Der Chinakomplex des Rentners Karl - Karl-Heinz Garnitz - E-Book

Der Chinakomplex des Rentners Karl E-Book

Karl-Heinz Garnitz

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Beschreibung

Protagonist Karl fühlte sich an seinem 71. Geburtstag zwar alleine, doch er war voller Tatendrang und Unternehmungslust. So entschied er sich, als Individualreisender auf den Weg nach China zu machen, um dort die Frau seiner Träume zu finden. Rentner Karl war im Reich der Mitte einige Male unterwegs, wurde immer wieder in abenteuerliche Situationen verwickelt und an die Grenzen seiner Belastbarkeit geführt. In Bezug auf die von ihm in China getroffenen Frauen werden die Orte der Findung und des Beisammenseins beschrieben, als Schauplätze der Möglichkeiten und der nie vollständig zu begründenden Verhaltensweisen der Frauen seiner Wahl. Karl traf zwei Chinadamen, welche er übers Internet kennenlernte, keine der Beiden entsprach seinen Vorstellungen. Einzig beim zufälligen Kennenlernen einer dritten Chinesin in der Stadt Nanning schoß Amor Pfeile ab, welche beide ins Herz trafen und später zueinander führten. Ein Buch mit Geschichten und Bildern, welches viel über China und die dortigen Menschen erzählt. Etliche Male sind Reisestrecken so gut beschrieben, dass mancher Leser sich wohl ermuntert fühlen dürfte diese nachzuvollziehen.

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Seitenzahl: 302

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Ähnliche


Table of Contents
IMPRESSUM, Texte und Bilder: Karl-Heinz Garnitz
Texte und Bilder: Karl-Heinz Garnitz
MUT ZUM WAGNIS
DIE ERSTE REISE NACH CHINA
Flug nach Nanning (Provinz Guangxi)
Ankunft und Empfang durch Frau Li
Erstes Kennenlernen von Frau Li
Unterwegs in der Stadt Nanning
Zugfahrt nach Guilin und Aufenthalt
Von Guilin aus zum Li-Fluß
Zurück nach Guilin und Ausflug nach Pingàn
Wieder nach Guilin und dann nach Nanning
Letzte Tage in Nanning
DIE ZWEITE REISE NACH CHINA
Flug nach Peking und Frau Luo getroffen
Ankunft im Hostel „Lucky Family“ und erste Probleme
Zusammen mit Frau Luo alias Frau Rose
Karl beginnt Peking auf eigene Faust zu erobern
Mit der U-Bahn unterwegs und in Markthallen gewesen
Konfuziuskloster und Kaiserlicher Sommerpalast
Besuch in der “Verbotenen Stadt”
Karl besucht ohne Rose den Himmelstempel
Tagesausflug zur „Chinesischen Mauer“
Hauptstadtmuseum und Armeemuseum
Ausflug in den Park der Duftberge nahe Peking
Begegnungen im Tao-Kloster „Baiyun Guan“
Einkaufsviertel Wangfujing und Trommelturm
Weg der Seelen und das Dingling
Letzte Tage in Peking
Abschließend ein Vers von R.M. Rilke
Beigezogene Unterlagen
Die erste Reise nach China
Die zweite Reise nach China
Kurzbeschreibung Inhalt

IMPRESSUM

Texte und Bilder: Karl-Heinz Garnitz

Umschlaggestaltung Karl-Heinz Garnitz

Copyright 2017 by Karl-Heinz Garnitz

[email protected]

Alle Rechte vorbehalten

Verlag e p u b l i , B e r l i n

Druck: epubli GmbH, Berlin

Printed in Germany

--------------------------

LEITGEDANKEN

In 20 Jahren werden Sie eher von all den Dingen enttäuscht sein, die Sie

nicht getan haben, als von denen, die Sie getan haben. Lichten Sie also

die Anker und verlassen Sie den sicheren Hafen etablierter

Gewohnheiten. Öffnen Sie die Segel ihres Lebensschiffes. Nutzen Sie

die Passatwinde; Erkunden Sie - Träumen Sie - Entdecken Sie! Bleiben

Sie auf der Suche nach dem Wunderbaren.

(Mark Twain)

MUT ZUM WAGNIS

(Gedankenreflexe des Protagonisten Karl)

Als er nach 42 Arbeitsjahren im Alter von 64 Jahren in Rente ging,

re-aktivierte er ein Hobby aus Jugendtagen, begann spontan mit dem

Schreiben von Büchern. Jedoch an seinem 71. Geburtstag fiel er in ein

tiefes Loch, weil er, von netten deutschen Freundinnen umgeben, keine

fand, welche mit ihm den Ehebund schließen wollte. Da wusste er, dass

es Zeit war Neues zu beginnen und dem Zauber des mutigen Aufbruchs

zu vertrauen. So begab er sich als Einzelreisender in das Reich der Mitte,

um zu finden die Frau fürs Leben, das Geheimnisvolle und das

wunderbar Menschliche.

Willst Du es ihm gleichtun? Sei nicht überrascht, wenn wahre Liebe

Du in der Ferne findest. Immer sind es wohl die Fernen und die Frauen

denen unsere Sehnsüchte folgen. Doch beachte, dass die Wirklichkeit

mehr fordert als nur die Pflege von irgendwelchen Sehnsüchten. Sie

erfordert das Überwinden der Unschlüssigkeit und den Mut ins

Unbekannte aufzubrechen. 

DIE ERSTE REISE NACH CHINA

Flug nach Nanning (Provinz Guangxi)

Laut Flugplan der Air China erreicht man die Stadt Nanning von München

aus mit den Flügen CA962 und CA1485, wobei es sich meist so ergibt, dass

der erste Flug ein Direktflug von München nach Peking ist und gut an die

zehn Stunden andauert. In Peking fällt dann meist eine längere Wartezeit an,

bevor der circa dreistündige Weiterflug nach Nanning angetreten werden

kann. Vorweg sei festgestellt, dass der Hauptprotagonist der auf uns

zu- kommenden Geschichten ein gewißer Herr Karl ist, der seine Erlebnisse

dem Autor offenbar machte, damit dieser in jeder Hinsicht wahrheitsgemäß

davon berichten konnte. Karl saß im Flieger mit der Zuordnungsnummer

CA962 und wurde soeben durch ein Ruckeln des Fliegers aus dem Schlaf

geweckt und daran erinnert, dass der Landevorgang auf dem Flughafen

Peking eingeleitet war und die Boing zum Haltepunkt des Terminals 3

hinüberrollte. Bald wird Karls Ausharren in der knapp bemessenen

Sitzreihe ein Ende haben, sodass längst fällige Bewegung wieder für den

nötigen körperlichen Ausgleich sorgen kann. Im Moment freute sich Karl

auf all das, was er auf dem riesigen Pekinger Flughafens so erleben würde.

Über den Bordlautsprecher gab es bereits Durchsagen auf Chinesisch und

Englisch, wobei die meisten der schnell gesprochenen Worte kaum zu

verstehen waren. Nur der stereotype Hinweis, die Sicherheitsgurte erst dann

zu lösen, wenn vom Bordpersonal dazu aufgerufen wird, der blieb im

Gedächtnis haften. Als das Flugzeug noch nicht still stand, lösten bereits

etliche Passagiere recht voreilig die Schnappschlösser ihrer Gurte und nach

erfolgter Durchsage befreiten sich auch all die Anderen von ihren Gurten

und machten sich bereit für das Aussteigen. Als die Passagiere die

Bordfächer geleert hatten, verbreitete sich erhöhte Nervosität und es

begannen wie üblich unliebsame Drängeleien, denn jeder Passagier wollte

möglichst schnell festen Boden unter den Füßen haben. Das Drücken nach

vorne zum Ausstieg nahm erst ab, als die Reisenden offensichtlich begriffen

hatten, dass Aussteigen seine Zeit benötigt und drängeln wenig sinnvoll sein

kann. Langsam ging es voran, doch letztendlich kamen alle nach draußen,

in den Ankunftsbereich des Terminals 3. Dort blickten die meisten der

Passagiere verunsichert umher und benötigten eine Weile, bis sie jene

Informationstafeln entdeckten, die den Weg zu Pass- und

Sicherheitskontrollen anzeigten. Nach erfolgter Orientierungsphase ergab

es sich, dass die in Peking ankommenden Passagiere wie eine Herde von

Schafen hintereinander herliefen, bis sie letztendlich vor drei

Paßkontrollschaltern stehen bleiben mussten und sich dadurch längere

Warteschlangen bildeten. Reisepaß und Arrivelcard hielten die meisten

Ankommenden schon griffbereit in einer ihrer Hände. Bezüglich der

sogenannten Arrivelcard gilt es zu erwähnen, dass diese bereits im Flugzeug

verteilt wurde mit dem Hinweis sie auszufüllen, da jeder Reisende, der in

Peking ankommt, sie bei der Einreisekontrolle zusammen mit seinem

Reisepass vorzeigen muß. Als Karl an die Reihe kam, übergab er seine

Papiere dem chinesischen Kontrollbeamten und dieser prüfte äußerst ge-

nau, denn fast nichts wird in China irgendwelchen Zufällen überlassen. Die

Staatssicherheit hat seit je höchste Priorität bei allen chinesischen Beamten

und sie handeln stets nach dem Motto: „Vertrauen ist gut, aber Kontrolle

ist besser.“ Karl`s Papiere waren in Ordnung und als er sie zurückbekam,

atmete er tief durch und lief zu den nicht weit entfernten Stellen für die

Personen- und Handgepäckkontrollen. Dort wurde jeder der an die Reihe

kam vom Sicherheitspersonal dazu angehalten sein Handgepäck und andere

als verdächtig geltende Objekte zum Durchleuchten auf ein Förderband zu

legen. Im Anschluß daran mussten die dem Sicherheitscheck unterworfenen

Personen durch eine Torsonde laufen, wo sie von Beamten mit

Metalldedektoren empfangen und abgetastet wurden. So konnte festgestellt

werden ob Reisende noch irgendwelche gefährlichen Objekte am Körper

oder in Kleidungsstücken versteckt hielten. Wird beim Abtasten mit den

Dedektoren ein Piepston gehört, so greifen die Sicherheitsleute beim

nachfolgenden händischen Abrasten oftmals kräftiger zu, als sie es im

Normalfall ohne Piepston getan hätten. Das härtere Zugreifen und

Abtasten stört vor allen Dingen empfindsamere Frauen und es soll schon

vorgekommen sein, dass sich etliche von ihnen durch das Zugreifen sexuell

belästigt fühlten und eine Klage in die Wege leiteten. Ob mit solchen Klagen

je etwas erreicht wurde sei dahingestellt, denn all die erwähnten

Untersuchungen dienen ja der Flugsicherheit und die Behörden in China

scheinen davon auszugehen, dass jedermann Verständnis aufbringen muß

für solche sicherheitsrelevanten Untersuchungen, seien sie noch so

fragwürdig. Protagonist Karl dachte sich nach seiner unbeanstandeten

sicherheitstechnischen Abfertigung insgeheim: „Ich kann nur hoffen, dass

meine Reise weiterin von glücksbringenden Sternen begleitet und

problemlos bestanden wird.“ Nach solch zuversichtlichen Gedankengängen

lief Rentner Karl mit seinem Handgepäck an den Transportbändern vorbei,

welche vom Flughafenbodenpersonal hinter den Kulissen bereits mit jenen

Behältnissen bestückt wurden, welche bereits beim Abflug als zu schwer

oder zu groß erkannt wurden und deswegen nicht als Handgepäck

akzeptiert wurden. Smart aussehende Luxuskoffer, abgewetzte Rucksäcke,

hölzerne Überseekoffer und stinknormale Plastikboxen waren dabei. Alle

Passagiere mit Endziel Peking starrten angespannt auf das Förderband und

warteten mehr oder weniger nervös auf ihre Koffer. Karl hingegen konnte

unbeschwert weiterlaufen, da sein Reiseziel ja Nanning war und sein Ge-

päckstück dort, zusammen mit ihm, landen würde. Er muß nur rechtzeitig

zum Gate für seinen Anschlußflug nach Nanning hinfinden und dort auf

den Weiterflug warten.

Zurück zu den bereits erwähnten Abfertigungsprozeduren. Sie gelten für

jeden neu ankommenden Passagier und sie sind besonders streng, wenn es

sich um Transferreisende handelt, bei welchen gewiße Anschlußflüge eine

Rolle spielen. Erst wenn ein Reisender all den verlangten Kontrollwünschen

des chinesischen Beamtenapparates nachgekommen war und sie erfolgreich

bestanden hatte, durfte er jenen Hinweistafeln folgen, die ihn zu einem

Sackbahnhof lotsten, auf dessen Bahnsteigen in kurzer Folge Züge

ankamen und nach kurzer Haltezeit wieder abfuhren. Es handelt sich um

die Transportwaggons des sogenannten Flughafenexpresszuges, welcher

vom Terminal 3 aus, zwischen Terminal 1 und Terminal 2, laufend hin- und

herfährt und die Reisenden zum Ort ihrer Wahl transportiert, entweder zum

Terminal für Inlandsflüge oder zum Outcheckepoint für all jene, welche aus

irgenwelchen Gründen in Peking verweilen wollen. Alle können nur mit

dem Flughafenexpresszug ihr angestebtes Ziel erreichen. Sowohl die

meisten Wartenden, als auch jene, welche dahinhasten oder suchend

umherschauen wollen ja irgendwo gut ankommen und gewiße Hoffnungen

erfüllt sehen. Oft handelt es sich wohl um von Fernsucht geplagte

Weltenbummler, um Geschäftsreisende oder auch um jene Personen,

welche als Einheimische umherirren auf der Suche nach einer besseren

Zukunft, nach einem glücklichen Zufall oder einem neuen Partner.

Vielleicht sind auch Flüchtende von irgendwoher unterwegs, auf dem Weg

in eine versprochene und glorifizierte Freiheit. Kein Reisender kennt die

geheimen Gründe für das Unterwegssein all der anderen Reisenden, weiß

nichts vom Ursprung dessen, was all jene fremden Gesichter zum Aufbruch

in andere Bereiche bewegt hat. So werden Flughäfen allüberall auf der Welt

zu hoffnungsvollen Drehscheiben für unerfüllte Wünsche und

sehnsuchtsvolle Erwartungen. Am Rande sei noch erwähnt, dass der

Flughafen Peking der größte und wichtigste Flughafen Chinas ist und in

etwa 22 km nordöstlich der großen Stadt liegt. Am Passagieraufkommen

gemessen ist Peking, nach dem Flughafen in Atlanta (USA), der

zweitgrößte Flughafen der Welt. Als anläßlich der Olympische Spiele 2008

das neue und dritte Terminal T3 fertiggestellt wurde ist der

Pekinger-Airport rasant gewachsen. Dementsprechend stieg die Anzahl der

beförderten Fluggäste zu Beginn des Jahrtausends rapide an. Für den

Zeitraum von 2007 bis 2008 wird grob geschätzt, dass die Zahlen von 53

Millionen um elf Millionen auf 64 Millionen gestiegen sind. Die neuesten

Schätzungen für das Jahr 2017 betragen bereits 90 Millionen Passagiere.

Hinzu kommen noch über eine Million Tonnen Luftfracht. Die maximale

jährliche Kapazität liegt bei 82 Millionen Passagieren, die in allen 3

Terminals (T1 bis T3), abgefertigt werden. T1 ist nur für nationale Flüge,

T2 für internationale Flüge gedacht, und T3 ist in einen internationalen und

einen nationalen Bereich getrennt. T3 verfügt über eine eigene Start- und

Landebahn. Nicht zu vergessen sind die erwähnten Züge, welche die

Terminals miteinander verbinden und meist voll ausgelastet sind. Nach

dieser Abschweifung halten wir nun wieder Ausschau nach unserem

Hauptprotagonisten Karl. Wir haben ja bereits erfahren, dass er die

Flughafenkontrollen für ankommende Passagiere erfolgreich überstanden

hat. Anschließend ist er mit dem Flughafenexpresszug zum öffentlichen

Wartebereich des Terminals 2 gefahren. Er schaute sich dort um und suchte

eine Möglichkeit, um sich mit etwas Bargeld zu versorgen. Nach kurzer

Lauf- strecke fand er in einer Seitenpassage einen Bankomat der „Bank of

China“ und deckte sich mit 1500,-- chinesischen Yuan (CNY) ein. Das sind

umgerechnet ca. 200 Euro, ein Geldbetrag welcher fürs Erste weiterhelfen

wird, sodass Karl gewisse Notwendigkeiten, in bezug auf Essen und

Trinken, eine zeitlang abdecken kann. Karl fühlte sich etwas müde, kaufte

sich einen Becher Starbucks-Coffee mit Strohhalm, setzte sich auf eine

Holzbank, welche um eine Betonsäule herumgebaut war, trank seinen

Kaffee und wartete auf das Einchecken für seinen Weiterflug.

Das Handgepäck zwischen die Füße geklemmt beobachtete er das bunte

Treiben im neutralen Bereich des Pekinger Flughafens. Es gab viel zu sehen

und die Zeit des War- tens verging wie im Fluge. Ein vorbeilaufender älterer

Chinese, mit Krückstock und Ho-Chi-Minh-Bart, blickte neugierig zu Karl

hinüber, so als wollte er sagen: „Eine Langnase in meinem Alter, was hat die

wohl hier bei uns in China zu suchen?” Karls Augen wichen dem

aufdringlichen Schauen des Chinesen aus und er schlug seine Blicke nieder,

zutzelte an seinem Strohhalm herum, schlürfte den letzten Rest Kaffee aus

seinem Plastikbecher und schaute auf seine Armbanduhr. Es war 9:30 Uhr

und somit höchste Zeit, um zum nationalen Pekinger Flughafen hinüberzu-

laufen. Karl stand deswegen auf, zog seinen Trolley hinter sich her, lief zu

einer Abfallbox hinüber, warf seinen Pappbecher mitsamt des Strohhalms

hinein und suchte dann auf dem Terrain des Terminals 1 das Gate für

seinen Weiterflug nach Nanning. Der Eingang zum Zustieg war schnell

gefunden und die nötigen Kontrollen verliefen für Karl ohne jedwede

Beanstandung. Doch noch mußte Karl, zusammen mit den anderen

Passagieren, am Gate solange warten, bis Personal kam und das

Hineingehen ins Flugzeug nach Nanning offiziell erlaubte. Ab 14:15 Uhr

war es dann soweit, dass die Kontrolle der Fahrkarten erfolgte und die

Reisenden mit ihrem Bordgepäck ins Flugzeug gehen durften. Es dauerte

einige Zeit bis alle im Flugzeug saßen und ihr Gepäck verstaut hatten. Jeder

Reisende nahm eine für ihn günstige Sitzposition ein und dann ergab es

sich, dass zwei Stewardessen um Aufmerksamkeit baten und vorführten,

wie im Gefahrenfall Schwimmwesten und Atemmasken benutzt werden

sollen. Karl hatte solche Darbietungen schon etliche Male über sich ergehen

lassen müssen, war aber der Überzeugung, dass im Ernstfall vermutlich nur

instinktiv gehandelt wird, da wohl bei einem Flugzeugabsturz die

Kopflosigkeit der meisten Passagiere ein planvolles Vorgehen verhindern

würde. Nach der Demonstration für Notfälle noch eine

Willkommensdurchsage des Flugkapitäns, welche verbunden war mit dem

sicherheitstechnischen Hinweis: “(Fasten your seat belt! Schnallen sie sich

jetzt an und ziehen sie Ihren Sitzgurt fest. Wir empfehlen Ihnen während

des gesamten Startvorganges angeschnallt zu bleiben!)“ Nach dieser

Aufforderung erfolgte die Flugfreigabe und die zwei adretten Stewardessen

räumten ihre Notfallgarnituren weg. Dann kontrollierten sie die Reihen der

Passagiere und stellten fest, dass alle Fluggäste ordnungsgemäß angeschnallt

waren. Die kleine Version der “Aircraft 738” hatte sich inzwischen einige

Meter in die Luft erhoben und begann in Richtung Nanning* abzudüsen.

*Nanning ist die Hauptstadt der Autonomen Provinz Guangxi und hat ca.6,7

Millionen Einwohnrer. Nanning ist das politische, wirtschaftliche und kulurelle

Zentrum von Guangxi. Es hat die am meisten prosperierende Wirtschaft im

Südwesten Chinas. In westlicher Richtung grenzt Nanning an Vietnam und in

östlicher Richtung hat es Nähe zu Hongkong und Macao. Nanning wird auch als

eine “immer grüne Stadt” bezeichnet. Sie hat ein warmes Klima und das ganze Jahr

über sind die Bäume grün und die Blumen duften. Die größte ethnische Min-

derheit in China sind die Zhuang, 90% von ihnen leben in der Provinz Guangxi.

Ankunft und Empfang durch Frau Li

Das Aircraft-Flugzeug der Air China landete bei gutem Wetter auf Rollbahn

drei des Nanninger Flughafens Wuxu. Die Ankunftszeit des Flugzeuges war

um 15:45 Uhr und sie stimmte haargenau mit jener auf dem Flugticket

überein. Es war eine weich gelungene Landung, wie vordem jene auf dem

Rollfeld in Peking. Die Passagiere klatschten kurz und dann wackelten

bereits die Ersten von ihnen nervös auf ihren Sitzen hin und her. Als die

Maschine eine ruhige Standposition hatte und die Triebwerke abgeschaltet

waren, ging es nach dem Ablegen der Sicherheitsgurte wie üblich weiter.

Einige der Fluggäste rissen recht voreilig die Gepäckfächer über sich auf,

schnappten sich ihr Handgepäck und standen im Nu drängelnd im Gang

herum. Andere wiederum blieben ruhig sitzen und warteten bis sich die

allgemeine Hektik gelegt hatte. Es schien so, als wüssten die stoischen

Sitzenbleiber, dass in den Minuten zwischen Landung und Ausstieg

wichtige Prozesse ablaufen und die Minuten, die den Voreiligen wie eine

Ewigkeit vorkommen, für sie nur Minuten der Entspannung bedeuten, weil

sie sich darüber im Klaren sind, dass diese Zeit für den reibungslosen

Ablauf am Flughafen von enormer Bedeutung ist. Diese Stoiker handeln

meist nach dem Motto abwarten und Tee trinken und es sind wohl

Menschen mit recht guten Nerven. Passagier Karl hingegen war einer von

den schnellen Voreiligen und als das Aussteigen begann, hatte er sich mit

seinem Handgepäck bereits einige Meter im Flugzeuggang nach vorne

geschoben, wohl etwas weiter, als er es aus Sicht der Anderen hätte tun

sollen. Im Bereich der Ausstiegsluke angekommen blickte Karl nach

draußen und sah, dass es kein Gate war, an welchem das Flugzeug andockte,

sondern eine vom Bodenpersonal angekoppelte Treppe, auf der die

Reisenden nach unten stiegen und zu bereitgestellten Bussen hinliefen. Karl

schaffte es gerade noch, sich in den ersten Bus hineinzuquetschen. Der fuhr

dann auch sofort los und hielt dort, wo es zu den Paß- und

Handgepäckkontrollen im Hauptgebäude des Flughafens ging. Es war kein

weiter Weg zu den Paß- und Sicherheitskontrollen und die zuständigen

Sicherheitsbeamten prüften genauso streng und gewissenhaft, wie es vor-

dem bei der Ankunft in Peking der Fall gewesen. Wessen Papiere in

Ordnung waren und wer sich den Gepflogenheiten in China unauffällig

anpasste, der mußte wohl keine Strafaktionen befürchten und konnte sich

beim Unterwegssein unbelästigt und frei bewegen.

Nach seiner unbeanstandeten Überprüfung positionierte sich Karl vor dem

Laufband für die Kofferausgabe und starrte auf all die unterschiedlichen

und manchmal exotisch anmutenden Gepäckstücke, welche an ihm

vorüberzogen. Er beobachtete das Laufband und dachte dabei andauernd

an Frau Li, welche ihn wohl bereits sehnsuchtsvoll in der Ankunftshalle

erwartete. Ach wie schön waren jene Emails und stimulierenden

SMS-Nachrichten, welche sie ihm immer wieder schrieb und welche er stets

so beantwortete, dass sich über die Entfernung hinweg aus anfänglicher

Sympathie eine innige Empathie mit Liebesgefühlen entwickelte. Nach

einiger Wartezeit sah Karl, dass sich sein mit rotem Spannband bandagierter

Reisekoffer auf ihn zubewegte. „Endlich“, dachte er sich und als er den

Koffer greifen konnte, zog er ihn geschickt vom Förderband und eilte mit

seinen beiden Gepäckstücken in Richtung Flughafenempfangshalle. Er war

gespannt auf das Erscheinen jener Dame Li, mit welcher er über die

Kommunikationssoftware Skype seine Reise geplant und besprochen hatte.

Herr K. warf nochmals einen kurzen Blick auf das Foto seines Herzblatts.

Er war unsicher, abgespannt, erregt und nervös. Nochmals blickte er auf

das Foto der Dame Li. Jung und hübsch sah sie auf dem Foto aus. Sie trug

ein leuchtend rotes Kleid, das in einer Art und Weise geschnitten war, die

die schlanke Figur nicht verhüllte, sondern sie betonte. Doch wer wird in

Wirklichkeit auf ihn zukommen? Wird Li trotz ihres vorgerückten Alters

annähernd genauso hübsch aussehen wie auf den Fotos, welche sie ihm per

Email vor Wochen geschickt hatte? Die Dates mit Menschen, die man noch

nie persönlich gesehen hat, von denen weiß man ja nichts über das

tatsächliche Aussehen, geschweige denn über ihren Charakter und ihre

Wesensart. Wird eine gemeinsame Wellenlänge und eine gemeinsame

Chemie in Sachen körperlicher Liebe vorhanden sein? Fragen über Fragen,

doch letztendlich wird Karl wohl erst dann mehr wissen, wenn sein

Aufenthalt in der chinesischen Stadt Nanning vorüber sein wird. In seinem

Kopf bewegte sich ein bizarr drehendes Gedankenkarussel. Gefällt sie mir,

gefall ich ihr, liebt sie mich, liebe ich sie? Können wir uns sprachlich

verständigen? Fragen über Fragen vor dem Betreten der Ankunftshalle des

Flughafens Wuxu. Drinnen in der Halle stellte der Rentner sein Gepäck auf

den Boden, blickte suchend umher und sah dann weiter vorne zwei

Personen zu ihm herüberwinken. Karl erkannte Frau Li und sah einen

Herrn mittleren Alters neben ihr. Man bewegte sich aufeinander zu und

Karl versuchte trotz seiner Anpannung und Aufgeregtheit so locker und

unverkrampft wie möglich zu bleiben. Als Li vor ihm stand bemerkte Karl,

dass sie eine gewiße angenehme kindliche Ausstrahlung hatte, aber ansons-

ten etwas schüchtern und unbeholfen wirkte. Er umarmte sie spontan und

sagt zu ihr „Nice to meet you. I wish us good time!" Li schien zu verstehen

und antwortete: „Nice to meet you too!“ Nach diesen ausgetauschten

Begrüßungsfloskeln stellte Li ihren Begleiter vor und meinte, dass es ihr

Onkel Cheung sei, welcher uns beide mit seinem Auto in die Stadt fahren

wird. Der Onkel sah mich mit lächelnder Miene an und sagte einige

chinesische Worte welche klangen wie: „Wo huānyíng ni lái zhōngguó de.“

Karl verstand nicht den Sinn des Gesagten, lächelte aber zurück und konnte

sich erst viel später erklären lassen, dass es ein chinesischer Willkommens-

gruß gewesen war. Herr Cheung und Li führten ihren Gast aus dem

Flughafengebäude hinaus zu einem parkenden Pkw. Es war ein

Schrägheckauto mit dem Namenszug der chinesischen Autofirma Oley.

Lìs Onkel lud Karl`s Gepäck in den Kofferraum seines Fahrzeuges und

nachdem Li und Karl auf den Rücksitzen des Oley Platz genommen hatte

fuhr Herr Cheung los. Er fädelte sich in eine gut ausgebaute Autoban ein

und fuhr in Richtung der 32 km entfernten Großstadt Nanning. Bald lag der

im Verhältnis zur Größe der Stadt Nanning (ca. 6,4 Millionen Einwohner),

recht klein geratenen Flughafen Wuxu weit zurück und je näher sie an

Nanning herankamen, desto dichter wurde der Verkehr. Beim Einfahren in

die Stadt steckten sie im Nu in einer sich zäh vorwärtsbewegenden

Verkehrsmasse. Sie waren umgeben von vielen Fahrzeugen, von Autos, von

Lastwagen, von wie Bienen umherschwirrenden Motorrollern und von

Dreirädern verschiedenster Bauart. Fahrradfahrer sah man kaum und die

wenigen, welche gesichtet wurden,sahen wie maskiert aus, denn alle hatten

sich wegen der abgasgeschwängerten Luft Atemschutzmasken

umgebunden. - Der turbulente Verkehr lenkte ab und verlagerte die

Aufmerksamkeit des Karl nach draußen, gab es doch für ihn viel Neues und

Ungewohntes zu sehen. Doch plötzlich wurde er abrupt daran erinnert, dass

Li neben ihm saß. Sie stupste ihn an und nahm seine Hand in die ihre. Beide

tauschten Blicke der Sympathie und empfanden füreinander eine

momentane gegenseitige gefühlsmäßige Übereinstimmung, welche oft so

beschrieben wird als würden Schmetterlinge im Bauch herumtaumeln. Karl

mochte die angenehmen Gesichtszüge dieser Frau und obwohl sie etwas

molliger und älter aussah, als auf all jenen Bildern, welche sie ihm immer

wieder geschickt hatte, verspürte er Li gegenüber Zuneigung und all jene

Gefühle, welche ein Mann beim Anblick einer begehrten Frau entwickelt.

Etliche Gedanken tauchten im Kopf des Rentners auf und er dachte sich: 

„In Bezug auf die 71 Jahre, welche ich hinter mir habe bin ich zwar kein 

junger Knabe mehr, doch da Frau Li mit ihren 58 Jahren noch recht knackig 

ausschaut und mich erotisch anregt, so sind dies wohl gute Vorzeichen.“ 

Kaum hatte Karl solche Gedanken zu Ende gedacht bog Herr Cheung von 

einer Hauptstraße ab und hielt auf dem Parkplatz eines Hotels über dessen

Eingang „Golden Holiday“ zu lesen war. Frau Li wandte sich dem Karl zu

und sagte: „We are arrived!“ Alle stiegen aus und Karl hob sein Gepäck aus

dem Kofferraum des Wagens. Dann sagte er zu Herrn Cheung „Thank you

Mister“ und gab ihm für seinen Fahrdienst anstandshalber einen 50

Yuan-Schein. Herr Cheung bedankte sich mit einer Verbeugung und stieg

in sein Auto. Während Li und Karl ins Hotel hineingingen, fuhr Lìs Onkel

mit seinem Auto aus dem Hotelparkplatz hinaus und als sich beide noch-

mals umdrehten, war er bereits im Verkehrsgewühl der Stadt verschwunden.

Erstes Kennenlernen von Frau Li

An dieser Stelle soll gesagt werden, dass Karl bereits im Vorfeld seiner

Abreise nach Nanning Frau Li via Email darum gebeten hatte für ihn in

Nanning ein Zimmer im International-Youth-Hostel zu buchen.

Dummerweise gab es dort keine freien Kapazitäten und deswegen 

 ent-schied sich Li für eine Reservierung im „Golden Holiday International

Hotel“. Sie teilte es Karl mit und der akzeptierte ihr Vorgehen. Bereits

zuhause las er die Beschreibung des Hotels im Internet: „Das `Golden

Holidayìst ein 4-Sterne Business-Hotel und befindet sich in der Minsheng

Road, im Zentrum der Stadt Nanning. Das Hotel liegt somit sehr günstig.

Zur kommerziellen Fußgängerzone sind es nur 10 Minuten zu Fuß und zum

Nanninger Bahnhof ebenso 10 Minuten. Für den Besuch von

Sehenswürdigkeiten in dieser Stadt ist dieses Hotel eine idealer

Ausgangspunkt. All unseren Gästen bieten wir ein solides und sauberes

Hotel mit landestypischem Büfett.“ Der heutige, erste Eindruck von diesem

Hotel war für Karl positiv. Während Li und er zur Rezeption hinüberliefen,

blickte Karl im Empfangsraum des Hotels umher und war angenehm

überrascht vom gepflegten Ambiente welches das Hotel auf dieser Ebene

vermittelte. Li ging auf eine am Empfang stehende Dame zu und sprach

eine Weile mit ihr. Daraufhin wurde Karl von der Hotelhostess um seinen

Reisepass gebeten und nach dessen Abgabe erhielt er ein

Reservierungsformblatt für ein Doppelzimmer mit der Bitte es zu 

unterschreiben. Er war überrascht, wollte er doch ein Einzelzimmer. So 

fragte er Li auf Englisch, warum dies nicht möglich gewesen sei. Li 

verstand nicht und Karl gab seine Frage an die Hotelangestellte weiter. 

Diese verstand und antworte: „Herr Karl, es wurde ein Doppelzimmer mit

Frühstück bestellt und ich kann diese Buchung nicht mehr rückgängig

machen, weil alle Einzelzimmer bereits belegt sind. Gut sagte Karl, dann

nehmen wir eben das gebuchte Doppelzimmer. Er unterschrieb das

Buchungsformular, mußte noch eine Anzahlung von 2000 Yuan leisten und

bekam dann den Zimmerschlüssel mit der Nummer 512. Karl und Li fuhren

mit dem Lift in den 5ten Stock hinauf und suchten das für sie reservierte

Zimmer. Als es gefunden war, waren sich beide voll bewußt, dass eine

17-tägige gemeinsame Zeit für sie beginnen würde. So lange wollte Karl in

Südwestchina bleiben und Frau Li schien wohl damit einverstanden, dass

er Brot und Bett mit ihr teilt. Aber wird Li eine Frau sein welche man

heiraten kann oder ist es eine solche, welche nur ihren Spaß haben will

innerhalb einer losen Verbindung? Wir werden sehen dachte sich Karl, doch

ihr Spaß soll auch für mich ein Spaß sein.

Im Hotelappartement hatte alles seine Ordnung. Nach dem Hineingehen

stand man in einem kleinen Flur mit Garderobehaken. Rechts führte eine

Glastür zur Toilette mit Duchkabine und eine zweite Tür geradeaus ins

eigentliche Hotelzimmer. Dort befanden sich ein großer Kleiderschrank mit

Spiegelglastüren, ein Fernseher, welcher auf einer Kommode stand, ein

fran- zösisches Doppelbett, zwei Nachtkästchen, ein Kofferabstellpult, eine

klei- ne Konsole mit einem Wasserkocher und ein Tischchen mit zwei ge-

polsterten Stühlen. Ein Anhauch von Luxus war vorhanden. Alles in allem

ein annehmbarer Komfort zum täglichen Übernachtungspreis von 248

Yuan (DZ und Frühstück für 2 Personen inklusive für ca. 34 Euro).

Durchaus ein erschwinglicher Preis, auch für Rentner mit kleinem Budget.

Karl erinnert sich an einige Sätzen aus dem Roman „Menschen im Hotel“

von Vicki Baum, welche in den 1920er Jahren als Zimmermädchen in

luxuriösen Hotels gejobbt hat, um für ihren Roman zu recherchieren: „Wer

ein Hotel betritt, weiß nicht, wer er sein wird, wenn er es wieder verläßt.”

Vielleicht ergeht es mir ähnlich dachte sich Karl und vielleicht verlasse ich

dieses Hotel als über beide Ohren verliebter Mann und als einer, der neues

Glück gefunden hat. - “Gäste kommen an, Gäste reisen ab, Leben stehen

an Wen- depunkten, Menschen stecken in Krisen, die Hoteltür dreht sich,

schwingt, schwingt, schwingt. Doch beim Eintreten weiß keiner im voraus,

ob er sich beim Verlassen des Hotels mit erfüllten Erwartungen

verabschieden kann.”

Nice, nice, very nice, plötzlich ertönende Freudenrufe von Frau Li welche

an der breiten Fensterfront des Hotelappartementes stand, die Vorhänge

zur Seite geschoben hatte und nach unten blickte. Karl kam hinzu und teilte

mit ihr den Blick aus dem Fenster. Er war genauso überrascht wie Li. Beide

sahen ein schönes Panorama vom 5. Stock des Hotels aus. Sie erblickten

einen Teil der Stadt Nanning. Es war eine Kulisse zum Genießen: „Im

Hintergrund tauchte ein am Himmel stehender Sonnenball die Hochhäuser

der Nanninger Neubaugebiete in gleisendes Licht. In der Mitte des Bildes

der gleichmäßig ruhig dahinfließende Yongjiang Fluss, welcher die Stadt

durchquerte und wie ein Beruhigungsmittel für die emsige Metropole zu

sein schien. Davor, in der Nähe des Flußes und tief unten, eine Kreuzung

zweier Nanninger Hauptverkehrsstraßen mit Autos und Fußgängern,

welche von oben betrachtet wie kleines Spielzeug ausschauten und

unbedeutend wirkten. Einzig die überdimensional große, auf einem

Stahlgerüst montierte Uhr, mit Zeit- und Temperaturanzeige am Rand

dieses Verkehrgetümmels wirkte dominant und war wohl für so manchen

Verkehrsteilnehmer ein bedeutungsvolles Attribut. Links, am äußersten

mittleren Rand des Blickfeldes, die grün glänzende Kuppel einer Moschee.

Kurzer Sehgenuß, denn die Sonne ging langsam unter und es war

festzustellen dass nach deren Verschwinden die Dämmerung mit fahlem

Licht begann. Der Glanz, welchen die Sonne dem Bildmotiv verlieh, er war

nun nicht mehr vorhanden. Karl fragte Li: „Want you to go outside with me

and eat with me something?“ Anstatt zu antworten zog sie aus ihrem

Rucksack ein kleines Gerät, überreichte es ihrem Gegenüber und sagte:

„Please type in this words!“ Karl sah, dass es ein Translater mit Tastatur

war, welchen er in seiner Hand hielt. Er tippte das von ihm Gesagte ein und

drückte auf die Entertaste. Es erschien der ins chinesische übersetzte Satz.

Li, welche über Karl`s Schulter schaute verstand nun und sagte: „Ok, I

want to go with you!“ Für unseren Rentner war es nun offensichtlich, dass

Li sehr wenig Englisch sprechen und verstehen konnte und

Kommunikation hauptsächlich unter Zuhilfenahme dieses kleinen

Übersetzungsgeräts zustande kommen würde. Karl war desillusioniert,

denn die über Entfernung geschickten Emails von Li täuschten gute

englische Sprachkenntnisse vor, welche offensichtlich in Wirklichkeit nicht

vorhanden waren. Er dachte sich: „Ich bin mal gespannt welche

Unterhaltungen im Verlauf unseres 17-tägigen Beisammenseins zustande

kommen und mit welchen Missverständnissen wir zu kämpfen haben. Es

scheint auf alle Fälle ein Experiment besonderer Art zu werden, interessant

und vielleicht auch recht abenteuerlich auf ureigene Weise. Bestimmt wird

Fähigkeit ist, eine fremde Sprache zu sprechen, ohne sie gelernt zu haben.

Im religiösen und esoterischen Kontext wird über dieses Phänomen oft

berichtet. Manchmal wird auch behauptet, dass Xenoglossie unter Hypnose

auftritt. Geprägt wurde dieser Begriff vom Franzosen Charles Richet, einem

Nobelpreisträger und die Medizin übernahm diesen Begriff in den 20er

Jahren des letzten Jahrhunderts. Einige Neurologen behaupteten, dass sie

Patienten hypnotisiert und in Sprachen mit ihnen gesprochen hätten, an

welche sich die Hypnotisierten im Wachzustand überhaupt nicht mehr

erinnerten. Der wissenschaftliche Beweis für ein reales Vorhandensein

von Xenoglossiefähigkeiten ist jedoch bis heutigentags nicht erbracht

worden. Karl wollte nicht länger solchem Denken nachhängen, wozu auch,

es hätte ihm nichts eingebracht. Er wollte zwar das Vorhandensein solcher

PSI-Fähigkeiten nicht ausschließen, war aber der Meinung, dass eine Person

nur das kann, was sie gelernt hat. Und sich hier in China mit paranormalen

Experimenten zu befassen, das würde ihm und seiner Freundin nicht viel

bringen, es wäre pure Zeitverschwendung. Karl sah, dass Li sich schon

etwas aufgeschminkt und ein gehäkeltes Jäckchen fürs Ausgehen angezogen

hatte. Er folgte ihr in Eile, mache sich im Bad etwas frisch, zog sich ein

frisches Shirt über und beide verließen das Appartement. Sie gingen ohne

ein Wort miteinander zu sprechen, Arm in Arm, aus dem Hotel hinaus und

flanierten über die Minsheng Road.

Es begann langsam dunkel zu werden und die brütende Hitze des Tages

ging über in angenehme Temperaturen. Straßenlichter gingen an und das

geschäftige Treiben schien offensichtlich eher zu-, als abzunehmen.

Verführerische Düfte drangen aus den offenen Türen von Garküchen und

Restaurants. Fast vor jedem Lokal standen Tische und Stühle, um die

Kunden auch im Freien bewirten zu können. Etliche solcher Lokalitäten

lagen in der Minsheng Road nebeneinander und die Besitzer bereiteten sich

auf das abendliche Hauptgeschäft vor. Gediegene, saubere Restaurants

neben im Freien aufgebauten schmuddeligen Imbissbuden. Ein buntes

Gemisch verschiedenartigster Anbieter. Li lächelte Karl zu, hielt seine Hand

fester, sagte „come“ und zog ihn durch die geöffnete Tür eines einladend

wirkenden Restaurants. Innen herrschte schon reger Betrieb, doch fanden

beide in der Mitte des Lokals noch einen freien Tisch und sie nahmen Platz.

Ein Ober brachte zwei Speisekarten und als Karl die ihm überreichte

auffaltete kam er sich vor wie ein Analphabet, er war ratlos und unschlüssig

Kein einziges Schriftzeichen konnte er lesen, nur mit den Zahlen, welche

den Preis für ein Gericht nannten, konnte er etwas anfangen. Zum Glück

war neben der Beschreibung für die jeweiligen Gerichte ein runder Kreis

mit einem kleinen Foto. Nach Foto bestellen, das ist eben mal was anderes,

doch auch irgendwie riskant. Li amüsierte sich an Karls Unentschlossen-

heit, zeigte aber nach einiger Zeit auf das Bild eines Gerichts und sagte:

„This is good!“ Karl antortet: „Ok und verlangte den kleinen

Taschentranslator von Li. Er schrieb folgenden Text und ließ ihn für Li

übersetzen:„Das Essen kannst du bestellen, aber ich benötige eine Gabel

zum Essen.“ Li sagte nur „ok“ und bestellte. Nach kurzer Wartezeit

servierte ein Ober zwei Platten mit gebratenen

Glasnudeln, Hühnerbrustfleisch, Paprikaschoten und Gemüse. Eine Gabel

und zwei Eßstäbchen legte er separat ab. Kurze Zeit später kam ein zweiter

Ober vorbei und brachte ein Kännchen mit heißem Tee und zwei Tassen.

Li und Karl wünschten sich „manman chi“ (Guten Appetit) und genossen

ihr Essen. Es hatte eine pikant würzig scharfe Note und schmeckte vorzüg-

lich. Bei Li hörte man deutlich, dass es ihr schmeckte, sie schlürfte und

schmatzte. Dies in Deutschland zu tun, wäre ein Zeichen von schlechter

Erziehung, bei Chinesen hingegen ist dies üblich und es verstößt nicht

gegen die guten Sitten. Jedoch sich am Tisch zu schneuzen, das ist in China

verpönt. Da sollte man lieber vom Tisch aufstehen, zur Toilette gehen und

sich dort die Nase putzen. Überall in fremden Ländern gilt eben der allseits

bekannte Spruch: „Andere Länder, andere Sitten.“

Der Autor möchte hier nebenbei bemerken, dass die südwestchinesische

Küche nicht nur Wert auf Schärfe legt, sondern auch auf Form,

Wohlgeschmack und Farbe. Ein bekanntes Gericht dieser Küche ist

Gongbao Jiding (gebratene Hühnerwürfel mit gerösteten Erdnüssen und

Chilischoten) oder ein in Sternanis geschmortes Fleischschnitzel. Yoxiang

Qiezi heißen in süßsauerer Soße geschmorte Auberginen. Als Koushui Ji

werden Hähnchenschenkel in einer speziellen Soße bezeichnet. Ein

absoluter Klassiker der süwestchinesischen Küche (von Nanning bis

Sichuan) ist das vegetarische Gericht Mapo Doufu, bei welchem es sich um

in Chilisauce geschmorten Tofu handelt. Die beliebtesten Methoden der

Zubereitung sind Schmoren, Anbraten, Dörren und Dämpfen. Ganz

allgemein kann gesagt werden, dass die Vielfalt der chinesischen Küche

einzigartig ist und vor allen Dingen die südwestchinesische Küche an

Geschmack nicht zu überbieten ist. In bezug auf die weiter im Osten

praktizierte kantonesische Küche gibt es in Sachen „Vielfalt“ eine recht

bösartige Aussage: „Die Kantonesen essen alles, was am Himmel fliegt,

außer Flugzeuge, alles, was auf der Erde kriecht, außer Autos, alles, was vier

Füße hat, außer Stühlen und Tischen.“ Diese Sentenz ist wohl nur

scherzhaft gemeint und der Autor würde allen Lesern anraten sie nicht ganz

ernst zu nehmen, weder in bezug auf Kanton, noch in bezug auf Nanning

oder Sichuan. Die Qualität und die Verträglichkeit des Essens sprechen

eben immer wieder ihre eigene Sprache, wie es ja auch unsere beiden

Protagonisten Li und Karl bewiesen. Sie haben ihre Speisen aufgegessen,

ihren Tee getrunken und alles ist ihnen gut bekommen. So saßen sie satt und

selbstzufrieden am Tisch, wobei Li beinahe eingeschlafen wäre. Karl kam

dem zuvor und winkte mit seiner Geldbörse zum Ober hinüber und

der wußte gleich, was gemeint war. Er legte Karl einen Zettel auf den Tisch,

auf dem einige chinesische Schriftzeichen und der Betrag von 79,00 Yuan

aufgeschrieben waren. Karl bezahlte somit umgerechnet ca.12 Euro und

dann verließen beide das Lokal. Draußen bedankt sich Li für das Bezahlen

ihres Essens und Karl wußte, dass er von nun an, für die Dauer seines

Aufenthaltes, der Ernährer seiner Freundin sein würde. Sie hingegen wird

für ihn eine zuverlässige weibliche Begleiterin und Fremdenführerin sein, so

hat es sich nun eingespielt. Vielleicht wird irgendwann aus dieser losen

Freundschaft eine dauerhafte Liebe entstehen, doch zum jetzigen Zeitpunkt

kann noch nichts Genaues ausgesagt werden.

Mittlerweile war es schon 21 Uhr geworden, doch obwohl Karl vom langen

Flug und den vielen neuen Eindrücken schon ziemlich müde war, entsprach

er dem Wunsche von Li und machte mit ihr noch einen kleinen

Abendspaziergang. Anschließend gingen die Beiden ins Hotel zurück und

Karl sagte zu Li, unter Zuhilfenahme ihres Translaters, dass es das Beste sei

wenn sie jetzt zu Bett gingen. Der Autor wird im weiteren Verlauf nicht

mehr diesen umständlich zu bedienenden Taschenübersetzer erwähnen,

möchte aber darauf hinweisen, dass viele Dialoge zwischen Karl und Li

unter Zuhilfenahme dieses Übersetzungsgerätes zustande kamen.

Ausgenommen davon sind kurze Statements und natürlich jene Situationen

bei denen zur Verständigung „ein in die Augen schauen“ oder das

„Sprechen mit Gesten und Mimik“ genügen werden. Li und Karl haben sich

übereinstimmend geeinigt und sie wollen sich schlafen legen. Nach den

Vorbereitungen für die Nacht fiel Karl wie ein müder Mehlsack ins Bett und

bereitete sich aufs Einschlafen vor. Seine Freundin kam nach und wollte

vom Bett aus noch etwas fernsehen. Sie schaltete mit der Fernsteuerung den

Apparat ein und es kamen gerade die 22 Uhr Nachrichten des chinesischen

Senders CCTV-1. Rentner Karl verstand kein Wort und ungewohnt war für

ihn auch, dass ein General in militärischer Uniform die Nachrichten sprach.

Am Ende der Berichterstattung sah man noch einen Propagandakurzfilm,

welcher die Schlagkraft der chinesischen Armee demonstrierte.

Anschließend erschien die Einblendung eines Paares und es wurde

offensichtlich ein Liebesfilm vorgestellt. Li bat Karl sich diesen Film

anschauen zu dürfen. Spontan hat sie die Sprache des Senders lauter gestellt