Der ewige Treck 5 - Ute Mrozinski - E-Book

Der ewige Treck 5 E-Book

Ute Mrozinski

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Beschreibung

Nephets-Gnikwah und seine Freunde, haben die schwarze Station der Sonnenpriester entdeckt. Sie umkreist Gorgos, das Muttergestirn der Haspiri. Nephets ist entsetzt von dem, was sie auf einem der Computer entdecken. Projekt Sternentod steht vor der Vollendung. Doch bevor sie die Mannschaft auf der Marie-Curie benachrichtigen können, geht ein stiller Alarm los. Während Nephets Freunde gerade noch fliehen können, wird Nephets von den herbeistürmenden Soldaten festgenommen und dem gefürchteten Sicherheitschef Erdrag-Vitagen vorgeführt. Ein Martyrium beginnt für den zweiten Kommandanten der Marie-Curie. Kann Sah-Gahn L´Rac seinen ehemaligen Freund noch retten?

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Seitenzahl: 463

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Zum Buch

Nephets war wieder vor den Bildschirm getreten und starrte auf die Textdatei, die sich dort geöffnet hatte, als er mit seinen Kameraaugen den komplizierten Text in rasender Abfolge überflog, brach ihm plötzlich der kalte Schweiß aus, er musste tief Luft holen. Er spürte sein Herz bis in die Stirnader hinein klopfen. Was er dort las, übertraf seine schlimmsten Befürchtungen.

Was ich so treibe…

Ich wurde 1961 geboren, bin verheiratet und lebe seit 1978 in einer kleinen Stadt am Rhein.

Ich schreibe Science-Fiction, Fantasy, Krimis und Psychothriller.

Meine Texte sind so wie ich sie selber gerne lese, poetisch, spannend, engagiert.

Meine jüngsten Veröffentlichungen sind der zweibändige Fantasyroman »Keines Menschen Fuß«, außerdem die Thriller aus der Reihe Menschenleben, »Nur ein ferner, dunkler Traum«, »Der Mensch ist auch nur ein Virus.« Dieser Roman, »Der ewige Treck – Projekt Sternentod«, ist der fünfte Band aus der Reihe – Der ewige Treck!

Anmerkung der Autorin

Namen, Orte, handelnde Personen entspringen der Fantasie der Autorin, Ähnlichkeiten mit verstorbenen oder noch lebenden Personen sind rein zufälliger Natur.

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1: Gorgos-Infernalis

Kapitel 2: Die Tränen der Eiswüste

Kapitel 3: Der Schmutzfleck

Kapitel 4 Die schwarze Station

Kapitel 5 Die Eindringlinge

Kapitel 6: Die Materieformer von Soulamat

Kapitel 7: Der Auftrag

Kapitel 8: Hinter den Feuern von Gorgos

Kapitel 9: Projekt Sternentod

Kapitel 10: Das Verhör

Zur gleichen Zeit in der MC II…

Kapitel 12: Asyl auf Soulamat

Kapitel 13: Der Bund

Kapitel 1 Gorgos-Infernalis

»Wir sind wieder zu Hause!« Seine eigenen Worte klangen ihm wie Hohn in den Ohren. Entsetzt starrte Sah-Gahn auf den Bildschirm. Alle Mitglieder der Crew hatten den Sprung überstanden, und waren in wenigen Minuten wieder handlungsfähig. Doch die Euphorie über den gelungenen Sprung durch das Wurmloch war abgeklungen, als Sol-Choi I die Darstellung des Gorgos-Systems heranzoomte.

»Verdammt!«, rief Pet-Russo. »Sieh dir dieses Feuer spuckende, riesige Monster an! Bist du sicher, dass wir vor dem richtigen System stehen?« Sah-Gahn überprüfte mit fliegenden Händen die Koordinaten. Er nickte. »Schon richtig, dieser infernalische Glutball ist Gorgos! Was bei allen Sternendämonen ist hier geschehen?« Kopfschüttelnd, ungläubig starrte Sah-Gahn auf die aktuellen Daten, die er für alle auf den großen Bildschirm geholt hatte.

Das kann nicht sein. Erinnerst du dich noch Lari-Nah, als ich dich vor fünfzig Jahren aus der Mittagspause geholt habe, damit du die Zünfte-Versammlung einberufst?« Lari-Nah nickte bleich. »Schon damals lag Gorgos im Sterben!« Sah-Gahn war aufgesprungen, und starrte auf den riesigen Glutball. »Aber es wären noch 1000 Jahre Zeit gewesen, um Evakuierungsmaßnahmen oder andere Dinge einzuleiten. Aber, dieser Stern, hat sich in 100 Jahren so weit ausgedehnt, dass er das System verschlingen wird. In zehn bis zwanzig Jahren wird der Planet laut Sol-Choi unbewohnbar werden, dann dürfte es auf Hasperod richtig rund gehen!« »Das wird es jetzt schon«, warf Jes ein, der per Hologramm hinzugeschaltet war. Er hatte den Sprung zusammen mit Magdalena und ein paar anderen Hirten, die wirklich noch für die kleine Ziegenherde verantwortlich waren, im Gemeindehaus überstanden. Er kannte die Daten, mit denen Sah-Gahn vor fünfzig Jahren, die Zünfte-Versammlung in Aufregung versetzt hatte »Es wird schon in großen Teilen Überschwemmungen geben, ungewöhnlich warme Winter und für einen Eisplaneten heiße Sommer. Diese veränderten Jahreszeiten wirken sich auf das Wachstum der Pflanzen aus. Das kann ich euch jetzt schon sagen, ohne Ökologie und Geologie von Hasperod zu kennen! Ein genaueres Bild könnten nur ein paar Sonden bringen, die Fotos schießen, außerdem Luft und Bodenproben aus verschiedenen Gebieten nehmen!“

Sah-Gahn lachte humorlos. „Wundervolle Idee Jes aber schon aus Vorsicht müssen wir davon ausgehen, dass die Priesterkaste noch immer regiert, und wenn das so ist, dann sind ihre Überwachungssysteme eher besser geworden als früher. Ich wette, dass wir heute nicht mehr die Möglichkeit hätten, mit einem solchen spektakulären Alarmstart davon zu kommen, wie damals!«

Jes-Sieh zog die Augenbrauen hoch und seufzte. „Ach ihr erfahrenen, altgedienten Raumschiffsveteranen! Gut, das ihr mich aufgeklärt habt. Glaub ihr, ich wüsste das nicht? Es muss doch möglich sein, mit den technischen Mitteln des Schiffes unauffällig anzumessen, wie lückenlos die Überwachung der Priester ist! Wenn das geklärt ist, gibt es auch Gelegenheiten verdeckte Spionsonden auszusenden um, die Bedingungen in den verschiedenen Regionen des Planeten auszukundschaften!«

„Natürlich gibt es diese Möglichkeiten!«, antwortete Sah-Gahn. Ohne Risiko ist das hier sowieso nicht. Die Marie-Curie ist nicht direkt im Einflussbereich des Systems, aber wenn die Technik der Priester sich weiterentwickelt hat, davon gehe ich mal lieber aus, dann haben sie die Strukturerschütterung durch das Wurmloch registriert! Bevor wir irgendetwas tun, müssen wir uns ein neues Versteck suchen! Pet was für ein verschwiegenes kleines Hotel in der Nähe kannst du uns empfehlen?« Pet-Russo verzog müde die Mundwinkel.

»Ihm geht es wirklich besser! Er versucht schon wieder, die Mannschaft aufzuheitern! Ernsthaft, am besten wäre natürlich Gorgos! Aber Gorgos wird auch am besten überwacht! Deine Sorgen sind nicht unbegründet Sah-Gahn. Ich registriere rund um das System ein dichtes Feld von bemannten Überwachungsstationen. Schaut euch das an. Ein regelrechter Teppich, von Militärgleitern, fest installierten Wachforts, die mit Sicherheit auch ein gut funktionierendes Waffensystem besitzen. Sie haben dazugelernt. Unsere Flucht damals muss sie aufgeschreckt haben! Bleibt der schmale Asteroidengürtel um das System. Ich messe keinerlei störende Überwachungsimpulse an, und ich habe da auch schon einen der größeren Brocken in der Ortung.«

Sah-Gahn wandte sich beklommen, dem Asteroidengürtel zu. »Diese Stelle meinst du! Wir haben sie damals Gorgos sei Dank, meiden können. Etwas schwer zu erreichen, dicht umschlossen von kleinen Gesteinstrümmern! Ich hoffe, nur, dass sie nicht so paranoid sind, und den Gürtel mit Raumminen gespickt haben!«

»Raumminen würde das Ortungssystem sofort melden«, antwortete Pet-Russo. »Die Experten deines Urgroßvaters, Sah-Gahn, haben ganze Arbeit geleistet, und unsere heutigen Experten konnten in den vergangenen Wochen noch einen draufsetzen. Ich will auf der Stelle platzen, wenn es dort Raumminen gibt!«

Sah-Gahn verzog das Gesicht, »wer will jetzt hier die Crew aufheitern? Na dann los, To-Lip, Thom-Asso euer Part!« »Ich liebe knifflige Asteroidengürtel«, grinste To-Lip. Seufzend machten sie sich an die Arbeit. Im Schutz ihres Deflektorfeldes, und mit eingeschalteten Schutzschirmen, nahm die Marie-Curie wieder Fahrt auf. Es war mehr eine vorsichtige Schleichfahrt, mit Hüpfern, Ecken und engen Kurven. Angespannt starrte die Crew auf ihre Kontrollen. Es herrschte höchste Konzentration. Viele der Brocken kamen ihnen gefährlich nahe, doch endlich hatten sie es geschafft. »Da«, rief Thom-Asso, »da ist unser Freund. Ein riesiger Asteroid! Sozusagen, ein Fast-Planet! Minimal größer als die unser Raumschiff. Ein idealer Platz, um zu verschwinden.« Riesig füllte der Planetoid den Bildschirm aus, das Schiff kam zum Stehen. »Wie haben wir das gemacht?«, To-Lip grinste. Das war Millimeterarbeit!«

Nur kurz gönnte Sah-Gahn sich ein kleines Gefühl der Erleichterung. „Nun zu dem anderen Problem – die Spionsonden. Irgendwie müssen wir über den ganzen Planeten unsere Sonden verteilen. Sie sollen, Boden und Luftproben nehmen, und Aufnahmen über den Zustand des Planeten machen. Wenn wir runter wollen, dann müssen wir wissen auf was wir uns einlassen, und runter wollen wir ja auf jeden Fall. Ich glaube da sind wir uns einig. Also los Pet, Spionsonden in Deflektorfelder hüllen und ausschleusen.“ Pet-Russo gab unverzüglich die notwendigen Daten und Befehle ein. In Sekundenschnelle berechnete Sol-Choi I, die günstigsten Orte, an denen die Sonden ausgesetzt werden sollten.

»Schon passiert Sah-Gahn. Messergebnisse und erste Bilder dürften wir in ca. dreißig Minuten erhalten.«

»Dreißig Minuten warten, dachte Sah-Gahn. „Das ist eine halbe Ewigkeit.“ Was würden die Bilder und Messergebnisse ihnen für ein Gesamtbild des Planeten zeigen? Er seufzte tief. „Es kann noch nicht ganz so schlimm sein Leute. Sonst würde kaum noch irgendeine höhere Technik funktionieren. Das sie das tut, hat Pet ja anmessen können.«

»Die Sonden wurden unbeschadet wieder eingesammelt, die ersten Ergebnisse liegen vor!«

Kapitel 2 - Die Tränen der Eiswüste

Datenkolonnen liefen für alle über den großen Rundumbildschirm. Sah-Gahn wurde blass. Er sah wie Pet neben ihm, einen tiefen Atemzug nahm, als befürchte er gleich keine Luft mehr zu bekommen, und Jes-Siehs bläuliche Hologestalt presste die Lippen zusammen.

Eine Zeit lang schwiegen alle. „Das“, krächzte Sah-Gahn, „übertrifft alle meine Befürchtungen.“ Er war aufgestanden, und trat näher an den großen Bildschirm, als könne er dann besser sehen, was Sol-Choi ihnen darbot. „Die gesamten Werte des Planeten sind schon schlimm genug. Überlegt mal eine Gesamterwärmung von zwei Grad! Ihr wisst, was das für Folgen hat. Und dann seht euch mal die Einzelergebnisse an!“ Sah-Gahn balancierte mit großen Schritten, hinter den Sesseln am Rande des Podiums entlang, und wieder zurück.

Abrupt blieb er in der Mitte stehen und zeigte auf eines der Messergebnisse. „Durchschnittstemperatur in der Eiswüste – ein Grad über Null! In der Eiswüste! Tendenz steigend. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis der Permafrostboden angegriffen wird, dann Gnade uns Gorgos!“ Der Bildschirm flackerte und blitzte. Eine Fülle von Bildern wurde eingeblendet. Jes-Sieh war mit seiner Einschätzung im Recht. Die Südhalbkugel war am wenigsten betroffen von Überschwemmungen, weil es dort ohnehin wärmer war, aber dort drohten andere Gefahren. Verkümmerter, durch die ungewöhnliche Wärme verdorrter Eisweizen ganze Felder hingen schlaff und gelblich herunter. Teilweise waren die Pflanzen sogar schon schwärzlich verbrannt. Es kamen Bilder von der riesigen Hauptstadt Gorgodia herein, die von der Erwärmung noch nicht so stark betroffen war. Die Slums am Rande der Stadt waren schon immer da gewesen, aber sie waren immens angewachsen. »Ich befürchte«, sagte Sah-Gahn, »die Stadt platzt bald aus allen Nähten. Es wird Flüchtlingsströme geben aus allen betroffenen Bereichen des Planeten. Der Planetenvorstand wird er kaum Interesse daran besitzen, diese Flüchtlinge anständig aufzunehmen.«

Die Sondenkamera machte einen gewaltigen Schwenk, Stadt, Landschaften, Farben verwischten zu einer Art Farbbrei. Dann wurde das Bild wieder klarer und zeigte eine Tausende von Kilometern weite, weiße Fläche. In der Ferne ein weiß glitzerndes Eisgebirge, mit unendlich scheinenden, Gletschern.

Doch etwas irritierte Sah-Gahn, etwas war nicht richtig. »Sie haben sich zurückgezogen!« To-Lip der ehemalige Eisgleiterpilot sprach es aus. Jetzt wusste Sah-Gahn auch, was ihn die ganze Zeit gestört hatte. Tatsächlich, die Gletscher waren einst hinuntergelaufen, bis in die weißen Ebenen.

Jetzt zeigten sich die Ausläufer der Berge schwarz und steinig in einem kilometerweiten Bereich zog sich der nackte Fels, bedeckt mit nur noch wenigen Schneeflecken, immer weiter nach oben. Auch das Land um die mächtigen Berge wirkte seltsam wässrig. Entsetzt stieß Sah-Gahn die Luft aus. Neben ihm stand Pet-Russo und sagte mit blassen Lippen. »Die Eiswüste schmilzt alter Freund! Sie stirbt einen frühen Tod!«

»Ja«, presste Sah-Gahn zwischen den Zähnen hervor.

»Nicht nur sie wird viel zu früh sterben! Wir müssen runter. Wir müssen unter allen Umständen herausfinden warum, und

sehen was wir noch tun können!«

»Was stellst du dir vor Sah-Gahn?«, fragte Jes.

»Ein kleines Expeditionsteam, wie damals auf Leukos. Pet, ich dachte an dich als zweiten Astronomen, Jes als Biologen, Lu-Cas als Mediker!

Thom-Asso«, sagte er mit fester Stimme und schaute den Navigator an, »du hast dich gut bewährt! Du kannst während meiner und Pets Abwesenheit das Kommando übernehmen.« Thom-Asso wurde rot, nickte aber zustimmend. Sah-Gahn stemmte sich aus seinem Sessel hoch. »Na dann machen wir uns an die Arbeit!«

Die Spezialtruppe, die auf Hasperod landen sollte, versammelte sich auf der rechten Seite der Hangarhalle, vor der Öffnung zum Forschungsgleiter MC-II.

Mit seinem persönlichen Impulsschlüssel öffnete Sah-Gahn den Forschungsgleiter, nacheinander stiegen sie ein, verstauten ihre Sachen und schnallten sich auf ihren Sesseln in der Zentrale fest.

»Alle bereit?«, fragte Sah-Gahn. Sie nickten wortlos.

»Dann leite ich den Start ein. Wir werden im Schutz des Deflektorfeldes den Planeten halb umkreisen, dann in der Eiswüste in der Nähe des Pentanossigebirges landen. Wenn sie nicht inzwischen alles bebaut haben, was ich nun doch nicht glaube, werden wir einige gute Verstecke für das Schiff finden! Dann machen wir uns auf das Gelände zu erkunden, und versuchen zum alten Observatorium vorzustoßen, in dem ich seinerzeit interniert war. Es geht los!«

»Immer wieder erhebend«, dachte Sah-Gahn, »mit einem kleinen Schiff den freien Weltraum zu durchfliegen! Man ist irgendwie näher dran.«

Ehrfurcht überkam ihn angesichts der Sternenfülle auf dem Bildschirm, auch wenn es nur ein aus Zahlen und mathematischen Formeln zusammengesetztes Bild war. Im Grunde war ja alles nur ein aus Informationen zusammengesetztes Bild in seinem Hirn. Die absolute reine Wirklichkeit würde ein Lebewesen nie sehen, oder erfahren.

»Die Wirklichkeit«, dachte er, »ist immer eine Frage des Blickwinkels und des biologischen Bauplans! Was sieht ein Mensch, einem Haspiri doch so ähnlich? Wahrscheinlich eine Wirklichkeit, um nur eine Nanoeinheit verschoben. Was sehen Leukothen, die Fledermauswesen? Was eine Reptiloide Lebensform, die wahrscheinlich schon ein ganz anderes Weltbild hat als wir Humanoiden! Wie würde ein Frostbär diese Sternenfülle bezeichnen? Was sieht eine Entität, wie die Wächterin des Himmels? Schwebt der Geist Ma-Iras zwischen diesen Sternen?«

»Nein Großvater, dann würde ich ihn spüren!« Sah-Gahn fuhr herum, »Jes! Du hast meine Gedanken gelesen!«

»Ja hab ich!«, sagte Jes tonlos. »Tut mir leid! Ich habe das nicht bewusst getan! Du hast so intensiv gedacht, dass deine Gedanken geradezu, zu mir herübergeschwappt sind!“

»Schon gut Jes! Ich bin dir nicht böse! Aber wieso«, sagte Sah-Gahn heiser, »spürst du sie nicht? Ob ihr Geist wirklich im Hyperraum verweht ist?« Jes-Sieh schüttelte, unwirsch seine langen, schwarzen Locken.

»Woher soll ich das wissen? Ich bin zwar ein Mutant, aber ich bin kein Gott, nur Ma-Iras Sohn! Vielleicht würde ich sie spüren, wenn wir näher an der Erde stehen würden, über dem Ort, an dem sie gestorben ist«, sagte Jes erstickt! Sah-Gahn schluckte, und hatte das Gefühl, als müsse er einen dicken Kloß wieder nach unten befördern. »Wir sollten uns auf die Gegenwart konzentrieren!«, sagte er langsam.

Seit zehn Minuten hatten sie den Start hinter sich und

schlichen im Schutz ihres Deflektorfeldes durch den Raum. Sie hatten den Asteroidengürtel durchquert, näherten sich jetzt vorsichtig dem eigentlichen Planetensystem, mit dem kleineren Mond Sankarod und dem größten Mond, der fast schon ein Planet war, Pentanos! Hastig zeigte Sah-Gahn auf die Schemata, die sich jetzt auf dem Bildschirm einblendeten. Er redete schnell, um nicht mehr nachdenken zu müssen, um die aufkommenden Tränen zurückzudrängen.

»Die Monde selbst sind eigentlich unbewohnbar, aber schon, als wir damals mit der Sternenspürer geflohen sind, plante der Planetenvorstand die Monde zu Rohstofflieferanten auszubauen. Die Aufnahmen der Spionsonden haben ergeben, dass man dort große Schürfstationen und Wohneinheiten gebaut hat!«

»Natürlich sind die auch gut geschützt und überwacht!« Pet kratzte ausgiebig seinen Haaransatz! Ich hoffe wir kommen ungesehen, an diesen Überwachungssonden vorbei! Glaubst du unser Deflektorfeld, reicht angesichts dieser geballten Überwachungsparanoia?« Nachdenklich starrte Sah-Gahn auf den Schirm.

»Pet«, sagte er, »schalte alles ab! Wir sollten die Ortung und das Getriebe so weit herunterfahren, das wir kaum noch anzumessen sind. Eigentlich dürften wir noch nicht einmal den Deflektorschild einschalten. Aber den brauchen wir!« Pet nickte und tippte hastig auf seinem Terminal herum. Plötzlich erstarb das stetige Vibrieren des Schiffes, das Dröhnen des Getriebes, nur ein leises, kaum noch hörbares Summen durchschwebte den Raum. Das Licht erlosch, nur noch der diffuse Schein der Computerbildschirme erhellte die winzige Zentrale! Die schematische Darstellung erlosch, wich echten Bildern. Langsam glitten sie in das System hinein.

Lautlos vorbei, an der kleinen, leuchtenden Kugel von Sankarod, vorbei an dem fast doppelt so großen Pentanos, der aber nur deshalb heller strahlte, weil er Gorgos näher war. Nach einiger Zeit kam Hasperod in Sicht. Aus der Ferne gesehen, noch immer eine in weiten Teilen weiß glitzernde Kugel, mit kleineren, grünen Anteilen, einem riesigen blau schimmernden Meer, und kleineren Seen. Sie würden, erst wenn sie nahe dem Einflussbereich des Planeten waren, die mächtige Eiswüste ansteuern. Sah-Gahn sah die Kugel anwachsen und näherkommen. Die Automatiksteuerung hielt genau auf die Eiswüste zu. »Die prächtige, schmelzende Schönheit!«

Irgendwann traten sie in die Atmosphäre ein, durchbrachen die schweren Wolkenbänder. »Regenschwer!«, bemerkte Jes-Sieh.

Sie hatten es geschafft, unbemerkt an den Überwachungssonden vorbeizukommen. Steuerten aber noch immer lichtlos, mit eingeschalteten Andruckabsorbern, mit gerade notwendiger Geschwindigkeit dem Planetenboden zu.

»Da«, rief Sah-Gahn, »das Pentanossigebirge! Der kleine Bruder des riesigen Pentanosmassivs auf dem Mond Pentanos! Sol-Choi, Karte bitte!« Eine schematische Landkarte, mit dem ca. 2000 m hohen, zwanzig Kilometer lang gestreckten Gebirgszug legte sich auf dem großen Schirm. Sah-Gahn bewegte den blinkenden Leuchtpfeil, das Hauptmassiv hinunter, und gab die Koordinaten eines kleineren Felsens direkt daneben ein. »Der Felsen heißt Sie-El-Höh. Das ist Alt-haspirisch und bedeutet kleine Eishöhle.«

»Bist du sicher«, fragte Pet, »das dort keiner ist, der uns willkommen heißt?«

»Siehst du was?«, fragte Sah-Gahn. »Misst du etwas an?«

»Nein« Pet schüttelte den Kopf!

»Dann ist die Ebene neben der kleinen Eishöhle, der ideale Ort. Ich gehe jetzt runter Haspiri!« Sah-Gahn lachte bitter.

»Hasperod, deine verlorenen Söhne und Töchter kommen zurück!«

Sanft, ohne Schwierigkeiten, landete Sah-Gahn den Forschungsgleiter neben dem, eisigen Ausläufer des Sie-El-Höh. Als der Raumer nur wenige Meter über dem eisigen Boden schwebte, das Feuer, die Hitze der Getriebe, im Umkreis von einem Kilometer alles zum Schmelzen brachte, schaltete er das Schiff in einen Gleitflug Modus. Langsam, vorsichtig manövrierte die Steuerautomatik die MC-2 in den höhlenartigen Bergeinschnitt und setzte schließlich wenige Zentimeter vor der eisigen Wand auf. Erleichtert lehnten sich die vier Haspiri in ihren Sesseln zurück.

»Sol-Choi, was zeigen die Außenbordkameras?«, fragte Sah-Gahn. Das Bio-Computerhirn blendete die Außenaufnahmen ein. Sie sahen den Einschnitt in das Eis des Pentanossi-Gebirges, von allen Seiten. Die natürliche Kerbe wirkte keilförmig, als hätte einstmals ein Riese sich ein Stück Kuchen aus dem Fels geschnitten. Die seitlichen Wände waren meterhoch, dort, wo sie im Berg endeten, wuchs ein langes, massiv wirkendes Dach aus Eis über das Forschungsschiff hinweg. Sah-Gahn war aufgestanden. »Es müsste schon mit dem Lefuet zugehen, wenn sie uns hier entdecken. Klaubt eure Sachen zusammen, schließt die Einsatzanzüge und lasst uns aussteigen.«

Hoch oben in einer der Wachstationen, im Orbitalschatten des Planeten, saß ein Haspiri gelangweilt vor seinem Kontrollbildschirm.

Die Ortungsgeräte zeigten immer dieselben gewohnten Werte. Warum auch nicht, das Überwachungsnetz war, so dicht, dass kaum einer der nicht sollte, hier durch kam. Deswegen versuchte es auch keiner. Piraten oder andere Verbrecher kamen gar nicht in die Nähe des Planeten. Wenn es doch einer wagen sollte, dann würde Ikla-Pok es merken und weiter melden. Dann lief die ganze militärische Maschinerie in Sekunden auf Hochtouren!

Ikla-Pok lümmelte sich lässig in seinem körpergerechten Formenergiesessel und streckte die langen Beine von sich. Ab und zu gähnte er und pustete eine lange schwarze Haarsträhne aus seinem Gesicht. Die heutige Schicht schien besonders langweilig zu werden. Na klar, Gorgosfeiertag. Da flogen die Frachtschiffe den Planeten kaum an. Ab und zu tummelte sich mal ein Besucher von den Rohstoffmonden. Aber da die Arbeiter und Techniker meistens mit ihren Familien dort wohnten, hielt es sich in Grenzen. Ikla-Pok hatte nichts anderes zu tun als ihre Daten und Fracht zu kontrollieren. Deswegen war er auch alleine im Kontrollraum, Feiertagsbesetzung eben. Sollte ihm recht sein. Müde rieb er sich die leicht geröteten Augen. Die Geburtstagsfeier gestern bei seinem Kumpel, war etwas heftig ausgefallen. Mit zusammengekniffenen Lidern warf er einen routinemäßigen Blick auf den Bildschirm! Nichts tat sich...! Oder doch? Einer der Sensoren blinkte rot! Alarmiert riss er die Augen auf. Verdammt das war Kontrollsektor fünf! Das war sein Bereich.

Da musste sich tatsächlich ein Schiff nähern, das nichts hier verloren hatte! Er zoomte den Ausschnitt des Weltraums näher heran. »Was soll das?«, murmelte er wütend. »Will der Blechkasten mich verarschen?« Er konnte so viel hin und her zoomen, wie er wollte, nichts zu sehen! Trotzdem meldete das Ortungsgerät eine minimale Streustrahlung an. Eine dünne Restemission, die von einem versteckten Schiff, aber auch von einem am System vorbeifliegenden Kometen aus dem Asteroidengürtel stammen konnte. Sofort war diese minimale Strahlung wieder verschwunden. Ikla-Pok runzelte die Stirn. Natürlich, das war es! Die Strahlung eines vorbeifliegenden Kometen, der automatisch vom Kometenabstrahlfeld zerstört worden wahr.

Deswegen gab es auch keine Werte mehr. Ikla-Pok stufte den Vorfall gähnend als minder wichtig ein, und speicherte ihn in einer Archivdatei. Dann ließ er sich in seinen Sessel fallen, und träumte vom Ende der Schicht!

Minuten später stand Sah-Gahn mit seinen drei Gefährten vor dem Schiff. Sie versanken mit den Stiefeln in einem grauweißen, matschigen Boden und starrten auf die endlose Landschaft. Vereinzelt fing es in feinen Tropfen an zu regnen, Sah-Gahn zog hastig die Kapuze seines einteiligen Einsatzanzuges hoch.

»Regen! Jes, was sagen deine Temperaturscanner?« Jes hielt einen flachen, etuiartigen Temperaturfühler in die Umgebungsluft. »Die Durchschnittstemperatur auf dem Planeten beträgt laut Sol-Choi zwei Grad über dem Gefrierpunkt. Mindestens zwei Grad mehr als es sein sollte. In der Eiswüste, und auch hier an diesem Punkt haben wir noch immer 1 Grad über Null! Deswegen stehen wir hier auch im Matsch. Eigentlich müsste alles steinhart gefroren sein, von einer dünnen Decke Schnee abgesehen. Das es anfängt zu regnen, ist wahrscheinlich auch nicht gerade üblich auf diesem Planeten!«

Sah-Gahn seufzte tief. Ein aufkommender Wind zerrte an seinen Kleidern, seinen Haaren, und trieb ihm die Tropfen ins Gesicht. »Es gibt noch nicht einmal ein haspirisches Wort für Regen. Dieses Wort stammt von der Erde!« Pet-Russo kniff die Lippen zusammen, seine Ohren fuhren wild durch die Luft. »Dann sollten wir losgehen, sagte er. Sah-Gahn nickte. »In etwa 10 km Entfernung von hier müsste sich das technische Depot befinden, zumindest die Reste davon.«

»Wenn sie es nicht vollständig beseitigt haben«, warf Lu-Cas ein.

»Irgendetwas Technisches ist da noch«, widersprach Pet. „Ich messe mit meinem Mini-Orter eine Art Reststrahlung an. Zwei, drei Kilometer weiter, dürfte sich das Observatorium befinden.« Pet schaute auf den Bildschirm des kleinen Metallkästchens, »ich messe eine minimale aber konstante Radiostrahlung an.«

Er straffte sich. »Wenn wir stramm durchmarschieren, haben wir die zehn Kilometer in zwei Stunden geschafft.« Pet-Russo schaute ihn verblüfft an. »Warum nehmen wir nicht die Gravo-Packs?«

Sah-Gahn zuckte mit den Schultern. »Tut mir ja Leid Freunde, die Gravo-Packs sind zu gefährlich. Ihre Strahlung ist wie ein Leuchtfeuer. Also marschieren und Deflektoren einschalten.« Er schaute zum Himmel. Es sah grau und diesig aus, aber nichts deutete auf eine Wetterveränderung.

»Wenn wir jetzt losgehen, schaffen wir es noch bis zum Abend!«

Ohne Verzögerung stapften sie los, unablässig durch den wässrigen Schnee, nach ungefähr zehn Minuten hob Sah-Gahn die Hand.

»Wir sollten uns überlegen wie wir in das Observatorium reinkommen,«

»Aber wo wollen wir überhaupt hin?«, fragte Pet.

»Na wohin schon?«, antwortete Sah-Gahn. »Nach Gorgodia!«

»Du meinst wir sollten zu deinem alten Observatorium gehen, zum Trebla-Niest-Nie Gorgosobservatorium?«

»Natürlich«, zischte Sah-Gahn, »direkt in die Höhle des Löwen. Das alte Observatorium, mitten in der Eiswüste, in dem ich damals gefangen gehalten wurde hat sich mittlerweile in eine verrostete, verrottete Ruine verwandelt. Davon bin ich überzeugt. Nein, lasst uns sofort nach Gorgodia fliegen aber schaltet eure Deflektorschirme ein!«

»Sagtest du gerade fliegen?« Pet-Russo sah ihn mit gerunzelter Stirn an. Sah-Gahn grinste.

»Ich bin immer noch derselben Meinung, du renitenter Witzbold. Mit dem Schiff zu fliegen, ist natürlich außer Frage.

Dann würden sie uns sofort entdecken. Mit den Gravo-Packs ist es zwar auch riskant, aber andererseits würden wir zu Fuß erst in einigen Wochen ankommen. Es geht nicht anders.« Alle nickten erleichtert.

»Es ist bald dunkel.« Sah-Gahn schaute hoch zu Gorgos untergehenden, blutroten Feuerball! »Wir sollten nachts fliegen, und uns tagsüber hinter Schneewehen und Eishügeln verstecken! Gibt es noch Einwände?«

»Nein Chef, keine Einwände!«, Pet-Russos Gesicht blieb todernst. »Deine Haspiris sind bereit!«

»Na dann los Männer!« Sah-Gahn verzog keinen Gesichtsmuskel. »Zeigen wir den Sonnenpriestern, was ein Eispickel ist!«

Kapitel 3 Der Schmutzfleck

Es war ein Inferno! Ein riesiger rotglühender Ball, aus dem immer wieder flammende Jets herausschossen, deren Flammenzungen die samtige Schwärze des Alls regelrecht aufzufressen schien!

Dieser Ball bestand nur aus heißen Gasen. Die Oberflächentemperatur war im Laufe seiner Millionen Jahre andauernden Existenz, auf 3000 Kelvin angestiegen. Sein Durchmesser auf 385 Millionen Kilometern angewachsen. Aber nicht langsam, in einer astronomisch vernünftigen Zeit, nein in einer für Sterne unvernünftigen, gefährlichen Geschwindigkeit. Gorgos war in rasendem Galopp zum Feuer speienden Monster mutiert.

Ra-Ennas runzelte die Stirn, ungeduldig pustete sie eine Strähne ihres golden schimmernden Fells aus dem Gesicht und kniff die Augen zusammen. Sie wusste das Gorgos im Sterben lag, das hatte schon ihr Vorgänger festgestellt. Nein, sie lachte leise, bestimmt nicht dieser Emporkömmling Chol-Rasch. Dafür war er einfach nicht intelligent genug. Chol-Rasch war nur nach oben gekommen, weil er der Fellputzer ihres Bruders war. Nein, das Gorgos im Sterben lag hatte der Astromeister Sah-Gahn L‚Rac bewiesen. Aber nach seinen damaligen Berechnungen sollte Gorgos erst in 2000 Jahren explodieren, und frühestens in 1000, mittlerweile in 950 Jahren wäre alles Leben auf Hasperod verschwunden, weil dann das ganze System von Gorgos verschlungen würde.

Schlimm genug! Wieso ging Gorgos Sterben, in den letzten Jahrzehnten so rasend schnell? »Seltsam genug«, murmelte Ra-Ennas. »Aber was, bei Gorgos heiligen Feuern, hat dieser schwarze Schmutzfleck zu bedeuten? Welches zusätzliche Verhängnis kommt da auf uns zu? »Die Darstellung näher heranzoomen Sol-Choi«, kommandierte sie. Da war es wieder! Dieses im Vergleich zu Gorgos, winzige Etwas. Dieser Schmutzfleck, auf Gorgos flammenden, roten Sternenball!

»Eher ein schwarzes Staubkorn«, murmelte Ra-Ennas, während sie gespannt beobachtete, wie Sol-Choi das Bild näher heranzoomte. Die Vergrößerung zeigte ihr ein regelmäßig geformtes Objekt, das sich seit Wochen in seiner Form nicht verändert hatte. Das konnte kein natürlich gewachsenes Objekt sein! Was auch immer das war, sie musste den Planetenvorstand benachrichtigen. Schon deshalb, weil Gorgos rasante Sterbephase, ihr langsam Sorgen machte. Ra-Ennas war sicher, dass die Sonnenpriester sogar erwarteten, dass sie sich meldete.

Sie mussten die Evakuierungspläne, die sie ihnen in langen Verhandlungen endlich abgerungen hatte, vorantreiben! Sie war die erste Astromeisterin des Gorgosobservatoriums, sie war eine Toiraksi! Die Priester mussten ihr Auskunft geben, wenn sie nach den Fortschritten der Raumfahrttechniker fragte. Sie würde sich nicht mehr länger vertrösten lassen. Dieses schwarze „Staubkorn“, würde sie auf jeden Fall interessieren.

»Vielleicht«, dachte sie laut, »ist dieses Staubkorn nicht nur ein Verhängnis, sondern eine Hoffnung!« Ra-Ennas Hand schwebte über den Sensoren des E-Komunikators, der mittlerweile in Sol-Chois Festplatte integriert war. Müsste sie nicht Su-Nev informieren? Immerhin war sie ihre Freundin und Assistentin. In der letzten Zeit benahm sie sich etwas komisch. Seit gestern Morgen versuchte Su-Nev fast verzweifelt, sie davon abzubringen, den Planetenvorstand zu informieren. Mit immer fadenscheinigeren Ausreden! Su hätte schon längst im Labor sein müssen, heftig zuckte sie zusammen, als ihr Armbandkom anfing zu quäken. Das weckte ja Eismumien auf. Sie kniff die Augen zusammen, Leppod-T-Negas Code.

»Verdammt Leppod, was willst du?«, murmelte sie, und aktivierte die Bildübertragung.

Das grinsende Abbild eines dunkelfelligen Haspiri erschien auf dem Minischirm des Koms. Sein Zopf war nachlässig gebunden. Die grünen Augen funkelten sie an. Das auffallendste an diesem Haspiri war, dass er tatsächlich glatt rasiert war! Sein Kinn war unfellig! Eigentlich unmöglich für einen haspirischen Mann. Das änderte für sie nichts an seinem guten Aussehen. Doch jetzt störte er.

»Lep, was ist los?«

»Eiskönigin, das ist aber keine sehr freundliche Begrüßung! Ich dachte du würdest dich freuen mich zu sehen, nachdem wir vor zwei Gorgostagen die Eisberge zum Schmelzen gebracht haben!«

»Lep«, ihre Stimme bekam einen milderen Klang, »wir haben schon öfter die Eisberge zum Schmelzen gebracht. Aber ich hänge an einem wichtigen Projekt. Ich habe etwas weitreichendes entdeckt! Ich habe zu arbeiten!«

»Was hast du entdeckt? Ein zweites schwarzes Loch, die Rettung vor Gorgos feurigem Zorn?«

»So ungefähr Lep aber komm jetzt mal auf den Punkt! Ich habe wirklich keine Zeit mehr!« Leppod seufzte. »Immer die verschlossene Realistin, was? Eigentlich Eiskönigin wollte ich nur mal deine Stimme hören, dein Gesicht sehen. Treffen wir uns heute Abend?«

»Ich weiß nicht Lep!«, antwortete sie stirnrunzelnd!

»Bitte! Unser Restaurant, du weißt schon, in Nesse! Aber entscheide dich schnell! Noch schläft sie, aber ich höre, wie sie sich bewegt! Bald müsste sie aufwachen, und dann muss ich Schluss machen!« Ra-Ennas kantige Züge verhärteten sich noch mehr.

»Du bist bei ihr?«, stieß sie zwischen zusammengepressten Lippen hervor.

»Was glaubst du?« Leppod-T-Nega zog die dichten Augenbrauen hoch, und schickte einen Blick gegen die Zimmerdecke im Frühstücksraum. »Ich bin ihr Lebensgefährte, da macht man das manchmal.«

»Tu bloß nicht so arrogant«, Ra-Ennas warf den goldfarbenen Zopf so heftig nach hinten, das er wie eine Peitsche durch die Luft fuhr! »Als ich dich vor einem Jahr auf der Konferenz der Wissenschaftszünfte kennengelernt habe, hast du noch so getan, als seiest du ein einsamer alleinstehender Hasperologe. Ich erinnere mich noch lebhaft an deine Worte.

„Auf eine Frau wie dich habe ich schon immer gewartet! Du bist schön wie die aufgehende Sonne hinter den Eisbergen Hasperods. Es ist mir egal Ra-Ennas Toiraksi, aus welcher Familie du stammst. Wichtig ist nur, dass ich dich liebe. Was für ein Schmelzwasser! Und darauf bin ich auch noch reingefallen!“

»Aber es stimmt Ra!« Leppod schaute sie eindringlich an. Ra-Ennas glaub mir. Es hat mich wie ein Blitzschlag erwischt!«

»Ach ja?« Als ich von der Konferenz zurückkam und Su-Nev mir nach Feierabend freudestrahlend ihren neuen Lebensgefährten vorstellte, warst du aber ziemlich nervös! Danach haben wir uns mehrmals getroffen, jedes Mal hast du versprochen mit ihr zu reden.«

»Ra-Ennas, das ist nicht so einfach wie du...«

»Du wolltest es tun, weil du ihr Lebensgefährte bist,weil du mir angeblich nicht zumuten wolltest, meiner besten Freundin zu...«

Leppod hob beschwichtigend die Hand! »Ich rede auch mit ihr! Aber ich kann nicht zu ihr sagen, »hör mal, da gibt es ein Problem Su. Ich bin mit deiner Freundin ins Bett gestiegen, und jetzt liebe ich sie. Mach dir aber nichts draus. Das muss man behutsam angehen! Ich habe sie gestern zum Essen eingeladen, dann sind wir eben in unsere Höhle gegangen...«

»Das heißt, du hast mit ihr geschlafen!«

»Ra, wir besprechen das alles heute Abend bei Temruog, okay?«

»Du sagst es ihr beim Frühstück!«

»Ra, das kann ich nicht!«

»Du sagst es ihr beim Frühstück oder ich tue es selber, wenn sie gleich ins Labor kommt. Egal was passiert, ich halte das nicht mehr aus Lep! Und wenn sie mich dafür umbringt, Ende!« Heftig schlug sie auf den Sensor des Armbandkoms ein, und trennte die Verbindung.

Bebend lehnte sie sich in ihrem Sessel zurück, und starrte auf eine blindgeschaltete Sektion des großen Computerbildschirms, der unbarmherzig ihre Züge spiegelte. Sie sah ein breites, kantiges Gesicht, ebenmäßig geformt, mit hohen Wangenknochen. Volle, elegant geschwungene Lippen, kein Schmollmund! Nicht unhübsch, mit hohen Wangenknochen, aber eben breit! Dann die verdammten goldfarbenen Toiraksi-Augen! Überhaupt alles an ihr war irgendwie goldfarben, wie altes Gold! Sogar ihre Haut hatte einen leichten Goldschimmer, furchtbar! Su-Nev dagegen, mit ihrem zarten, schmalen Gesicht, dem sanften blauäugigen Blick. Verdammt, sie hatte nun mal nicht ihre ätherische Schönheit! Endlich hatte sie einen Mann getroffen, der den Sprechern der Wissenschaftszünfte nicht nach dem Mund redete. Ein Mann, der es wagte, ihnen auf der Versammlung alle hasperologischen Fakten auf den Tisch zu legen, und einen Zusammenhang zwischen Gorgos Sterben, und der verrücktspielenden Natur des Planeten herzustellen. Dazu sah er noch unverschämt gut aus. War doch klar, dass sie sich mit ihm unterhalten, das sie ihn nach der ersten Konferenz schon zum Essen einladen musste. Die Nacht, danach war so schön gewesen, so voller Leidenschaft. Was kam dann? Ach verdammt, Su-Nev konnte ja auch nichts dafür. Sie waren nur mal wieder auf denselben Dreckskerl hereingefallen. Ra-Ennas lachte schnaubend. Sie machten ja alles gemeinsam! Gewaltsam verdrängte sie diese Gedanken und konzentrierte sich wieder auf ihr eigentliches Vorhaben, bevor dieser Anruf sie aus der Bahn geworfen hatte.

Entschlossen tippte sie ihren Vorrangcode auf die Direktleitung zum Ministerium für Sicherheit und Raumfahrt ein und horchte ergeben auf das langanhaltende Freizeichen. »Wenn das hier erledigt ist«, dachte sie, muss ich mit Su-Nev reden. Irgendetwas stimmt mit ihr nicht, und wenn er es nicht schon getan hat, muss ich ihr sagen, was seit Monaten zwischen mir und Lep läuft!

»Verdammt!«, zischte Ra-Ennas. Wie sie Chol-Rasch kannte, würde er grinsend auf das Blinken ihres Codes starren, und sich dabei gemütlich seine unteren Genitalien schaukeln! Endlich, das verwaschene Grau ihres persönlichen Bildschirms verschwand. Ein schmaler, vollständig ergrauter Haspiri mit ungewöhnlich schütterem Kopffell erschien. Nur sein magerer Oberkörper, den er in ein glatt geschabtes Larmantifell gehüllt hatte, war zu sehen. Im Hintergrund registrierte Ra-Ennas eine kleine Bildschirmwand, die gerade dabei war herunterzufahren. Sie konnte nur noch Sol-Chois Eiszapfensymbol aufblitzen sehen. »Was willst du?«, ertönte Chol-Raschs quäkige, helle Stimme. »Ich hoffe es ist bedeutsam genug, Ra-Ennas Toiraksi! Du hast mich aus einer wichtigen Sitzung geholt!«, fügte er im, vorwurfsvollen Ton hinzu.

»Ich...will dich nicht länger von deiner wichtigen, Sitzung abhalten.« Sie rutschte in ihrem Sessel nach vorne und legte die ausgestreckten, noch immer dicht befellten, muskulösen Beine locker übereinander. Sie war froh diesen hüftlangen Überwurf aus grünen Eisblumenfasern angezogen zu haben, und nicht irgendein tief ausgeschnittenes Teil. Sie konnte Chol-Rasch jetzt schon sabbern sehen.

»Sicher habt ihr gerade über den Fortschritt der Evakuierungspläne gesprochen«, antwortete sie ihm. »Du hättest mir gleich mitgeteilt, dass ihr schon fast fertig damit seid ... Minister!«

Chol-Raschs Stimme wurde eisig, seine Augen zogen sich zu Schlitzen zusammen. »In der Tat Astromeisterin, in der Tat! Ich hätte dir, die Ergebnisse mitgeteilt. Der Planetenvorstand hält seine Versprechen, denn er agiert ja im Auftrag von Gorgos! Wenn du mich deswegen störst!“

Ra-Ennas presste ihre Lippen zusammen, ihre Hand krampfte sich um die Sessellehne. »Ich habe dir nur zwei unbedeutende Kleinigkeiten mitzuteilen. Die Evakuierungspläne müssen umgehend vorangetrieben werden! Gorgos entwickelt sich im rasenden Gallop zur Super-Nova! Die Daten sind erschreckend. Tatsache ist, das hier in knapp fünfhundert Gorgosjahren alles zum Feuerdämon geht! In wenigen Jahrzehnten ist der Planet unbewohnbar für uns. Die Auswirkungen der Katastrophe sind in den südlicher gelegenen Kontinenten schon zu spüren!«

Der Minister öffnete den Mund, doch Haspiri wie Chol-Rasch durfte man nicht zu Wort kommen lassen.

»Wir leben hier in Gorgodia mit sage und schreibe 5 Grad über Null noch auf einer Insel der Seligen, auch wenn das für Hasperod schon eine enorme Temperatursteigerung ist. Wir haben eben das Glück, das unsere Hauptstadt auf dem nördlichsten aller Kontinente liegt, kurz vor der Eiswüste, und dem Pentanossigebirge! Doch in den anderen Gebieten leiden Haspiri unter Temperaturen von ca. 8 – 10 Grad über Null! Du kennst die Berichte, sogar in der Eiswüste haben die Hasperologen, schon eine Erwärmung bis zu ein Grad Plus gemessen! Plus Temperaturen auf Hasperod hat es noch nie in der Geschichte des Planeten gegeben!«

»Du kennst die Philosophie der Sonnenpriester, Ra-Ennas Toiraksi. Kein Lebewesen...«

Ra-Ennas sprang auf, stemmte die Arme in die Hüften, und beugte sich so weit vor, dass ihre Stirn fast den Bildschirm berührte, als wolle sie ihn durchstoßen.

»In den alten Gorgosschriften steht etwas anderes Chol-Rasch! Muss ich es dir in Erinnerung rufen? Kein Lebewesen, das den Wunsch verspürt freiwillig, ich betone freiwillig ... in Gorgos aufzugehen, soll dazu genötigt werden Gorgos in der Not zu verlassen! Die alten Schriften aus der Gründerzeit, der Gorgosreligion sind schon seit Jahrhunderten im Besitz unserer Familie. Seltsamerweise Chol-Rasch, sind sie erst jetzt bei Ausgrabungen unter dem ehemaligen Gemach des Oberpriesters Ra-Ennos II, in einer verschlossenen Schatulle aufgetaucht. Erinnere dich, ich konnte hieb- und stichfest beweisen, dass es die Handschrift von Ra-Ennos I ist! Der Vorstand hat daraufhin versprochen...«

Chol-Rasch schnitt ihr mit einer Handbewegung das Wort ab.

»Du weißt genau. das dein sauberer Vorgänger, die Baupläne für das Generationenraumschiff mitgenommen hat. Und mit sich genommen hat er die besten Wissenschaftler Hasperods. Unter anderem deinen Bruder! Sah-Gahn L‚Rac hat die hasperodianische Wissenschaft um Jahrzehnte lahmgelegt! Es dauert nun mal einige Zeit, um neue Pläne mit den geeigneten Technikern zu entwickeln. Hast du sonst noch etwas zu sagen Ra-Ennas!«

Ra-Ennas schloss die Augen und atmete tief durch, dann sagte sie, »eine Kleinigkeit noch Minister! Vielleicht interessiert dich wenigstens das!«

Sie beugte sich vor, und schaute Chol-Rasch direkt in die Augen. »Seit gestern Morgen beobachte ich mit meiner Assistentin einen außergewöhnlichen schwarzen, Schmutzfleck auf Gorgos Feuerball!«

Chol-Rasch setzte wieder seinen blasierten Gesichtsausdruck auf, »Ra-Ennas...!«

»Dieser Schmutzfleck Minister, ist in seiner Form unveränderlich, nämlich ellipsenförmig! Seine Größe gegenüber Gorgos ist winzig. Aber da es durch das große Teleskop so deutlich anzumessen, und sogar zu sehen ist, muss es wiederum riesig sein!«

Chol-Rasch rührte sich nicht, in seinem Sessel, doch Ra-Ennas glaubte zu sehen, dass seine Pupillen sich um den Bruchteil einer Sekunde zusammenzogen, und wieder weiteten. Für eine Sekunde schienen ihm tatsächlich die Worte auszugehen. Er schlug kurz die Augenlider nieder, und als er sie wieder ansah, sagte er, »und dieser Schmutzfleck, wo sitzt er?«

»Es sieht aus, als ob er kurz neben der Spitze, der Gorgoskorona sitzen würde.« Der Minister antwortete nicht. »Was glaubst du Ra-Ennas«, fragte er nach einer Weile, »was das ist dieser Schmutzfleck!« Sie zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht. Vielleicht außerhaspirische Wesen? Die Seti-Forschung ist ja leider vor dreißig Jahren ausgelaufen. Sonst könnte man das zweifelsfrei feststellen. Aber es könnten auch Heimkehrer sein nicht wahr?“

Chol-Raschs dünne Lippen bebten, seine Schultern fingen an zu zucken, und plötzlich fing er meckernd an zu lachen. »Was findest du daran so erheiternd?« schnappte Ra-Ennas, und krampfte ihre linke Hand zur Faust. Chol-Rasch keuchte, holte tief Luft, und wischte sich die Tränen aus den Augenwinkeln. »Entschuldige Astromeisterin! Aber du glaubst eine Lösung gefunden zu haben, nicht wahr? Du bist überzeugt dieser Schmutzfleck sei ein riesiges Raumschiff, der Generationenraumer Sah-Gahn L‚Racs und deines Bruders, nicht wahr? Du denkst, wie gut könnte man dieses Schiff gebrauchen, um die Bevölkerung des Planeten zu evakuieren! Dein Gesicht spricht Bände. Aber glaubst du nicht, das wir ihn dann längst selbst entdeckt hätten? Glaub mir, sein Schiff wäre noch nicht einmal ansatzweise ins Sonnensystem eingeflogen, geschweige denn bis zur Sonne gekommen! Nein, dieser Schmutzfleck ist etwas viel Besseres!«

Ra-Ennas sprang auf, »du weißt, was es ist!«

»Natürlich«, sagte er.

Hitze stieg Ra-Ennas ins Gesicht. Am liebsten würde ich ihm jetzt an die magere Gurgel springen!

Doch sie ließ ihre Züge erstarren. »Hast du vor es mir zu sagen?« An seiner dünnen Unterlippe nagend, starrte er sie an. »Ja, ich glaube es wäre gut, wenn wir es dir sagen, aber nicht hier! Wenn der Planetenvorstand einverstanden ist, werde ich dir in einer Stunde, einen schwarzen Regierungsgleiter schicken.«

Die Übertragung brach abrupt ab. Ra-Ennas hatte sich noch nicht ganz von ihrer Überraschung erholt, da hörte sie eine heisere, brüchige Stimme hinter sich.

»Du hast mit ihnen gesprochen?«

Heftig wandte sie sich um, und starrte in das bleiche Gesicht ihrer Freundin Su-Nev!

Hastig presste Chol-Rasch seinen Handballen auf den Komunikationssensor, die Bildübertragung.

Minutenlang versuchte er krampfhaft das Zittern seiner Hände zu beherrschen, bevor er tat, was er tun musste.

Er tippte eine Ziffernfolge in den Computer ein, von der er nie gehofft hatte, dass er sie je benutzen würde, eine Ziffernfolge vor der er ebenso viel Ehrfurcht, wie „Furcht“, hatte. Er wählte den Standort des obersten Sonnenpriesters an, der sich in der „schwarzen Station“, befand. Der oberste Priester persönlich würde entscheiden müssen, was sie mit Ra-Ennas Toiraksi tun sollten, und wie sie mit diesem „Unfall“ umgehen sollten!

Der lange, schlauchartige Gang, strahlte eine kalte, technische Nüchternheit aus. Schritte klangen hier hohl und metallisch hart. Wie überall in der Station gab es keinerlei Sichtfenster, die Wände waren mit dicken Platten eines Metalls ausgekleidet, das bis zu einem gewissen Grad Kälte speicherte. Denn trotz des auf höllische Temperaturen ausgelegten Hitzeschildes würden die Innenräume ohne dieses Kälte speichernde Material bis weit über hundert Grad aufgeheizt werden. Der große, kräftige Sicherheitsoffizier, mit der leichten, schwarz eingefärbten Uniform aus Pflanzenfasern, durchquerte mit dröhnenden Schritten den Gang und wischte sich schweratmend die Schweißtropfen von der Stirn. Es war hier so schon heiß genug. Er war froh, seit Jahren in einer Art Dauermauser zu sein. Zwar bedeutete das, dass er praktisch kein Fell mehr hatte, außer seinem langen schwarz, glänzenden Zopf, aber sonst wäre die Hitze ja gar nicht mehr auszuhalten. Endlich, nachdem er mehrmals links und rechts abgebogen war, tauchte auf der rechten Gangseite ein fast unauffällig in die Wand eingelassenes Schott auf. Grimmig lächelnd legte der Haspiri seine Hand auf den rot blinkenden Scanner. Er stand im Begriff, das derzeitige Quartier des obersten Sonnenpriesters zu betreten.

Er bleckte die Zähne.

Er hatte gerade mit Reu-Inegni, dem Chefingenieur der Station gesprochen, da kam die Nachricht herein, dass der oberste Priester, ihn und den Minister auf der Stelle zu sprechen wünschte. Er sah jetzt noch Reu-Inegnis halb mitleidigen, halb schadenfrohen Blick. Ohne Zweifel, Termine beim obersten Sonnenpriester erfreuten sich allgemeiner Beliebtheit. Das rot blinkende Licht des Scanners ging in ein ruhiges Grün über. Das Schott öffnete sich, und der Haspiri starrte unvermittelt in die, eisblauen Augen von Chol-Rasch, hinter ihm ertönte eine brüchige, heisere Stimme.

»Tritt ein, Erdrag-Vitagen!«

Di´on-Arap, der oberste Sonnenpriester! Wenn er es nicht besser gewusst hätte, würde er glauben, einer Stimme aus dem Nichts zu lauschen.

Das wandelnde, nur an den Rändern bläulich schimmernde Deflektorfeld, ließ noch nicht einmal ansatzweise die Gestalt des Mannes ahnen, der sich dahinter versteckte.

Niemand hatte die Gestalt des obersten Priesters je gesehen.

Nicht, seitdem der erste Toiraksi die Linie der L‚Rac, nun ja, unterbrochen hatte.

Fast hätte Erdrag-Vitagen gegrinst, bei diesem Gedanken.

Doch mit betont emotionslosen Zügen trat der Chef der schwarzen Garde näher, und machte einen Schritt in den funktionell eingerichteten, spartanischen Raum.

»Ihr wolltet mich sprechen oberster Priester?« Respektvoll blieb er in gebührendem Abstand vor dem Sonnenpriester stehen. »Ja dich, Erdrag-Vitagen! Ich habe mich mit dem Minister für Technik und Sicherheit unterhalten. Chol-Rasch hat mich auf eine folgenschwere Schlamperei in der Sicherheitsabteilung der Station hingewiesen, die unter deiner Leitung steht.«

Erdrag-Vitagen fing an zu schwitzen. Aus den Augenwinkeln heraus sah er, das Chol-Rasch sich auch nicht viel wohler zu fühlen schien. Der Minister hatte beide Hände ineinander verflochten, um ihr Zittern zu verbergen, und starrte angestrengt an die Decke!

»Oberster Priester«, der Offizier nestelte am Verschluss seiner Uniformjacke, „der Schuldige, ein Techniker, ist sofort vom Dienst suspendiert worden! Ich habe eine Untersuchung angeordnet. Aber ich bin sicher, dass es keine Sabotage war. Es war ein Fehler, der Mann war übermüdet. Ich weiß das darf eigentlich nicht passieren! Wir haben den Tarnschirm, natürlich sofort wieder in Betrieb ...«

»Das will ich hoffen Erdrag-Vitagen!« Die Stimme aus dem Nichts klang plötzlich gar nicht mehr heiser und brüchig, sondern klirrte wie Eis.

»Aber deswegen habe ich dich nicht gerufen! Leider ist dieser dumme Fehler nicht unbemerkt geblieben. Die erste Astronomin des Gorgosobservatoriums hat die Station mit dem großen Weltraumteleskop gesehen!«

Erdrag-Vitagen schnappte nach Luft. Die Stimme redete weiter, und ignorierte Vitagens wachsendes Entsetzen.

»Du hast gehofft Erdrag-Vitagen, das dieser fatale Fehler unter die Eisscholle gekehrt werden könnte was? Du, und auch du Minister, ihr hättet wissen müssen, dass die erste Astronomin diesen „Unfall“ bemerken würde. Sie hat schließlich die Aufgabe Gorgos zu beobachten!« Mit aufkommender Schadenfreude sah Vitagen, das der Minister sich ängstlich duckte.

»Normalerweise Erdrag-Vitagen, würde ich dich jetzt aus deinem Amt entfernen! Du hast dafür zu sorgen, dass deine Mitarbeiter weder übermüdet noch, nachlässig werden! Normalerweise würde ich auch erwägen, dich eine „strenge Bestrafung“, spüren zu lassen. Aber du hast Glück!«

Chol-Rasch lächelte jetzt zuckersüß zu Vitagen hinüber. »Ich habe dem Obersten Priester einen Vorschlag unterbreitet. Wir können Ra-Ennas Toiraksi nicht einfach eliminieren. Sie stammt immerhin aus einer der heiligen Familien, aus denen das Geschlecht der Sonnenpriester hervorgegangen ist. Und nicht nur aus irgendeiner, sondern aus „der“ Familie! Wir werden Ra-Ennas-Toiraksi die Wahrheit sagen!«

»Die, die Wahrheit?«, stammelte Vitagen, und riss die Augen auf.

D‚ion Arap lachte heiser. »Das verwirrt dich enorm

Sicherheitschef? Natürlich nicht die ganze Wahrheit, du Toidi!

Hör mir gut zu, denn wenn Ra-Ennas Toiraksi nur ein

Körnchen davon ahnen, sollte was wir hier wirklich tun, wenn du noch einmal versagst, wirst du dir wünschen, nie geboren zu sein!«

»Su-Nev!«, Ra-Ennas presste ihre Hand auf die Brust.

»Du hast mich erschreckt! Du siehst aus wie eine Eisleiche.

Hast du mit Leppod die Nacht durchgemacht?«

»Du versuchst abzulenken Ra! Du hast mit Chol-Rasch gesprochen, ohne dich mit mir abzustimmen? Ich bin deine Assistentin, vergessen?«

»Du kommst etwas zu spät Su-Nev. Der Dienst im Observatorium beginnt um 7 Uhr Gorgoszeit, nicht zwei Stunden später! Aber ja! Ich habe mit Chol-Rasch gesprochen. Was meine Informationspflicht dir gegenüber betrifft, dir ist schon seit Wochen bekannt, dass ich die Priester über Gorgos

„Schmutzfleck“ informieren werde. Ich habe es getan, und du kannst mich nicht mehr davon abhalten.«

Die Hände in die Hüften gestemmt schaute sie in Su-Nevs, bleiches, schmales Gesicht, das immer so unschuldig wirkte, wie ein himmlischer Eisflügler!

Innerlich bebte sie. Ob Leppod mit ihr gesprochen hatte? Sie wusste jetzt schon, dass Sie es doch nicht wagen würde!

Tief seufzend schaute Su-Nev sie an.

»Ra, die Sonnenpriester sind nicht die angenehmsten Gesprächspartner! Sie sind gefährlich, sie tun nichts umsonst!“

Kopfschüttelnd verfolgte sie Su-Nevs hastige Wanderung durch das kleine Büro, vorbei an dem großen

Computerbildschirm, zum Eingangsschott und wieder zurück. Ihr rot-schwarzgesträhnter Zopf wippte dabei hin und her, wie eine Schlange.

»Su-Nev, ich kenne die Sonnenpriester. Ich stamme aus einer ihrer Familien. Gerade deswegen kann ich mir etwas mehr erlauben als andere. Ich versuche das, zugunsten unseres Volkes auszunutzen. Aber was bitte hat das mit Gorgos schwarzem Fleck zu tun? Ich informiere sie doch nur darüber, was vor ihrer Nase geschieht. Verdammt Su, ich glaube...«

Die kleinere, grazilere Frau entwand sich mit einer raschen Bewegung ihrem Griff. »Du glaubst, es wäre das Schiff Sah-Gahn L‚Racs und deines Bruders! Du hasst deinen Bruder noch immer mit der gleichen Intensität wie am ersten Tag nicht wahr? Und Sah-Gahn L‚Rac würdest du am liebsten in die gleiche Tonne stecken.«

Ra-Ennas kniff die Lippen zusammen. »Ich habe allen Grund dazu meinen Bruder zu hassen, das weißt du! Was Sah-Gahn L‚Rac betrifft, er war oder ist, ein brillanter Wissenschaftler. Ich habe auf der Astronomität heimlich seine Schriften gelesen. Er war genial, zugegeben. Aber er hat...

»Regierungsgleiter im Anflug, Regierungsgleiter im Anflug!«, quäkte die Computerwand. »Wie auch immer Su, jetzt ist es zu spät! Sie haben beschlossen, mir reinen Wein

einzuschenken. Chol-Rasch lässt mich abholen.« Ra-Ennas raffte ein paar Unterlagen zusammen und ging raschen Schrittes zum Laborausgang. »Trotzdem, bei meiner Rückkehr müssen wir reden Su!«

Hastig drehte sich Ra-Ennas um, und ging davon.

Kapitel 4 Die schwarze Station

Der schwarze, schlanke Regierungsgleiter parkte unmittelbar neben dem riesigen Kuppelgebäude des Observatoriums. Es war die zehnte Gorgosstunde am Morgen, als Ra-Ennas aus dem Gebäude trat, hoch über ihr, erstreckte sich die Konstruktion der Laufbänder, kreuz und quer übereinander liegend durch die gesamte Stadt. Vor fünfzig Jahren noch wurden sie durch Stützstreben gehalten.

Aber mittlerweile hatte man die Streben reduziert. Es gab sie nur noch am Rande des Transportsystems. Das Ganze wurde gehalten durch Antischwerkraft-Generatoren, und vorwärts bewegt durch einfache, ordinäre Elektromotoren, die umgeben von Hydrontiumkristall vor der Kälte geschützt wurden. Sie lachte leise, in ironischer Bitterkeit auf. Vielleicht braucht man das ja demnächst auch nicht mehr, wenn die Hitze nach diesem Planeten greift.

Die Laufbänder wimmelten um diese Zeit von Haspiris, die entweder ihren Geschäften und Büros zustrebten, oder die zweite, Schicht in den Hydrontium-Minen antraten! Doch Ra-Ennas wandte den Blick ab, sie interessierte sich mehr für die Haspiri, die aus dem Gleiter stiegen, vielmehr waren es zwei Soldaten der schwarzen Regierungsgarde. Unübersehbar mit ihren schwarz eingefärbten Uniformen, die sie mittlerweile tragen mussten, weil alle Haspiri in eine fortwährende Enthaarung gerieten, bzw. ein andauerndes Sommerfell bekamen. Auf die Dauer fiel ihnen das Fell sogar ganz aus, und sie wären ohne einen künstlichen Haut- oder Fellüberwurf vollkommen nackt gewesen! Die unvermeidlichen Desintegratorgewehre waren an der Schulter befestigt. Ra-Ennas beschlich bei ihrem Anblick ein mulmiges Gefühl, sie war überzeugt, dass sie die Gewehre schneller als sie denken konnte, aus der Halterung gerissen- und auf sie angelegt hätten. Egal ob sie eine Toiraksi war oder nicht. »Ra-Ennas Toiraksi?«, fragte einer der Soldaten schnarrend. »Ja, das ist richtig!«, fast hätte sie einem Impuls folgend die Augen niedergeschlagen! »Lieber Gorgos – waren das etwa Roboter? Gingen die Sonnenpriester jetzt soweit, dass sie Robot-Armeen aufstellten?«

Ein albernes Kichern stieg in ihrer Kehle auf, sie konnte es gerade noch unterdrücken, während sie in den Gleiter stieg.

»Herzlich willkommen Astromeisterin!«, empfing sie eine eher missmutige, Männerstimme aus dem Innern des Gleiters. Während sie schon flogen, und in Sekundenschnelle die Lufthülle Hasperods durchstießen, schälte sich neben Ra-Ennas Sitz eine schwarze, schattenhafte Gestalt heraus. Die schummrige Beleuchtung des Gleiters schaltete sich automatisch ein, als sie im freien Weltraum schwebten.

»Guten Tag Erdrag-Vitagen!«, sagte sie möglichst unbeteiligt. Bei den drei Eisheiligen! Der Sicherheitschef der schwarzen Garde persönlich! Was musste sie wichtig sein. War das nun gut, oder schlecht?

Erdrag-Vitagen hatte ihr zugenickt und eine Zeit lang kein weiteres Wort gesagt. Die zwei schwarzen Gestalten mit den Desintegratorgewehren hatten sie in die Mitte genommen, und flankierten sie. Vorne links saß ein namenloser Pilot, neben ihm der schweigende Sicherheitschef. Was war los mit diesen Leuten?

Warum so viel Aufwand wegen der Astromeisterin des Gorgosobservatoriums? Sie öffnete den Mund, um danach zu fragen, und schloss ihn gleich wieder. Nein! Weniger war manchmal mehr. Zu viele Fragen ergaben oft, zu wenig Antworten. Vitagen würde ihr schon mitteilen, wohin sie flogen, was sie wissen sollte! Aus der Art, wie er seine Informationsbrocken vorbrachte, würde sie schließen können, was für sie wirklich interessant war! »Ohnehin, dachte sie, ist es jetzt zu spät. Ich sitze in diesem Gleiter!«

Um sich abzulenken, versuchte sie einen Blick auf das kleine Display des Bordcomputers zu erhaschen. Der Gleiter schien automatisch zu fliegen, auf einem vorbestimmten Kurs, den der Pilot eingegeben hatte. Der Bildschirm war in zwei verschiedene Sektionen aufgeteilt, in einem Bereich flossen endlose Datenkolonnen wie ein Band über den schwarzen Schirm. Der andere Bereich zeigte Bilder des freien Weltraums. Die enorme Geschwindigkeit des Gleiters ließen die Bilder verwischen. Im Minutentakt flogen sie vorbei an den Monden Pentanos und Sankarod! Dann kam eine ganze Weile nichts – nur Schwärze, aber auch das dauerte nur ca. zehn Minuten, dann hatten sie laut der Geschwindigkeitsanzeige ca. 75 Millionen Kilometer zurückgelegt. Ra-Ennas wurde es heiß. „75 Millionen Kilometer, in 15 Minuten! Wie konnte das sein? Unsere normalen Raumgleiter würden eine solche Strecke nicht annähernd in dieser Geschwindigkeit zurücklegen! Was geht da vor sich? Ist die Technik der Sonnenpriester eine vollkommen andere, als die normale Technik der Haspiri? Steht der Schwarzen Garde eine Technik zur Verfügung, die den normalen haspirischen Wissenschaftler weit hinter sich lässt? Wo zum feurigen Gorgosdämon wollen sie mit mir hin? Wenn das so weitergeht, sind wir in weiteren zehn Minuten bei Gorgos feurigen Lohen!«

Wenn sie recht hatte, dann musste bald „Seßorg Egua“, das große Auge in Sicht kommen. Das riesige Weltraumteleskop, schon sein Hauptspiegel, hatte einen Durchmesser von 2,4 Metern. Das Teleskop enthielt drei hochempfindliche, präzise zu justierende Sensoren, mit denen genaueste astronomische Messungen durchgeführt werden konnten. Deswegen hatte sie auch den so genannten „Schmutzfleck“ auf Gorgos entdeckt. Leider genehmigten die Sonnenpriester nur die Beobachtung bis Gorgos Feuerball. Dabei war Seßorg Egua durchaus in der Lage noch weiter zu blicken. Laut den technischen Daten konnte das Teleskop bis ins Zentrum der Galaxie, und darüber hinausschauen.

Aber weil die Priester ihren Untertanen, insbesondere den Astronomen nicht trauten, hatten sie eine Schaltung eingebaut, die jeglichen Blick über Gorgos Feuerball hinaus unterband! Mit wenigen anderen Wissenschaftlern hatte sie vor zwanzig Jahren für kurze Zeit das Privileg genossen, Seßorg Egua’s unbegrenzte Sehkraft zu nutzen. Sie hatte den Wirbel des gewaltigen schwarzen Loches im nahen Zentrum gesehen! Sie hatte fremde Materiewolken und Galaxien von unglaublicher Schönheit erblickt. Aber schon eine Woche später war es vorbei! Die Schaltung war installiert!

Ra-Ennas Augen fingen langsam an zu schmerzen, so angestrengt linste sie auf die Anzeigen des Bildschirms! Der Raumgleiter fraß die Millionen von Kilometern als wäre es nichts! Und tatsächlich kam jetzt auch das große Teleskop in Sicht. Sie sah das riesige im Gorgoslicht glitzernde Rohr mit den überdimensionalen Spiegeln. Auf der linken und der rechten Seite streckten sich längs des Teleskoprohres die rechteckigen Platten mit den Solarzellen wie Flügel, die das auftreffende Gorgoslicht in elektrische Energie umwandelte. Doch lange konnte Ra-Ennas dieses Bild nicht bewundern. In noch nicht mal einer Minute waren sie an Seßorg Egua vorbeigeflogen. Es dauerte keine fünf Minuten, dann füllte Gorgos feuriger Ball den Bildschirm aus. Sie warf einen Blick auf Erdrag-Vitagen. Diesmal erwiderte er ihn, und nickte unmerklich, sagte aber noch immer nichts.

»Dieses ganze geheimnisvolle Getue«, dachte Ra, »ist Absicht! Ich sollte das sehen. Ich soll sehen, zu was die Priester in der Lage sind. Aber warum? Was soll das? Wieso plötzlich diese sprunghafte, enorme, technische Entwicklung? Sie haben der haspirischen Wissenschaft, doch nie erlaubt weiter als bis Gorgos zu forschen! Jetzt präsentieren sie mir Möglichkeiten, die weit über das Gorgos-System hinausreichen! Das haben sie nicht in einem Tag oder wenigen Wochen entwickelt. Das muss es schon immer gegeben haben. Die ganzen Jahrzehnte, ach was Jahrhunderte haben sie uns das vorenthalten! Warum? Was haben sie vor? Werden sie mir irgendetwas Fantastisches präsentieren, und sagen, wenn du nicht mitmachst, findet die Evakuierung nicht statt? Ich platze vor Fragen! Aber ich sollte vorsichtig sein. Su-Nev hat nicht unrecht. Die Priester sind gefährlich. Oder war alles ganz anders. War das gar nicht ihre Technik? Würde sie gleich, wo auch immer ihrem verdammten Bruder, diesem Drecksack, gegenüberstehen und seinem ergebenen Kommandanten Sah-Gahn L ‚Rac?“ Kurz nur hatte sie den Blick abgewendet. Ihre Gedanken brachen übergangslos ab, als Erdrag-Vitagen das erste Mal auf diesem Flug etwas sagte. »Wir sind da Astromeisterin!«

Ruckartig schaute sie wieder auf den Bildschirm und stieß ein fast schmerzerfülltes Stöhnen aus. Vor ihren Augen wuchs der gewaltige Feuerball Gorgos, und am Rande einer in den Weltraum leckenden Korona, wuchs ein wesentlich kleineres, aber im Verhältnis nicht minder riesiges Objekt. Ein gewaltiges, amöbenartiges Gebilde, ellipsenförmig, wie eine abgeflachte, lang gestreckte Kuppel. Dieses Ding war pechschwarz, und nur zu sehen, weil sich das Gorgoslicht auf seinem Körper spiegelte. Es war vollkommen glatt und fugenlos, aus dieser Entfernung!

Ra-Ennas konnte schemenhaft einen silbernen, aufgemalten Eiszapfen auf der Amöbe ausmachen. Das Zeichen der schwarzen Garde und dahinter die stilisierte Sonne der Sonnenpriester! »Was ist das?«, keuchte Ra-Ennas.

»Das«, sagte Erdrag-Vitagen ruhig »ist dein „Schmutzfleck“, du hast sicher einige Fragen dazu. Aber die kann ich dir jetzt nicht beantworten. Alles Weitere Astromeisterin, wenn wir gelandet sind!«

Die Landung, schien für den Piloten eine eher routinemäßige Angelegenheit zu sein. Er brachte den Gleiter, der nach Ra-Ennas Vermutung, mehr eine Passagier-Raumfähre war, näher an die Station heran. Es musste eine Station sein, oder eine Art Mutterschiff! Denn so glatt und fugenlos war es nicht, wie es aus der Ferne gewirkt hatte. Als die „Amöbe“, immer näherkam und mächtig, schwarz vor ihnen aufragte, konnte sie feine, quadratische Linien auf der Außenhaut erkennen. Wahrscheinlich nichts anderes als automatische Eingangschotts, die in einen großen Bootshangar führten. Ra-Ennas Vermutung war richtig. Eines der fein gezeichneten schwarzen Quadrate fuhr plötzlich nach oben, Licht schien aus einer sich weitenden Öffnung. Die Fähre flog darauf zu und setzte schließlich in einer weiträumigen, mehrere Kilometer umfassenden Halle auf. Sie warf einen Blick durch das Sichtfenster zu ihrer Linken und atmete tief durch. Das war ein Raumhafen! Ein riesiger Raumhafen, im „Raum“, größer als es auf Hasperod jemals welche gegeben hatte. Endlich stand die Fähre. »Wir können uns losschnallen Astromeisterin!«, sagte der Sicherheitschef.

Ra-Ennas Kopf ruckte herum, ihr Blick fixierte ihn, nagelte ihn fest. »Ich möchte wissen, was hier vor sich geht Erdrag-Vitagen! Wessen Technik ist das, die auf Hasperod selber unbekannt ist? Zu welchem Zweck existiert diese Station, dieses Raumschiff?

Ihr Ton durchschnitt Erdrag-Vitagen fast in zwei Hälften, ihre spitzen Ohren spielten aufgeregt durch die Luft.

»Nicht so ungeduldig Astromeisterin.« Erdrag-Vitagen verzog keinen Gesichtsmuskel. Eigenhändig schnallte er sie los, betätigte den Öffnungsmechanismus der Fähre und ließ sie aussteigen. Sie fand sich wieder zwischen Hunderten von schwarz glänzenden Raumgleitern. Auf der linken Seite, ca. fünfzig Meter von ihr entfernt hörte sie ein schabendes Geräusch, sah sie ein weiteres Schott aufgehen. Zwei Männer, der eine in Uniform, den anderen in ziviler Kleidung, kannte sie von mehreren Funkkontakten her.

»Chol-Rasch »was für eine Ehre Minister, für eine kleine Astromeisterin wie mich!«

Chol-Rasch verzog das Gesicht zu etwas, das einem sanften Lächeln glich, und verbeugte sich tief.

„Die Ehre ist meinerseits schöne Astromeisterin! Ich, und der Ingenieur, Reu-Inegni werden dich durch diese Sonnenenergie-Zapf-Station, dieses technische Wunderwerk führen. Reu-Inegni wird dabei fast alle deine Fragen beantworten! Auch Erdrag-Vitagen wird uns auf dieser Führung begleiten.«

Sie schaute Erdrag-Vitagen ins Gesicht, der auf einmal merkwürdig nervös wirkte, sie warf einen kurzen Blick auf