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Protagonist Karl fühlte sich an seinem 71. Geburtstag zwar alleine, doch er war voller Tatendrang und Unternehmungslust. So entschied er sich, als Individualreisender auf den Weg nach China zu machen, um dort die Frau seiner Träume zu finden. Rentner Karl war im Reich der Mitte einige Male unterwegs, wurde immer wieder in abenteuerliche Situationen verwickelt und an die Grenzen seiner Belastbarkeit geführt. In Bezug auf die von ihm in China getroffenen Frauen werden die Orte der Findung und des Beisammenseins beschrieben, als Schauplätze der Möglichkeiten und der nie vollständig zu begründenden Verhaltensweisen der Frauen seiner Wahl. Karl traf zwei Chinadamen, welche er übers Internet kennenlernte, keine der Beiden entsprach seinen Vorstellungen. Einzig beim zufälligen Kennenlernen einer dritten Chinesin in der Stadt Nanning schoß Amor Pfeile ab, welche beide ins Herz trafen und später zueinander führten. Ein Buch mit Geschichten und Bildern, welches viel über China und die dortigen Menschen erzählt. Etliche Male sind Reisestrecken so gut beschrieben, dass mancher Leser sich wohl ermuntert fühlen dürfte diese nachzuvollziehen.
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Seitenzahl: 302
Veröffentlichungsjahr: 2017
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Umschlaggestaltung Karl-Heinz Garnitz
Copyright 2017 by Karl-Heinz Garnitz
Alle Rechte vorbehalten
Verlag e p u b l i , B e r l i n
Druck: epubli GmbH, Berlin
Printed in Germany
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LEITGEDANKEN
In 20 Jahren werden Sie eher von all den Dingen enttäuscht sein, die Sie
nicht getan haben, als von denen, die Sie getan haben. Lichten Sie also
die Anker und verlassen Sie den sicheren Hafen etablierter
Gewohnheiten. Öffnen Sie die Segel ihres Lebensschiffes. Nutzen Sie
die Passatwinde; Erkunden Sie - Träumen Sie - Entdecken Sie! Bleiben
Sie auf der Suche nach dem Wunderbaren.
(Mark Twain)
(Gedankenreflexe des Protagonisten Karl)
Als er nach 42 Arbeitsjahren im Alter von 64 Jahren in Rente ging,
re-aktivierte er ein Hobby aus Jugendtagen, begann spontan mit dem
Schreiben von Büchern. Jedoch an seinem 71. Geburtstag fiel er in ein
tiefes Loch, weil er, von netten deutschen Freundinnen umgeben, keine
fand, welche mit ihm den Ehebund schließen wollte. Da wusste er, dass
es Zeit war Neues zu beginnen und dem Zauber des mutigen Aufbruchs
zu vertrauen. So begab er sich als Einzelreisender in das Reich der Mitte,
um zu finden die Frau fürs Leben, das Geheimnisvolle und das
wunderbar Menschliche.
Willst Du es ihm gleichtun? Sei nicht überrascht, wenn wahre Liebe
Du in der Ferne findest. Immer sind es wohl die Fernen und die Frauen
denen unsere Sehnsüchte folgen. Doch beachte, dass die Wirklichkeit
mehr fordert als nur die Pflege von irgendwelchen Sehnsüchten. Sie
erfordert das Überwinden der Unschlüssigkeit und den Mut ins
Unbekannte aufzubrechen.
Laut Flugplan der Air China erreicht man die Stadt Nanning von München
aus mit den Flügen CA962 und CA1485, wobei es sich meist so ergibt, dass
der erste Flug ein Direktflug von München nach Peking ist und gut an die
zehn Stunden andauert. In Peking fällt dann meist eine längere Wartezeit an,
bevor der circa dreistündige Weiterflug nach Nanning angetreten werden
kann. Vorweg sei festgestellt, dass der Hauptprotagonist der auf uns
zu- kommenden Geschichten ein gewißer Herr Karl ist, der seine Erlebnisse
dem Autor offenbar machte, damit dieser in jeder Hinsicht wahrheitsgemäß
davon berichten konnte. Karl saß im Flieger mit der Zuordnungsnummer
CA962 und wurde soeben durch ein Ruckeln des Fliegers aus dem Schlaf
geweckt und daran erinnert, dass der Landevorgang auf dem Flughafen
Peking eingeleitet war und die Boing zum Haltepunkt des Terminals 3
hinüberrollte. Bald wird Karls Ausharren in der knapp bemessenen
Sitzreihe ein Ende haben, sodass längst fällige Bewegung wieder für den
nötigen körperlichen Ausgleich sorgen kann. Im Moment freute sich Karl
auf all das, was er auf dem riesigen Pekinger Flughafens so erleben würde.
Über den Bordlautsprecher gab es bereits Durchsagen auf Chinesisch und
Englisch, wobei die meisten der schnell gesprochenen Worte kaum zu
verstehen waren. Nur der stereotype Hinweis, die Sicherheitsgurte erst dann
zu lösen, wenn vom Bordpersonal dazu aufgerufen wird, der blieb im
Gedächtnis haften. Als das Flugzeug noch nicht still stand, lösten bereits
etliche Passagiere recht voreilig die Schnappschlösser ihrer Gurte und nach
erfolgter Durchsage befreiten sich auch all die Anderen von ihren Gurten
und machten sich bereit für das Aussteigen. Als die Passagiere die
Bordfächer geleert hatten, verbreitete sich erhöhte Nervosität und es
begannen wie üblich unliebsame Drängeleien, denn jeder Passagier wollte
möglichst schnell festen Boden unter den Füßen haben. Das Drücken nach
vorne zum Ausstieg nahm erst ab, als die Reisenden offensichtlich begriffen
hatten, dass Aussteigen seine Zeit benötigt und drängeln wenig sinnvoll sein
kann. Langsam ging es voran, doch letztendlich kamen alle nach draußen,
in den Ankunftsbereich des Terminals 3. Dort blickten die meisten der
Passagiere verunsichert umher und benötigten eine Weile, bis sie jene
Informationstafeln entdeckten, die den Weg zu Pass- und
Sicherheitskontrollen anzeigten. Nach erfolgter Orientierungsphase ergab
es sich, dass die in Peking ankommenden Passagiere wie eine Herde von
Schafen hintereinander herliefen, bis sie letztendlich vor drei
Paßkontrollschaltern stehen bleiben mussten und sich dadurch längere
Warteschlangen bildeten. Reisepaß und Arrivelcard hielten die meisten
Ankommenden schon griffbereit in einer ihrer Hände. Bezüglich der
sogenannten Arrivelcard gilt es zu erwähnen, dass diese bereits im Flugzeug
verteilt wurde mit dem Hinweis sie auszufüllen, da jeder Reisende, der in
Peking ankommt, sie bei der Einreisekontrolle zusammen mit seinem
Reisepass vorzeigen muß. Als Karl an die Reihe kam, übergab er seine
Papiere dem chinesischen Kontrollbeamten und dieser prüfte äußerst ge-
nau, denn fast nichts wird in China irgendwelchen Zufällen überlassen. Die
Staatssicherheit hat seit je höchste Priorität bei allen chinesischen Beamten
und sie handeln stets nach dem Motto: „Vertrauen ist gut, aber Kontrolle
ist besser.“ Karl`s Papiere waren in Ordnung und als er sie zurückbekam,
atmete er tief durch und lief zu den nicht weit entfernten Stellen für die
Personen- und Handgepäckkontrollen. Dort wurde jeder der an die Reihe
kam vom Sicherheitspersonal dazu angehalten sein Handgepäck und andere
als verdächtig geltende Objekte zum Durchleuchten auf ein Förderband zu
legen. Im Anschluß daran mussten die dem Sicherheitscheck unterworfenen
Personen durch eine Torsonde laufen, wo sie von Beamten mit
Metalldedektoren empfangen und abgetastet wurden. So konnte festgestellt
werden ob Reisende noch irgendwelche gefährlichen Objekte am Körper
oder in Kleidungsstücken versteckt hielten. Wird beim Abtasten mit den
Dedektoren ein Piepston gehört, so greifen die Sicherheitsleute beim
nachfolgenden händischen Abrasten oftmals kräftiger zu, als sie es im
Normalfall ohne Piepston getan hätten. Das härtere Zugreifen und
Abtasten stört vor allen Dingen empfindsamere Frauen und es soll schon
vorgekommen sein, dass sich etliche von ihnen durch das Zugreifen sexuell
belästigt fühlten und eine Klage in die Wege leiteten. Ob mit solchen Klagen
je etwas erreicht wurde sei dahingestellt, denn all die erwähnten
Untersuchungen dienen ja der Flugsicherheit und die Behörden in China
scheinen davon auszugehen, dass jedermann Verständnis aufbringen muß
für solche sicherheitsrelevanten Untersuchungen, seien sie noch so
fragwürdig. Protagonist Karl dachte sich nach seiner unbeanstandeten
sicherheitstechnischen Abfertigung insgeheim: „Ich kann nur hoffen, dass
meine Reise weiterin von glücksbringenden Sternen begleitet und
problemlos bestanden wird.“ Nach solch zuversichtlichen Gedankengängen
lief Rentner Karl mit seinem Handgepäck an den Transportbändern vorbei,
welche vom Flughafenbodenpersonal hinter den Kulissen bereits mit jenen
Behältnissen bestückt wurden, welche bereits beim Abflug als zu schwer
oder zu groß erkannt wurden und deswegen nicht als Handgepäck
akzeptiert wurden. Smart aussehende Luxuskoffer, abgewetzte Rucksäcke,
hölzerne Überseekoffer und stinknormale Plastikboxen waren dabei. Alle
Passagiere mit Endziel Peking starrten angespannt auf das Förderband und
warteten mehr oder weniger nervös auf ihre Koffer. Karl hingegen konnte
unbeschwert weiterlaufen, da sein Reiseziel ja Nanning war und sein Ge-
päckstück dort, zusammen mit ihm, landen würde. Er muß nur rechtzeitig
zum Gate für seinen Anschlußflug nach Nanning hinfinden und dort auf
den Weiterflug warten.
Zurück zu den bereits erwähnten Abfertigungsprozeduren. Sie gelten für
jeden neu ankommenden Passagier und sie sind besonders streng, wenn es
sich um Transferreisende handelt, bei welchen gewiße Anschlußflüge eine
Rolle spielen. Erst wenn ein Reisender all den verlangten Kontrollwünschen
des chinesischen Beamtenapparates nachgekommen war und sie erfolgreich
bestanden hatte, durfte er jenen Hinweistafeln folgen, die ihn zu einem
Sackbahnhof lotsten, auf dessen Bahnsteigen in kurzer Folge Züge
ankamen und nach kurzer Haltezeit wieder abfuhren. Es handelt sich um
die Transportwaggons des sogenannten Flughafenexpresszuges, welcher
vom Terminal 3 aus, zwischen Terminal 1 und Terminal 2, laufend hin- und
herfährt und die Reisenden zum Ort ihrer Wahl transportiert, entweder zum
Terminal für Inlandsflüge oder zum Outcheckepoint für all jene, welche aus
irgenwelchen Gründen in Peking verweilen wollen. Alle können nur mit
dem Flughafenexpresszug ihr angestebtes Ziel erreichen. Sowohl die
meisten Wartenden, als auch jene, welche dahinhasten oder suchend
umherschauen wollen ja irgendwo gut ankommen und gewiße Hoffnungen
erfüllt sehen. Oft handelt es sich wohl um von Fernsucht geplagte
Weltenbummler, um Geschäftsreisende oder auch um jene Personen,
welche als Einheimische umherirren auf der Suche nach einer besseren
Zukunft, nach einem glücklichen Zufall oder einem neuen Partner.
Vielleicht sind auch Flüchtende von irgendwoher unterwegs, auf dem Weg
in eine versprochene und glorifizierte Freiheit. Kein Reisender kennt die
geheimen Gründe für das Unterwegssein all der anderen Reisenden, weiß
nichts vom Ursprung dessen, was all jene fremden Gesichter zum Aufbruch
in andere Bereiche bewegt hat. So werden Flughäfen allüberall auf der Welt
zu hoffnungsvollen Drehscheiben für unerfüllte Wünsche und
sehnsuchtsvolle Erwartungen. Am Rande sei noch erwähnt, dass der
Flughafen Peking der größte und wichtigste Flughafen Chinas ist und in
etwa 22 km nordöstlich der großen Stadt liegt. Am Passagieraufkommen
gemessen ist Peking, nach dem Flughafen in Atlanta (USA), der
zweitgrößte Flughafen der Welt. Als anläßlich der Olympische Spiele 2008
das neue und dritte Terminal T3 fertiggestellt wurde ist der
Pekinger-Airport rasant gewachsen. Dementsprechend stieg die Anzahl der
beförderten Fluggäste zu Beginn des Jahrtausends rapide an. Für den
Zeitraum von 2007 bis 2008 wird grob geschätzt, dass die Zahlen von 53
Millionen um elf Millionen auf 64 Millionen gestiegen sind. Die neuesten
Schätzungen für das Jahr 2017 betragen bereits 90 Millionen Passagiere.
Hinzu kommen noch über eine Million Tonnen Luftfracht. Die maximale
jährliche Kapazität liegt bei 82 Millionen Passagieren, die in allen 3
Terminals (T1 bis T3), abgefertigt werden. T1 ist nur für nationale Flüge,
T2 für internationale Flüge gedacht, und T3 ist in einen internationalen und
einen nationalen Bereich getrennt. T3 verfügt über eine eigene Start- und
Landebahn. Nicht zu vergessen sind die erwähnten Züge, welche die
Terminals miteinander verbinden und meist voll ausgelastet sind. Nach
dieser Abschweifung halten wir nun wieder Ausschau nach unserem
Hauptprotagonisten Karl. Wir haben ja bereits erfahren, dass er die
Flughafenkontrollen für ankommende Passagiere erfolgreich überstanden
hat. Anschließend ist er mit dem Flughafenexpresszug zum öffentlichen
Wartebereich des Terminals 2 gefahren. Er schaute sich dort um und suchte
eine Möglichkeit, um sich mit etwas Bargeld zu versorgen. Nach kurzer
Lauf- strecke fand er in einer Seitenpassage einen Bankomat der „Bank of
China“ und deckte sich mit 1500,-- chinesischen Yuan (CNY) ein. Das sind
umgerechnet ca. 200 Euro, ein Geldbetrag welcher fürs Erste weiterhelfen
wird, sodass Karl gewisse Notwendigkeiten, in bezug auf Essen und
Trinken, eine zeitlang abdecken kann. Karl fühlte sich etwas müde, kaufte
sich einen Becher Starbucks-Coffee mit Strohhalm, setzte sich auf eine
Holzbank, welche um eine Betonsäule herumgebaut war, trank seinen
Kaffee und wartete auf das Einchecken für seinen Weiterflug.
Das Handgepäck zwischen die Füße geklemmt beobachtete er das bunte
Treiben im neutralen Bereich des Pekinger Flughafens. Es gab viel zu sehen
und die Zeit des War- tens verging wie im Fluge. Ein vorbeilaufender älterer
Chinese, mit Krückstock und Ho-Chi-Minh-Bart, blickte neugierig zu Karl
hinüber, so als wollte er sagen: „Eine Langnase in meinem Alter, was hat die
wohl hier bei uns in China zu suchen?” Karls Augen wichen dem
aufdringlichen Schauen des Chinesen aus und er schlug seine Blicke nieder,
zutzelte an seinem Strohhalm herum, schlürfte den letzten Rest Kaffee aus
seinem Plastikbecher und schaute auf seine Armbanduhr. Es war 9:30 Uhr
und somit höchste Zeit, um zum nationalen Pekinger Flughafen hinüberzu-
laufen. Karl stand deswegen auf, zog seinen Trolley hinter sich her, lief zu
einer Abfallbox hinüber, warf seinen Pappbecher mitsamt des Strohhalms
hinein und suchte dann auf dem Terrain des Terminals 1 das Gate für
seinen Weiterflug nach Nanning. Der Eingang zum Zustieg war schnell
gefunden und die nötigen Kontrollen verliefen für Karl ohne jedwede
Beanstandung. Doch noch mußte Karl, zusammen mit den anderen
Passagieren, am Gate solange warten, bis Personal kam und das
Hineingehen ins Flugzeug nach Nanning offiziell erlaubte. Ab 14:15 Uhr
war es dann soweit, dass die Kontrolle der Fahrkarten erfolgte und die
Reisenden mit ihrem Bordgepäck ins Flugzeug gehen durften. Es dauerte
einige Zeit bis alle im Flugzeug saßen und ihr Gepäck verstaut hatten. Jeder
Reisende nahm eine für ihn günstige Sitzposition ein und dann ergab es
sich, dass zwei Stewardessen um Aufmerksamkeit baten und vorführten,
wie im Gefahrenfall Schwimmwesten und Atemmasken benutzt werden
sollen. Karl hatte solche Darbietungen schon etliche Male über sich ergehen
lassen müssen, war aber der Überzeugung, dass im Ernstfall vermutlich nur
instinktiv gehandelt wird, da wohl bei einem Flugzeugabsturz die
Kopflosigkeit der meisten Passagiere ein planvolles Vorgehen verhindern
würde. Nach der Demonstration für Notfälle noch eine
Willkommensdurchsage des Flugkapitäns, welche verbunden war mit dem
sicherheitstechnischen Hinweis: “(Fasten your seat belt! Schnallen sie sich
jetzt an und ziehen sie Ihren Sitzgurt fest. Wir empfehlen Ihnen während
des gesamten Startvorganges angeschnallt zu bleiben!)“ Nach dieser
Aufforderung erfolgte die Flugfreigabe und die zwei adretten Stewardessen
räumten ihre Notfallgarnituren weg. Dann kontrollierten sie die Reihen der
Passagiere und stellten fest, dass alle Fluggäste ordnungsgemäß angeschnallt
waren. Die kleine Version der “Aircraft 738” hatte sich inzwischen einige
Meter in die Luft erhoben und begann in Richtung Nanning* abzudüsen.
*Nanning ist die Hauptstadt der Autonomen Provinz Guangxi und hat ca.6,7
Millionen Einwohnrer. Nanning ist das politische, wirtschaftliche und kulurelle
Zentrum von Guangxi. Es hat die am meisten prosperierende Wirtschaft im
Südwesten Chinas. In westlicher Richtung grenzt Nanning an Vietnam und in
östlicher Richtung hat es Nähe zu Hongkong und Macao. Nanning wird auch als
eine “immer grüne Stadt” bezeichnet. Sie hat ein warmes Klima und das ganze Jahr
über sind die Bäume grün und die Blumen duften. Die größte ethnische Min-
derheit in China sind die Zhuang, 90% von ihnen leben in der Provinz Guangxi.
Das Aircraft-Flugzeug der Air China landete bei gutem Wetter auf Rollbahn
drei des Nanninger Flughafens Wuxu. Die Ankunftszeit des Flugzeuges war
um 15:45 Uhr und sie stimmte haargenau mit jener auf dem Flugticket
überein. Es war eine weich gelungene Landung, wie vordem jene auf dem
Rollfeld in Peking. Die Passagiere klatschten kurz und dann wackelten
bereits die Ersten von ihnen nervös auf ihren Sitzen hin und her. Als die
Maschine eine ruhige Standposition hatte und die Triebwerke abgeschaltet
waren, ging es nach dem Ablegen der Sicherheitsgurte wie üblich weiter.
Einige der Fluggäste rissen recht voreilig die Gepäckfächer über sich auf,
schnappten sich ihr Handgepäck und standen im Nu drängelnd im Gang
herum. Andere wiederum blieben ruhig sitzen und warteten bis sich die
allgemeine Hektik gelegt hatte. Es schien so, als wüssten die stoischen
Sitzenbleiber, dass in den Minuten zwischen Landung und Ausstieg
wichtige Prozesse ablaufen und die Minuten, die den Voreiligen wie eine
Ewigkeit vorkommen, für sie nur Minuten der Entspannung bedeuten, weil
sie sich darüber im Klaren sind, dass diese Zeit für den reibungslosen
Ablauf am Flughafen von enormer Bedeutung ist. Diese Stoiker handeln
meist nach dem Motto abwarten und Tee trinken und es sind wohl
Menschen mit recht guten Nerven. Passagier Karl hingegen war einer von
den schnellen Voreiligen und als das Aussteigen begann, hatte er sich mit
seinem Handgepäck bereits einige Meter im Flugzeuggang nach vorne
geschoben, wohl etwas weiter, als er es aus Sicht der Anderen hätte tun
sollen. Im Bereich der Ausstiegsluke angekommen blickte Karl nach
draußen und sah, dass es kein Gate war, an welchem das Flugzeug andockte,
sondern eine vom Bodenpersonal angekoppelte Treppe, auf der die
Reisenden nach unten stiegen und zu bereitgestellten Bussen hinliefen. Karl
schaffte es gerade noch, sich in den ersten Bus hineinzuquetschen. Der fuhr
dann auch sofort los und hielt dort, wo es zu den Paß- und
Handgepäckkontrollen im Hauptgebäude des Flughafens ging. Es war kein
weiter Weg zu den Paß- und Sicherheitskontrollen und die zuständigen
Sicherheitsbeamten prüften genauso streng und gewissenhaft, wie es vor-
dem bei der Ankunft in Peking der Fall gewesen. Wessen Papiere in
Ordnung waren und wer sich den Gepflogenheiten in China unauffällig
anpasste, der mußte wohl keine Strafaktionen befürchten und konnte sich
beim Unterwegssein unbelästigt und frei bewegen.
Nach seiner unbeanstandeten Überprüfung positionierte sich Karl vor dem
Laufband für die Kofferausgabe und starrte auf all die unterschiedlichen
und manchmal exotisch anmutenden Gepäckstücke, welche an ihm
vorüberzogen. Er beobachtete das Laufband und dachte dabei andauernd
an Frau Li, welche ihn wohl bereits sehnsuchtsvoll in der Ankunftshalle
erwartete. Ach wie schön waren jene Emails und stimulierenden
SMS-Nachrichten, welche sie ihm immer wieder schrieb und welche er stets
so beantwortete, dass sich über die Entfernung hinweg aus anfänglicher
Sympathie eine innige Empathie mit Liebesgefühlen entwickelte. Nach
einiger Wartezeit sah Karl, dass sich sein mit rotem Spannband bandagierter
Reisekoffer auf ihn zubewegte. „Endlich“, dachte er sich und als er den
Koffer greifen konnte, zog er ihn geschickt vom Förderband und eilte mit
seinen beiden Gepäckstücken in Richtung Flughafenempfangshalle. Er war
gespannt auf das Erscheinen jener Dame Li, mit welcher er über die
Kommunikationssoftware Skype seine Reise geplant und besprochen hatte.
Herr K. warf nochmals einen kurzen Blick auf das Foto seines Herzblatts.
Er war unsicher, abgespannt, erregt und nervös. Nochmals blickte er auf
das Foto der Dame Li. Jung und hübsch sah sie auf dem Foto aus. Sie trug
ein leuchtend rotes Kleid, das in einer Art und Weise geschnitten war, die
die schlanke Figur nicht verhüllte, sondern sie betonte. Doch wer wird in
Wirklichkeit auf ihn zukommen? Wird Li trotz ihres vorgerückten Alters
annähernd genauso hübsch aussehen wie auf den Fotos, welche sie ihm per
Email vor Wochen geschickt hatte? Die Dates mit Menschen, die man noch
nie persönlich gesehen hat, von denen weiß man ja nichts über das
tatsächliche Aussehen, geschweige denn über ihren Charakter und ihre
Wesensart. Wird eine gemeinsame Wellenlänge und eine gemeinsame
Chemie in Sachen körperlicher Liebe vorhanden sein? Fragen über Fragen,
doch letztendlich wird Karl wohl erst dann mehr wissen, wenn sein
Aufenthalt in der chinesischen Stadt Nanning vorüber sein wird. In seinem
Kopf bewegte sich ein bizarr drehendes Gedankenkarussel. Gefällt sie mir,
gefall ich ihr, liebt sie mich, liebe ich sie? Können wir uns sprachlich
verständigen? Fragen über Fragen vor dem Betreten der Ankunftshalle des
Flughafens Wuxu. Drinnen in der Halle stellte der Rentner sein Gepäck auf
den Boden, blickte suchend umher und sah dann weiter vorne zwei
Personen zu ihm herüberwinken. Karl erkannte Frau Li und sah einen
Herrn mittleren Alters neben ihr. Man bewegte sich aufeinander zu und
Karl versuchte trotz seiner Anpannung und Aufgeregtheit so locker und
unverkrampft wie möglich zu bleiben. Als Li vor ihm stand bemerkte Karl,
dass sie eine gewiße angenehme kindliche Ausstrahlung hatte, aber ansons-
ten etwas schüchtern und unbeholfen wirkte. Er umarmte sie spontan und
sagt zu ihr „Nice to meet you. I wish us good time!" Li schien zu verstehen
und antwortete: „Nice to meet you too!“ Nach diesen ausgetauschten
Begrüßungsfloskeln stellte Li ihren Begleiter vor und meinte, dass es ihr
Onkel Cheung sei, welcher uns beide mit seinem Auto in die Stadt fahren
wird. Der Onkel sah mich mit lächelnder Miene an und sagte einige
chinesische Worte welche klangen wie: „Wo huānyíng ni lái zhōngguó de.“
Karl verstand nicht den Sinn des Gesagten, lächelte aber zurück und konnte
sich erst viel später erklären lassen, dass es ein chinesischer Willkommens-
gruß gewesen war. Herr Cheung und Li führten ihren Gast aus dem
Flughafengebäude hinaus zu einem parkenden Pkw. Es war ein
Schrägheckauto mit dem Namenszug der chinesischen Autofirma Oley.
Lìs Onkel lud Karl`s Gepäck in den Kofferraum seines Fahrzeuges und
nachdem Li und Karl auf den Rücksitzen des Oley Platz genommen hatte
fuhr Herr Cheung los. Er fädelte sich in eine gut ausgebaute Autoban ein
und fuhr in Richtung der 32 km entfernten Großstadt Nanning. Bald lag der
im Verhältnis zur Größe der Stadt Nanning (ca. 6,4 Millionen Einwohner),
recht klein geratenen Flughafen Wuxu weit zurück und je näher sie an
Nanning herankamen, desto dichter wurde der Verkehr. Beim Einfahren in
die Stadt steckten sie im Nu in einer sich zäh vorwärtsbewegenden
Verkehrsmasse. Sie waren umgeben von vielen Fahrzeugen, von Autos, von
Lastwagen, von wie Bienen umherschwirrenden Motorrollern und von
Dreirädern verschiedenster Bauart. Fahrradfahrer sah man kaum und die
wenigen, welche gesichtet wurden,sahen wie maskiert aus, denn alle hatten
sich wegen der abgasgeschwängerten Luft Atemschutzmasken
umgebunden. - Der turbulente Verkehr lenkte ab und verlagerte die
Aufmerksamkeit des Karl nach draußen, gab es doch für ihn viel Neues und
Ungewohntes zu sehen. Doch plötzlich wurde er abrupt daran erinnert, dass
Li neben ihm saß. Sie stupste ihn an und nahm seine Hand in die ihre. Beide
tauschten Blicke der Sympathie und empfanden füreinander eine
momentane gegenseitige gefühlsmäßige Übereinstimmung, welche oft so
beschrieben wird als würden Schmetterlinge im Bauch herumtaumeln. Karl
mochte die angenehmen Gesichtszüge dieser Frau und obwohl sie etwas
molliger und älter aussah, als auf all jenen Bildern, welche sie ihm immer
wieder geschickt hatte, verspürte er Li gegenüber Zuneigung und all jene
Gefühle, welche ein Mann beim Anblick einer begehrten Frau entwickelt.
Etliche Gedanken tauchten im Kopf des Rentners auf und er dachte sich:
„In Bezug auf die 71 Jahre, welche ich hinter mir habe bin ich zwar kein
junger Knabe mehr, doch da Frau Li mit ihren 58 Jahren noch recht knackig
ausschaut und mich erotisch anregt, so sind dies wohl gute Vorzeichen.“
Kaum hatte Karl solche Gedanken zu Ende gedacht bog Herr Cheung von
einer Hauptstraße ab und hielt auf dem Parkplatz eines Hotels über dessen
Eingang „Golden Holiday“ zu lesen war. Frau Li wandte sich dem Karl zu
und sagte: „We are arrived!“ Alle stiegen aus und Karl hob sein Gepäck aus
dem Kofferraum des Wagens. Dann sagte er zu Herrn Cheung „Thank you
Mister“ und gab ihm für seinen Fahrdienst anstandshalber einen 50
Yuan-Schein. Herr Cheung bedankte sich mit einer Verbeugung und stieg
in sein Auto. Während Li und Karl ins Hotel hineingingen, fuhr Lìs Onkel
mit seinem Auto aus dem Hotelparkplatz hinaus und als sich beide noch-
mals umdrehten, war er bereits im Verkehrsgewühl der Stadt verschwunden.
An dieser Stelle soll gesagt werden, dass Karl bereits im Vorfeld seiner
Abreise nach Nanning Frau Li via Email darum gebeten hatte für ihn in
Nanning ein Zimmer im International-Youth-Hostel zu buchen.
Dummerweise gab es dort keine freien Kapazitäten und deswegen
ent-schied sich Li für eine Reservierung im „Golden Holiday International
Hotel“. Sie teilte es Karl mit und der akzeptierte ihr Vorgehen. Bereits
zuhause las er die Beschreibung des Hotels im Internet: „Das `Golden
Holidayìst ein 4-Sterne Business-Hotel und befindet sich in der Minsheng
Road, im Zentrum der Stadt Nanning. Das Hotel liegt somit sehr günstig.
Zur kommerziellen Fußgängerzone sind es nur 10 Minuten zu Fuß und zum
Nanninger Bahnhof ebenso 10 Minuten. Für den Besuch von
Sehenswürdigkeiten in dieser Stadt ist dieses Hotel eine idealer
Ausgangspunkt. All unseren Gästen bieten wir ein solides und sauberes
Hotel mit landestypischem Büfett.“ Der heutige, erste Eindruck von diesem
Hotel war für Karl positiv. Während Li und er zur Rezeption hinüberliefen,
blickte Karl im Empfangsraum des Hotels umher und war angenehm
überrascht vom gepflegten Ambiente welches das Hotel auf dieser Ebene
vermittelte. Li ging auf eine am Empfang stehende Dame zu und sprach
eine Weile mit ihr. Daraufhin wurde Karl von der Hotelhostess um seinen
Reisepass gebeten und nach dessen Abgabe erhielt er ein
Reservierungsformblatt für ein Doppelzimmer mit der Bitte es zu
unterschreiben. Er war überrascht, wollte er doch ein Einzelzimmer. So
fragte er Li auf Englisch, warum dies nicht möglich gewesen sei. Li
verstand nicht und Karl gab seine Frage an die Hotelangestellte weiter.
Diese verstand und antworte: „Herr Karl, es wurde ein Doppelzimmer mit
Frühstück bestellt und ich kann diese Buchung nicht mehr rückgängig
machen, weil alle Einzelzimmer bereits belegt sind. Gut sagte Karl, dann
nehmen wir eben das gebuchte Doppelzimmer. Er unterschrieb das
Buchungsformular, mußte noch eine Anzahlung von 2000 Yuan leisten und
bekam dann den Zimmerschlüssel mit der Nummer 512. Karl und Li fuhren
mit dem Lift in den 5ten Stock hinauf und suchten das für sie reservierte
Zimmer. Als es gefunden war, waren sich beide voll bewußt, dass eine
17-tägige gemeinsame Zeit für sie beginnen würde. So lange wollte Karl in
Südwestchina bleiben und Frau Li schien wohl damit einverstanden, dass
er Brot und Bett mit ihr teilt. Aber wird Li eine Frau sein welche man
heiraten kann oder ist es eine solche, welche nur ihren Spaß haben will
innerhalb einer losen Verbindung? Wir werden sehen dachte sich Karl, doch
ihr Spaß soll auch für mich ein Spaß sein.
Im Hotelappartement hatte alles seine Ordnung. Nach dem Hineingehen
stand man in einem kleinen Flur mit Garderobehaken. Rechts führte eine
Glastür zur Toilette mit Duchkabine und eine zweite Tür geradeaus ins
eigentliche Hotelzimmer. Dort befanden sich ein großer Kleiderschrank mit
Spiegelglastüren, ein Fernseher, welcher auf einer Kommode stand, ein
fran- zösisches Doppelbett, zwei Nachtkästchen, ein Kofferabstellpult, eine
klei- ne Konsole mit einem Wasserkocher und ein Tischchen mit zwei ge-
polsterten Stühlen. Ein Anhauch von Luxus war vorhanden. Alles in allem
ein annehmbarer Komfort zum täglichen Übernachtungspreis von 248
Yuan (DZ und Frühstück für 2 Personen inklusive für ca. 34 Euro).
Durchaus ein erschwinglicher Preis, auch für Rentner mit kleinem Budget.
Karl erinnert sich an einige Sätzen aus dem Roman „Menschen im Hotel“
von Vicki Baum, welche in den 1920er Jahren als Zimmermädchen in
luxuriösen Hotels gejobbt hat, um für ihren Roman zu recherchieren: „Wer
ein Hotel betritt, weiß nicht, wer er sein wird, wenn er es wieder verläßt.”
Vielleicht ergeht es mir ähnlich dachte sich Karl und vielleicht verlasse ich
dieses Hotel als über beide Ohren verliebter Mann und als einer, der neues
Glück gefunden hat. - “Gäste kommen an, Gäste reisen ab, Leben stehen
an Wen- depunkten, Menschen stecken in Krisen, die Hoteltür dreht sich,
schwingt, schwingt, schwingt. Doch beim Eintreten weiß keiner im voraus,
ob er sich beim Verlassen des Hotels mit erfüllten Erwartungen
verabschieden kann.”
Nice, nice, very nice, plötzlich ertönende Freudenrufe von Frau Li welche
an der breiten Fensterfront des Hotelappartementes stand, die Vorhänge
zur Seite geschoben hatte und nach unten blickte. Karl kam hinzu und teilte
mit ihr den Blick aus dem Fenster. Er war genauso überrascht wie Li. Beide
sahen ein schönes Panorama vom 5. Stock des Hotels aus. Sie erblickten
einen Teil der Stadt Nanning. Es war eine Kulisse zum Genießen: „Im
Hintergrund tauchte ein am Himmel stehender Sonnenball die Hochhäuser
der Nanninger Neubaugebiete in gleisendes Licht. In der Mitte des Bildes
der gleichmäßig ruhig dahinfließende Yongjiang Fluss, welcher die Stadt
durchquerte und wie ein Beruhigungsmittel für die emsige Metropole zu
sein schien. Davor, in der Nähe des Flußes und tief unten, eine Kreuzung
zweier Nanninger Hauptverkehrsstraßen mit Autos und Fußgängern,
welche von oben betrachtet wie kleines Spielzeug ausschauten und
unbedeutend wirkten. Einzig die überdimensional große, auf einem
Stahlgerüst montierte Uhr, mit Zeit- und Temperaturanzeige am Rand
dieses Verkehrgetümmels wirkte dominant und war wohl für so manchen
Verkehrsteilnehmer ein bedeutungsvolles Attribut. Links, am äußersten
mittleren Rand des Blickfeldes, die grün glänzende Kuppel einer Moschee.
Kurzer Sehgenuß, denn die Sonne ging langsam unter und es war
festzustellen dass nach deren Verschwinden die Dämmerung mit fahlem
Licht begann. Der Glanz, welchen die Sonne dem Bildmotiv verlieh, er war
nun nicht mehr vorhanden. Karl fragte Li: „Want you to go outside with me
and eat with me something?“ Anstatt zu antworten zog sie aus ihrem
Rucksack ein kleines Gerät, überreichte es ihrem Gegenüber und sagte:
„Please type in this words!“ Karl sah, dass es ein Translater mit Tastatur
war, welchen er in seiner Hand hielt. Er tippte das von ihm Gesagte ein und
drückte auf die Entertaste. Es erschien der ins chinesische übersetzte Satz.
Li, welche über Karl`s Schulter schaute verstand nun und sagte: „Ok, I
want to go with you!“ Für unseren Rentner war es nun offensichtlich, dass
Li sehr wenig Englisch sprechen und verstehen konnte und
Kommunikation hauptsächlich unter Zuhilfenahme dieses kleinen
Übersetzungsgeräts zustande kommen würde. Karl war desillusioniert,
denn die über Entfernung geschickten Emails von Li täuschten gute
englische Sprachkenntnisse vor, welche offensichtlich in Wirklichkeit nicht
vorhanden waren. Er dachte sich: „Ich bin mal gespannt welche
Unterhaltungen im Verlauf unseres 17-tägigen Beisammenseins zustande
kommen und mit welchen Missverständnissen wir zu kämpfen haben. Es
scheint auf alle Fälle ein Experiment besonderer Art zu werden, interessant
und vielleicht auch recht abenteuerlich auf ureigene Weise. Bestimmt wird
Fähigkeit ist, eine fremde Sprache zu sprechen, ohne sie gelernt zu haben.
Im religiösen und esoterischen Kontext wird über dieses Phänomen oft
berichtet. Manchmal wird auch behauptet, dass Xenoglossie unter Hypnose
auftritt. Geprägt wurde dieser Begriff vom Franzosen Charles Richet, einem
Nobelpreisträger und die Medizin übernahm diesen Begriff in den 20er
Jahren des letzten Jahrhunderts. Einige Neurologen behaupteten, dass sie
Patienten hypnotisiert und in Sprachen mit ihnen gesprochen hätten, an
welche sich die Hypnotisierten im Wachzustand überhaupt nicht mehr
erinnerten. Der wissenschaftliche Beweis für ein reales Vorhandensein
von Xenoglossiefähigkeiten ist jedoch bis heutigentags nicht erbracht
worden. Karl wollte nicht länger solchem Denken nachhängen, wozu auch,
es hätte ihm nichts eingebracht. Er wollte zwar das Vorhandensein solcher
PSI-Fähigkeiten nicht ausschließen, war aber der Meinung, dass eine Person
nur das kann, was sie gelernt hat. Und sich hier in China mit paranormalen
Experimenten zu befassen, das würde ihm und seiner Freundin nicht viel
bringen, es wäre pure Zeitverschwendung. Karl sah, dass Li sich schon
etwas aufgeschminkt und ein gehäkeltes Jäckchen fürs Ausgehen angezogen
hatte. Er folgte ihr in Eile, mache sich im Bad etwas frisch, zog sich ein
frisches Shirt über und beide verließen das Appartement. Sie gingen ohne
ein Wort miteinander zu sprechen, Arm in Arm, aus dem Hotel hinaus und
flanierten über die Minsheng Road.
Es begann langsam dunkel zu werden und die brütende Hitze des Tages
ging über in angenehme Temperaturen. Straßenlichter gingen an und das
geschäftige Treiben schien offensichtlich eher zu-, als abzunehmen.
Verführerische Düfte drangen aus den offenen Türen von Garküchen und
Restaurants. Fast vor jedem Lokal standen Tische und Stühle, um die
Kunden auch im Freien bewirten zu können. Etliche solcher Lokalitäten
lagen in der Minsheng Road nebeneinander und die Besitzer bereiteten sich
auf das abendliche Hauptgeschäft vor. Gediegene, saubere Restaurants
neben im Freien aufgebauten schmuddeligen Imbissbuden. Ein buntes
Gemisch verschiedenartigster Anbieter. Li lächelte Karl zu, hielt seine Hand
fester, sagte „come“ und zog ihn durch die geöffnete Tür eines einladend
wirkenden Restaurants. Innen herrschte schon reger Betrieb, doch fanden
beide in der Mitte des Lokals noch einen freien Tisch und sie nahmen Platz.
Ein Ober brachte zwei Speisekarten und als Karl die ihm überreichte
auffaltete kam er sich vor wie ein Analphabet, er war ratlos und unschlüssig
Kein einziges Schriftzeichen konnte er lesen, nur mit den Zahlen, welche
den Preis für ein Gericht nannten, konnte er etwas anfangen. Zum Glück
war neben der Beschreibung für die jeweiligen Gerichte ein runder Kreis
mit einem kleinen Foto. Nach Foto bestellen, das ist eben mal was anderes,
doch auch irgendwie riskant. Li amüsierte sich an Karls Unentschlossen-
heit, zeigte aber nach einiger Zeit auf das Bild eines Gerichts und sagte:
„This is good!“ Karl antortet: „Ok und verlangte den kleinen
Taschentranslator von Li. Er schrieb folgenden Text und ließ ihn für Li
übersetzen:„Das Essen kannst du bestellen, aber ich benötige eine Gabel
zum Essen.“ Li sagte nur „ok“ und bestellte. Nach kurzer Wartezeit
servierte ein Ober zwei Platten mit gebratenen
Glasnudeln, Hühnerbrustfleisch, Paprikaschoten und Gemüse. Eine Gabel
und zwei Eßstäbchen legte er separat ab. Kurze Zeit später kam ein zweiter
Ober vorbei und brachte ein Kännchen mit heißem Tee und zwei Tassen.
Li und Karl wünschten sich „manman chi“ (Guten Appetit) und genossen
ihr Essen. Es hatte eine pikant würzig scharfe Note und schmeckte vorzüg-
lich. Bei Li hörte man deutlich, dass es ihr schmeckte, sie schlürfte und
schmatzte. Dies in Deutschland zu tun, wäre ein Zeichen von schlechter
Erziehung, bei Chinesen hingegen ist dies üblich und es verstößt nicht
gegen die guten Sitten. Jedoch sich am Tisch zu schneuzen, das ist in China
verpönt. Da sollte man lieber vom Tisch aufstehen, zur Toilette gehen und
sich dort die Nase putzen. Überall in fremden Ländern gilt eben der allseits
bekannte Spruch: „Andere Länder, andere Sitten.“
Der Autor möchte hier nebenbei bemerken, dass die südwestchinesische
Küche nicht nur Wert auf Schärfe legt, sondern auch auf Form,
Wohlgeschmack und Farbe. Ein bekanntes Gericht dieser Küche ist
Gongbao Jiding (gebratene Hühnerwürfel mit gerösteten Erdnüssen und
Chilischoten) oder ein in Sternanis geschmortes Fleischschnitzel. Yoxiang
Qiezi heißen in süßsauerer Soße geschmorte Auberginen. Als Koushui Ji
werden Hähnchenschenkel in einer speziellen Soße bezeichnet. Ein
absoluter Klassiker der süwestchinesischen Küche (von Nanning bis
Sichuan) ist das vegetarische Gericht Mapo Doufu, bei welchem es sich um
in Chilisauce geschmorten Tofu handelt. Die beliebtesten Methoden der
Zubereitung sind Schmoren, Anbraten, Dörren und Dämpfen. Ganz
allgemein kann gesagt werden, dass die Vielfalt der chinesischen Küche
einzigartig ist und vor allen Dingen die südwestchinesische Küche an
Geschmack nicht zu überbieten ist. In bezug auf die weiter im Osten
praktizierte kantonesische Küche gibt es in Sachen „Vielfalt“ eine recht
bösartige Aussage: „Die Kantonesen essen alles, was am Himmel fliegt,
außer Flugzeuge, alles, was auf der Erde kriecht, außer Autos, alles, was vier
Füße hat, außer Stühlen und Tischen.“ Diese Sentenz ist wohl nur
scherzhaft gemeint und der Autor würde allen Lesern anraten sie nicht ganz
ernst zu nehmen, weder in bezug auf Kanton, noch in bezug auf Nanning
oder Sichuan. Die Qualität und die Verträglichkeit des Essens sprechen
eben immer wieder ihre eigene Sprache, wie es ja auch unsere beiden
Protagonisten Li und Karl bewiesen. Sie haben ihre Speisen aufgegessen,
ihren Tee getrunken und alles ist ihnen gut bekommen. So saßen sie satt und
selbstzufrieden am Tisch, wobei Li beinahe eingeschlafen wäre. Karl kam
dem zuvor und winkte mit seiner Geldbörse zum Ober hinüber und
der wußte gleich, was gemeint war. Er legte Karl einen Zettel auf den Tisch,
auf dem einige chinesische Schriftzeichen und der Betrag von 79,00 Yuan
aufgeschrieben waren. Karl bezahlte somit umgerechnet ca.12 Euro und
dann verließen beide das Lokal. Draußen bedankt sich Li für das Bezahlen
ihres Essens und Karl wußte, dass er von nun an, für die Dauer seines
Aufenthaltes, der Ernährer seiner Freundin sein würde. Sie hingegen wird
für ihn eine zuverlässige weibliche Begleiterin und Fremdenführerin sein, so
hat es sich nun eingespielt. Vielleicht wird irgendwann aus dieser losen
Freundschaft eine dauerhafte Liebe entstehen, doch zum jetzigen Zeitpunkt
kann noch nichts Genaues ausgesagt werden.
Mittlerweile war es schon 21 Uhr geworden, doch obwohl Karl vom langen
Flug und den vielen neuen Eindrücken schon ziemlich müde war, entsprach
er dem Wunsche von Li und machte mit ihr noch einen kleinen
Abendspaziergang. Anschließend gingen die Beiden ins Hotel zurück und
Karl sagte zu Li, unter Zuhilfenahme ihres Translaters, dass es das Beste sei
wenn sie jetzt zu Bett gingen. Der Autor wird im weiteren Verlauf nicht
mehr diesen umständlich zu bedienenden Taschenübersetzer erwähnen,
möchte aber darauf hinweisen, dass viele Dialoge zwischen Karl und Li
unter Zuhilfenahme dieses Übersetzungsgerätes zustande kamen.
Ausgenommen davon sind kurze Statements und natürlich jene Situationen
bei denen zur Verständigung „ein in die Augen schauen“ oder das
„Sprechen mit Gesten und Mimik“ genügen werden. Li und Karl haben sich
übereinstimmend geeinigt und sie wollen sich schlafen legen. Nach den
Vorbereitungen für die Nacht fiel Karl wie ein müder Mehlsack ins Bett und
bereitete sich aufs Einschlafen vor. Seine Freundin kam nach und wollte
vom Bett aus noch etwas fernsehen. Sie schaltete mit der Fernsteuerung den
Apparat ein und es kamen gerade die 22 Uhr Nachrichten des chinesischen
Senders CCTV-1. Rentner Karl verstand kein Wort und ungewohnt war für
ihn auch, dass ein General in militärischer Uniform die Nachrichten sprach.
Am Ende der Berichterstattung sah man noch einen Propagandakurzfilm,
welcher die Schlagkraft der chinesischen Armee demonstrierte.
Anschließend erschien die Einblendung eines Paares und es wurde
offensichtlich ein Liebesfilm vorgestellt. Li bat Karl sich diesen Film
anschauen zu dürfen. Spontan hat sie die Sprache des Senders lauter gestellt