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Rolli will unbedingt in die Bande aufgenommen werden. Als er zufällig eine unglaubliche Entdeckung macht, sieht er darin endlich seine große Chance. Werden sich aber die Mitglieder der Bande, Ritschi, Bimes, Keff und Massa Bob, die allesamt ein, zwei Jahre älter sind, überhaupt dafür interessieren, hecken sie deswegen einen wagemutigen Plan aus? Führen sie ihn auch aus?... Jedenfalls spannend und lustig! Ritchie führt uns durch die ganze Geschichte und wir erfahren nebenbei auf humorvolle Weise auch Interessantes über seinen Alltag, die Schule, seine Familienverhältnisse und Ansichten. Kurze Erzählungen über die Buben, die scheinbar mit den eigentlichen Ereignissen nichts zu tun haben, erhöhen das Lesevergnügen.
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Seitenzahl: 152
Veröffentlichungsjahr: 2013
Robert Demont kam zur Welt als ein sehr kleines Kind und enttäuscht darüber beschloss er, weit über einen Meter sukzessive zu wachsen. Dies geschah zuerst am Bodensee, dann in Tirol, in Wien, um wiederum in Tirol den Wachstums-, jedoch hoffentlich noch nicht den Entwicklungsprozess zu beenden. Dort lebt er alleine mit seiner Frau, da deren zwei Töchter mittlerweile flügge wurden.
Obwohl ursprünglich viel mehr technisch orientiert (Studium Geodäsie und Architektur, dann Mathematik und Sport), erweckten unzählige Reisen vor, während und nach der Studienzeit, vorwiegend per Autostop, fast zwangsläufig nicht nur das Interesse für, sondern führten auch zum Erlernen von Fremdsprachen, was zu einem weiteren Studium und letztlich Beruf als Übersetzer führte.
Das Schreiben von vor allem humoristischen Kurzgeschichten, Kinder- und Jugendbüchern, aber auch Sach- bzw. Fachtexten ist für ihn keine Arbeit, sondern reines Vergnügen.
Rolli will unbedingt in die Bande aufgenommen werden. Als er zufällig eine unglaubliche Entdeckung macht, sieht er darin endlich seine große Chance. Werden sich aber die Mitglieder der Bande, Ritschie, Bimes, Keff und Massa Bob, die allesamt ein, zwei Jahre älter sind, überhaupt dafür interessieren, hecken sie deswegen einen wagemutigen Plan aus? Führen sie ihn auch aus?…
ROBERT DEMONT
DER DEGEN
ABENTEUERROMAN FÜR JUGENDLICHE
UND
JUNGGEBLIEBENE
www.tredition.de
© 2013 Robert Demont/Rechteinhabers
Umschlaggestaltung: Robert Demont
Verlag: tredition GmbH, Hamburg
ISBN: 978-3-8495-3820-0
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
FÜR MEINE DREI LEBENSFRAUEN
1
„Mein Onkel hat eine Spenglerei" piepst aus heiterem Himmel Rolli. Er ist der kleinste von uns und muss noch dazu mit drei Frauen zusammenleben, mit Mutter, Oma und Tante nämlich und obwohl er schon fast elf Jahre alt ist, sieht er nicht wie ein richtiger Mann aus. Wahrscheinlich färben die drei Frauen auf ihn ab. Immer taucht er auf wie aus dem Ei gepellt: sauber, eine perfekte Igelfrisur mit ein paar gekünstelten Stirnfransen, frisch gewaschenes und gebügeltes Gewand und er duftet sogar nach irgendeinem wohlriechenden Zeug - einfach furchtbar.
Eigentlich gehört er nicht richtig zu unserer Bande. Der besten Bande der Welt. Der Bande vom Stadtviertel Riedberg: Bimes, Keff, Massa Bob und ich. Wisst ihr, warum die beste? Weil wir keinen Anführer, keinen Häuptling haben. Wozu auch? Obwohl wir manchmal auch streiten, entscheiden wir alles gemeinsam. Dass wir zusammenhalten, wie sich es gehört, versteht sich von selbst. Aber ich schweife ab!
Einen großen Vorteil hat der gute Rolli. Er wird mit einem scheinbar unerschöpflichen Vorrat an Bonbons, Schokoladen und anderem Süßzeug versorgt, so dass er geduldet wird, wenn er mit uns teilt und sich nicht muckst.
Von ganz wichtigen Dingen, wenn wir zum Beispiel eine Expedition planen oder Kriege gegen andere Banden vorbereiten, erfährt er nichts. Natürlich wissen wir alle, dass sein Onkel eine Spenglerei hat und so beachtet ihn keiner.
Die neuerliche Ruhe ringsum wird nur zeitweise vom Vogelgezwitscher unterbrochen. Wir sitzen auf unserem Baum, einer riesigen Buche knapp am Abhang, ganz hoch oben, jeder auf seinem bevorzugten Sitz, einer Astgabel oder gegen den Stamm angelehnt. Nur Massa Bob klemmt immer noch zwischen den ersten zwei Ästen unten und kommt kein Stück weiter, bis er sich dort nach wiederholtem, aber erfolgslosem Bemühen mit einem Ächzen endgültig niederlässt.
„Hier unten ist es viel besser" verkündet er. Das stimmt sicher nicht. Massa Bob hat halt fast fünfundsechzig Kilo und schafft es nie weiter hinauf, obwohl er es immer wieder versucht.
Oben in der Baumkrone, wo wir anderen hin klettern, können wir unser ganzes Reich überblicken: weit links unter dem Abhang den Fluss und seine alten Mäander, die von ihm wahrscheinlich schon vor Jahrzehnten abgetrennt wurden und zwei kleine, nierenförmige Teiche gebildet hatten, rechts den See, der eigentlich auch nur ein Teich ist, aber wir sagen halt so, weil er beinahe über einen Kilometer lang und genauso breit ist, die Wiesen dazwischen, in der Hochebene den aufgelassenen Truppenübungsplatz. Aber was am wichtigsten ist: von hier oben können wir mögliche Feinde vom weiten beobachten und obwohl die Blätter noch sehr klein sind, es ist erst April, kann uns von unten kaum jemand sehen.
„Ich habe gesagt, dass mein Onkel eine Spenglerei hat" probiert es Rolli noch einmal mit etwas lauterer Stimme.
„Na, großartig!" sagt nach einer Weile Bimes spöttisch und erntet damit Keffs zustimmendes Kopfnicken.
Es muss aber schon etwas Außergewöhnliches sein, was da Rolli beschäftigt, dass er so beharrlich bleibt. Und prompt erzählt er unbeirrt weiter: „Die Spenglerei musste ein Dach von einem Matriallager reparieren; von einem Lager vom Militär!“
Rolli ist dabei so aufgeregt, dass er dabei die Augen ganz groß aufreißt und seine sonst schon rosaroten Wangen richtig glühen.
„Blödsinn", behaupte ich, „erstens nicht die Spenglerei musste reparieren, sondern die Spengler von der Spenglerei mussten das Dach reparieren, zweitens heißt es Materiallager und nicht Matriallager und drittens haben die dafür ihre eigenen Leute, weil alles streng geheim ist.“
„Aber es gibt auch Lager mit nicht so geheimen Sachen!" meint Rolli und Keff gefällt der Gedanke, dass nicht gar alles geheim ist, sehr gut:
„Das stimmt, es gibt auch viele normale Dinge.“
„Und was zum Beispiel?"
„Ja, zum Beispiel….alles Mögliche", weiß Keff nicht recht weiter, „… zum Beispiel Schaufeln, Pickel oder Wäsche und so Zeug halt.“
„Oder Lebensmittel", schreit von unten Massa Bob.
„Kannst du an nichts anderes als Essen denken?!“ sagen alle wie auf ein Kommando.
„Doch, aber ein Militär ohne Lebensmittel kann nicht kämpfen!“ Von seinem Gesicht kann man deutlich ablesen, dass ihm der alleinige Gedanke an Hunger unerträgliche Qualen bereitet und so zaubert er sicherheitshalber aus der Hosentasche ein halbes Nusskipferl hervor und beginnt sofort glücklich zu mampfen. Es stört ihn auch gar nicht, dass das Gebäck durch seine Kletterversuche aussieht, als ob er schon ein paar Mal daran gekaut und es immer wieder ausgespuckt hätte.
„Auch solche Sachen sind geheim", lasse ich nicht nach.
„Wieso?"
"Weil du, du Dusel, daraus die Militärstärke ausrechnen kannst", kommt mir Bimes zur Hilfe.
„Das verstehe ich nicht" sagt Keff.
„Dann denk` mal nach!“
„Ich weiß schon, sag es aber nicht!“ Typisch Massa Bob!
„Weil du auch keine Ahnung hast!“
„Ist überhaupt nicht wahr!“
„Ist doch wahr“.
„Freilich weiß ich es!“
„Du hast keine Ahnung!“
„Ihr streitet wie kleine Mädchen“ verkündet Bimes wie immer ganz nebenbei, was für sofortige Ruhe sorgt und wendet sich an mich: „Sag`s halt, Ritschi, wie es geht, das ist ein interessantes Beispiel“. „Ein interessantes Beispiel“ ist Bimes` Lieblingsspruch, den er oft und meistens völlig unpassend verwendet.
„Du kannst ja, wenn du die Menge der Vorräte weißt, mit dem durchschnittlichen Bedarf dividieren und die Zahl ergibt dann die Anzahl der Soldaten; zum Beispiel… 100 kg Kaffee dividiert durch 1 kg für 1 Monat sind 100 Soldaten, oder 50 Schaufeln ergeben 50 Soldaten usw.“.
„In Italien sind es aber viel weniger Soldaten, weil die Italiener viel mehr Kaffee trinken“ sagt Massa Bob mit einer Kennermiene.
„Ja, genau und wieso braucht ein Soldat eine Schaufel im Monat?“ fällt Keff dazu ein.
Die Diskussion geht noch eine Weile weiter: wie viele Schnitzel sie im Jahr bekommen (Massa Bob), ob die Offiziere öfters Socken wechseln dürfen als einfache Soldaten, ob man bei U-Bootmatrosen, weil kleiner und aus Platzmangel, weniger Essen rechnen kann und erst recht bei den Chinesen, die bekanntlich nur eine Handvoll Reis pro Soldat und Tag brauchen, was wir ja alle genau wissen und daher einstimmig beschließen.
Rolli, ansonsten immer bemüht, nicht aufzufallen, um uns ja keinen Anlass für verschiedene Bestrafungen zu geben oder noch schlimmer, ihn wegzuschicken, wirkt während der ganzen Zeit unruhig, hin und hergerissen, scheint einen inneren Kampf auszufechten. Was wir nicht wissen: er wartet ja solange auf den richtigen Zeitpunkt, um uns sein großes Geheimnis, seine Entdeckung mitzuteilen und nur er weiß, welche Überwindung es ihn kostet und wie er auf der anderen Seite ungeduldig seine Chance herbeisehnt.
Er ist felsenfest davon überzeugt, dass er mit diesem Geheimnis nicht mehr als die geduldete Mimose betrachtet wird und endlich, endlich als vollwertiges Mitglied unserer Bande anerkannt wird…
2
„Nach der Schule bringst du Onkel Gerd sein Mittagessen zur Baustelle und nimmst auch eine Schachtel Pappnägel mit“ sagte Rollis Mama beim Mittagessen.
„Aber Mamaaaa, ich hab` schon mit den Buben ausgemacht!“
„Widersprich nicht andauernd deiner Mutter“ mischte sich Tante Juli ein.
„Ach, lasst doch den Buben,“ meinte die Oma, „du kannst ja mit dem Rad fahren und dann mit deinen Freunden später spielen.“
„Außerdem ist Onkel Gerd wohl wichtiger als dein ewiges Herumziehen, junger Mann“, kommentierte erneut Tante Juli, die, selbst nie verheiratet und kinderlos, glaubt, unbedingt die Vaterrolle übernehmen zu müssen.
„Die warten doch nicht auf mich“ rutschte es dem Rolli aus dem Mund, „die verstecken sich irgendwo wieder und ich finde sie dann den ganzen Nachmittag nimmer!“ „Du behauptest immer, dass es deine besten Freunde sind, dann werden sie doch wohl warten?“ verstand die Mutter sein Problem nicht.
Rolli konnte nie und nimmer zugeben, dass sich die Riedberger oft vor ihm verstecken oder davon laufen, um ihn ja nicht mitschleppen zu müssen. Er hatte es ja viele Male erlebt. Wie damals, als er sich zu spät duckte und sie dadurch sofort von den Auern, einer Bande von den Siedlungshäusern „In der Au“, entdeckt wurden und dadurch das Spiel verloren. Mein Gott, wenn schon! Dafür stopften sie ihn zur Strafe mit Heu so aus, dass er gleich hoch gleich breit war und schickten ihn auch noch weg. Er konnte kaum gehen, so prall gefüllt war sein Gewand. Das Heu biss und juckte fürchterlich, aber geweint hatte er erst, als sie ihn nicht mehr sehen konnten!
„Ist in Ordnung“ willigte Rolli schleunigst ein, um ja nicht durch weitere Erklärungen seinen eigentlichen Stand in der Bande verraten zu müssen.
„Die Baustelle ist auf der rechten Seite vor der Albing-Brücke, wenn du zur Karlsfeste fährst, es sind ja auch die einzigen Gebäude weit und breit, weißt du wo?“
„Ja klar!“
„Fahr vorsichtig und danke“ sagte Mama und bevor er sich aus dem Staub machen konnte, fuhr sie ihm liebevoll über seine Igelfrisur. Wie oft in letzter Zeit, wusste er nicht, ob er es noch angenehm empfand oder ob ihm das auf die Nerven ging. Da es aber sonst niemand sah, fand er es doch noch in Ordnung.
Er schnappte sein Fahrrad, band das Essgeschirr und die Nägel auf den Gepäcksträger und fuhr los. Die Entfernung von nur knapp vier Kilometern machte ihm ja nichts aus. Nahm er die Abkürzung am Stadtpark vorbei und dann weiter über Vogelfeld, musste er zwei feindliche Gebiete passieren. Die Vogelfelder waren eigentlich nicht so schlimm, einen Krieg führten wir gegen die noch nie, überlegte Rolli, aber bevor er zum Park gelang, musste er über die Fußgängerbrücke fahren und da könnte es gefährlich werden. Wie die alten Raubritter, hielten die Maderer oft die Brücke besetzt und nahmen dir praktisch als Zoll alles Brauchbare weg. Einen tritt in den Hintern oder ein blaues Auge gab es womöglich auch noch als Draufgabe. Eine ganz miese Sippe, diese Maderer.
Rolli beschloss, vorsichtig bis zum Damm hinauf zu fahren, damit er, im Falle eines Falles, schnell umdrehen und bergab davon fahren konnte. Langsam näherte er sich der Brücke und blieb in den Pedalen sogar auf den Zehenspitzen stehen, um ja weit und vor allem über die Kuppe spähen zu können. Die Luft schien rein zu sein. Wenn er einmal auf die Brücke fuhr, gab es kein Entrinnen mehr. Rolli radelte jetzt was das Zeug hielt und die sechzig Meter kamen ihm wie sechs Kilometer vor…
Noch ein paar Meter, geschafft! und Rolli fetzte erleichtert wieder bergab auf der anderen Seite des Dammes am Park vorbei.
„Betreten verboten“ „Für Unbefugte Zutritt verboten“ konnte Rolli am Tor zum Militärgelände lesen. Es war verschlossen. Was ist eigentlich ein Unbefugter, dachte Rolli, was ist das für ein Beruf: Befugter? Wo kommt es her? Kann man auch sagen Verfugte oder Ausfugte und was bedeutet es dann? Der Onkel wird es schon wissen! Rolli bemerkte die nur angelehnte Tür neben dem Tor und sah auch schon durch den Zaun Onkels Kleinlaster. Na also! Er stieß die Tür mit dem Vorderrad auf und fuhr bis zum Wagen hinein.
„Was machst du hier verbotenerweise, ha!?“ rief plötzlich Onkel Gerd vom Dach und lachte, als Rolli vor lauter Schreck zusammenzuckte.
„Warte einen Augenblick, ich komme gleich herunter“. Onkel Gerd machte es wie immer: er stieg auf die Leiter, hielt sie mit beiden Händen fest, presste die Füße gegen die Leiter außen und rutschte wie der Blitz herunter, indem er sich schnell von einer Sprosse zur anderen hantelte und bremste sich ein paar Zentimeter über dem Boden elegant ein. Rolli war wie immer ganz fasziniert.
„Wie die Feuerwehrmänner, was sagst du dazu?“
„Wann kann ich es endlich lernen, Onkel Gerd?
„Bald, die Leiter ist für dich immer noch zu breit und du brauchst dazu richtige Arbeitsschuhe, aber bald, versprochen! Hast du alles mit, zeig her?!“
„Onkel Gerd, was ist das für ein Beruf: Befugter?“
„Das ist kein Beruf; ein Befugter ist jeder, der eine Berechtigung oder ein Befugnis hat, irgendetwas zu tun. Hast wohl die Tafeln gelesen? Das bedeutet, das nur Personen mit schriftlicher Erlaubnis, also Befugnis das Gelände betreten dürfen.“
„Hast du so etwas dabei?“
„Im Büro, aber ich habe ja den Schlüssel – es ist ja sonst niemand hier, nur in der Nacht und über das Wochenende lassen sie die Wachhunde frei herumlaufen.“
„Darf ich mir das Lager anschauen?“
„Geh ruhig hinein, aber du wirst enttäuscht sein, es ist leer!“
Das Lagergebäude, wie auch die anderen drei, war ein länglicher Ziegelbau aus dem vorigen Jahrhundert, der nur aus einem sehr niedrigen Erdgeschoss mit je acht kleinen vergitterten Fenstern und einem überdimensionalen Dach mit ebenso vielen Dachlücken bestand. Rolli machte vorsichtig die Tür auf. Nur die Sonnenstrahlen drangen durch die Fenster, deren Gitter und Sprossen sich wie auf einer Leinwand scharf auf dem Boden abzeichneten. Auch die durch die Dachlücken hereinfallenden Lichtstrahlen sahen eher wie schräge Säulen aus, die das Dach stützten. Erst allmählich gewöhnten sich seine Augen an das Halbdunkel.
Der Raum war einfach riesig, viel größer als man von außen annehmen konnte. Rolli überlegte, wie viele Laster darin Platz finden würden, bestimmt vierzig, fünfzig. Obwohl der Boden sauber gekehrt war, roch es hier nach altem Staub und Moder. Bis auf ein paar aufgeschichtete Bretter war die ganze Halle tatsächlich leer.
Als er schon umkehren wollte, fiel ihm an der Stirnwand eine Tür auf. Wahrscheinlich ein Notausgang. Er ging einige Schritte auf sie zu und sah oberhalb in der Mauer eine Entlüftungslücke. Wieso sieht man da kein Tageslicht durchkommen? Ist sie zugestopft? Wahrscheinlich. Na ja. Es ist wirklich enttäuschend, murmelte Rolli vor sich hin. Wenn da aber kein Licht durchkommt und die Entlüftung nicht zugestopft ist, könnte es doch sein, dass dahinter noch ein Raum ist?! Rolli packte die Neugierde von neuem.
Er legte das Ohr an das Türblatt, horchte und versuchte dann vorsichtig, die Tür aufzumachen. Die Klinke konnte er gerade noch herunterdrücken, die Tür aber ging erst ein wenig auf, nachdem sich Rolli mit voller Kraft dagegen stemmte. Er spähte hinein und was er im spärlichen Licht sah, lies ihn den Atem anhalten. Auf einem Holzregal lagen übereinander geschlichtet, die Griffe über den Regalrand, die Klingen im Ölpapier eingewickelt, duzende, ja was? Schwerter oder so, überlegte er fieberhaft.
Rollis Herz pochte wie verrückt. Er zwängte sich durch den Spalt. Tatsächlich! Ein richtiger, echter Schatz! Er alleine hatte ihn gefunden! Lauter Schwerter. Er schluckte und traute sich kaum zu atmen. Kann er sie anfassen? Er schaute nochmals kurz in die Halle und als er weder etwas sah noch hörte, nahm er eines vorsichtig aus dem Regal und wickelte die Klinge aus dem Ölpapier.
„Bist du da drin eingeschlafen?“ hallte es auf einmal und Rollis pochendes Herz blieb fast stehen. Er warf den Degen auf das Regal zurück, rutschte durch die Tür in die Halle und hoffte nur inständig, dass er dabei nicht gesehen wurde. Aber Onkel Gerd stand blinzelnd am Eingang und es ging ihm offensichtlich wie Rolli vorher. Seine Augen hatten sich noch nicht an das spärliche Licht der Lagerhalle gewöhnt.
„Ich komme schon, Onkel Gerd“ meldete sich Rolli schnell und lief zum Eingang.
„Ich muss eh schon zurückfahren“.
„Da, kauf dir Eis und mach´s gut Junior!
„Danke, Onkel Gerd.“
Huh, das war knapp! Rolli machte sich auf den Heimweg.
Was für ein Gefühl! Er als Entdecker, echter Abenteurer: mutig, entschlossen und schlau. Er radelte wie noch nie zuvor.
Die Gesichter, die sie machen werden, wenn ich es ihnen erzähle! Rolli strampelte wie verrückt und sah sich bereits zum x-ten Male die Geschichte erzählen – er, der Kühne, letztlich doch als Held bewundert und gefeiert.
Er fuhr die Kuppe zur Brücke hinauf und erst jetzt und viel zu spät um umzukehren, erblickte er voller Schrecken die Maderer. Sie saßen am Geländer, sprangen aber sofort herunter, als sie ihn sahen und blockierten den Weg:
„Ja, wen haben wir denn da? Ein Kindchen und ein ganz Verschwitztes dazu!“ rief Rigobert Maderer, Rigo genannt, und spielte dabei den Überraschten. Er war der älteste der Sippe, über fünfzehn, ein Berg von einem Kerl und der unumstrittene Anführer. Und der gemeinste von allen. Rolli hatte sicher Schlimmes zu erwarten und war vor lauter Angst wie gelähmt.
„Wer hat dir erlaubt, über unser Gebiet zu fahren?“ Rigo, ohne eine Antwort zu erwarten, schnappte so schnell und so fest Rollis Nase zwischen die Knöchel seines Zeige- und Mittelfinger, dass Rolli sofort die Tränen kamen.
Er versuchte instinktiv, Rigos Hand weg zu schieben mit dem Resultat, dass seine Nase noch mehr weh tat und sein Rad umfiel. Die anderen standen hämisch grinsend herum und hofften auf weitere Gemeinheiten. Rigo enttäuschte sie auch nicht.
„Du hast mich ja unaufgefordert berührt, dafür gibt es einen Ohrenreiber!“ verkündete Rigo, ließ von Rollis Nase ab und begann sofort dessen Ohren zu reiben, dass sie nur so schnalzten. Rolli dröhnte der Kopf und dann hörte er nur lautes Klingen.
„Zeig deine Taschen“ brüllte Rigo und versetzte ihm einen Stoß.
„Schau, schau, das Baby hat ja Moneten!“