Der Fächer der Lady Windermere - Oscar Wilde - E-Book

Der Fächer der Lady Windermere E-Book

Oscar Wilde

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Beschreibung

Der Fächer der Lady Windermere Oscar Wilde - Szene: Morgen-Zimmer in Lord Windermeres Haus in Carlton House Terrace. Schreibtisch mit Büchern und Papieren. Sofa mit kleinem Teetisch. Fenster, durch welches man eine Terrasse sieht. Lady Windermere steht beim Schreibtisch und arrangiert Rosen in einer Vase. Parker tritt auf.Parker: Ist Ihre Ladyschaft zuhause heute Nachmittag?Lady Windermere: Ja wer hat sich gemeldet?Parker: Lord Darlington, my Lady.Lady Windermere: (Zögert einen Augenblick.) Führen Sie ihn herein und ich bin für jeden, der sich meldet, zuhause.Parker: Jawohl, my Lady. (Parker tritt ab.)Lady Windermere: Es ist für mich am besten, ihn vor heute Abend zu sehen. Ich freue mich, dass er gekommen ist. (Parker tritt auf.)

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Oscar Wilde
Der Fächer der Lady Windermere

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Ein Schauspiel über eine gute Frau

Der Fächer der Lady Windermere

Von 1892

Übersetzt von David Brink

Zeit: Die Gegenwart

Ort: London

Erster Akt

Szene: Morgen-Zimmer in Lord Windermeres Haus in Carlton House Terrace. Schreibtisch mit Büchern und Papieren. Sofa mit kleinem Teetisch. Fenster, durch welches man eine Terrasse sieht. Lady Windermere steht beim Schreibtisch und arrangiert Rosen in einer Vase. Parker tritt auf.

Parker: Ist Ihre Ladyschaft zuhause heute Nachmittag?

Lady Windermere: Ja – wer hat sich gemeldet?

Parker: Lord Darlington, my Lady.

Lady Windermere: (Zögert einen Augenblick.) Führen Sie ihn herein – und ich bin für jeden, der sich meldet, zuhause.

Parker: Jawohl, my Lady. (Parker tritt ab.)

Lady Windermere: Es ist für mich am besten, ihn vor heute Abend zu sehen. Ich freue mich, dass er gekommen ist. (Parker tritt auf.)

Parker: Lord Darlington. (Lord Darlington tritt auf, Parker tritt ab.)

Lord Darlington: Guten Nachmittag, Lady Windermere.

Lady Windermere: Guten Nachmittag, Lord Darlington. Nein, ich kann Ihnen die Hand nicht geben. Meine Hände sind nass wegen dieser Rosen. Sind sie nicht lieblich? Sie kamen aus Selby heute Morgen.

Lord Darlington: Sie sind ganz perfekt. (Sieht einen Fächer auf dem Tisch.) Und welch ein schöner Fächer! Darf ich ihn sehen?

Lady Windermere: Aber natürlich. Ganz nett, ja? Er hat meinen Namen auf sich, und alles. Selbst habe ich ihn erst jetzt gesehen. Er ist das Geburtstagsgeschenk meines Mannes an mich. Wissen Sie, dass es heute mein Geburtstag ist?

Lord Darlington: Nein? Wirklich?

Lady Windermere: Ja, heute werde ich volljährig. Ein ganz wichtiger Tag meines Lebens, nicht? Deswegen gebe ich heute Abend dieses Fest. Bitte, setzen Sie sich. (Arrangiert immer noch die Blumen.)

Lord Darlington: (Setzt sich.) Hätte ich bloß gewusst, dass es Ihr Geburtstag ist, Lady Windermere. Ich hätte die ganze Straße vor Ihrem Haus mit Blumen für Sie bedeckt. Blumen sind für Sie geschaffen.

Lady Windermere: (Nach einer kurzen Pause.) Lord Darlington, Sie missfielen mir gestern Abend im Außenministerium. Ich befürchte, dass Sie mir wieder missfallen werden.

Lord Darlington: Ich, Lady Windermere? (Parker tritt mit einem Teebrett auf.)

Lady Windermere: Stellen Sie es dort, Parker. Das reicht. (Trocknet sich die Hände an einem Handtuch, setzt sich an den Teetisch.) Kommen Sie herüber, Lord Darlington. (Parker tritt ab.)

Lord Darlington: (Nimmt einen Stuhl.) Ich bin ganz unglücklich, Lady Windermere. Sie müssen mir erzählen, was ich getan habe. (Setzt sich an den Teetisch.)

Lady Windermere: Also, Sie fuhren den ganzen Abend fort, mir auserlesene Komplimente zu geben.

Lord Darlington: (Lächelnd.) Ach, heutzutage sind wir alle so verarmt, dass das einzige, was wir geben können, Komplimente sind.

Lady Windermere: (Schüttelt den Kopf.) Nein, ich spreche sehr ernst. Sie dürfen nicht lachen, ich bin ganz ernst. Ich mag Komplimente nicht, und ich verstehe nicht, warum ein Mann glaubt, er gefällt einer Frau außerordentlich, wenn er ihr eine Menge Dinge sagt, die er nicht meint.

Lord Darlington: Oh, aber ich meinte sie, wirklich. (Nimmt eine Tasse Tee, die sie ihm bietet.)

Lady Windermere: (Ernsthaft.) Das hoffe ich nicht. Es würde mir leid tun, mich mit Ihnen zu streiten. Ich mag Sie sehr, wissen Sie. Aber ich würde Sie gar nicht mögen, wenn ich glauben würde, dass Sie wären, was die meisten Männer sind. Glauben Sie mir, Sie sind besser als die meisten anderen Männer, aber ab und zu glaube ich, dass Sie tun, als ob Sie schlechter seien.

Lord Darlington: Wir haben alle unsere kleinen Eitelkeiten, Lady Windermere.

Lady Windermere: Warum machen Sie die Ihre spezielle?

Lord Darlington: Ah, heutzutage gibt es so viele Leute, die tun, als ob sie gut seien, dass ich finde, dass es eher ein süßes und bescheidenes Auftreten zeigt, so zu tun, als ob man schlecht sei. Übrigens gibt es folgendes zu sagen. Wenn man tut, als ob man gut sei, nimmt die Welt einen sehr ernst. Wenn man tut, als ob man schlecht sei, tut sie es nicht. So ist die unglaubliche Dummheit des Optimismus.

Lady Windermere: Aber wollen Sie nicht, dass die Welt Sie ernst nimmt, Lord Darlington?

Lord Darlington: Nein, nicht die Welt. Wer sind die Leute, die die Welt ernst nimmt? Alle die langweiligen Leute, an welche man denken kann. Ich möchte, dass Sie mich sehr ernst nehmen, Lady Windermere, Sie mehr als irgenein anderer im Leben.

Lady Windermere: Warum – warum ich?

Lord Darlington: (Nach einem kurzen Zögern.) Weil ich glaube, dass wir wahre Freunde werden können. Lassen Sie uns wahre Freunde sein! Eines schönen Tages brauchen Sie vielleicht einen Freund.

Lady Windermere: Warum sagen Sie das?

Lord Darlington: Ah – wir brauchen alle zuweilen Freunde.

Lady Windermere: Ich finde, dass wir schon sehr gute Freunde sind, Lord Darlington. Und das können wir bleiben, solange Sie ...

Lord Darlington: Solange ich was?

Lady Windermere: ... Sie es nicht zerstören, indem Sie mir extravagante, törichte Dinge sagen. Ich vermute, Sie finden, ich bin puritanisch? Ja, ich habe etwas Puritanisches in mir. So wurde ich erzogen. Ich freue mich darüber. Meine Mutter starb, als ich noch ein Kind war. Ich habe immer mit Lady Julia gewohnt, der älteren Schwester meines Vaters, wissen Sie. Sie war streng gegen mich, aber sie lehrte mich, was die Welt vergisst: den Unterschied, den es zwischen Recht und Unrecht gibt. Sie ließ keine Kompromisse zu. Ich lasse keine zu.

Lord Darlington: Aber meine liebe Lady Windermere!

Lady Windermere: Sie betrachten mich, als wäre ich nicht auf der Höhe der Zeit. Auch gut, ich bin es nicht! Ich würde es bedauern, wenn ich auf der Höhe einer Zeit wie unserer wäre.

Lord Darlington: Sie finden unsere Zeit sehr schlecht?

Lady Windermere: Ja. Heutzutage scheinen die Leute, das Leben als eine Spekulation anzusehen. Es ist keine Spekulation. Es ist ein Sakrament. Sein Ideal ist Liebe. Seine Läuterung ist Aufopferung.

Lord Darlington: (Lächelnd.) Ah – alles ist besser als geopfert zu werden.

Lady Windermere: (Lehnt sich vor.) Sagen Sie das nicht.

Lord Darlington: Ich sage es. Ich fühle es. Ich weiß es. (Parker tritt auf.)

Parker: Die Leute möchten wissen, ob sie die Teppiche auf die Terrasse für heute Abend legen sollen, my Lady.

Lady Windermere: Glauben Sie, dass es regnen wird, Lord Darlington?

Lord Darlington: Ich toleriere keinen Regen an Ihrem Geburtstag!

Lady Windermere: Gebieten Sie ihnen, es sofort zu tun, Parker. (Parker tritt ab.)

Lord Darlington: Finden Sie dann – natürlich spreche ich rein hypothetisch – aber finden Sie, dass wenn es ein junges Ehepaar gibt, wir können annehmen, dass sie seit etwa zwei Jahren verheiratet sind, wenn der Mann plötzlich der intime Freund einer Frau – hm, mehr als zweifelhaften Charakters – wird, unablässig ihr Besuche macht, mit ihr zu Mittag isst und wahrscheinlich auch ihre Rechnungen bezahlt – finden Sie dann nicht, dass die Gattin ein Recht hat, sich mit jemandem zu trösten?

Lady Windermere: (Missbilligend.) Sich mit jemandem zu trösten?

Lord Darlington: Ja, ich finde, es ist ihr Recht.

Lady Windermere: Weil der Gatte gemein ist – soll die Gattin auch gemein sein?

Lord Darlington: Gemeinheit ist ein schreckliches Wort, Lady Windermere.

Lady Windermere: Es ist ein schreckliches Ding, Lord Darlington.

Lord Darlington: Wissen Sie was, ich befürchte, dass gute Menschen ziemlich viel Schaden in dieser Welt anrichten. Der größte Schaden, den sie verursachen, ist, dass sie Schlechtheit so außerordentliche Wichtigkeit zuteilen. Es ist absurd, die Leute in Gute und Schlechte einzuteilen. Alle Leute sind entweder charmant oder langweilig. Ich ergreife Partei für die Charmanten, und Sie, Lady Windermere, können es nicht vermeiden, zu denen zu gehören.

Lady Windermere: Hm, Lord Darlington. (Erhebt sich.) Erschrecken Sie nicht, ich werde nur meine Blumen fertig machen.

Lord Darlington: (Erhebt sich.) Und ich muss sagen, dass ich finde, dass Sie sehr streng gegen das moderne Leben sind, Lady Windermere. Natürlich gibt es viel dagegen zu sagen, dass muss ich zugeben. Die meisten Frauen, zum Beispiel, sind ganz geschäftlich heutzutage.

Lady Windermere: Sprechen Sie von solchen Leuten nicht.

Lord Darlington: Die Geschäftlichen abgerechnet, die natürlich fürchterlich sind, finden Sie dann im Ernst, dass Frauen, die, was die Welt einen Fehler nennt, begangen haben, nie verziehen werden soll?

Lady Windermere: Ich finde, dass ihnen nie verziehen werden soll.

Lord Darlington: Und Männer? Finden Sie, dass dieselben Gesetze für Männer gelten sollen, wie für Frauen?

Lady Windermere: Unbedingt!

Lord Darlington: Ich finde das Leben zu kompliziert, um von solchen unbeugsamen Regeln geordnet zu werden.

Lady Windermere: Wenn wir "solche unbeugsamen Regeln" hätten, würden wir das Leben viel einfacher finden.

Lord Darlington: Sie lassen keine Ausnahmen zu?

Lady Windermere: Gar keine!

Lord Darlington: Welch eine bezaubernde Puritanerin Sie sind, Lady Windermere!

Lady Windermere: Das Adjektiv war unnötig, Lord Darlington.

Lord Darlington: Ich konnte es nicht umhin. Ich kann allem widerstehen – außer Versuchung!

Lady Windermere: Sie haben die moderne Zuneigung zu Schwäche.

Lord Darlington: Es ist aber eine erkünstelte Zuneigung, Lady Windermere. (Parker tritt auf.)

Parker: Die Herzogin von Berwick und Lady Agatha Carlisle. (Die Herzogin von Berwick und Lady Agatha Carlisle treten auf, Parker tritt ab.)

Die Herzogin von Berwick: Liebe Margaret, es freut mich so, Sie zu sehen. Sie erinnern sich an Agatha, nicht? Guten Nachmittag, Lord Darlington. Ich werde Sie meine Tochter nicht kennenlernen lassen, dazu sind Sie durchaus zu verdorben.

Lord Darlington: Sagen Sie das nicht, Herzogin. Als ein verdorbener Mann bin ich ein vollkommenes Fiasko. Ja, es gibt sogar Leute, die sagen, dass ich niemals mein Leben lang etwas ernstlich Schlechtes getan habe. Natürlich sagen sie so was nur hinter meinem Rücken.

Die Herzogin von Berwick: Ist er nicht schrecklich? Agatha, das ist Lord Darlington. Achte darauf, dass du kein Wort glaubst, das er sagt. (Darlington bietet Tee an.) Danke, keinen Tee, mein Lieber. Wir haben gerade Tee bei Lady Markby getrunken. Ganz schlechter Tee, wirklich. Er war völlig ungenießbar. Ich war überhaupt nicht überrascht. Ihr eigener Schwiegersohn liefert ihn. Agatha freut sich so sehr auf Ihren Ball heute Abend, liebe Margaret.

Lady Windermere: Ah, Sie dürfen nicht glauben, dass es ein Ball wird, Herzogin. Es ist nur ein Tanz aus Anlass meines Geburtstags. Ganz klein und bescheiden.

Lord Darlington: Sehr klein, sehr bescheiden und sehr ausgewählt, Herzogin.

Die Herzogin von Berwick: Aber natürlich wird ausgewählt. Das wissen wir, liebe Margaret, von Ihrem Haus. Es ist wirklich eines der einzigen Häuser in London, wozu ich Agatha bringen kann, und wo ich des lieben Berwick völlig sicher fühle. Ich weiß nicht, was mit dem gesellschaftlichen Leben los ist. Die fürchterlichsten Leute scheinen überall zu kommen. Wahrhaftig kommen sie zu meinen Gesellschaften – die Männer werden ganz rasend, wenn man sie nicht einlädt. Ehrlich gestanden, jemand sollte dagegen Aufruhr machen.

Lady Windermere: Ich werde, Herzogin. In meinem Haus toleriere ich niemanden, der sich im Geringsten skandalös benommen hat.

Lord Darlington: Ah, sagen Sie so was nicht, Lady Windermere. Ich würde nie eingeladen werden!

Die Herzogin von Berwick: Ah, Männer spielen keine Rolle. Aber Frauen ist was anders. Wir sind gut. Einige von uns, wenigstens. Aber wir werden offenbar in die Ecke weggedrängt. Unsere Männer würden unsere ganze Existenz ganz vergessen, wenn wir sie ab und zu nicht kritisierten, nur um sie daran zu erinnern, dass wir im Vollgenuss unserer Rechte sind, so zu tun!

Lord Darlington: Es ist ein merkwürdiges Ding, Herzogin, betreffs des Spiels der Ehe – ein Spiel, übrigens, das auf dem Weg ist, aus der Mode zu gehen – dass die Gattinnen mit allen Trümpfen sitzen, aber unvermeidlich den letzten Stich verlieren.

Lady Windermere: Der letzte Stich? Ist das der Gatte, Lord Darlington?

Lord Darlington: Es würde ein ganz betreffender Name für den modernen Ehemann sein.

Die Herzogin von Berwick: Mein lieber Lord Darlington, was sind Sie doch durchaus korrumpiert!

Lady Windermere: Lord Darlington ist trivial.

Lord Darlington: Sagen Sie das nicht, Lady Windermere.

Lady Windermere: Aber warum sprechen Sie dann so trivial vom Leben?