Der Fall Homunculus - Marc Freund - E-Book

Der Fall Homunculus E-Book

Marc Freund

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Beschreibung

In Paris treffen sich wichtige politische Führungskräfte, um über die Zukunft Europas zu beraten. Da sich die Hinweise verdichten, dass der Zirkel der Sieben vor Ort sein wird, erhält Oscar Wilde den Auftrag ebenfalls dorthin zu reisen. Doch die Verschwörer haben Wilde im Visier, und bald schon wird die Reise zu einem lebensgefährlichen Unterfangen. Währenddessen entgeht Mycroft Holmes zu Hause in London nur knapp einem heimtückischen Anschlag, und Oscar Wilde muss in Paris alles auf eine Karte setzen, um die Pläne der Verschwörer zu vereiteln.

Oscar Wilde ermittelt im Auftrag der Krone - jetzt als eBook bei beTHRILLED.

Alle Bände der eBook Serie "Oscar Wilde & Mycroft Holmes: Sonderermittler der Krone":

01. Zeitenwechsel

02. Der Nebel des Unheils

03. Der Todesrichter

04. Der Fall Homunculus

05. Hetzjagd in London

06. Sieben Gesichter des Todes

Zur Serie: London, 1895: Ein mysteriöser Geheimbund bedroht die Sicherheit des britischen Königreichs. Mycroft Holmes, der Bruder des berühmten Meisterdetektivs, sieht dafür nur eine Lösung: Oscar Wilde! Der Schriftsteller, der bisher eher für sein ausschweifendes Leben und seine verbale Schlagkräftigkeit bekannt war, wird zum Sonderermittler der Krone.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 148

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Inhalt

Cover

FOLGE 04: Der Fall Homunculus

Die Serie: Oscar Wilde & Mycroft Holmes – Sonderermittler der Krone

Über den Autor

Titel

Impressum

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

In der nächsten Folge

FOLGE 04: Der Fall Homunculus

In Paris treffen sich wichtige politische Führungskräfte, um über die Zukunft Europas zu beraten. Da sich die Hinweise verdichten, dass der Zirkel der Sieben vor Ort sein wird, erhält Oscar Wilde den Auftrag ebenfalls dorthin zu reisen. Doch die Verschwörer haben Wilde im Visier, und bald schon wird die Reise zu einem lebensgefährlichen Unterfangen. Währenddessen entgeht Mycroft Holmes zu Hause in London nur knapp einem heimtückischen Anschlag, und Oscar Wilde muss in Paris alles auf eine Karte setzen, um die Pläne der Verschwörer zu vereiteln.

Die Serie: Oscar Wilde & Mycroft Holmes – Sonderermittler der Krone

London, 1895: Ein mysteriöser Geheimbund bedroht die Sicherheit des britischen Königreichs. Mycroft Holmes, der Bruder des berühmten Meisterdetektivs, sieht dafür nur eine Lösung: Oscar Wilde! Der Schriftsteller, der bisher eher für sein ausschweifendes Leben und seine verbale Schlagkräftigkeit bekannt war, wird zum Sonderermittler der Krone.

Als eBook bei beTHRILLED verfügbar:

01. Zeitenwechsel

02. Der Nebel des Unheils

03. Der Todesrichter

04. Der Fall Homunculus

05. Hetzjagd in London

06. Sieben Gesichter des Todes

Über den Autor

Marc Freund wurde 1972 in Flensburg geboren und wuchs in Osterholz an der Ostsee auf. Neben dem Schreiben von Kriminalromanen arbeitet er hauptsächlich als Hörspielautor.

MARC FREUND

Der Fall Homunculus

OSCAR WILDE & MYCROFT HOLMES

Sonderermittler der Krone

Folge 04

beTHRILLED

Digitale Originalausgabe

»be« – Das eBook-Imprint von Bastei Entertainment

Copyright © 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Die eBook Reihe basiert auf der gleichnamigen Hörspielserie, Copyright © Maritim Verlag, www.maritim-hoerspiele.de

»Maritim« ist eine eingetragene Wort-/Bild-Marke und Eigentum der Skyscore Media GmbH, Biberwier/Tirol, www.skyscore.media

Textredaktion: Lars Schiele

Projektmanagement: Kathrin Kummer

Covergestaltung: Mark Freier (www.freierstein.de)

eBook-Erstellung: Urban SatzKonzept, Düsseldorf

ISBN 978-3-7325-4479-0

www.be-ebooks.de

www.lesejury.de

Kapitel 1

Eine schwere Hand legte sich von hinten auf seine Schulter.

»Mister Wilde?«

Der Dichter, der zu einem Sonderermittler der Krone geworden war, drehte sich um. »Meinen Sie mich?«

Um sie herum herrschte der Marktbetrieb von Covent Garden. Händler boten ihr Obst und Gemüse preis, es wurde gefeilscht, gelacht und durcheinandergerufen.

Wilde, der gerade herzhaft in einen rotbäckigen Apfel gebissen hatte, starrte in das Gesicht eines grobschlächtigen Mannes, dessen große Augen blutunterlaufen waren.

Der Kerl starrte zurück wie ein Karpfen am Silvesterabend. »Natürlich meine ich Sie. Sind Sie es jetzt oder sind Sie es nicht?«

»Das kommt ganz darauf an, wer das wissen will«, antwortete Wilde kauend und befreite sich mit einem tänzelnden Schritt rückwärts von dem Griff seines Gegenübers.

Der Fremde, der eine zerrissene Hose und ein fleckiges Unterhemd trug, legte die Finger an die Lippen und stieß einen gellenden Pfiff aus. Sofort tauchten aus der näheren Umgebung zwei weitere Männer auf, die Oscar Wilde bis dahin gar nicht wahrgenommen hatte.

»He, was soll denn das werden?«, rief er und nahm schützend die Arme hoch.

»Kommen Sie bitte unauffällig mit«, sagte ein dürrer Kerl mit hohlen Wangen, der aussah, als könnte ihn der nächste Windhauch bereits umblasen.

Wilde hielt noch immer den Apfel in der rechten Hand. Demonstrativ ließ er ihn fallen.

Die Blicke der drei Männer, die ihn umringten, gingen für einen Moment zu Boden und folgten dem davonrollenden Stück Obst.

Diesen Augenblick nutzte er, um den Ring zu durchbrechen und loszurennen. Hinter ihm wurden überraschte und wütende Rufe laut. Man befahl ihm, auf der Stelle stehen zu bleiben, da sonst etwas geschehen würde, was Wilde allerdings bereits nicht mehr verstand, da er in eine Gasse zu seiner Linken eingetaucht war, in der vornehmlich exotische Südfrüchte angeboten wurden.

Wilde wusste nicht, wer diese Kerle waren. Aber ihr plötzliches Auftauchen konnte nichts Gutes bedeuten. Sie hatten ihm aufgelauert, vermutlich hatten sie ihn schon seit geraumer Zeit beobachtet.

Er riskierte einen Blick nach hinten. Zwei der Männer versuchten, sich einen Weg durch die Menge zu bahnen. Es war Mittagszeit, und Covent Garden war ein Meer aus Ständen und Menschen, die Schlange standen oder auf den Plätzen und in den Ruhezonen das ausnehmend gute Wetter genossen.

Es gab keinen Zweifel, dass diese Schergen hinter ihm her waren. Wilde blickte sich hektisch um. Wohin sollte er sich wenden, wenn er vermeiden wollte, eingekreist zu werden?

Ihm blieb nur, sich dem Verlauf der engen Gänge zwischen den Ständen anzupassen. Doch das würde nicht reichen, denn die anderen holten auf, wie Wilde durch einen kurzen Blick über die Schulter erkannte. Er versuchte, sein Tempo zu beschleunigen, schob Passanten beiseite und erntete dafür zornige Rufe und einen schmerzhaften Ellenbogenstoß in seine Rippen.

Er musste hier raus. Raus auf die Straßen, wo er sich frei bewegen konnte und kein Gefangener des Getümmels war.

Er rempelte eine rundliche Frau an, die ins Stolpern geriet und sich mit ihrem Hinterteil in ihren eigenen Bastkorb setzte, den sie am Arm getragen hatte. Ein Schwall wüster Beschimpfungen folgte, und nun hefteten sich sogar Passanten Wilde an die Fersen. Wütende Rufe »Haltet den Dieb« erklangen hinter ihm.

Jemand versuchte, ihn am Ärmel seines leichten Sommermantels festzuhalten. Als Wilde sich losriss, ertönte ein hässliches Knirschen und Reißen, und der Stoff gab nach. Unterhalb von Wildes rechter Achsel klaffte ein großes Loch.

Danach schien es kein Halten mehr zu geben. Die Menge hinter ihm schrie auf und es setzten sich immer mehr Menschen in Bewegung, die den vermeintlichen Langfinger greifen wollten.

Am Eingang des Marktes zog ein Mann einen Karren mit Obst über die Straße. Wilde hatte ihn rechtzeitig gesehen und flankte in einer eleganten Bewegung darüber hinweg.

Der Händler, ein dicklicher Mann mit buschigem Schnauzbart, hob drohend die Faust und riss dann ungläubig die Augen auf, als er die Meute erkannte, die Wilde auf den Fersen war. Es war zu spät. Er wurde mitsamt seinem Karren von dem Mob überrannt.

Wildes Herz schlug schneller, als er das Gelände von Covent Garden hinter sich ließ und in eine schmale Gasse eintauchte, die von hohen Häusern umstanden war, die sich gegenseitig das Sonnenlicht nahmen.

Seine Absätze hämmerten auf das Kopfsteinpflaster, während er fieberhaft schaute, wohin die Straße führte.

Da plötzlich trat ein Mann aus einer der Häusernischen vor ihm. Wie ein Baum stand er da und sah seelenruhig in Wildes Richtung, während irgendwo hinter ihnen weitere Schritte laut wurden. Hektische Schritte. Seine Verfolger hatten die Spur also wieder aufgenommen.

»Was ist mit Ihnen los?«, fragte der Kerl vor ihm, der die anderen in diesem Augenblick ebenfalls bemerkt hatte.

»Ich werde verfolgt«, antwortete Wilde atemlos, »aus mir unerklärlichen Gründen.«

»Wer verfolgt Sie?«

Wilde deutete nach hinten.

Der Mann nickte kurz. »Was haben Sie angestellt? Haben Sie etwas gestohlen?«

Wilde schüttelte energisch den Kopf. »Hören Sie, ich weiß nicht, warum diese Leute hinter mir her sind. Sie müssen mir helfen, verstehen Sie?«

Ein kurzer Blick über die Schulter verriet dem Sonderermittler, dass die Verfolger beunruhigend schnell näher kamen. Es waren insgesamt drei Männer, und sie hielten direkt auf ihn zu.

»Sie wissen nicht, warum die Männer Sie verfolgen?«, fragte der Mann und knetete sich sein massiges Kinn. »Klingt etwas merkwürdig, finden Sie nicht?«

Wildes Blicke irrten hin und her. Das Ergebnis trug nicht gerade dazu bei, ihn zu beruhigen, denn er war in einer Sackgasse gelandet, wie er jetzt erkannte. Am Ende der Gasse befand sich eine Mauer, die nur ein geübter Kletterer hätte übersteigen können.

»Halten Sie ihn auf«, gellte eine hohe Stimme zu ihnen herüber. Und der Mann neben Wilde fackelte nicht lange. Seine Faust schoss nach vorne und der Dichter wurde am Kragen gepackt.

Wilde spürte den festen Griff seines Gegenübers. »Sind Sie verrückt geworden? Lassen Sie mich auf der Stelle los. Diese Kerle da wollen mir ans Leder.«

»Wer sind Sie überhaupt?«, fragte der Mann, mit dem sich Wilde nun unfreiwillig auf Augenhöhe befand.

»Oscar Wilde«, lautete die Antwort.

Der Fremde verengte die Augen zu Schlitzen und starrte Wilde durchdringend an. Dann warf er seinen Kopf in den Nacken und begann, schallend zu lachen. Als er sich wieder beruhigt hatte, sah er Wilde ernst an. »Sie wollen der große Schriftsteller sein? Schämen Sie sich, mich so verkohlen zu wollen.«

Wilde riss ungläubig die Augen auf. »Aber sehen Sie doch mal genau hin! Ich bin es doch. Ich bin’s!«

Der andere blickte Wilde abschätzend an. »Ich sehe nur einen eitlen Geck in einem Fummel, der sich ansonsten nur für Weibsvolk geziemt. Sie sollten sich was schämen, sich so auf die Straße zu wagen.«

Und damit versetzte der Fremde Wilde einen Stoß, der ihn direkt in die Arme seiner Verfolger taumeln ließ.

»Was hat er ausgefressen?«, fragte der Kräftige.

»Er hat versucht, einen Gemüsehändler zu bestehlen, drüben auf dem Markt«, antwortete der Hagere, der nicht damit beschäftigt war, Wilde festzuhalten.

»Dachte ich’s mir doch. Elender Lügner. Wage es ja nicht, noch einmal einen Fuß in diese Gasse zu setzen, und schon gar nicht, dich mit dem Namen eines ehrenwerten Mannes zu brüsten.«

Wilde riss die Augen auf und wollte etwas erwidern, doch da wurde ihm von einem seiner Peiniger der Mund zugehalten.

»Wir werden ihn mitnehmen und der Polizei übergeben«, sagte der Dicke an Wildes rechter Seite.

Der Anwohner nickte zufrieden. Offenbar nahm er an, eine gute Tat geleistet zu haben. Er hob seine Hand zum Gruß an die Stirn, wandte sich um und verschwand in seinem Haus.

Als die Tür hinter ihm zuschlug, baute sich der Hagere direkt vor Oscar Wilde auf. »Und jetzt zu dir«, sagte er und versetzte dem Dichter einen Handkantenschlag ins Genick.

Wildes Lippen formten sich zu einem Schrei, doch seine Kehle verließ nur ein halb erstickter Laut. Als er auf dem Kopfsteinpflaster zusammensackte, hatte er bereits das Bewusstsein verloren.

***

Kneipenlärm.

Von irgendwoher drang er an seine Ohren. Nein, dachte er, das konnte nicht sein. Nie würde er …

Und doch war da das Gelächter, die kehligen Stimmen, die Musik aus einem verstimmten Klavier. Gläserklirren.

Aber das alles klang so weit weg. So als ob …

Oscar Wilde versuchte, die Augen zu öffnen. Es wollte ihm nur halb gelingen. Er lag auf einer ausrangierten Couch, deren Sprungfedern alles daransetzten, sich ihm in die Rippen zu bohren.

Der Raum war eng, roch mangels eines Fensters muffig und war bis auf das Flackern einer Kerze vollkommen dunkel.

Wilde schwang seine Beine von der Couch und sprang auf. Im selben Moment wurde ihm wieder schwarz vor Augen. Unbeholfen plumpste er auf die Sitzfläche zurück und wäre beinahe mit dem Hinterkopf gegen die Wand geschlagen.

»Sie sollten sich noch nicht allzu viel bewegen, Mister Wilde. Besser, Sie lassen sich etwas Zeit.«

»Warum so fürsorglich, Mister Holmes?«, antwortete der Schriftsteller. Diese Stimme hätte er unter Tausenden herausgehört.

»Warum nicht?«, lautete die Gegenfrage von der anderen Seite des Raumes. »Immerhin benötige ich weiterhin Ihre Mitarbeit, auch wenn Sie in letzter Zeit dazu neigen, sich meinen Befehlen zu widersetzen und sich darüber hinaus vollkommen unnötig in Gefahr begeben.«

Wilde blinzelte. Aus der Dunkelheit ihm gegenüber schälte sich ein Schatten heraus. Ein Schatten, der die Konturen seines Auftraggebers und Vorgesetzten Mycroft Holmes besaß.

»Dann habe ich diese verrückte Verfolgung im Covent Garden also nicht geträumt«, folgerte Wilde. »Das alles habe ich vermutlich Ihnen zu verdanken.«

»Ich habe mich lediglich einiger Helfer bedient, um Sie ausfindig zu machen«, antwortete die Stimme aus dem Dunkel. »Da Sie nicht zur vereinbarten Zeit am vereinbarten Treffpunkt erschienen waren, blieb mir keine andere Wahl, als Sie suchen zu lassen.«

Wilde setzte sich vorsichtig aufrecht und ordnete sein schulterlanges schwarzes Haar. »Und dazu mussten Sie sich ausgerechnet der schrägsten Vögel bedienen, die in Londons Gosse zu finden sind? Wie um alles in der Welt hätte ich ahnen sollen, dass es Ihre Leute sind?«

Eine kurze Pause entstand. Etwas knirschte.

Holmes rutschte auf seinem Stuhl hin und her. »Es ist nicht mehr so einfach, wie noch vor ein paar Wochen, als wir uns alle sicher glaubten. Ich muss sorgsam darauf achten, wem ich noch trauen kann und wem nicht.«

»Ich gratuliere«, spottete Wilde. »Mit den Galgenvögeln, die mich überfallen haben, ist Ihnen ein großartiger Griff gelungen. Wenn die Klientel künftig die Basis Ihrer Mitarbeiter darstellen soll, dann scheint es mit England schneller bergab zu gehen, als ich dachte.«

»Sie haben ja keine Ahnung, Wilde«, donnerte es plötzlich aus dem Halbdunkel heraus. »Glauben Sie etwa, ich finde Gefallen daran, mich aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen und mich in zwielichtige Etablissements wie dieses hier zu flüchten, nur um einigermaßen in Ruhe mit Ihnen reden zu können?«

»Was ist denn überhaupt passiert«, fragte Wilde zurück. »Was soll dieses Versteckspiel hier, und wovor, zum Teufel, haben Sie solche Angst?«

Ein verächtliches Schnaufen war von drüben zu hören. »Ich habe keine Angst.«

»Oh doch, die haben Sie«, konterte Wilde. »Und ich schlage vor, dass Sie mir ehrlich sagen, was los ist, wenn dieses Kidnapping meiner Person irgendeinen Sinn gehabt haben soll.«

»Der Zirkel der Sieben«, raunte Holmes von seinem Platz aus. »Die Bedrohung dieser Organisation hat ein Ausmaß angenommen, das wir nicht länger hinnehmen dürfen. Wir müssen handeln, Wilde. Der Grund, warum ich diesen Ort als Treffpunkt gewählt habe, ist der, dass ich mich in meinem eigenen Haus nicht mehr sicher fühle.«

Oscar Wilde erhob sich von der unbequemen Couch und wagte sich einige Schritte in den Raum hinein. Vor Mycroft Holmes blieb er stehen und sah auf den Mann hinunter, der ihm stets so viel Respekt eingeflößt hatte, wann immer sie sich begegnet waren. Wilde fragte sich, wie viel von diesem Mann im Augenblick noch übrig war.

»Der Todesrichter des Zirkels ist noch immer auf freiem Fuß«, fuhr Holmes im Flüsterton fort. »Und ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass er sich in meinem unmittelbaren Umfeld aufhält. Wirklich sicher bin ich nur, dass Sie es nicht sind, Wilde.«

Der Schriftsteller zwang sich zu einem Lächeln. »Das macht uns sozusagen zu Leidensgenossen, da wir doch auf den Plätzen eins und zwei seiner Todesliste rangieren. Bleibt nur die Frage der Reihenfolge.«

»Mir ist nicht zum Scherzen zumute, Wilde«, sagte der Mann auf dem Stuhl. Seine Hände ruhten vor seinem mächtigen Leib aufeinander und ruhten doch nicht, da seine Finger in ständiger Bewegung waren.

»Warum entlassen Sie nicht Ihre gesamte Dienerschaft und trennen sich von Ihren übrigen Vertrauten?«, fragte Wilde geradeheraus.

Holmes hob den Kopf und sah sein Gegenüber aus traurigen Augen an. »Weil wir damit nichts gewinnen würden. Ich müsste neue Leute einstellen, bei denen das Risiko, dass sie zu den Vertrauten des Zirkels gehören, genauso groß ist. Aber um dies zu besprechen, bin ich nicht gekommen. Der Grund meines Hierseins ist ein ganz anderer. Es geht um Sie, Wilde.«

Der Sonderermittler atmete tief durch und blickte zur gegenüberliegenden Wand. »Warum überrascht mich das nicht? Worum geht es dieses Mal?«

»Der Zirkel ist in der Lage, künstliche Menschen zu erschaffen. Wir wissen das seit dem Fall des Todesrichters. Diese künstlich gesteuerten Geschöpfe sind in der Lage, wie ein Mensch zu denken und zu handeln. Was sie zudem so gefährlich macht ist die Tatsache, dass sie mit bloßem Auge nicht mehr von echten Menschen zu unterscheiden sind. Und die Verantwortlichen sind noch immer aktiv.«

Wilde senkte seinen Blick auf seinen Vorgesetzten. »Das ist mir durchaus alles bekannt. Aber wo sollen wir ansetzen? Wir haben doch keine Anhaltspunkte, wo sie als Nächstes zuschlagen werden.«

»Möglicherweise haben wir die doch«, antwortete Holmes. Der beleibte Mann erhob sich umständlich von seinem Stuhl und trat einen Schritt auf Wilde zu, bis sie sich Auge in Auge gegenüberstanden. »In wenigen Tagen findet in Paris eine wichtige Konferenz statt, in der die Führungskräfte unseres Kontinents über die politische Zukunft Europas beraten. Es wird im Rahmen dieses Zusammentreffens um politische und militärische Paktbildungen gehen.«

»Soll heißen?«, hakte Wilde nach.

Mycroft Holmes senkte seine Stimme so weit, dass Wilde angestrengt zuhören musste, um jedes Wort zu verstehen.

»Wenn ich der Zirkel der Sieben wäre, würde ich diesen Kongress nutzen. Der Zirkel will das britische Imperium am Boden sehen, Wilde. Und um dies zu erreichen, muss er in Paris nur die richtigen Weichen stellen. Wenn ihm dies gelingt, rast unser Vaterland mit Volldampf auf einen tiefen, dunklen Abgrund zu.«

»Also schön«, antwortete Wilde. »Sie wollen, dass ich nach Paris reise, habe ich recht?«

»Sie haben«, gab Holmes zu. »Aber sie werden nicht allein fahren. Ich möchte, dass Sie den jungen Mann mitnehmen, den Sie aus dem Haus des Todesrichters befreit haben.«

»Peter Ferguson?«

Holmes nickte. »Sein Vater hat das Haus des Puppenbauers Owen Cuthbrick gekauft. Und wir müssen annehmen, dass Cuthbrick irgendwo noch am Leben ist. Nur er ist in der Lage, Hüllen zu bauen, die einem Menschen auf solch frappierende Weise ähneln.«

Wilde nagte an seiner Unterlippe. »Aber Ferguson weiß nichts über Cuthbrick. Er hat nur zu viele Fragen gestellt, die dem Zirkel unangenehm wurden. Deswegen verurteilte man ihn dort zum Tode.«

Holmes räusperte sich dezent. »Ich bin mir nicht sicher, ob die Sache wirklich so einfach liegt. Was ist zum Beispiel mit dem Schlüssel, den Fergusons Vater seinem Sohn in der Todeszelle des Richters übergeben hat?«

Wilde zuckte mit den Schultern. »Ich habe nicht die geringste Ahnung. Genauso wie Ferguson selbst. Ich habe ihn danach befragt und er hat mir glaubhaft versichert …«

»Aber Wilde«, unterbrach ihn Holmes energisch, »nun seien Sie doch um Himmels willen nicht so naiv. Ich bin überzeugt davon, dass Ferguson um die Bedeutung dieses Schlüssels weiß. Und er wird versuchen, ihn an geeigneter Stelle einzusetzen. Sie tun also gut daran, sich so bald wie möglich an seine Fersen zu heften.«

Wilde warf den Kopf in den Nacken und zählte in Gedanken bis drei. »Ich soll mich also vor Paris noch um Ferguson kümmern. Schön. Aber wie mache ich das? Wo steckt er überhaupt?«