Klosterkomplex in Anurādhapura regelt nicht nur die Versorgung der hundert Mönche, die im 9. Jahrhundert im Kloster lebten, sondern nennt noch weitere Dörfer, die zum Kloster gehören, in denen ebenfalls Mönche als „Außenstelle“ lebten. Diese Mönche hatten die Aufgabe, die Regelmäßigkeit der Abgaben der Dörfer für das Kloster in der Hauptstadt zu beaufsichtigen. Ferner zeigt die Inschrift, dass die Klöster in dieser Blütezeit florierende und durchorganisierte Wirtschaftsbetriebe waren, in denen eine klare Arbeitsteilung zwischen Mönchen und Laien notwendig war.

Ein politischer Neuaufstieg der Insel setzte in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts ein, als Vijayabāhu I. Polonnaruwa zur neuen Hauptstadt machte und um 1065/1070 die Chola-Herrschaft beendete. Zur Erneuerung der monastischen Traditionen führte er eine aus Birma importierte Mönchsordination ein, da – trotz der wirtschaftlichen Macht der Klöster – die Ordenszucht in den vergangenen Jahrhunderten zurückgegangen war; als Gegengabe sandte Vijayabāhu eine Kopie des Tipiṭaka zu König Anawrahta in Pagan, der damaligen Hauptstadt Birmas. In der Folge kommt es zu weiteren Kontakten zwischen Sri Lanka und Birma, da in diesem südostasiatischen Königreich im 11. Jahrhundert eine religiöse Neuorientierung hinsichtlich der Förderung des Theravāda-Buddhismus begonnen hat.21 Vijayabāhus Enkel Parakkamabāhu I. (1153–1186) baut Polonnaruwa weiter aus und transferiert die Zahnreliquie in die neue Hauptstadt. Innerhalb der Klosterstruktur findet ebenfalls eine maßgebliche Veränderung statt, indem alle Mönche dem Mahāvihāra als der nunmehr einzigen als „orthodox“ angesehenen Mönchstradition untergeordnet werden bzw. unwillige Mönche aus dem Saṅgha ausgeschlossen wurden.22 Literarisch schlägt sich diese „Reform“ auch im Entstehen neuer Subkommentare zum Pāli-Kanon nieder,23 die sich v. a. auf das Vinaya-Piṭaka beziehen, um die Ordenszucht im neu vereinigten Saṅgha für die Zukunft zu sichern. Ebenfalls erwähnenswert ist, dass in dieser Zeit auch die Wertschätzung des Adam’s Peak als Pilgerort zugenommen hat, wobei unter Parakkamabāhu wahrscheinlich der erste Tempel für den Gott Saman als feste Baustruktur auf dem Berg errichtet wurde.

Als zu Beginn des 13. Jahrhunderts der südindische Herrscher Magha in Sri Lanka einfiel, hat er mit der Zerstörung der wirtschaftlichen Grundlagen zugleich den Buddhismus empfindlich getroffen. Die erneute Renaissance unter König Parakkamabāhu II. (1236–1270) konnte schließlich nur mehr zum Teil an die frühere Blüte anschließen,24 auch wenn sich die Herrscher von Sukhothai in der Mitte des Jahrhunderts auf den aus Sri Lanka übernommenen Buddhismus für ihre Herrschaft stützten. Dies zeigt die „überregionale“ Wertschätzung der Theravāda-Tradition der Insel. Dennoch ist seit dieser Zeit ein Rückgang des Mönchtums unübersehbar. Die Vorschriften des Vinaya-Piṭaka wurden nicht mehr von den verweltlichten „Klostermönchen“, die z. T. auch Frauen und Kinder hatten, sondern nur noch von den so genannten „Waldmönchen“ befolgt. Die Verbindung der Klöster mit dem Weltleben führt auch zur Bewertung der Mönche entsprechend zweier Gruppen und Aufgaben: als so genannte „Dorfmönche“ (gāmavāsin), die als Lehrer, Prediger und Ritualspezialisten gesehen werden und als so genannte „Waldmönche“ (araññavāsin), die asketisch meditieren.25 Auch wenn diese Zweiteilung idealtypisch ist und schon für die frühe Geschichte des Buddhismus in dieser Weise anwendbar gewesen wäre, gewinnt sie durch die „verweltlichte“ Entwicklung der grundbesitzenden und -verwaltenden Klöster eine Konkretisierung, wobei die „Waldmönche“ in der Minderheit waren.

Ab den ersten Jahrhunderten des 2. Jahrtausends beginnt auch der tamilische (hinduistische) Bevölkerungsteil im Norden der Insel eine größere dauerhafte Rolle für die religiöse Vielfalt zu spielen, zu der – mit ersten Anfängen bereits im 8. Jahrhundert – auch Muslime als kleine Bevölkerungsgruppe gehören. Im 14. Jahrhundert setzte der Zerfall der politischen Einheit Sri Lankas ein, auch der Buddhismus erlebte in dieser Zeit eine Phase des Niedergangs, da die Ordensregeln weitgehend missachtet wurden und abgesehen von den „Waldmönchen“ auch die zölibatäre Lebensweise oft aufgegeben wurde. Unter Parakkamabāhu VI. (1411–1466), der die Zentralmacht in der neuen Hauptstadt Kotte (heute ein Vorort von Colombo) stärken konnte, kam es nochmals zu einer Verbesserung, so dass erneut Sri Lanka zu einem Bezugspunkt für Buddhisten außerhalb des Landes wurde. So hat Dhammaceti (1472–1492), der Herrscher von Pegu in Birma, Mönche für die Ordensreform in Pegu nach Sri Lanka geschickt, damit diese dort ordiniert würden, um so in der „richtigen“ Theravāda-Tradition zu stehen.26 Nach der Rückkehr dieser Mönche nach Birma etablierten sie dort zur Stärkung der birmanischen Mönchstradition die Ordinationslinie aus Sri Lanka, wobei auch Thailand und Kambodscha – sekundär – mit der Tradition der Insel verbunden wurden. Auf der Insel selbst setzt jedoch gegen Ende des 15. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts eine Zersplitterung der Macht ein. Einerseits führt dies zum Aufstieg von Kandy im zentralen Bergland als neues politisches Zentrum für einen Teil der Insel, andererseits ermöglicht die fehlende Gesamtherrschaft über die Insel das Vordringen der Portugiesen und den Beginn der Kolonialzeit Sri Lankas.

2.2.  Die Rolle des Buddhismus während der Kolonialzeit

2.2.1.  Die Zeit der Portugiesen und Holländer

Die europäische Kolonialherrschaft – zunächst durch die Portugiesen (ab 1505) und Holländer (ab 1656) und schließlich durch die Engländer (1798–1948) – führte zu einem weiteren Rückgang des Buddhismus. Bei der Ankunft der Portugiesen war die Insel in drei Königreiche – Kotte (im Westen), Kandy (im zentralen Bergland) und Jaffna (im Norden) – geteilt, wobei die Portugiesen zunächst mit dem Königreich von Kotte in Kontakt kamen. Für den Buddhismus bedeutete dies den Anbruch einer neuen Periode, als die Herrscher von Kotte außer Stande waren, der Verbreitung des katholischen Christentums durch die Portugiesen Einhalt zu gebieten. In den küstennahen Gebieten im (Süd-)Westen der Insel konnte das Christentum ab der Mitte des 16. Jahrhunderts erfolgreich Fuß fassen, teilweise durch Zwangskonversionen auf Druck der Kolonialmacht.27 Ebenfalls nachteilig auf den Buddhismus in dieser Zeit wirkte sich die Hinwendung zum Śivaismus durch Rājasinha I. (1581–1592) aus, der den Buddhismus nicht nur unterdrückte, sondern auch Mönche töten ließ. Im Cūḷavaṃsa (12. Jahrhundert) wird seine Herrschaft als dunkle Periode beschrieben, da der König auf dem Sumanakūṭa (Adam’s Peak) „falsche Asketen“ eingesetzt habe, um durch sie Gewinn aus den Wallfahrten zum Berg zu ziehen. Auch wenn die buddhistische Sichtweise des Cūḷavaṃsa klar polemisch ausgerichtet ist, ist zutreffend, dass Rājasinha den Adam’s Peak zu einem śivaitischen Heiligtum umgestaltete und so den Buddhismus in die dunkelste Periode seiner Geschichte auf der Insel führte.28 Trotz der Rückschläge für den Buddhismus versuchten die Herrscher in Kandy weiterhin, sich gegenüber der Vorherrschaft der Portugiesen zu behaupten, und konnten diese schließlich mit Hilfe der Holländer beenden. Allerdings übernahmen die Holländer ab den späten Fünfzigerjahren des 17. Jahrhunderts die Gebiete, die zuvor in den Händen der Portugiesen waren.

Die Holländer waren primär auf die Optimierung ihrer Handelsinteressen ausgerichtet und wünschten zu diesem Zweck politisch stabile Verhältnisse auf der Insel.29 Daher waren sie religiös-missionarisch nicht aktiv, so dass der Buddhismus v. a. im Herrschaftsbereich des Königreichs Kandy wieder erstarkte. So war Vimaladhamma Suriya (1687–1706) ein engagierter Buddhist, der nicht nur drei Pavillons für die Zahnreliquie in Kandy errichtete, sondern auch eine Wallfahrt zum Adam’s Peak (Sumanakūṭa) unternahm, um dadurch die „buddhistische“ Ausrichtung des Heiligtums zu demonstrieren.30 Ferner konnte der Buddhismus Sri Lankas durch Gesandtschaften nach Arakan und Birma bzw. Siam (Thailand) im 17. Jahrhundert wiederum stärkende Impulse erhalten. Kandys Status als Zentrum des Buddhismus wurde auch durch den mehrfachen Umbau des so genannten „Zahn-Tempels“, der nunmehr die im 4. Jahrhundert aus Indien nach Anurādhapura gebrachte Zahnreliquie des Buddha beherbergte, gefördert.

Die Herrschaft von Kirti Srī Rājasinha (1748–1778) war für den Buddhismus äußerst günstig, da er Fehlentwicklungen in den Klöstern erfolgreich zu beseitigen wusste.31 Die Klöster waren praktisch nur noch „weltliche“ Institutionen mit Grundbesitz und religiöse Kenntnisse der Mönche waren kaum vorhanden. Da der Grundbesitz in der Regel in einem Kloster vom Onkel auf den Neffen weitervererbt wurde, musste in jeder Generation wenigstens ein Familienmitglied in den Saṅgha eintreten, um das „Familienerbe“ zu retten. Kenntnisse der Lehre und die Befolgung der Ordensregeln spielten aber häufig keine Rolle mehr. Um eine ordnungsgemäße Ordination neuer Mönche in die Wege zu leiten, schickte Kirti Srī Rājasinha eine Gesandtschaft nach Siam, um durch Mönche von dort den Orden in Sri Lanka zu reinigen und die Ordinationskette wieder zu schließen. Man kann hierin einen „Re-Import“ der Theravāda-Tradition Sri Lankas aus Siam (Ayutthaya) sehen, wohin sie im 15. Jahrhundert zur Zeit Dhammacetis durch die „Zwischenstation“ in Pegu gelangt war. Als Resultat dieser Reform entstand 1753 der Siyāma- bzw. Syāma-Nikāya; um die „Qualität“ des Mönchtums sicherzustellen, konnten nur Mönche aus Bevölkerungskreisen der Oberschicht in den Nikāya eintreten. Das dadurch wiedererstarkte Mönchtum der Insel führte auch zu erneuerten Kontakten zwischen dem Saṅgha Sri Lankas und südostasiatischen Klöstern, wodurch zwei weitere Reformorden entstanden: Im Jahr 1798 ging der Novize Ambagahapiṭiyē Ñāṇavimalatissa nach Amarapura in Birma, um dort den Buddhismus zu studieren und die Mönchsweihe (upasampadā) zu erhalten. Nach seiner Rückkehr nach Kandy gründete er dort 1802 den Amarapura-Nikāya, den er nach dem birmanischen Ort seiner Mönchsweihe benannte. Ein weiterer birmanisch geprägter Reformorden wurde 1864 durch Ambagahavattē Indāsabhavarañña als Rāmañña-Nikāya gegründet. Alle drei Orden – und weitere Nikāya-Zweige – unterscheiden sich kaum im organisatorischen Aufbau, sind aber voneinander in der Hierarchie völlig unabhängig, so dass jeder Orden von einem Mahānikāya-Thera geleitet wird. Für die buddhistischen Laien ist die Zugehörigkeit eines Mönches zu einem bestimmten Orden dabei von nachrangiger Bedeutung. Diese Orden sind bis zur Gegenwart auf der Insel verbreitet und bilden gemeinsam den Mahāsaṅgha.32

Am Ende des 18. Jahrhunderts ging die Kolonialherrschaft der Holländer zu Ende, die zunächst von den Engländern von den Küstengebieten vertrieben wurden. Durch Intrigen gegen den letzten singhalesischen König, bei denen oppositionelle Kräfte in Kandy die Engländer zur Hilfe riefen, wurde der König 1815 zur Abdankung gezwungen. Dadurch hatten die Engländer die ganze Insel unter ihre Kontrolle gebracht.

2.2.2.  Erneuerungsbewegungen während der englischen Kolonialperiode

Die als nötig empfundene Reform des Saṅgha wurde zunächst nach traditionellen Mustern anhand einer Erneuerung des Ordens durchgeführt. Im Laufe des 19. Jahrhunderts entstanden neue Formen des Buddhismus, die sich vor allem anhand der Auseinandersetzung mit anderen Religionen und durch den Kontakt mit Europa entwickelten. Unterschiedliche Theoriemodelle betitelten dieses Phänomen wahlweise mit „buddhistischem Modernismus“, „Neo-Buddhismus“ oder „protestantischem Buddhismus“.33 Welcher Definition man auch folgt: Wichtig ist, dass sich in dieser Zeit bestimmte Aspekte der Religion änderten, die bis in die heutige Zeit nachwirken, aber auch in Kombination mit traditionalistischen Rückkopplungs-Bewegungen zu Spannungen in der Gesellschaft führten. Die wichtigsten davon sind: eine Rückkehr zu den als kanonisch empfundenen Schriften, eine Konsolidierung der Lehre in Abgrenzung zu „volksreligiösen“ Praktiken und die Entwicklung neuer Parameter für die Rollen von Laien und Mönchen.

Diese Entwicklungen können als Reaktion auf die christliche Missionsaktivität gelesen werden, die zusammen mit der nicht am Buddhismus interessierten Kolonialmacht dazu führte, dass ein Gefühl der Bedrohung der traditionellen Religion vorherrschte. Dies zeigte sich ab etwa 1839 in der Abfassung polemischer Traktate auf Palmblättern (ola), die auf die Pamphlete der Missionare antworteten, die ihrerseits den Buddhismus gegenüber dem Christentum als minderwertige Religion dargestellt hatten.34 Um auf die Auseinandersetzung mit westlicher Fremdherrschaft besser reagieren zu können, gründete der Mönch Valānē Siddhārtha 1849 südlich von Colombo eine moderne Mönchsschule (pirivena), um den Mönchen auch „westliche“ Bildung zu vermitteln. Von einem organisierten Revival des Buddhismus als Reaktion auf die christliche und koloniale Herausforderung kann aber erst ab etwa den 1860er Jahren gesprochen werden, in welchen zwei Mönche prominente Rollen einnehmen: Mohoṭṭivattē Guṇānanda (1823–1890) und Hikkaduve Sumangala (1826–1911). Guṇānanda gründete 1862 die erste Vereinigung zur Revitalisierung des Buddhismus, die „Society for the Propagation of Buddhism“,35 darüber hinaus übernahm er die Verteidigung des Buddhismus in der berühmten Debatte von Pānadurā. Sumangala setzte sich durch den Erwerb einer Druckerpresse 1855 mit Guṇānanda für eine Gegenkampange zur christlichen Mission ein und etablierte das buddhistische College Vidyodaya 1873. In solchen Reaktionen auf christliche Polemik und den Überlegenheitsanspruch gegenüber dem Buddhismus stehen die insgesamt fünf buddhistisch-christichen Debatten36 – Baddēgama (1865), Vardagoda (1865), Udanvita (1866), Gampola (1871) und Pānadurā (1873) –, die alle auch dazu dienten, das buddhistische Selbstbewusstsein zu stärken, wobei Träger dieser Debatten sowohl der Siyāma-Nikāya als auch der erst kurz zuvor gegründete Rāmañña-Nikāya waren.

Diese indigenen Reformtendenzen wurden zusätzlich durch das gestiegene Interesse am Buddhismus im Westen befeuert, welches dazu führte, dass 1880 die Gründer der Theosophischen Gesellschaft, Helena Blavatsky (1831–1891) und Henry Steel Olcott (1832–1907) nach Sri Lanka kamen, um dort einen Zweig ihrer mystisch-spiritistischen Vereinigung zu gründen, die nach der ultimativen Wahrheit suchte, die ihrer Meinung nach allen Religionen zugrunde lag. Diese „Buddhist Theosophical Society“ (BTS) unter Olcotts Leitung trieb viele Entwicklungen voran, die einen konsolidierten, modernen Buddhismus nach dem Vorbild christlicher Organisationen formten. So band Olcott die Laiengemeinde stark in die BTS ein und durch seinen Status als Außenstehender konnte er im Sinne des Buddhismus mit der Kolonialverwaltung verhandeln.37 Dies führte unter anderem dazu, dass wieder öffentliche buddhistische Prozessionen durchgeführt werden konnten und Vesakh zu einem nationalen Feiertag wurde. Allerdings war Olcotts Buddhismus-Verständnis stark von wissenschaftlich-aufgeklärten Ansichten über die Religion geprägt, die in der rationalen und als atheistisch verstandenen Beschreibung des buddhistischen Heilswegs eine Religion ohne Götter und Aberglauben sahen, die mit den Erkenntnissen der modernen Naturwissenschaft kompatibel war.38 Diese neue Interpretation des Buddhismus durch Olcott zeigt sich besonders in seiner wichtigsten Veröffentlichung, dem „Buddhistischen Katechismus“ von 1881. Hierin werden magische und volksreligiöse Praktiken wie die Verehrung von devas als „Korruptionen“ der reinen Lehre gezeichnet, zu welcher man zurückkehren sollte. Noch wichtiger für spätere Entwicklungen war allerdings Olcotts Darstellung des Buddhismus als eine Religion der Selbstkultivierung und somit sein Herunterspielen der Rolle des Mönches: Der „Katechismus“ macht klar, dass die Verehrung von Mönchen nach seiner Auffassung zum Erlangen des religiösen Heils nicht zwingend notwendig war.39

Olcotts wichtigster Schüler wurde der Singhalese Don David Hewavitarne (1864–1933), besser bekannt unter seinem später angenommenen Titel Anagārika Dharmapāla („Beschützer des Dharma“). Im Jahr 1884 reiste er mit Blavatsky und Olcott nach Indien, um Pāli und den Buddhismus zu studieren und später die Leitung der BTS zu übernehmen. Wie Olcott vor ihm betonte Dharmapāla die Rückkehr zu den kanonischen Schriften und lehnte die volksreligiöse Tradition ab. Sein primäres Ziel war es, die „Unwissenheit“ der singhalesischen Bevölkerung gegenüber dem „wahren“ Buddhismus zu beseitigen, indem er Predigtreisen innerhalb des Landes durchführte.40 Schuld am Wissensverfall seien unter anderem auch die Mönche gewesen, deren mangelndes soziales und politisches Engagement Dharmapāla scharf kritisierte.41 Die Dringlichkeit eines weltweiten buddhistischen Revivals wurde ihm besonders bewusst, als er in Indien die heiligen Stätten des Buddhismus, besonders den Ort von Buddhas Erleuchtung, Bodh Gayā, besuchte und sah, in welch desolatem Zustand sie sich befanden.42 Um diese Stätten wieder in buddhistischen Besitz zu bringen, gründete er 1891 die „Maha Bodhi Society“ (MBS), die sich darüber hinaus als eine weltweite buddhistische Missions- und Revitalisierungsvereinigung verstand. 1906 brach Dharmapāla mit der BTS und Olcott, da er befürchtete, die theosophische Lehre würde den echten Buddhismus korrumpieren. Ab dieser Zeit wurden Dharmapālas Veröffentlichungen in der von ihm herausgegebenen Zeitschrift Sinhala Baudhayā („Der singhalesische Buddhist“) zunehmend von nationalistischen Gedanken geprägt. Dadurch verknüpfte er eine buddhistische Identität mit einer singhalesischen Nationalidentität: Nur durch die Rückkehr zum richtigen Buddhismus einer idealisierten Vergangenheit könne Unabhängigkeit erlangt werden und die singhalesische Gesellschaft zu ihrer einstigen Größe zurückkehren.43 Dabei zeichnete er unter Rückgriff auf das Mahāvaṃsa Sri Lanka als Heimatland des Buddhismus mit einer Verantwortung gegenüber anderen buddhistischen Ländern, die Lehre zu bewahren und zu erneuern.44

Neben diesen Bewegungen, die sich für eine größere Rolle der Laien und ein politisches und soziales Engagement der Mönche einsetzten, gab es auch eine Gruppe von Aktivisten, die George Bond als „Neotraditionalisten“45 bezeichnet und die eine weniger militant-emotionale Strategie verfolgten. Sie organisierten sich in Laienvereinigungen, besonders in der „Young Men’s Buddhist Association“ (YMBA, ab 1898) und dem „All Ceylon Buddhist Congress“ (ACBC, ab 1919 zunächst unter dem Titel „All Ceylon YMBA Congress“). Im Gegensatz zur MBS wünschten sie sich eine Rollenverteilung zwischen Mönchen und Laien, die stärker an dem traditionellen Theravāda-Ideal angelehnt war, in dem nur der monastische Weg Erleuchtung versprach. Modern war an ihrer Interpretation die starke Einbindung sozial-karitativer Aktivitäten, die sie aufgrund des buddhistischen Konzepts von Mitleid als wichtige Aufgabe eines guten Buddhisten interpretierten.46

2.2.3.  Auseinandersetzungen mit anderen religiösen Gruppen

Die genannten Entwicklungen zur Konsolidierung der buddhistischen Religion entstanden vor allem reaktiv in der Auseinandersetzung mit den missionarisch aktiven Christen. Dabei ist zu beachten, dass die britische Kolonialmacht bereits die dritte christliche Machthaberin auf der Insel war und insofern lediglich Entwicklungen fortschrieb, die in Teilen Sri Lankas bereits unter portugiesischer und niederländischer Verwaltung begonnen hatten. Dazu gehörte, dass gerade in der gebildeten Mittelschicht das Christentum als Zivilreligion des Staates insofern akzeptiert wurde, als man durch eine (formale) Taufe in den Genuss staatlicher Dienstleistungen wie (westlicher) Bildung, Rechtssicherheit, Erb- und Landerwerbsrecht sowie planbarer Karrierewege in der Kolonialverwaltung kommen konnte.47 Insofern regte sich lange kein dezidierter Widerstand gegen die christlichen Missionsaktivitäten, auch nicht von Seiten der Mönche, die im Christentum eine vorläufige Form ihrer eigenen Lehre zu erkennen glaubten. Dieses Verhalten wurde allerdings durch die Europäer als Schwäche, Apathie und Desinteressiertheit interpretiert, weswegen dem Buddhismus noch heute der Ruf nachgesagt wird, er sei eine weltabgewandte, aber sanftmütige Religion.48 Allerdings nahm die Toleranz angesichts der polemischen und beleidigenden Schriften seitens der Christen zunehmend ab und es regte sich in den 1860er Jahren zunehmender Widerstand. Lange schon wollten die Christen den Buddhisten in einer öffentlichen Debatte vor Publikum begegnen, in der Argumente für die Richtigkeit der jeweils eigenen Religion vorgebracht werden sollten. Im Rahmen des Revivals stimmten die Mönche schließlich zu. Neben einigen kleineren Debatten wird vor allem die 1873 abgehaltene Auseinandersetzung in Pānadurā zwischen dem singhalesischen wesleyanischen Geistlichen David de Silva und Mohoṭṭivattē Guṇānanda als Kumulation dieser Entwicklung hervorgehoben.49 Dieses Ereignis wird als „Wasserscheide“ gekennzeichnet, bei der die Bevölkerung und viele gebildete Laienbuddhisten sich erstmals zum Schutz ihrer Religion versammelten und somit das „buddhistische Revival“ in die breitere Bevölkerung gelangte.

Die Zeit der Entkolonialisierung und die frühe postkoloniale Phase des Landes sind vor allem durch die Frage nach dem Platz ethnischer bzw. religiöser Minderheiten im neuen Nationalstaat geprägt. Dabei standen phasenweise sowohl die muslimische Minderheit als auch die Katholiken und die Tamilen (zum Teil Hindus, zum Teil Christen) im Fokus von Debatten und Konflikten. Hierbei muss beachtet werden, dass ethnische, religiöse, „nationalistische“ und ökonomisch-soziale Identitäten und Gruppen in diesen Konflikten stark vermengt sind und sie sicher nicht als „reine“ Religionskonflikte gezeichnet werden können.

Schon Dharmapāla und Nationalisten des frühen 20. Jahrhunderts fühlten, dass Muslime durch ihre Zusammenarbeit mit der Kolonialmacht einen unfairen Vorteil im Geschäftsleben gegenüber der langsam wachsenden singhalesischen Mittelschicht hatten. Darüber hinaus wurde ihnen vorgeworfen, sie würden diesen Vorteil schamlos ausnutzen, Wucher betreiben und die Singhalesen in ihrem eigenen Land in marginale Berufe drängen und sie ihrer Kultur (und ihrer „wahren Bestimmung“) entfremden.50 1915 kam es daher zu erheblichen Ausschreitungen gegen die Muslime, welche durch die Kolonialregierung unterbunden werden mussten.

Ähnlich verhielt es sich mit der tamilischen Minderheit. In der Zeit der Vorbereitung der Unabhängigkeit begannen Singhalesen und Tamilen, sich politisch über die Frage zu entzweien, ob in zukünftigen Parlamenten spezielle Sitze für die Vertreter der Minderheiten reserviert werden und ob die Positionen im öffentlichen Dienst anhand einer Quote vergeben werden sollten. Tamilen waren nämlich, bezogen auf ihren Anteil an der Gesamtbevölkerung, in diesen begehrten Stellen überrepräsentiert. Dies läge, so argumentierten die Singhalesen, an ihrer Kollaboration mit der Kolonialregierung und ihrer so erlangten höheren Bildung.51 Schlimmer noch entzweite die beiden Gruppen allerdings nach der Unabhängigkeit der Konflikt um die Nationalsprache. Im Zusammenhang mit der Wahl im Jahr 1956 plädierten vor allem die politisch aktiven Mönche für Sinhala als einzige Landessprache. Dadurch wären Tamilen vor allem in Bildungsangelegenheiten in eine nachteilige Position geraten, so dass Vertreter der Tamilen beide Sprachen (Sinhala und Tamil) als Nationalsprachen anstrebten.52 Aufgrund des Drucks aus der Bevölkerung setzte Premierminister S. W. R. D. Bandaranaike Sinhala als einzige Nationalsprache im so genannten „Sinhala Only Act“ durch, wonach es zu blutigen Unruhen in den von Tamilen bewohnten Gebieten kam. Dabei zogen Mobs einer selbsternannten „singhalesischen Armee“ durch die Städte, die Lynchmord an zahlreichen Tamilen begingen, Hindu-Tempel zerstörten und niederbrannten.53 Da die „politischen Mönche“ zum Teil an diesen Agitationen beteiligt waren, wird hier auch die religiöse Komponente des Konfliktes sichtbar.

Mit der katholischen Minderheit verhielt es sich ähnlich. In den 1960er Jahren wurde ihre Überrepräsentation in höheren Posten der singhalesischen Armee scharf kritisiert, vor allem da sie mit der Polizei zusammen 1962 an einem geplanten Staatsstreich beteiligt waren, der jedoch verhindert wurde. Auch dies schrieb man der Kollaboration der Katholiken mit kolonialen Kräften und ihrer „westlichen“ Beeinflussung zu. Man ging so weit zu behaupten, die Katholiken würden systematisch die ganze Gesellschaft unterwandern. Um herauszufinden, ob dies der Fall sei, wurde eine Untersuchungskommission gebildet, die katholische Vereine durchleuchten sollte. Solche Beispiele zeigen, wie religiöse, ökonomische und postkoloniale Identitäten und Positionen in der Gesellschaft dazu genutzt wurden, unterschiedliche Gruppen aufgrund dieser Faktoren aus dem Mittelpunkt der Gesellschaft auszugrenzen.

2.3.  Buddhismus im unabhängigen Sri Lanka

2.3.1.  Mönche und Politik

Nach der Unabhängigkeit des Landes im Jahr 1948 stellte sich in Sri Lanka die Frage nach dem Platz von Religion und vor allem der buddhistischen Mehrheitsreligion in der neuen politischen Ordnung.54 Dabei ist wichtig anzumerken, dass die buddhistischen Erneuerungsbewegungen während der Kolonialzeit auch starke antikoloniale Elemente enthielten, wie etwa die späteren Schriften Dharmapālas zeigen. Insofern wurden der antikoloniale Impetus, die idealisierte buddhistische Vergangenheit und die aufkommende Nationalidentität stark miteinander vermischt: Die Rückkehr zu einer „buddhistischen Gesellschaftsordnung“ wurde als Voraussetzung für das Zustandekommen der Unabhängigkeit und danach für das Wiedererlangen einstiger Größe gesehen.

Eine Gruppe von Mönchen des Vidyālaṃkarā pirivena, einer Bildungseinrichtung für Mönche, begann sich politisch zu engagieren, nachdem sie vor allem während ihres Studiums in Indien mit marxistischen Lehren in Berührung gekommen waren. Diese Mönche machten Stimmung für bestimmte Parteien bei den Wahlen und nahmen an Kundgebungen teil. Die Reformgruppen waren in der Frage nach der Rolle von Mönchen im öffentlichen Raum jedoch gespalten. Dies äußerte sich in der Frage, ob Mönche politisch aktiv sein sollten oder nicht.55 Die politischen Mönche selbst argumentierten, dass ihre Aktivitäten dem Wohle der Gesellschaft dienten, dass sich die Ordensregeln der geänderten gesellschaftlichen Situation anpassen müssten und dass Laien nicht die Befugnis hätten, dazu Urteile zu fällen.56 Kritiker hielten ihnen vor, dass sie ihrer Rolle, der Bewahrung des Dhamma, nicht nachkämen und dass die Mönchsregeln des Vinaya nicht geändert werden dürften. Besonders bekannt unter den politischen Mönchen wurde Walpola Rahula, der in seinem Buch The Heritage of the Bhikkhu für ein politisches Engagement moderner Mönche plädierte, da der Saṅgha dringend reformiert werden müsse und zu lange schon mit der Kolonialherrschaft kollaboriert habe. Diese Gruppe prägte in den Jahrzehnten vor und nach der Unabhängigkeit stark die „alternative“ religiöse Szene.57

Einher mit dieser Entwicklung ging die Frage, ob der Buddhismus im Land einen besonderen Platz einnehmen oder sogar Staatsreligion werden sollte. Dies prägte vor allem die Diskussion der 1950er Jahre, in der sich das Land auf das 2500ste Jubiläum von Buddhas Parinibbāna für 1956 vorbereitete. Die Regierungspartei, die „United National Party“ (UNP), hatte bisher die Trennung von Staat und Religion propagiert. Der „All Ceylon Buddhist Congress“ (ACBC) unter der Führung des einflussreichen „Neo-Traditionalisten“ G. P. Malalasekera berief eine Kommission ein, die den Zustand des Buddhismus im Land untersuchen sollte. Diese kam zu dem Ergebnis, dass das Unrecht, welches dem Buddhismus in der Kolonialzeit widerfahren sei, als er dem Christentum untergeordnet wurde, durch die unabhängige Regierung nicht wieder gut gemacht worden war, und forderte in diesem Zusammenhang einen Ausbau der staatlichen Förderung der Religion.58 Dazu sollten eine Buddha-Sāsana-Versammlung und ein Ministerium für religiöse Angelegenheiten gegründet werden, die sich beide für den richtigen Platz des Buddhismus in der Gesellschaft stark machen und die Regierung beraten sollten. Den Buddhismus als Staatsreligion zu implementieren lehnte die Kommission jedoch noch ab.59

Im Rahmen des „Sinhala only“-Konfliktes, der mit der Wahl 1956 einherging, beteiligten sich die „politischen Mönche“ massiv am Wahlkampf.60 So vereinigten sie ihre Lokalvereine (Saṅghasabha) zur „Vereinigten Front“ (Eksat Bhikṣu Peramuṇa, EBP), unterstützten die Opposition, machten öffentlich Stimmung gegen die UNP (die ihrer Meinung nach den Buddhismus zu wenig unterstützte), hielten Reden und veröffentlichen Schriftstücke, die sicher einen Teil dazu beitrugen, dass das Oppositionsbündnis unter S. W. R. D. Bandaranaike und seiner „Sri Lanka Freedom Party“ (SLFP) schließlich die Wahl gewann.61 Obwohl Bandaranaike einige Forderungen der EBP – wie nach einem Religionsministerium – durchsetzte, ging dies den „politischen Mönchen“ nicht weit genug, gerade weil er in der „Sinhala only“-Frage und der Frage nach der Staatsreligion ihre Interessen zu wenig verfolgte. So setzten die Mönche ihn massiv unter Druck, indem sie gegen seine Regierung Stimmung machten und sein Haus belagerten, um seine politischen Entscheidungen zu beeinflussen. Dies kulminierte in der Ermordung des Ministerpräsidenten Bandaranaike durch einen EBP-Mönch im Jahre 1959. Obwohl hier eventuell nicht nur religiöse Motive für den Anschlag eine Rolle spielten,62 wird gemeinhin davon ausgegangen, dass ein sich immer weiter hochschaukelnder politischer Buddhismus für diese Tat verantwortlich sei.63 Die Bevölkerung reagierte damit, dass sie den „politischen Mönchen“ das Vertrauen und somit ihre Macht entzog. Dadurch wiederum konnte die traditionelle Mönchselite, die Mahānāyakas des Siyāma-Nikāya, die für die ursprüngliche Rolle des Mönchs in der Gesellschaft eintrat, wieder an Einfluss gewinnen und fortan ein „orthodoxes“ Buddhismus-Verständnis in die Gesellschaft tragen.

Der Konflikt zwischen Saṅgha und Politik flammte in der Regierungszeit von S. R. D. Bandaranaike (1960–1965), der Witwe des ermordeten Ministerpräsidenten, erneut auf, als diese ein Gesetz auf den Weg bringen wollte, die Einkommen von Tempeln zu versteuern. Hinzu kam, dass sie eine Koalition mit den links-sozialistischen Parteien einging, worin die Mehrheit der Mönche eine Gefährdung der Religion sah. Obwohl S. R. D. Bandaranaike das geforderte Gesetz auf den Weg bringen wollte, den Buddhismus als Staatsreligion zu implementieren, sammelten sich wieder politische Mönche, die in der Bevölkerung Stimmung gegen das Linksbündnis machten. Diese Beispiele zeigen deutlich, welchen Einfluss die politisch aktiven Mönche auf die Regierung haben konnten. Die Verbindung von singhalesischem Nationalismus und buddhistischer Bewegung64 bleibt bis in die Gegenwart relevant, indem man sich auf die klassischen Chroniken beruft, worin Sri Lanka als das buddhistische Land, geleitet von Bhikkhus, gesehen wird. Als erster „politischer Mönch“ wurde im Jahr 2001 Ven. Baddēgama Samitha für den Wahlbezirk von Galle in das Parlament Sri Lankas gewählt.65 Politische „Mönchsparteien“ wie die Jathika Hela Urumaya (JHU, „National Heritage Party“)66 und die davon 2012 abgespaltene Bodu Bala Sena („Buddhist Power Force“) als national-buddhistisch inspirierte Organisationen vertreten in ihrer politischen Ideologie eine klare Dominanz des Buddhismus in allen gesellschaftlichen und politischen Belangen – auf Kosten der (hinduistischen und christlichen) Tamilen und der Muslime im Inselstaat.

2.3.2.  Sarvōdaya und Frauenordination

Ähnlich wie bei den politischen Bewegungen innerhalb des Saṅgha gab es im postkolonialen Sri Lanka zwei weitere Entwicklungen, die versuchten moderne Entwicklungen mit Rückgriffen auf eine (zum Teil) idealisierte Vergangenheit zu legitimieren. Sie zeigen, wie sich die religiöse Landschaft als Antwort auf die geänderten sozialen Umstände an die neue Situation anpasste.

Zum einen gab es schon seit der Zeit der buddhistisch-christlichen Debatten während der Kolonialzeit Kritik am Buddhismus, da seine auf Meditation, Rückzug und monastische Lebensweise gegründete Soteriologie verhindere, dass sich Menschen sozial engagierten. Schon Dharmapāla nahm in seinen Veröffentlichungen vor allem die Mönche in die Pflicht, die einfache Bevölkerung im Buddhismus weiterzubilden und ihnen auch durch karitative Tätigkeiten zu helfen, ihre Situation wirtschaftlich und sozial zu verbessern, um auf diese Kritik zu antworten.67 Beeinflusst von diesen Ideen und von den Idealen Mahatmā Gandhis gründete Ahangamage T. Ariyaratne 1958 die Organisation „Sarvōdaya“.68 Ariyaratne rief Dorfbewohner auf, ihre Arbeitskraft unentgeltlich für das Wohl der Mehrheit zur Verfügung zu stellen (śramadāna: „Das selbstlose Geschenk durch Arbeit“). Dies wurde nach Ariyaratnes Interpretation des buddhistischen Konzepts von dāna „Gabe, (großzügiges) Geben“ eben bereits in der Vergangenheit praktiziert.69 Dadurch sollte die Lebensqualität der ländlichen Singhalesen gesteigert werden und durch diese selbstlose Aktivität sowohl das Individuum als auch die Gesellschaft zu besseren Erkenntnissen der buddhistischen Lehre gelangen. Auch Mönche beteiligten sich an diesem Programm, aber aufgrund der Spannungen zu ihrer eigentlichen Rolle in der Gesellschaft und der zunehmenden Kritik aus der Bevölkerung traten viele alsbald wieder aus. Mit hohem Engagement sind A. T. Ariyaratne und die Sarvōdaya-Bewegung seit 1983 bis zur Gegenwart in Friedensbemühungen zwischen den Bevölkerungsgruppen der Insel tätig.70 So wurden mehrfach „Friedensmärsche“ über die Insel durchgeführt oder Meditationstreffen, wobei sich beispielsweise im Jahr 2002 rund 500 000 Personen zu einer solchen „Friedensmeditation“ in Anurādhapura