Der Drachenstift - Matthias Papenfuss - E-Book

Der Drachenstift E-Book

Matthias Papenfuss

0,0

Beschreibung

»Gewarnt sei jeder der hier rastet, ein Fluch auf dieser Höhle lastet. Lass alles liegen, was du hier findest, an böses Unheil du dich sonst bindest.« Wer diese Warnung liest, ist bereits Teil einer Abenteuergeschichte, die von grimmigen Zauberern, feurigen Drachen, gruseligen Moorhexen, als auch von mutigen Mädchen und listigen Jungen erzählt. In einem kleinen Dorf wird einmal im Jahr ein besonderes Fest gefeiert, das Drachenstiftfest. Der Dorfälteste liest dort den Kindern, bei knisterndem Lagerfeuer, drei spannende Geschichten aus einem alten Buch vor. Lauschen wir heimlich mit und lassen uns in eine Welt voller Fantasie und Abenteuer entführen. Geeignet für Kinder von 6 bis 10 Jahren und Erwachsene, die gern Märchen mit dem Flair vergangener Zeit lesen.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 76

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Für Lina

Matthias Papenfuss

Der Drachenstift

Engelsdorfer Verlag

Leipzig

2018

Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Copyright (2018) Engelsdorfer Verlag Leipzig

Alle Rechte beim Autor

Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)

www.engelsdorfer-verlag.de

INHALT

Cover

Titel

Impressum

Das alte Dorf

Das große Fest

Der Drachenstift

Das Mädchen und die Moorhexe

Der kleine Schneidermeister

DAS ALTE DORF

Im Osten unseres Landes befindet sich ein kleines Dorf, das nur wenige kennen und noch weniger je gesehen haben. Weit abgelegen von anderen Dörfern und Städten liegt es eingebettet in hügeliger Landschaft und ist umgeben von großen Eichen und dichten Birkenwäldern. Keine Straße führt ins Dorf. Nur von Norden her kommend, über einen kleinen Weg aus groben, alten Pflastersteinen, gelangt man zu diesem versteckten Ort. Die Einheimischen, die den alten Weg „Nordsteig“ nennen, benutzen ihn selten und nur wenige Fremde hatten bislang das Glück, den alten Weg und das Dorf zu finden. Auf Landkarten sucht man den Ort vergebens und so verwundert es nicht, dass nur die Dorfbewohner den richtigen Ortsnamen kennen, verraten ihn aber nicht.

Dieses kleine, etwas sonderbare Dorf feiert einmal im Jahr ein besonderes Fest. Man nennt es das Drachenstiftfest und jedes Kind und alle Erwachsenen bereiten sich voller Freude das ganze Jahr darauf vor. Fremde sind allgemein nicht gern gesehen. Die Einwohner sind zwar freundlich zu Fremden, mögen sie aber nicht besonders und sind lieber allein und mit sich selbst beschäftigt. So kommt es, dass außerhalb des Dorfes kaum jemand dieses besondere Fest kennt und vom Drachenstift hat wohl noch niemand je gehört.

Wer durch Zufall das Glück hat das Dorf zu finden, wird sofort von der wundervollen Landschaft ringsum überrascht sein. Doch auch das Dorf selbst ist von bezaubernder Schönheit. Auffällig ist vor allem, dass es ein ziemlich wohlhabendes Dorf ist, mit einem bunt bemalten Kindergarten, einer schönen, alten Schule und einem großen Rathaus, das eine prächtige, goldene Uhr mit riesigem Ziffernblatt und goldenen Zeigern trägt. In der Mitte des Dorfplatzes, welcher mit schönem Granit gepflastert ist, steht eine alte Kirche aus Natursteinen. Solche Kirchen findet man zwar in vielen kleinen Dörfern des Landes, doch so gewöhnlich die Form und Größe der Kirche auch ist, so ungewöhnlich ist ihre prächtige Ausstattung und das in der Sonne feurig funkelnde, goldene Kreuz des Kirchturms. Die Kirche und die anderen öffentlichen Gebäude sind eigentlich viel zu groß für ein so kleines Dorf. Doch damit nicht genug, die Häuser der Dorfbewohner sind nicht weniger prächtig. Ein jeder hier scheint ein kleines Schlösschen zu besitzen, zumindest sehen die Häuser nicht wie gewöhnliche Wohnhäuser aus. Alles ist irgendwie schöner, kostbarer und prunkvoller als anderswo. Und als ob das alles nicht schon verwunderlich genug wäre, in der Nähe des kleinen Dorfes befindet sich, hinter den Ausläufern eines kleinen Eichenwaldes, eine stattliche Burgruine, die auf einem steil anwachsenden Berg thront. Sicher, auch wenn der Berg mehr ein Hügel ist, die Dorfbewohner jedenfalls sagen Burgberg dazu. Und schaut man an klaren, sonnigen Tagen nach Westen, dann zeigt sich über den dichten Baumkronen der große, steinerne Bergfried, der Wachturm der alten Ritterburg. Im Winter aber, wenn die Bäume ihre gelb gefärbten Blätter abgeschüttelt haben, kann man zwischen den kahlen, dicken Ästen die gesamte Burganlage in ihrer vollen Pracht bewundern. In der kalten Jahreszeit jedoch wirkt die Burg dunkel und unheimlich und nur die ganz mutigen Kinder spielen nach Sonnenuntergang oben auf dem Burgberg. Die Burg bewohnte vor langer, langer Zeit ein sehr tapferer und schöner Ritter. Er hieß Marius von Raben und der König selbst hatte ihm die Burg als Lehen gegeben.

Auf der anderen Seite des Dorfes, nach Osten hin, liegt etwas abseits die „Alte Klafter“, eine dunkle Höhle, aus der ein kleines, klares Bächlein strömt. Für das sonst sandige und flache Land ist diese Höhle ungewöhnlich steinig und tief. Eine richtige Tropfsteinhöhle, sagen die Dorfbewohner, aber das ist natürlich übertrieben. Nicht übertrieben jedoch sind die Warnungen, die auf einer steinernen, alten Tafel am Eingang der Höhle zu lesen sind. Dort steht, in einer schwer lesbaren Sprache, die man wohl früher hier gesprochen hat, geschrieben:

„Gewarnt sei jeder, der hier rastet,

ein Fluch auf dieser Höhle lastet.

Lass alles liegen, was du hier findest,

an böses Unheil du dich sonst bindest.“

Die „Alte Klafter“ liegt zwar östlich vom Dorf, doch der Eingang zeigt direkt nach Norden und so scheint nie die Sonne in die Höhle hinein. Deshalb wachsen weder Gras noch andere grüne Pflanzen vor der Höhle, nur hässliche Disteln gedeihen hier recht gut. Aber nicht die stachligen Disteln verhindern, dass man mit leichtem Fuß in die Höhle kommt, es sind die vielen scharfen und spitzen Steine, die in allen Größen und Formen ungeordnet herumliegen und einem das Laufen unerträglich machen. Da es sonst keine solchen Steine in dieser Gegend gibt, sagen die Dorfbewohner, dass früher einmal ein Riese mit einem großen Sack voller Steine in diese Gegend gekommen sei und sich vor der Höhle ausgeruht habe. Die spitzen Steine ließ er am nächsten Tag einfach hier liegen. Warum er das tat und was aus dem Riesen geworden ist, darüber streitet man sich im Dorf noch heute. Die meisten glauben, der Riese fand etwas Besseres für seinen großen Sack und schüttete die Steine einfach aus. Aber es gibt auch andere Geschichten darüber, die ein andermal erzählt werden sollen.

Um die Höhle herum stehen hohe, alte Eichen, die über die Jahrhunderte hier gewachsen sind. Der kleine, lustig plätschernde Bach, der „Ruhigwasser“ genannt wird und alle Mühe hat, sich durch die vielen spitzen Steine zu schlängeln, führt auch in heißen Sommertagen noch genügend Wasser. Aus den kleinen, dünnen Eichenpflänzchen sind über die Jahre dann mächtige Bäume mit dicken Wurzeln geworden. Ihre belaubten Kronen werfen breite Schatten über den Eingang der Höhle. So ist dieser Ort auch an sehr sonnigen Tagen noch ziemlich düster.

Folgt man dem kleinen Bach nach Nordosten hin, gelangt man in ein dichtes Birkenwäldchen. Die gerade gewachsenen, schlanken Birken tragen kaum Äste an den schneeweißen Rinden und sie stehen so eng beieinander, dass man den Eindruck hat, die Dorfbewohner hätten hier absichtlich einen undurchdringlichen Palisadenzaun aus Birkenbäumen gepflanzt, wunderschön anzusehen aber schwer zu durchwandern.

Am Rande des Birkenwaldes, wo nur noch wenige Bäume stehen und hohes Gras und breite Farne ein kleines Reich erobert haben, fällt der Bach plötzlich fast zehn Fuß einen Hang hinunter. Hier befindet sich eine zweite Höhle. Sie ist viel kleiner als die „Alte Klafter“ und sehr gut verborgen, denn der Eingang befindet sich direkt hinter dem Wasserfall, fast unsichtbar für den flüchtigen Blick eines fremden Wanderers, inmitten von Wurzeln, Gestrüpp und feuchter, moosbewachsener Erde. Die Höhle wird bei den Einheimischen „Sprich“ genannt, denn es gibt Geschichten, die behaupten, bei Vollmond könne man deutlich Stimmen aus der Höhle hören. Und jeden Tag, wenn die Dämmerung anbricht, wird es sehr unheimlich hier und sogar der kleine Bach scheint sich zu fürchten, denn kein einziges Plätschergeräusch gibt er mehr von sich. Vielleicht heißt er deshalb „Ruhigwasser“.

Die Dorfbewohner gehen nie in diese Gegend und sind sehr froh darüber, dass zwischen dem Dorf und den östlich gelegenen, gruseligen Höhlen, eine hohe und undurchdringliche Buchsbaumhecke gewachsen ist. Man nennt sie „Hoher Fang“. Die Alten behaupten sogar, die Hecke sei absichtlich gepflanzt worden, als Schutzwall gegen die bösen Dinge, die von den Höhlen her kommen oder besser gesagt, gegen das, was sich in den Höhlen befindet. Da aber auch alle Bauernhöfe und Kornfelder der Dorfbewohner auf dieser Seite vom Dorf liegen, könnte die Hecke auch nur gepflanzt worden sein, um Wildschweine und andere Wildtiere von den Feldern fernzuhalten.

Nach Süden jedenfalls ist es friedlicher und eine weite Blumenwiese teilt sich mit großen, frei stehenden Kastanienbäumen das schöne Land. Hier und da ein kleines Kiefernwäldchen, und alles liegt malerisch verteilt auf sanften Hügeln und freundlichen Tälern. Unzählige Glühwürmchen haben hier ihre Heimat gefunden. Und wenn es spät wird und die Nacht alles Sichtbare unaufhaltsam in tiefe Dunkelheit verhüllt, dann zünden Millionen von Glühwürmchen wie zum Trotz ihr Lichtlein an und legen über die weite Blumenwiese ein glitzerndes Tuch aus funkelndem Sternenlicht.

Geht man weiter nach Süden, trübt sich jedoch bald der Blick, denn hinter der friedlichen Blumenwiese beginnt der „Alte Hexenhorst“, ein dunkler Eichenwald, der, geht man tiefer hinein, bald in eine sumpfige, üble Moorlandschaft übergeht. Kindern ist es verboten, in diesem Wald zu spielen, obwohl das sehr verlockend ist, denn eine unerklärliche Anziehungskraft geht von dem alten Wald aus. Erwischt man sich dabei, länger hinzuschauen, bemerkt man, wie die Baumkronen hin und her wiegen, so als würden sie herüberwinken. Dann sieht der alte Wald plötzlich nicht mehr dunkel und gruselig aus. Doch der Schein trügt und Vorsicht ist geboten!

Blicken wir lieber wieder zurück ins friedliche Dorf.

DAS GROßE FEST