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Dieses Buch kann zu unterschiedlichen emotionalen Anlässen zur Hand genommen werden. Es ist keinem bestimmten Genre zugeordnet. Vielmehr beinhaltet es Leichtes, Nachdenkliches, etwas zum Schmunzeln, sowie Winter- und Weihnachtliches. Eine literarische Text-Auswahl, in der für verschiedene Stimmungen etwas zu finden ist. Erfreuen Sie sich an der Zusammenstellung dieses erfrischenden Text-Buffets.
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Seitenzahl: 372
Veröffentlichungsjahr: 2022
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Dies Buch ist keinem bestimmten Genre zugeordnet. Es beinhaltet:
Hinter diesen Kapiteln befinden sich jeweils viele Geschichten oder Gedichte. Würden diese hier einzeln aufgelistet, entstünde sogleich ein weiteres Kapitel. So kommt mein Buch einfach frech daher, ohne zu erklären, was später ohnehin enthüllt wird.
Vorwort
Einleitung
Leichte Kost
Zum Schmunzeln
Ernstes und Nachdenkliches
Winter und Weihnachtliches
Wissenswertes über mich
Meine erschienenen Bücher
Ein weißes Blatt Papier
Blütenweiß liegt es unbeachtet inmitten vieler Leidensgenossen. In einem Schreibblock zusammengepresst, wartet es in der Schublade eines viel zu selten frequentierten Schreibtisches auf seine Stunde. Nicht ein einziges Mal ist es bisher entdeckt und in seiner blütenweißen Schönheit bemerkt worden. Unter dem bunten Deckblatt des Blockes ist es nicht etwa die Nummer eins, sondern ruht zusammengequetscht in der Mitte dieser langweiligen Ansammlung. Und was heißt schon ‚ruhen‘? Im Gegenteil, aufgeregt wartet es darauf, endlich beschrieben zu werden. Wichtig zu sein, damit zerstreute oder flüchtige Gedanken erhalten und bewahrt werden, das wär‘s! Gigantisch, jemand würde es mit vielen wichtigen Details versehen und womöglich in eine schicke Aktentasche stecken, um anschließend mit seiner Hilfe das Niedergeschriebene wieder aufleben zu lassen, beziehungsweise fehlerfrei rekapitulieren zu können. Bloß nicht unbedacht zusammengeknüllt werden! In diesem Fall wäre es nicht mehr ansehnlich und sein Ende womöglich unausweichlich gekommen. Wenn doch nur dieser blöde Schreibblock aus seinem Gefängnis befreit und anschließend so zu Boden fallen würde, dass er aufgeklappt genau es preisgäbe!
Hätte es ein Wasserzeichen aufzuweisen, was jedoch nicht der Fall ist, wäre seine Zeit sicherlich gekommen, schließlich steht ein solches Zeichen für Qualität! Leider jedoch, kann es nicht mit diesem Merkmal auftrumpfen. Daher bleibt ihm nichts anderes übrig als weiter abzuwarten!
So allerdings, geht es in meiner Schreibecke nicht zu, weil der nicht versiegende Strom meiner Gedanken und Ideen, schlichtweg aufgeschrieben werden will. Mein Schreibblock dagegen, aber das tut der Sache keinerlei Abbruch, wurde längst durch meinen PC ersetzt.
Ich wünsche Ihnen, werte Leser/in gute Unterhaltung mit meinen, hin und wieder ernsteren, wie auch lustigen Gedanken. Mögen sie sich sanft, wie Puderzucker auf Kuchen, über Ihren Alltag legen.
Herzlich Karin Klasen
Auszeit ohne Reue?
Auszeit, das ist für mich das bewusste genießen von Minuten oder gar Stunden, in denen ich entweder meinem Hobby fröne, oder mit einer heißen Tasse Kaffee auf meinem Lieblingsplatz sitze und die mich umgebende Ruhe in mir aufnehmen kann. Diese Zeit ganz ohne Reue, einfach als ein schönes Geschenk anzunehmen, fällt mir allerdings schwer, könnte ich doch während dieser Auszeit irgendetwas Wichtiges erledigen. Solch ein Gedanke trägt freilich kaum zur Entspannung bei. Eher will sich in mir ein Schuldgefühl ob so viel Leichtigkeit einstellen. Wie kann es mir nur gelingen, jene Zeit nicht als vergeudet oder vertan anzusehen? Ich habe bis jetzt nicht gelernt auf das vermeintliche Nichtstun stolz zu sein. Stets galt es Prioritäten zu setzen und zu denen zählte gewiss nicht, es sich einfach auf der Couch gemütlich zu machen. Irgendwie scheinen meine Gedanken vertrackt, denn sie behindern mich wichtige Änderungen in meiner bisherigen Überzeugung vorzunehmen. Kann ich denn auf Untätigkeit stolz sein? Ich bin doch untätig, wenn ich nichts tue, oder? Ich brauche neue, unverbrauchte und obendrein mir zuträgliche Denkweisen. Nach einer Ruhepause, ob sie nun lang oder kurz ist, fühle ich mich deutlich besser, irgendwie kraftvoller, nicht mehr ausgepowert. Und gehen mir die zu erledigenden Dinge dann nicht bedeutend leichter von der Hand? Keines von ihnen hat sich verflüchtigt, sondern wartet darauf in Angriff genommen zu werden. Es gilt also, wie auch in anderen Situationen, Prioritäten zu setzen. Was muss sofort und was kann ebenso gut auch später erledigt werden?
Unsere genusssuchende Samtpfote ‚Lady‘ zum Beispiel, macht nach einer ihrer ausgiebigen Kuschelzeiten niemals den Eindruck als fühlte sie sich schuldig. Mit tiefgründigem Blick zeigt sie mir sehr deutlich wie schön das Abenteuer des Träumens ist. Sie ruht, weil es ihr gut tut, das ist der einzige Zweck! Ich hingegen, war bis vor kurzem davon überzeugt Zeit zu gewinnen, wenn ich zügig alle anfallenden Aufgaben absolvierte. Einen Zeitgewinn konnte ich leider nie wahrnehmen, weil ich die herausgearbeiteten Minuten dazu benutzte, um die am nächsten Tag anfallenden Arbeiten vorzubereiten oder gar schon zu erledigen. Das fand ich cool. Aber was hatte ich damit wirklich gewonnen? Was tat ich mit meiner eingesparten Zeit? Fühlte ich mich etwa gut? Die Frage ist definitiv mit Nein zu beantworten, da ich mich immer ausgelaugter fühlte. Ich werde das Verhalten unserer klugen Samtpfote auch erproben. Werde ausprobieren wie es ist, dieses genießerische Ruhen, ohne anschließend ein Schuldgefühl zu entwickeln.
Außerdem möchte ich meine Auszeit nicht nur dafür hernehmen, damit ich später umso schneller arbeiten kann, sonst wäre sie lediglich Mittel zum Zweck!
Genießen heißt das Zauberwort – damit meine Zeit eben nicht versandet!
Eigentlich wollte ich seit zwei Stunden unterwegs sein. Doch mit einem Mal bekam Petrus schlechte Laune. Stürmen hat er es lassen und in Strömen regnen.
Endlich sieht er ein, dass zu einem Sommertag das dementsprechende Feeling gehört. Im Nu sind die Straßen wieder abgetrocknet und es kann losgehen. Mein beleibter Nachbar sitzt in seinem Hof auf der Bank und futtert, wie immer zum Frühstück, einen Hamburger. Damit ist der zahnlose Alte eine Weile beschäftigt. Ich mag seine liebenswürdig provinzielle Art und bleibe zu einem kurzen Gespräch stehen. Ein bisschen Smalltalk wird ihm gut tun. Gelegentlich scharren seine Füße gedankenverloren Steinchen zur Seite. Nach zehn Minuten steige ich ins Auto und fahre los.
An meinem Ziel angekommen, parke ich abseits vom Trubel, in einer Seitenstraße. Wie mit großem Pinsel auf die Leinwand geworfen, hebt sich in der Ferne ein Bergrücken vom Horizont ab. Neugierig beginne ich das unbekannte Stadtgesicht aus Stein und Natur zu erkunden. Der Stadtplan verrät mir, dass Straßen und Gassen sternförmig zum Marktplatz führen. Ich komme an einem Zuckerbäcker-Häuschen vorbei. Sein hellblauer Anstrich, die rosa umrandeten Fenster und kunstvollen Schnörkel über seiner Haustür, die an aufgespritzte Sahne erinnern, sind Touristenträume. Schon stehen sie Schlange – Schnappschüsse, versteht sich. Die daheim sollen schließlich sehen, was sie verpasst haben. Im schattigen Innenhof grünt und blüht es. Eine alte Frau döst in der Mittagssonne. Ihr zerfurchtes, von schlohweißem Haar eingerahmtes Gesicht, vermag ohne Worte die Geschichte ihres bewegten Lebens zu erzählen. Helle, kluge Augen sehen mich mit wissenden Blicken an. Als wollten sie auch heute keine Ruhe geben, huschen ihre faltigen Hände unruhig auf ihrem Schoß hin und her. Ich grüße höflich und gehe meiner Wege. Je näher ich dem pulsierenden Mittelpunkt komme, umso lauter wird es. Babylonische Sprachverwirrung breitet sich aus. Zuerst will ich mir ein Mittagessen genehmigen. Im Mc-Donald-Zeitalter dürfte das kein Problem sein. Zunächst aber passiere ich liebevoll restaurierte Häuser, die inmitten gepflegter Gärten stehen, als erwarteten sie viele Besucher. Zurechtgestutzte Bäume dienen einem Taubenschwarm als Ausguck. Direkt vor mir latschen ein paar halbwüchsige, ihr Eis schleckende Stadtindianer, und eine Tüte klebriger Bonbons macht die Runde. Niemand spricht ein Wort. Alle scheinen tief in Gedanken versunken. Sie setzen sich auf ein halbhohes Mäuerchen, rutschen mit ihren Hosenböden so weit nach vorn, dass ihre Turnschuhe den Boden berühren und sie ihre Ellbogen auf den Oberschenkeln abstützen können. Das müssen schwere Gedanken sein, überlege ich. Langbeinige Schönheiten drängeln sich ins Bild und verschwinden rasch in Richtung Tohuwabohu.
Menschentrauben pilgern durch die, von der Mittagshitze durchdrungenen Gassen, und zu kurz geratene Vierbeiner bemühen sich, dabei nicht zerquetscht zu werden. Deren aufgeregtes Gekläff will kein Ende nehmen. Ein dreirädriges Auto kann mich, obwohl deutlich entschleunigt, beim zweiten Versuch überholen. Gemächlich zuckelt es über die kopfstein-gepflasterte Gasse und besiegt tänzelnd sämtliche Unebenheiten.
Unter einer Kastanienallee, deren Kronen einen Laubengang bilden, schlendere ich weiter. Dann stehe ich auf dem pulsierenden, baumumstandenen Marktplatz. Ruckartig spenden gluckernde Fontänen Abkühlung. Als lägen sie hinter Glas, liegen flache Steine im Wasser des Auffang-Beckens. Die Jugend lässt sich das kühlende Nass über Arme und Beine laufen. Dann steht sie Schlange am Eisstand. Touristentreiben, Kindergejohle, scheppernde Lautsprecher, Mopedgeknatter und Waffelduft bilden ein eindrucksvolles Durcheinander. Über dem Ganzen flattern aufgeregt Tauben, nach hingeworfenen Leckereien Ausschau haltend.
Weiß getünchte Hausfassaden blenden in der Sonne, wechseln sich mit denen mit bonbonfarbenen Anstrichen ab. An manchen hängen, wie festgeklebt, Balkone. Wenig weiter, erlebe ich kollektive Frömmigkeit glücksbereiter Menschen vor einer Marienkapelle. Gitarrenvirtuosen hoffen auf Trinkgeld. Geschundene Füße in zu engen Schuhen wollen dennoch tanzen. Nikon-Japaner bemühen sich im Gedränge die besten Aufnahmen zu machen. Ich sehe mehr oder weniger gebräunte Haut, die neuesten Smartphones, die schicksten Schuhe, ladenneue Klamotten und verschwitzte T-Shirts über schlecht sitzenden Hosen. Der Duft von Kaffee und frisch Gebackenem zieht mich magisch an und mein Vorsatz heute keiner Nascherei zum Opfer zu fallen, bröckelt verdächtig. Schnell finde ich die Schlemmeroase. Auf dem Weg dorthin sehe ich, dass Busse in regelmäßigen Abständen Unmengen plappernder Touristen ausspucken. Sie schwärmen aus, wie Bienen aus ihren Körben. Das Gelächter sorgloser Albernheit nimmt zu. Schwatzende Mütter schieben Kinderwagen. Ein paar halbstarke Jungs bewegen sich zu lauter Musik und gucken den Mädchen nach. Einer mit klobigem Gesicht, scheinbar der örtliche Experte, schleust die Menge in eines der Straßencafés. Schon entwickeln sich lange Schlangen vor den öffentlichen Damen-Toiletten. Missglückte Dauerwellen und Fönexplosionen in Konkurrenz zu Hauf. So mancher ‚Herr‘ stellt sich mit entschuldigendem Grinsen breitbeinig an einen Gartenzaun. Es herrscht Ausnahmezustand!
Verschwenderisch hangelt wilder Wein um den Eingangsbereich, des mit Buchsbaum umgrenzten Cafés. Der Innenraum ist brechend voll. In den Sesseln thronen die ersten Matronen und kreischen, als sei das der beste Garant gehört zu werden, der überforderten Bedienung ihre Wünsche zu. Derweil gießen sich ihre Männer an der Theke das erste Bier hinter die Binde. Weitere Kaffee-Durstige drängeln in den Raum und balgen sich um einen frei gewordenen Platz. Musik dudelt in das Getümmel und lässt alle noch lauter grölen. Total überdrehte Kinder schlürfen Apfelschorle. Es riecht nach verschiedenen Parfüms, starken Rasierwassern, Schweiß und, welche Erleichterung, frisch aufgebrühtem Kaffee. Ein Stück Torte nach dem anderen findet seinen Weg in lusthungrige Münder. Was für ein Spektakel, man könnte glatt Eintritt verlangen. Ich nehme auf der von hohen Bäumen überschatteten Terrasse Platz und gebe ohne Mühe meine Bestellung auf. Nach einer Weile nähern sich schlurfende Schritte, ich bekomme meinen Kaffee und, verschwenderischer Leichtsinn, ein großes Stück Schokoladentorte! Jetzt kann mich das Gewusel nur noch tangieren. Hinterher will sich schläfrige Stille in mir ausbreiten, aber das kommt überhaupt nicht in die berühmte Tüte. Mit der Uneinigkeit von Politikern diskutieren gerade ein paar ‚wissende‘ Herren über den Klimawandel der Welt, und deren Sprösslinge bequatschen den neuesten Film mit irgendwem. Ich genehmige mir einen weiteren Kaffee. Rasch wechseln die vorübergehenden Besetzer die Bestuhlung. Im Nu wischt die Bedienung verschmierte Tische ab und legt frische Decken auf. Ihre katzenhafte Sauberkeit gefällt mir. Als ich aufbreche, ist die Luft träge von Staub; kein kühlender Luftzug bringt Erleichterung. Noch einmal will ich zum Marktplatz, nehme aber einen Umweg in Kauf, denn drüben stehen sie, die Touris. Dicht gedrängt und laut palavernd. Endlich setzt sich die Gruppe prozessionsartig in Bewegung. Vorneweg der örtliche Experte von eben. In einer ruhigen Seitengasse spielen Kinder im Schatten der Häuser. Von einem löst sich die längst verblichene Farbe in großen Placken. Staub gepuderte Treppenstufen führen zur maroden Eingangstür. Als Gesamtkunstwerk des schlechten Geschmacks besticht allerdings der Vorgarten: In ungepflegten Beeten schwingen knallbunte Gartenzwerge ihre Laternen. Plastikziegen stehen im blühenden Hahnenfuß, und zwischen verwitternden Trittsteinen wuchern Grasbüschel. Efeu rankt über eine zerfallene Hundehütte und überzieht sie in sattem Dunkelgrün. Aber auch diese prachtvolle Hässlichkeit wird von allen Seiten fotografiert. Die Meinungen über schön und nicht schön gehen scheinbar, einer weit geöffneten Schere gleich, weit auseinander. Über die Gasse ist eine, mit Hemden und Hosen beflaggte Wäscheleine von diesem zum gegenüberliegenden Haus gespannt.
Wenig später stehe ich wieder im Herz des Städtchens. Überkandidelte, zum Teil monströs aufgequollene Tanten, präsentieren sich. Um Aufmerksamkeit zu erheischen, schreiten hoheitsvolltheatralisch auf und ab, während sie hin und wieder majestätisch dem popligen Volk zunicken. Vorsichtig überwinden sie dabei lästig unebene Bordsteine und nicht einschätzbare Unebenheiten im Asphalt. Jugendliche auf Inline-Skates versuchen das Regiment auf dem Platz zu übernehmen. Einer rammt mich unsanft in die Hüfte, der nächste prallt gegen meine Vorderseite. Ein stumpfer Aufprall im Kreuz verrät mir, dass einer der Handballer es auch dieses Mal nicht geschafft hat, den Ball ins imaginäre Gegentor zu katapultieren. Niemand sagt so etwas wie ‚Entschuldigung‘. Vorsicht, freilaufende Kinder! Ich gebe auf, habe genug und kämpfe mich rabiat durch den kaum zu durchdringenden Pulk. Erst am späten Abend wird diese lärmende Betriebsamkeit der wohltuenden Stille der Nacht weichen, werden Straßen und Gassen wie leergefegt im Licht ihrer Laternen liegen.
Tatsächlich gelingt es mir, beinahe unversehrt, zu meinem Auto zu gelangen. Erleichtert sitze ich am Steuer und gebe Gas. Ein gemütlicher Tag? Nicht wirklich, aber aufregend war er schon!
In zyklischer Regelmäßigkeit erscheint sie in der Körperarena, die Unglaubliche, die Wandlungsfähige. In Hochform präsentiert sie sich, um möglichst schnell erobert zu werden.
Zunächst bleibt sie allein – verhält sich neugierig abwartend. Plötzlich schlängeln sich viele winzige Freier um sie herum und versuchen vehement, mit ihr eins zu werden. Alle wollen sich mit der begehrten Weiblichkeit verbinden, doch nur der schnellste und stärkste von ihnen wird als Sieger hervorgehen. Ob sie ahnt, welch weiten, beschwerlichen Weg ihre stürmischen Eroberer schon zurückgelegt haben? Oder wie beflissen ein jeder von ihnen versucht als erster zu ihr zu stoßen? Mit traumwandlerischer Sicherheit werden die zielgerichteten Winzlinge schließlich ihr fruchtbares Ziel finden. Dann kann der Run auf das Objekt der Begierde beginnen. Ungezügelt und heftig versucht ein jeder die Erwartende für sich einzunehmen. Dabei trennen sich die Winzlinge sogar von ihrem peitschenden Schweif, der sie immerhin bis hierher, zu ihrem Traumziel, getrieben hat. Ihr erklärtes Ziel ist es zu gewinnen, sich als Sieger mit der Begehrten zu verbinden. Nur darauf kommt es an! Nach seinem Sieg wird sich der Eroberer mit seiner Fruchtbaren in einen streng geschützten Raum zurückziehen. Sie werden beginnen, sich unentwegt zu teilen und damit dem größten Wunder der Natur die Chance auf neues Leben zu geben.
In jeder folgenden Woche wird es in diesem sicheren Versteck anders aussehen – Verheißung pur!
Was gäbe ich darum, einmal in bodenlangtraumhafter Garderobe, schön wie ein Bild, im Einklang mit herrlicher Musik, über das Parkett zu schweben. Im sicheren Arm meines Tanzpartners mit geschlossenen Augen ein unbändiges Glücksgefühl erleben. In sicheren, superschicken Tanzschuhen, die dieser besonderen Anforderung leicht standhielten, glitte ich wie auf Flügeln getragen dahin. Nichts um mich herum wäre wichtig. Es zählte nur der Rhythmus, der in jeder einzelnen Zelle meines Körpers zu Hause wäre! Ein traumhaftes Dahingleiten, dem eine gewisse Konzentration nicht anzumerken wäre. Meinen linken Arm leicht auf seiner rechten Schulter ruhend, flöge ich in eleganter Pose leichtfüßig durch den Tanzsaal. Das strahlende Lächeln meiner Freude begleitete mich und beschriebe zudem mein Gefühl der Freiheit, während ich dem Dreivierteltakt verschwenderisch meine Energie anböte.
Die ausladenden, fließenden Bewegungen zeigten
sich im Schwingen völliger Harmonie!
Ein Wunsch mit heilsamer Wirkung – zum dahin schmelzen schön.
Auf geht’s. Unsere Urlaubsfahrt steht an. Am frühen Morgen, noch hängt dichter Nebel in der Luft, liegen die gepackten Koffer im Auto. Die Tasche mit den bei Laune haltenden Leckereien und der unverzichtbaren Thermoskanne Kaffee wartet griffbereit zu meinen Beifahrerfüßen. In einer guten Stunde, so der ausgeklügelte Plan meines Mannes, werden wir uns eine Pause gönnen und frühstücken. In nur vier Stunden seien wir an unserem Ziel, gibt das Navigationsgerät an, nachdem es mit den dafür notwendigen Daten gefüttert worden ist. Super, denke ich und hoffe, dass wir es heute schaffen, tatsächlich in der angegebenen Zeitspanne anzukommen. Autofahren gehört nicht gerade zu meinen liebsten Tätigkeiten! Während mein Mann den Wagen startet und sein berühmtes: „So, dann wollen wir mal“, von sich gibt, muss ich an unsere Urlaubsfahrt im vorigen Jahr denken.
Auch damals starteten wir gut gerüstet in der Hoffnung, unsere blassen Nasen bald in die Sonne halten zu können. Doch nach einer Stunde, wir wollten gerade unser Frühstücksplätzchen suchen, mahnte uns das Navi, dass auf Grund eines Staus eine Routenänderung vorgenommen würde. Das elektronische Ding war zwar neu in unserer Mitte, aber wir sagten uns tröstend, dass es wahrscheinlich den besseren Überblick hätte. Da also Madame Navi der Profi unter uns war, schlugen wir die von ihr vorgeschlagene Route ein. Mit Unbehagen bemerkte ich, dass wir von der Autobahn abfuhren, auf der es bisher so schön voran gegangen war. In wilden Kurven ging es durch Orte, deren Namen wir noch nie gehört hatten. Wo in aller Welt waren die weiterführenden Verkehrsschilder, die uns wieder auf unsere Route bringen sollten? Und warum bitteschön, hielt Madame ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt ihre rechthaberische Klappe? Aufmerksam verfolgten wir die Verkehrsberichte im Radio, doch auf unserer regulären Strecke wurden keinerlei Staus gemeldet. Auch das noch; völlig umsonst also, waren wir in dieser Gegend angekommen. Kampfeslustig forderte ich die Besserwisserin heraus. Nun da es darauf ankam, schimpfte ich, wisse auch sie nicht weiter. Das hätten wir auch alleine gekonnt!
Mein Mann versuchte mich zu beruhigen – was ihm jedoch nicht gelang. Ich ärgerte mich über die verloren geglaubte Zeit und dieses scheinbar nutzlose Unterfangen. In Zukunft, das nahm ich mir vor, würde ich ein Veto gegen übereilte Streckenänderungen einlegen! Was aber, wenn Madame, theoretisch doch einmal im Recht wäre? Ich war überzeugt, dass sie dann eine ruppige Antwort auf Lager haben würde.
Seinerzeit waren Erinnerungen in mir aufgetaucht, darauf bedacht, meinem Ärger Paroli zu bieten. Zum einen hatte ich die Stimme meines längst verstorbenen Vaters hören können und sein verschmitztes Gesicht vor mir gesehen, als er gesagt hatte: „Also wir konnten noch Landkarten lesen, hatten ein geschultes Orientierungsvermögen, und die weiterführenden Hinweisschilder hätten wir auch leicht gefunden.“ Gedanklich hatte ich ihm Recht geben müssen. Allerdings, so folgerte ich erleichtert, gab es zu Papas Lebzeiten dergleichen elektronische Spielzeuge nicht, die das Dilemma des Verfahrens hätten aufdecken können! Dieser Gedanke hatte mich dann einigermaßen beruhigt.
Eben erinnere ich mich an eine Fahrt durch ein Tal, in dem bemerkenswerte Städtchen mit mittelalterlichem Flair lagen. Schmale, kopfsteingepflasterte Straßen wurden von Fachwerkhäusern gesäumt. Wir hielten allerdings nicht an, so dass sie im Nu wieder hinter uns lagen. Auch die Ortsschilder beachteten wir nicht, oder kaum. Ehe wir uns versahen, waren wir im nächsten verschlafenen Örtchen angekommen. Und husch, waren wir auch schon wieder draußen, schade eigentlich. Wie aus dem Nebel schreitende Krieger tauchten Bäume zu beiden Seiten der Landstraße auf. Von Zeit zu Zeit blitzten Sonnenstrahlen durchs wabernde Grau. Wir beschlossen auf einen der nahen Hügel zu fahren. Dort thronte, wie ein ehemaliger Wächter, eine mächtige Burgruine. Ein echter Hingucker! Als wir fast oben angekommen waren staunten wir nicht schlecht, denn als führe sie zum Ende der Welt, verlor sich die Straße im Dunst der Ferne. Während im Tal noch letzte Nebelfahnen zogen, genossen wir schon wärmende Sonnenstrahlen. Eine durchaus reizvolle Fahrtunterbrechung, befanden wir. Auf einer robusten Bank konnten wir endlich unser verspätetes Frühstück genießen. Währenddessen war es der Sonne gelungen, die Feuchtigkeit der Luft aufzulösen und die letzten Wolken vom Himmel zu putzen. Der strahlte dann mit uns um die Wette! Gemütlich unseren Kaffee schlürfend, bestaunten wir das Licht- und Schattenspiel des Morgens.
Wohltuende Einsamkeit – himmlisch! Hier hätten wir glatt die berühmten „Gucktmalwowirwarenfotos“ machen können. Stattdessen kuschelten wir uns aneinander und süppelten den restlichen Kaffee. Deutlich spürte ich, dass Hetze und Angespanntheit von mir fielen.
Auf Umwegen haben wir zur Ruhe gefunden und Futter für unsere Seelen als Zugabe bekommen. Zumindest für diesen Tag, so nahmen wir uns vor, sollte ‚Eile‘ ein Fremdwort sein. Unser lauschiges Plätzchen verließen wir nur ungern. Hier, so meinten wir scherzhaft, wollten wir doch immer schon einmal hin!
„Da vorn können wir wieder auf die Autobahn auffahren“, lotsen mich die Worte meines Mannes aus meinen Erinnerungen ins Hier und Jetzt zurück.
Ach nee!
Wo warst du – wo ich?
Heut‘ kann ich dich sehen, wie ich dich nie sah.
Weltenweit entfernt und doch so nah!
In welcher Sprache verständigten wir uns?
In der jeweils eigenen?
In der des anderen – zumindest hin und wieder?
Starre, innere Bilder haben uns daran gehindert,
in die Welt des Verstehens einzutauchen.
Vergeudete Zeit? Nein!
Wir haben sie gebraucht, genutzt,
um zu lernen,
neu zu begreifen!
Ich sehe dich wie nie zuvor;
werde dich trotz visueller Blindheit jederzeit erkennen,
weil ich dich mit meinem Herzen sehe.
Ich sehe dich, wie ich dich nie sah!
Ob meine Worte ausreichen?
Für den Anfang vielleicht.
Oft ist das Leben hart mit mir umgegangen, dann, wie zum Ausgleich, auch wieder weich und liebevoll. Im großen Lebenskartenspiel zog ich oft genug schwierige, kaum einsetzbare Karten. Dann galt es, nach außen möglichst cool und professionell zu wirken. Mein versteinertes Gesicht ließ keinerlei Rückschlüsse auf mein wirkliches Befinden zu. Bloß keine Regung preisgeben, war meine Devise. Aber war es das, was ich wollte, wonach ich mich sehnte? Charakteristisch für mich war es zu bluffen, denn schließlich sollte niemand meinen Schmerz erkennen können. So spürte ich auch nicht, wenn mich eine Welle des Mitgefühls erreichte. Schließlich war ich ein Profi mit guter Tarnung. Zu gut?
Auch meine Worte trugen Tarnkappen. Für dieses, vermeintlich sichere Verhalten, benötigte ich viel Energie. Meine emotionale Isolation empfand ich als Belastung. In diesem Tarnkappenmodus fühlte ich mich irgendwann nicht mehr zu Hause. Abgekapselt von der Dynamik meiner Mitmenschen, breitete sich in mir eine unheimliche Stille aus.
Dann doch lieber lebendiges, wachsames Interesse! Meine Reaktion darauf dürfte mir dann ruhig jeder im Gesicht ablesen können.
Immer wieder werden die Lebenskarten neu gemischt und jeder hofft auf die, von denen er annimmt, sie seien ein gutes Blatt. So nahm auch ich mit zitternder Hand Karten auf, von denen ich annahm, es seien die richtigen. Allerdings waren das zum Teil Karten, die mir ganz und gar nicht gefielen. Doch was blieb mir anderes übrig als mich mit ihnen zu arrangieren? Einfach aussteigen? Dann schon lieber das Beste daraus machen, damit die medusengleichen Tentakel von längst überholten Gewohnheiten mich nicht meiner Freiheit beraubten.
Natürlich wünsche ich mir gute Karten – aber was bedeutet – gut? Ist es nicht gut, durch eintretende Ereignisse, selbst wenn sie noch so erdrückend erscheinen, hindurchzugehen um daran zu wachsen? Zu begreifen, dass ich alles schaffen kann? Mit schlafwandlerischer Sicherheit genau das Richtige tun zu können? Warum soll ich mir von einem schlechten Blatt mein zukünftiges Leben ruinieren lassen? In Glücksmomenten ist es mir schon gelungen, so manches schlechte Blatt durch ein Gutes zu vervollkommnen. Eines Tages gewann ich einen Joker – meinen Partner fürs Leben! So fügten wir zusammen, was zuvor einsam war.
Wer mich nun eine Spielerin nennen mag, kann das gern tun. Ich aber, habe einen Schatz bekommen, den ich nie wieder verlieren möchte. Einen Joker, der mit mir durch dick und dünn geht und zu mir hält, selbst in schweren Zeiten.
So ein echter Joker ist allemal wertvoller als ein Ass im Ärmel!
Ich kenne viele Buchstaben. Genau gesagt sind es sechsundzwanzig Grundbuchstaben. Dazu kommen drei Umlaute, sowie das Eszett. Vor einer ganzen Weile habe ich sie allesamt in ihren vielen Kombinationsmöglichkeiten noch recht gut lesen können. Seit meine Augen unheilbar erkrankt sind, kann ich das leider nicht mehr. Daher habe ich, wie viele sehbehinderte und blinde Menschen, das Punktschrift-Alphabet erlernt und auch relativ zügig die sogenannte Blindenschrift lesen, genauer gesagt, ertasten, können. Meine Zeigefinger haben lesen können! Beinahe zeitgleich habe ich gelernt mit technischen Geräten, wie dem Aufnahmegerät, umzugehen. Auch ein CD-Player für Blinde, der mir erlaubt durch Hörbücher in ferne Welten zu reisen, steht auf meinem Nachttisch. Ich muss gestehen, dass diese Möglichkeit bedeutend einfacher ist. Mittlerweile gebe ich den technischen Hilfsmitteln den Vorzug. Nach und nach habe ich allerdings das mühsam angeeignete Punktschrift-Alphabet verlernt. Ich schmökere jetzt auf andere Weise ein Buch nach dem anderen. Wer mag, kann das Lesen mit dem Zeigefinger anhand eines Punktschrift-Alphabetes oder auf einer Medikamentenschachtel ausprobieren. Zu Beginn ist das schwierig. Man denkt, dass man es nie schaffen wird, anhand von nur sechs erhabenen Punkten und deren mannigfaltigen Kombinationsmöglichkeiten alle Buchstaben ertasten zu können. Aber es geht, man muss nur dranbleiben, was ich leider nicht getan habe. Nun, da mein Lehrbuch noch immer auf meinem Schreibtisch liegt, könnte ich es jederzeit wieder zur Hand nehmen. Buchstaben, ob sie nun in Hörbüchern aufgelesen werden, in Schwarz- oder Punktschrift erscheinen, nenne ich meine Freunde. Wir kennen uns und kommen prima miteinander aus.
Okay, in der Schule wäre es manchmal einfacher gewesen, das gebe ich zu. Aber sonst? Keinerlei Beschriftungen auf den Verpackungen, das wäre auch nicht gerade förderlich beim Einkaufen. Kein elektronisches Gerät wäre zu entziffern, unvorstellbar. Sämtliche Bücher wären nur mit Bildern zu verstehen, zum Gähnen langweilig! Da ist es besser, die Buchstaben als Freunde anzuerkennen. Dann macht alles viel mehr Spaß – so wie mir das Schreiben. Upps, schon wieder habe ich meine Gedanken in Buchstaben gepackt und fix aufgeschrieben.
Am Anfang ist dieser Tag noch wie jeder andere. Erst als nach und nach eine Schar illustrer Gäste auf der Lichtung des Waldes eintrifft, wird er ein ganz Besonderer.
Zuerst trifft der ständig frierende Herr Januar mit seiner Gattin und deren Schwester ein. Er und Frau Februar sind miteinander verschwägert, denn er heiratete vor einigen Jahren Lady Dezember, eine eiskalte Dame. Ihren Mädchennamen wollte sie aber auf jeden Fall behalten. Sie treffen sich in regelmäßigen Abständen, um ein paar Stunden miteinander zu verbringen. Alle drei sind dick vermummt gekleidet. Ihre Mäntel sind bodenlang, die warm gefütterten Stiefel reichen ihnen bis zu den Knien. Die mit weichem Fell ausgeschlagenen Mützen, tragen sie tief in die Stirn gezogen. Frau Februar allerdings, scheint nicht sehr zu frieren, zumindest trägt sie ihren Mantel offen. Die lustige Dame, sie trägt den Fasching im Gepäck, nimmt sogar ihre Kopfbedeckung ab. Sie genießt die ersten Sonnenstrahlen des Jahres. Die beiden anderen haben mit der Wärme weit weniger Erfahrung und bleiben lieber eingemummelt. Lady Dezember wetteifert, wie in jedem Jahr, mit ihrem manchmal unfreundlichen Gatten, wer von ihnen von den Menschen am meisten gemocht wird. Wie sollte es anders sein, trägt die Lady auch in diesem Jahr mit Leichtigkeit den Sieg davon. Natürlich hat sie das geahnt, hat sie doch auch die besinnliche Weihnachtszeit in ihrem Repertoire. Zudem schüttelt sie sich vor Lachen oft genug aus, und das natürlich mit Schnee, aber das kann auch Herr Januar. Auf diese Weise konkurrieren die beiden jedes Jahr um die Gunst der Menschen.
Da gesellt sich Fräulein März zu ihnen. Sie bringt noch ein bisschen mehr Wärme in die kühle Runde. Das wiederum veranlasst besonders Lady Dezember und Herrn Januar, Abstand von ihr zu halten. Das Fräulein duftet nach Veilchen und trägt den lang erwarteten Frühling im Handgepäck. Freundlich versucht es sich mit den anderen zu unterhalten, doch von den Dreien hat zunächst niemand Interesse daran.
Mit Gepolter stolpert Herr April zu ihnen und verdutzt die Anwesenden zuerst mit einem Regen-, und gleich darauf mit einem Schneeschauer. Zu guter Letzt lässt er kurz die Sonne aus einer Wolkenlücke blitzen. Wie immer freut er sich spitzbübisch über die erstaunten Gesichter der Anwesenden. Dann zaubert er viele Feiertage aus seinem Hut. Auf den erwarteten Beifall wartet er allerdings vergebens, denn soeben zieht eine, ganz in frischem Grün gekleidete Dame, sie trägt den Namen Mai, die Beachtung aller auf sich. In ihrem schönen Kleid wirkt sie zart und zerbrechlich. Keck auf ihrem Kopf sitzt ein herrlich duftendes Waldmeister-Hütchen.
Frau Juni, die sich nun ebenfalls zu der Schar gesellt ist stolz, weil sie den längsten Tag des Jahres, den heiß ersehnten Sommeranfang, in ihrer Tasche hat. So viele Stunden der Helligkeit, um tausend Dinge tun zu können, oder einfach nur um die Zeit zu genießen, das ist schon eine schöne Gabe, findet sie.
Mit großer Hitze erscheint Frau Juli. Mitten im Sommer schenkt sie den Kindern ihre wohlverdienten Sommerferien. Das bringt ihr, wen wundert‘s, viel Wohlwollen ein. Außerdem lässt sie Früchte und Gemüse reifen – wenn das mal nichts ist! Ihre langjährige und engste Freundin, die dickliche Frau August, lässt ebenfalls Obst gedeihen, und auch das Getreide wächst prächtig unter ihrer Obhut. Sie bringt jede Menge Erntedankfeste mit und es scheint, als habe sie selbst auch ihren Spaß daran.
Endlich zeigt sich der erste Maler. Außer seinen Malutensilien bringt Herr September in einem seiner vielen Koffer, den Herbstanfang mit. Dieser Herr kann wirklich ausgezeichnet malen. Mit feinen Pinseln, zuvor in kräftiges Rot oder leuchtendes Orange getaucht, bemalt er sämtliche Laubbäume, Sträucher und Büsche, die er findet. Später knöpft er sich die Lärchen vor, die anschließend golden im Sonnenschein leuchten dürfen.
Wenn auch sein Lehrer, Herr Oberstudienrat Oktober, auf der Bildfläche erscheint und ihn dabei tatkräftig unterstützt, geht alles zügig voran. Schön erstrahlen die Wälder, wenn die Sonne in sie hinein scheint. Nicht umsonst nennt man ihn den goldenen Oktober, worauf Herr Oberstudienrat besonders stolz ist. Was die Farbgebung angeht, wirkt er mutiger als sein Vorgänger. Im Nu zaubert er in das Meer von Farben zusätzliche Nuancen. Seine Kunst besteht darin, Rot nicht einfach nur Rot, Orange nicht einfach nur Orange aussehen zu lassen. Er bringt alle Farben dazu, ineinander zu verlaufen. Der mutige Maler weiß genau, dass es keinen anderen Künstler gibt, der die Natur derart verzaubern kann.
Abrupt wird er von dem kräftigen Hustenanfall des ihm nachfolgenden Herrn unterbrochen. Dieser, er nennt sich November, ist schwer erkältet. Kein Wunder, wenn er immerzu mit Regen und Raureif umgeben ist. Viel zu oft lässt er die Tage grau und düster erscheinen. Auf diese Weise demonstriert er sehr überzeugend, dass sich das Jahr dem Ende zuneigt. Vielleicht würde auch er lieber Wärme und Freude vermitteln, aber das ist ihm nun einmal nicht möglich. Er kann nur geben was er hat, und genau das tut er! Außerdem mahnt er die Tiere des Waldes vor dem nahen Winter und erinnert sie daran, für genügend Futterreserven zu sorgen. Wenn man sich früh morgens genau umsieht, kann man im Nebeldunst unzählige filigrane Spinnweben – seine kleinen Kunstwerke – erkennen.
Mit Lady Dezember schließt sich der Reigen. Immer wieder wird sie uns über die Schnee- und Eiskristalle an unseren Fenstern staunen lassen. Den Kindern und so manchem Erwachsenen, schenkt sie während des Rodelns im frisch gefallenen Schnee Stunden der Freude. Das alles kann sie ohne viel Mühe bewerkstelligen. Sie hat beinahe so viel Freude daran, wie die Menschen. Wenn diese Lady genug gearbeitet hat, verabschiedet sie sich wie in jedem Jahr, mit lautem Knall und Feuerwerk. Aber nur, um sich mit ihren elf Freunden im nächsten Jahr erneut zu treffen!
Jeden Abend, sobald die Zauberwerkstatt ihre Türen für Hilfe suchende Menschen schließt, geht es los, das Raunen und Diskutieren. Von wem? Na, von den vielen kleinen, doch so wichtigen Helfern!
Manchmal streiten sie lautstark darüber, wer von ihnen wohl der wichtigste und damit ein unabkömmlicher Helfer ist. Dann geht es rund in dem Verkaufsraum, der eigens zur Unterstützung der Sehqualität geschaffen worden ist.
Immer wieder ertönt das laute Schnaufen des Visus, der auf diese Art vor allen anderen unterstreichen will, wie wichtig er ist. Meist kontert die Dioptrie prompt, indem sie trocken bemerkt, dass es nicht auf die Lautstärke, sondern auf das Können ankommt. Auch sie kann sich, ähnlich dem Visus, ohne Mühe auf ihrer Skala von oben nach unten bewegen. Aber auch die Achse liebt die Veränderung und denkt nicht einmal im Traum daran, mit ihrer Meinung hinten anzustehen. Die kluge Korrektur versucht stets die drei zu beschwichtigen. Obwohl sie sich wie Kontrahenten aufführen, sind sie in Wirklichkeit keine. Leider gelingt ihr das nicht immer! Sobald sich die beinah unzähligen Brillengestelle einschalten, die übersichtlich geordnet an einer dafür hergerichteten Wand hängen, wird es richtig laut. Dabei brauchen alle Beteiligten dringend ihre wohlverdiente Ruhe, um auch am kommenden Tag wieder fit zu sein. Ganz zu schweigen von den teuren Messgeräten, die über Tag stets fehlerfrei arbeiten müssen. Es ist die Präzision, die alle miteinander verbindet. Der Optiker hilft wo er nur kann, um die Sehkraft, der zu ihm kommenden Menschen, optimal einzustellen. Mit Einfühlungsvermögen, einer großen Portion Fachwissen und der erforderlichen Geduld, erreicht er oftmals kleine, große Wunder. Genau deshalb ist es notwendig, dass hier nachts Ruhe einkehrt. Nicht auszudenken, wenn diese Hilfen boykottiert würden. Ist nicht die Lebensfreude einer unserer Reichtümer? Für mich jedenfalls, gehört das bestmögliche Sehen ganz gewiss dazu! Schlechtes Sehen, das nicht plötzlich, sondern schleichend eintritt, ist wie ein langsamer, sehr bedeutsamer Sonnenuntergang. Manchmal stiehlt sich eine Sehverschlechterung zu Beginn unbemerkt ins Leben. Deshalb dauert es oft lange, bis man Erleichterung erhält. Von wem wohl?
Gebt also endlich Ruhe, ihr wichtigen Helfer!
„Autsch! Was machst du denn da? Hört das Gepiekse denn nie auf? Immerfort stichst du in irgendeinen meiner Körperteile“, beschwert sich laut jammernd ein braunes, halb fertig genähtes Bärchen. „Jetzt halt aber mal die Luft an mein kleiner unfertiger Freund. Willst du denn nicht auch dein zweites Ohr angenäht bekommen? Sei also nicht so zimperlich und halte still.“ Erst jetzt gelingt es mir, das fehlende Ohr zügig an sein Köpfchen zu nähen.
Es macht mir immer wieder Freude so einen kleinen Gesellen in Handarbeit, statt mit der Nähmaschine, zu nähen. Beim Zuschneiden der vielen Einzelteile brauche ich jedoch sehende Unterstützung, weil ich nur noch einen geringen Sehrest habe. Das zusammenstecken der Teile, sowie alle weiteren Schritte zur Fertigung, übernehme ich gern selbst. Und schon kann das Nähen beginnen. Geschickt ziehe ich den Faden in die offene Öse einer speziellen Nähnadel und los geht’s. Zuerst fertige ich alle Einzelteile, als da wären Beine, Arme, Rumpf, Ohren und vor allem den Kopf, an. Ist das geschafft, befülle ich sämtliche Teile durch eine offen gelassene Stelle mit Watte oder ähnlich weichem Material, damit sich das Kerlchen hinterher auch schön weich und kuschelig anfühlt. Jetzt kann das Zusammensetzen der vorgefertigten Körperteile beginnen. Diesem Kerlchen habe ich leider zuerst sein vorlautes Mäulchen ins Gesichtchen gestickt. So kommt es, dass ich in der weiteren Anfertigungszeit kaum noch Ruhe habe. Beim nächsten Bärchen, das ist klar, kommt das Mäulchen wieder ganz zum Schluss dran. Denn schon geht’s wieder los: „Wieso brauche ich eigentlich gleich zwei Ohren, eines würde doch bestimmt ausreichen“, feilscht es. Nach einer kurzen Pause, sein zweites Ohr sitzt mittlerweile perfekt seitlich am Köpfchen, bemerkt es: „Oh, jetzt hört sich alles viel deutlicher an. Ich kann sogar hören aus welcher Richtung ein Geräusch kommt. Ich gebe zu, das hast du wirklich gut gemacht.“
„Dankeschön“, sage ich und erkläre ihm mit einer gewissen Vorahnung, dass jetzt noch seine Augen fehlen. „Wozu brauche ich die denn?“ will es wissen. „Na, ja“ antworte ich, „zum Sehen braucht man erst einmal seine Augen. Mit ihnen kannst du die Welt in der du lebst ansehen und viele Bücher lesen.“
„Und du“, fragt das Bärchen weiter, „hast du auch solche, wie heißen sie noch, solche Augendinger, mit denen du dir alles ansehen und viele Bücher lesen kannst?“
„Ja“, antworte ich, „die habe ich auch, bloß können meine Augen kaum noch sehen.“
„Und wie kannst du jetzt die Welt mit all den vielen Büchern ansehen?“, will es wissen.
„Weißt du“, erkläre ich wahrheitsgemäß, „die Augen sind schon etwas Tolles, aber sie sind nicht lebensnotwendig. Deshalb habe ich, wie viele andere auch, gelernt ohne meine Augen sehen zu können“.
„Wie macht ihr das denn?“, will das wissbegierige Kerlchen wissen. „Meine Ohren“, sage ich, „helfen mir Geräusche wahrzunehmen und zu deuten, aus welcher Richtung sie kommen. Gerüche werden von meiner Nase bestimmt. Lesen kann ich mit meinen Fingerspitzen und wie du weißt, mit meinem Tastsinn sogar kleine Bärchen anfertigen.“ Währenddessen beginne ich ihn so richtig durchzukitzeln. Das gefällt dem kleinen Wicht so gut, dass er sein lautes Bärenlachen ertönen lässt. Noch bevor er weitere Fragen stellen und mich so am weitermachen hindern kann, setze ich ihm ruck zuck seine schönen braunen Augen ein. Wer weiß, vielleicht verliert er einmal eines oder gar beide, dann kann er ja immer noch lernen, ohne sie auszukommen, so wie wir anderen Tapferen auch.
Tja, wir blinden- und sehbehinderten Menschen sind gar nicht viel anders als sehende Menschen – nur ein kleines bisschen!“
Ist sie lediglich die Maßeinheit zwischen Ereignissen? In Lexika definiert man sie als „Das kontinuierliche Fortschreiten, innerhalb dessen sich alle Veränderungen vollziehen“. Man erfährt, dass die griechischen Worte ‚Chronos‘ für Zeit und ‚Kairos‘ für deren Qualität steht. Fundiertes Wissen, fein säuberlich seziert. Mich interessiert jedoch auch, was die Zeit mit mir macht, oder was ich mit ihr anfangen könnte. Koste ich sie aus? Ist sie mir wertvoll, schön und erhaltenswert? Wie vergänglich ist Zeit? Ist sie lediglich Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft? Was ist ‚Jetzt‘? Vertraue ich dem Zeit-Fluss, oder möchte ich sie nicht viel lieber festhalten, wenn sie mir gerade gefällt? Ich finde, Zeit ist etwas Schönes, wenn ich sie fühlen kann und etwas Kostbares, wenn ich sie zu genießen imstande bin. Es gibt eine Zeit der Freude, eine der Trauer, Zeit für Nähe, ebenso wie für Distanz. Eine für Regen ebenso, wie für Sonnenschein. Eine Zeit um allein zu sein ist genauso wichtig, wie die, für geselliges Beisammensein. Eine reiche, arme, eine friedvolle und revoltierende, alles hat und braucht seine Zeit!
Während eines Spazierganges durch den Wald entdecke ich eine, von Waldarbeitern zurückgelassene Baum-Scheibe. Anhand ihrer Ringe kann ein Förster Alter und Beschaffenheit des Baumes recht genau bestimmen. Ich sehe also die Zeit in Form dieser Baumstammscheibe. Von außen nach innen betrachtet fällt mir die, sich ablösende raue Borke auf. Im Anschluss zeigen sich deutlich helle Ringe, die dunkler werden, je näher sie sich bis zur Mitte der Scheibe fortsetzen. Sie sind keinesfalls exakt gerundet, als wären sie mit Hilfe eines Zirkels gezeichnet, sondern weisen in unregelmäßigen Abständen kleine, aber sichtbare Unregelmäßigkeiten wie Dellen, auf. Auch die Dicke dieser Ringe, sowie ihre Brauntönung, sind auffällig unterschiedlich. Der Mittelpunkt schließlich, zeigt sich in einheitlich hellem Braun. Auffallend sind die kräftigen Risse, die sich von außen nach innen ziehen. Einige von ihnen sind schmal, andere dagegen sehen tiefer und dementsprechend massiver aus.
Parallel mit dieser Baumstammscheibe, diesem Buch der Zeit, ist auch meine äußere Haut-Schicht im Gegensatz zu früher, grober geworden. Nicht mehr feinporig, sondern eher trocken, reagiert sie bei unzureichender Pflege, spröde und rissig. Sie ist kein unbeschriebenes Blatt, alles ist hier notiert. Die Geschehnisse der Jahrzehnte haben deutliche Spuren hinterlassen. Trauer, Freude, das Alter, sowie Ängste, alles hat seine Unterschrift geleistet. Das Ergebnis liegt nun für jedermann ersichtlich, offen dar! Im Laufe meines Älterwerdens lernte ich diese scheinbaren Schwächen zu verbergen.
Dennoch gestatte ich manchen Menschen, meine, durch groteske Werbungen implizierte Unvollkommenheit, anzusehen. Die Zeit hat mir erlaubt zu erkennen, dass auch ein alternder Körper seine Schönheit hat. Verlaufen nicht auch meine ‚inneren Ringe‘, meine Zellen, unrund? Habe ich nicht auch während meiner Lebenszeit viele Dellen und so manche Narbe davongetragen? Und das in psychischer wie in physischer Hinsicht?
Bei diesem Baum waren wahrscheinlich Wasseroder Lichtmangel, vielleicht auch ungünstig wechselnde klimatische Verhältnisse, für die sich zeigenden Unregelmäßigkeiten, verantwortlich.
Auch mir fehlte zeitweise Essentielles, so dass ich mich in mancher Hinsicht anders entwickelte, als ich es vielleicht sonst getan hätte. Schade, dass ich die Sprache der Bäume nicht verstehen kann. Mit Sicherheit haben sie viel zu erzählen! Eine ihrer Ausdrucksweisen halte ich gerade in meinen Händen.
Ob wohl der hellbraune Punkt tief im Innern des Stammes, auch seine berühmte ‚Mitte‘ war? In welcher Farbe erscheint meine eigene Mitte? Ist sie auch so gut geschützt, wie die, dieses Baumes? Brachiale Gewalt zwang ihn, seine innersten Geheimnisse preiszugeben. Hätte man ihm seine natürliche Lebenszeit gelassen, würde er eines Tages, wenn seine Zeit gekommen wäre, aus sich selbst heraus vergangen. Er wäre abgestorben und hätte mit seiner Lebenssubstanz die Erde um sich herum, und damit Kinder und Kindeskinder, ernährt. Auf diese Weise hätte er seine letzte, nicht weniger wichtige Aufgabe und damit sein Lebensziel, erfüllt.
Der Baum als solches ist klug, weil er nur das trägt, was er auch ertragen, beziehungsweise, ernähren kann. Ich dagegen, komme mir vor, als wüsste ich so gut wie nichts! Spät im Herbst lässt der Baum-Veteran los, was er nicht mehr braucht, ihm stattdessen in den kommenden Monaten sogar schaden würde. Damit das Leben weitergehen kann, müssen zunächst die Blätter fallen, die ihm zuvor als Energiewandler gedient haben. Nur so kann die Baum-Zeit weitergehen, findet Leben seinen Weg. Aus schwindender Kraft entsteht Neues! Ich verneige mich vor den Bäumen, diesen herrlichen Kreaturen, die in ihrer Biegsamkeit, ihrer Flexibilität so stark sind – wenn man sie lässt!
Meine Lebenszeit ist recht spannend. Oft genug wurde sie unvorhersehbar verändert. Kapitel für Kapitel, Zeile für Zeile, ist eine Zeitwanderung durch Jahrzehnte. Es ist keiner der Bestseller geworden, aber mir gefällt es, denn es handelt von meiner Zeit. Eine, die ich weiter auskosten möchte, solange ich kann! „Es kommt nicht darauf an dem Leben Jahre, sondern den Jahren Leben zu geben!“ (Alexis Carrel). Das ist mein Ziel. Ich will mein Leben nicht um jeden Preis verlängern – ich will es genießen – noch habe ich die Zeit dazu!
Oma Gerda sitzt auf ihrer Lieblingsbank.
Sie genießt die ersten warmen Tage im Jahr und gönnt sich eine wohlverdiente Pause. Diese Bank steht nicht etwa im stillen Innenhof des Hauses, oder auf der Veranda dahinter. Eine solche würde Oma Gerda nie und nimmer aufsuchen! Nicht einmal, wenn sie mit einer doppelt so dicken Sitzauflage belegt wäre wie die ihre.
Die steht nämlich genau richtig – da, wo das Leben pulsiert – da, wo die kontaktfreudige Oma gucken kann und wo auch sie gesehen und angesprochen werden kann, und zwar von jedem, der vorübergeht. Wozu sonst hätte sie sich eine frische Kittelschürze angezogen? Wozu sonst sich mit der Hausarbeit beeilt? Zufrieden sitzt sie, das Haarnetz akkurat über den Nackenknoten gezogen, die arbeitsamen Hände vor ihrem gut genährten Bauch verschränkt, auf ihrem Lieblingsplatz und wartet. Darauf, dass sich schläfrige Ruhe in ihr ausbreitet und darauf, dass ihre Nachbarin, um diese Zeit stets vom Bäcker kommend, zu einem Pläuschchen bereit sein wird. Jetzt hat Oma Gerda Zeit nachzufragen, wieso ihre gestern eingekochte Marmelade nicht zufriedenstellend fest geworden ist. Die Leni weiß solche Dinge nämlich ganz genau. Außerdem wird Elfriede vorbeikommen. Sie holt täglich ihre kleine Enkeltochter vom Bus ab und wird, wie zufällig, ein bisschen Zeit für die wichtigen Dinge des Lebens haben – wie immer! Niemals käme Oma Gerda der Gedanke, solche Gespräche seien vertane Zeit, Gott bewahre! Hier auf der Bank wird niemals ein sinnloses oder gar überflüssiges Schwätzchen gehalten – hier werden Chancen genutzt!
„Hey, wer bist du denn? Dich habe ich ja hier noch nie gesehen“, plappert mich wer an. Vor mir steht ein kleines sandfarbenes Etwas. Seine wenigen Haare stehen ihm senkrecht zu Berge. „Na hör mal“, erklärt es, „ich bin in meiner Familie von den Kleinsten einer der Größten!“ Kurze Beine auf dicken Füßen tragen seinen kleinen Körper flink von einer Stelle zur anderen. Auch die Arme sind nicht gerade lang, doch mir scheint, dass seine Bärentatzen dennoch überall hingelangen können. Den rundlichen Bauch mit dem sichtbaren Nabel trägt es stolz vor sich her. Ein dreieckiges, mit schwarzen Punkten bedrucktes Tuch, ziert seinen kurzen Hals. Große, wuschelige Ohren sitzen seitlich an seinem pelzigen Kopf. Wie von selbst drehen sie sich bei jedem Geräusch in die Richtung, aus der es etwas zu hören gibt. Dadurch ist jedes noch so kleine Geräusch in der Umgebung genau zu orten. Ständig lächelt das Kerlchen. Ziemlich genau in der Mitte des putzigen Gesichtchens mit den klug dreinblickenden schwarzen Augen, hat es eine Stupsnase. Verschmitzt guckt es mich freundlich an. Mir gefällt, was ich sehe! Das lustigste Merkmal an diesem kleinen Wicht ist sein schütteres Haar. Lediglich ein dünnes Sträußchen steht mitten auf seinem Kopf, so dass ich die einzelnen Haare zählen kann. Aus diesem Grund gebe ich ihm den Namen Dreihaar. Den hört er freilich nicht gern. Viel lieber würde er auf den gefährlich klingenden Namen ‚Grizzly-Bär‘ hören. Aber so sieht der Kleine nun wirklich nicht aus. Nicht einmal eine gewisse Ähnlichkeit ist da. Wir gefallen uns auf Anhieb und er bleibt bei mir.
Eines schönen Tages sitzt er auf seinem Lieblingsplatz am Fenster, während er nach draußen sieht. Wie gern würde er im Sonnenschein spielen, herumtoben und sicherlich auch Streiche aushecken. Seine Freundin, die kuschlig, grau gestreifte Tigerin, die ebenfalls bei mir wohnt, macht es ihm vor. Er tut mir leid, aber für einen Teddybären gelten nun einmal andere Bedingungen.
Dreihaar beneidet die Samtpfote außerordentlich, wenn sie all abendlich auf abenteuerliche Beutetour geht und erst am nächsten Morgen katzenmüde wieder in die warme Stube zurückfindet. Dann rollt sie sich genüsslich zusammen und findet schnell zur Ruhe. Nur wenn es in Strömen regnet, bleibt die Schlaue zu Hause. Doch sowie sie die Zeit für gekommen hält, büchst sie wieder aus ins Freie. So viel Mut wünscht sich Dreihaar auch. Das ist ihm anzusehen. Gerade benutzt die schlaue Tigerin eine ihrer Vorderpfoten als Thermometer, um herauszufinden, ob die leckere Milch auf dem Tisch nicht zu warm für sie ist. Unglaublich frech!