Der Drache von Abelaya - Patrick von Massow - E-Book

Der Drache von Abelaya E-Book

Patrick von Massow

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Beschreibung

Frederik ist vierzehn Jahre alt und liebt Fantasy-Romane. Er träumt davon, ein Held zu sein, hat aber wenig Selbstvertrauen und hält sich für schwach und feige. In der Schule gilt er als Nerd und kann sich nicht durchsetzen. Eines Tages findet er eine Möglichkeit, in die fabelhafte Welt eines Buchs zu gelangen. In einem mittelalterlichen Dorf mit einem Drachen steht er plötzlich zahlreichen Gefahren gegenüber. Ist er dem Abenteuer seines Lebens gewachsen?

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Ähnliche


Inhalt

Akt A

Der Drache von Abelaya

Mathearbeit

Gassi gehen

Zu Besuch bei Oma

Es liegt in meiner Hand

Drachenjagd

Max wird eingeweiht

Böse Überraschung

Wiedergutmachung

Opa Edward

Max zur Hilfe

Akt B

Gefangenenturm

Flaschenzug

Königsrettung

Aleidis, die Weise

Drachenhöhle

Vermächtnis

Bergung

Zortrans Machenschaften

Überraschungsangriff

Verrat!

Akt C

Späherauge

Drachenkind

Ausbildung

Durchzug

Probeflug

Auskundschaftung

Königsrettung, die Zweite

Schutzengel

Akt D

Revanche

Waffenlager

Showdown

Wiedersehen

Zurück in die Realität

Reue

Fremde Welten

Vereinte Kräfte

Reprise

Akt A

Der Drache von Abelaya

Frederik hielt sein neues Buch in der Hand: „Der Drache von Abelaya“. Fasziniert betrachtete er das Bild auf dem Buchdeckel. Ein Drache mit blutroten Augen blickte ihm entgegen. Seine Haut schillerte in zahlreichen Grüntönen. Während Frederik auf das Cover starrte, hörte er in seinem Kopf den Wind rauschen und sah, wie Pfeile haarscharf an dem Untier vorbeizischten. Sie stammten von Bogenschützen, die sich über die Ebene verteilt hatten, um das Wesen vom Himmel zu holen. Feuerspeiend schwang sich die Furie durch die Lüfte und wich den spitzen Geschossen aus. Einige Zeit lang stellte sich Frederik die Szene vor. Schließlich schlug er die erste Seite auf und der holzige Geruch des Buchs stieg ihm in die Nase.

Die Zeit verging beim Lesen wie im Fluge und Frederik vergaß die Welt um sich herum.

Wow! So mutig möchte ich auch mal sein. Echt Wahnsinn, wie der …

Da öffnete sich plötzlich die Zimmertür und seine Mutter streckte ihren Kopf herein. „Hallo Frederik.“

Frederik zuckte zusammen. „Kannst du nicht anklopfen?“

„Ok, ich versuche, beim nächsten Mal dran zu denken. Aber weißt du, wie spät es ist? Du musst dich bettfertig machen. Morgen ist die Mathearbeit!“

„Alles klar, mach ich.“

Ach ja, die Mathearbeit, an die hatte er gar nicht mehr gedacht und auch nicht dafür gelernt. Sein Blick schweifte über die Wand seines Zimmers, an der Poster von Fantasy- und Science-Fiction-Romanen und selbst gezeichnete Landkarten von Welten aus Büchern hingen. Er sah auf die Uhr zwischen all den Postern und merkte, dass er bereits zwei Stunden gelesen hatte. Es war tatsächlich Zeit, ins Bett zu gehen, sonst wäre er am nächsten Tag bei der Mathearbeit völlig verschlafen. Frederik legte das Buch auf seinen Schreibtisch neben eine neue Karte, an der er gerade arbeitete. Beim Zähneputzen fragte er sich, wie viele Zähne Drachen wohl haben. Dann ließ er sich ins Bett fallen und zog sich die Decke bis über den Kopf. Er winkelte die Beine etwas an, damit seine Füße nicht unten hinausragten. Sein Bett wurde zur Höhle aus dem Buch, er selbst zum Anführer der Drachenkämpfer und sein Schlafanzug zu seiner Rüstung. Die fantastische Welt verfolgte ihn bis in seine Träume.

Mathearbeit

„Ich werde euch retten!“, rief Frederik, auf einem Pferd sitzend, mit einem Schwert in seiner Hand. Das Tier galoppierte los, er spürte den Wind in seinen Haaren und fühlte sich unbesiegbar. „BRRRT!“, ertönte es plötzlich. Sein Schlachtross blieb schlagartig stehen und Frederik erschrak. „BRRRT!“, machte es wieder. Frederik riss seine Augen auf und sah die Decke seines Zimmers, von der ein nicht richtig befestigtes Poster halb herunterhing. Er seufzte enttäuscht. Immer noch war unaufhörlich dieses „BRRRT!“ zu hören. Frederik schaute zur Seite und sah auf seinem Wecker „6:45“ blinken. Mit einer unmotivierten Handbewegung schaltete er ihn aus, blieb einen kurzen Moment liegen und schleppte sich aus dem Bett. Aus dem Spiegel an der gegenüberliegenden Wand blickte ihn ein schmächtiger Junge aus verschlafenen blauen Augen an. Wie ein Held sah er nicht gerade aus.

Er trottete barfuß im Schlafanzug in die Küche, in der seine Mutter gerade das Frühstück vorbereitete.

„Guten Morgen, mein kleiner, süßer Sohn!“ Sie wuschelte ihm durch seine lockigen Haare.

Frederik verdrehte die Augen. „Morgen. Aber bitte nenn mich nicht immer klein. Ich bin vierzehn.“

„Da muss ich mich noch dran gewöhnen. Hast du für die Arbeit gelernt?“

„Ich schaue mir die Sachen beim Frühstück noch mal an, das reicht.“

Er holte sein Matheheft und schlug es am Küchentisch auf. Beim Essen las er seine Mitschriften. Für ihn war das alles einfach. Nach einer Weile schloss er das Heft. „Das neue Buch mit dem Drachen ist cool!“

Seine Mutter strahlte. „Das freut mich!“

Frederik war inzwischen mit dem Essen fertig. Er erzählte und erzählte von den Abenteuern des mutigen Helden. „Besonders der Teil, in dem er …“

„Schön, dass es dir gefällt, aber schau mal auf die Uhr, du musst dich fertig machen!“

In der Tat: In einer halben Stunde ging der Unterricht los. Er sprang auf, putzte seine Zähne und zog sich irgendetwas an. Dabei erwischte er einen blaugrün gestreiften und einen dunkelroten Socken. Er quetschte sein Matheheft in den Schulranzen. Der war ziemlich überfüllt. Frederik war meistens zu faul, um die Bücher herauszunehmen, die er an dem Schultag nicht brauchte. Er zwängte sich in seine bereits geschnürten Schuhe. Seine Mutter gab ihm einen Kuss zum Abschied.

Frederik verzog das Gesicht. „Och Mama!“

„Jaja, vierzehn Jahre und kein kleines Kind mehr, hab’s kapiert.“

Er machte sich auf den Weg zur Schule.

Kurz vor Unterrichtsbeginn erreichte er das Schulgelände.

Sein bester Freund Max begrüßte ihn. „Hey Freddie! Mathe wird bestimmt wieder einfach für dich, oder?“

Frederik musste nach oben schauen, weil Max bereits sechzehn und einen Kopf größer war als er. „Hi Max, ja, ich glaube schon. Und für dich?“

Max winkte lässig ab. „Eine Drei werde ich schon bekommen, das reicht mir.“

Als sie den Klassenraum betraten, kam ein riesiger Junge angestapft. „Da ist ja unser Streber. Der scheißt die Einsen wie mein Hund seine Haufen. Kein Wunder, wenn man immer nur zu Hause abhängt und liest.“

Frederik hasste solche Situationen. Er vermied Blickkontakt und interessierte sich plötzlich scheinbar brennend dafür, ob seine Schnürsenkel richtig gebunden waren.

Während Frederik sich nach vorne beugte, zog ihm der Junge seinen kleinen Notizblock aus der hinteren Hosentasche. „Und überall läuft er mit diesem dämlichen Block herum!“ Er hielt ihn nach oben, außerhalb von Frederiks Reichweite und grinste.

Max trat dem Rabauken auf den Fuß, riss ihm den Block aus der Hand und verpasste dem Jungen eine Kopfnuss. „Tock!“, machte es laut, als hätte jemand auf eine leere Holzkiste geschlagen. „Halt die Klappe, Justin!“

„Aua! Jaja, ist ja gut!“ Justin gab klein bei, doch er richtete sich noch einmal an Frederik und zischte ihn mit seinem fauligen Atem an. „Wart’s nur ab, wenn dein Bodyguard mal nicht dabei ist.“

Frederik schluckte hörbar.

Justin ging zu seinen beiden Kumpels, während er seine Hand an die schmerzende Stelle hielt.

Den Blick zu Max hinauf gerichtet, brachte Frederik ein zaghaftes „Danke“ heraus.

Max gab Frederik den Notizblock zurück und winkte ab. „Kein Problem! Lass den reden. Der meint doch immer, er wäre der Coolste in seinen zerfetzten Klamotten. Dabei ist er nur hohl im Kopf. Hat man ja eben gehört.“ Max schmunzelte, Frederik lachte und dachte sich:

Es ist schön, einen so guten Freund wie Max zu haben. Vor ihm hat einfach jeder in der Klasse Respekt – auch wenn er einmal sitzengeblieben ist und nicht die besten Noten schreibt.

Einige aus dem Fußballverein begrüßten Max mit einem High Five. „Die Jungs vom FC Wolfstal machen wir morgen platt!“, rief einer.

Die Mathelehrerin Frau Striez kam herein. „Guten Morgen, rückt bitte wie immer die Tische auseinander!“

Sofort begann die große Umrückaktion. Es herrschte ein wildes Durcheinander, man hörte das Rubbeln von Tischen, die über den Boden geschoben wurden, und lautes Geplapper der Schüler. Immer wieder mischte sich die Lehrerin in die Sitzordnung ein und trennte Freunde, die zu nahe beieinandersaßen – auch Max und Frederik. Frederik warf Max einen bedauernden Blick zu. Max verstand und antwortete mit einer lässigen Handbewegung. Zwei Mädchen diskutierten mit Frau Striez, bis es ihr reichte und sie den beiden zwei weit voneinander entfernte Plätze zuwies. Patzig setzten sie sich hin und knallten demonstrativ ihre Schulranzen auf den Boden. Als endlich das Umräumen erledigt war und alle an einem passenden Platz saßen, hob die Lehrerin ihre linke Hand als Ruhezeichen. Nach kurzer Zeit waren tatsächlich alle still und Frau Striez erklärte, dass sie eine Schulstunde Zeit hätten. Sie legte die Arbeiten mit der Schrift nach unten der Reihe nach auf die Tische. Justin griff sofort nach seinem Blatt. Frau Striez erhob ihre Stimme „Nicht umdrehen, bevor ich es sage!“ Justin zog seine Hand zurück. Er kicherte und wandte sich zu den anderen Schülern. Nur seine beiden Kumpels brachten ein aufgesetztes Lächeln hervor. Max verdrehte die Augen und schüttelte genervt den Kopf. Schließlich gab Frau Striez das Startzeichen.

Das Thema der Arbeit waren lineare Gleichungen. Während andere Schüler verzweifelt ihre Stirn mit den Händen abstützten und auf das Blatt starrten, raste Frederik nur so durch die Aufgaben. Nach zwanzig Minuten war er fertig. Selbst die besonders schwere Zusatzaufgabe hatte er bereits gelöst. Er kontrollierte noch einmal alle Ergebnisse. Als er auch das erledigt hatte, blickte er auf die Uhr an der Wand: noch fünfzehn Minuten. Er dachte an sein neues Buch und zeichnete den Drachen. Frederik hatte ihn genau vor Augen, mit seiner langen Schwanzspitze, den gezackten Flügeln und den spitzen Krallen. In seiner Fantasie liefen Szenen aus der Geschichte ab. Frederik hörte die mit Wut erfüllten Schreie der Menschen, die Pfeile auf den Drachen schossen und ihn verfehlten. Er stellte sich vor, ihr Anführer zu sein.

Gedankenversunken vergaß er völlig, dass er gerade in der Schule war, bis Frau Striez laut verkündete: „Noch fünf Minuten!“

Frederik zuckte zusammen, schaute sich um und seufzte. Schließlich sammelte Frau Striez die Arbeiten ein. Die nächste Stunde stand an. Jetzt war auch bei Frederik wieder Konzentration gefragt.

Gassi gehen

Nach der Schule ging Frederik bei seiner Nachbarin Frau Jung vorbei. Anders als ihr Name vermuten ließ, war sie über neunzig Jahre alt. Als er die Wohnung betrat, müffelte es stark nach Hund.

„Hallo Frederik. Schön, dass du da bist. Waldi wartet schon sehnsüchtig darauf, dass du mit ihm Gassi gehst.“

Der Rauhaardackel kam aufgeregt angerannt und sprang an dem Jungen hoch. Frederik streichelte ihn. „Hallo Frau Jung, hallo Waldi. Klar, das mache ich doch gerne!“

Sie strahlte. „Das ist schön, mein Bub.“

Frederik legte dem Hund die Leine an und verabschiedete sich.

Waldi rannte sofort los. „Hey, du bist aber wild, heute!“ Frederik war nach kurzer Zeit außer Atem. Der Hund zerrte ihn in den Park um die Ecke. Dort nahm Frederik die Leine ab, worauf Waldi wild im Kreis um den Jungen herumrannte und dabei immer wieder vergnügt umher hüpfte. Frederik nahm einen Stock und warf ihn so weit er konnte über eine Wiese.

Für eine gute Note in Sport würde das aber nicht reichen. Max hätte bestimmt doppelt so weit werfen können.

Waldi lief hinterher, sprang in die Luft und fing den Stock, bevor er auf dem Boden landete. Er hastete zurück und brachte ihn zu Frederik. „Gut gemacht!“ Er warf erneut. Dieses Mal landete das Holzstück in einem Busch. Waldi lief hinterher, wühlte dort eine Weile herum, kam schließlich mit gefülltem Maul wieder heraus und sauste zu Frederik. Aber was hatte er da gebracht? Der Junge schaute genauer hin. Es war nicht der Stock, sondern ein brauner Streifen. Frederik untersuchte ihn. Das Ding war weich und labbrig. Auf einer Seite waren geheimnisvolle Muster eingraviert und das Ende sah aus wie der Kopf einer Schlange. Er fuhr mit dem Finger darüber und spürte deutlich die Struktur. Frederik schaute sich die andere Seite an. Dort stand:

Είναι στο χέρι μου

Was das wohl zu bedeuten hatte? Frederik wollte es wieder auf den Boden werfen, doch irgendetwas hielt ihn davon ab. Er hatte das Gefühl, dass dieser Fund noch wichtig sein könnte, und steckte ihn in seine Hosentasche.

Noch eine gute Stunde spielte er mit Waldi, bis er ihn zurück zu Frau Jung brachte.

„Na, war’s schön?“ Sie schien sehr erfreut darüber, dass Frederik sich um ihren Hund kümmerte.

„Ja, es macht immer großen Spaß mit Waldi!“

„Das ist schön zu hören.“ Sie drückte ihm zehn Euro in die Hand.

Frederik lächelte. „Dankeschön.“

„Gern. Grüße deine Mutter von mir und sag ihr noch mal danke für das Auflauf-Rezept. Bis nächste Woche!“

Zu Hause zeigte Frederik den Fund seiner Mutter. Sie inspizierte den Streifen. „Das scheint ein altes Lesezeichen zu sein – aus Leder, glaube ich. Wo hast du das her?“

„Das hat Waldi in einem Busch gefunden.“

Angeekelt ließ sie es in Frederiks Hand fallen. „Du sollst doch nicht alles aufheben, was irgendwo rumliegt! Wer weiß, welcher Hund da schon draufgepinkelt hat.“

Frederik verdrehte die Augen. „Ich kann es ja abwaschen.“

„Aber gründlich, mit Seife – und deine Hände auch.“

„Jaja, mach ich!“

Später beim Abendessen erinnerte ihn seine Mutter an die Planung für den nächsten Tag. „Bleib nicht mehr so lange wach. Du weißt noch, dass wir morgen früh aufstehen müssen, weil ich dich zu Oma Elisabeth bringe, ja?“

„Das ist schon morgen? Boah, nicht mal samstags kann man ausschlafen.“

Seine Mutter zog die Augenbrauen hoch. „Ja, wir haben doch vorgestern noch drüber geredet: Papa ist auf einem Wochenend-Seminar, ich bin auf dem Treffen zum zwanzigjährigen Jubiläum mit meinem Abi-Jahrgang und du bist in der Zeit bei Oma. Ist das Bild fertig, das du ihr schenken wolltest?“

Frederik riss den Mund auf. „Oh, das habe ich in meinem Fach in der Schule liegen lassen. Ich male ihr einfach ein neues.“

Seine Mutter runzelte die Stirn. „Wenn dein Kopf nicht angewachsen wäre, würdest du den auch noch irgendwo liegen lassen.“

Frederik räumte sein Geschirr ab und schlappte in sein Zimmer.

Immer dieser Stress …