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"Wenn mich über etwas geärgert habe, dann schreibe ich eine Geschichte. Danach geht es mir wieder gut", so die Nürnberger Autorin Christine Rieger. Dabei ist es egal, ob es um die Launen der Natur geht, um schwarze Löcher in der Wohnung, die bizarren Gepflogenheiten von Paketboten oder um Helden, die so tituliert werden, aber ihrer Ansicht nach keine sind. Nach "Pappdeckel mit Zimtgeschmack" ist dies der zweite Satireband der Autorin. Gewohnt sarkastisch nimmt sie ihre eigenen und die Schwächen ihrer Mitmenschen aufs Korn.
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Seitenzahl: 173
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Für die Mitglieder vom Quelle-Stammtisch:
Elvi
Jutta & Hermann
Lydia & Reiner
Monika & Robert
Rita & Jürgen
Rudi
An meinen Mann
für mehr als vierzig Jahre Geduld und Verständnis für meine vielen Verpflichtungen in Sachen Schreiben und Organisieren
für seine moralische und tatkräftige Unterstützung in jeder Hinsicht
für das „Geleit“ zu meinen Lesungen
An Ernst Heumann
für seine Beratung und Unterstützung bei der Erstellung des Buchcovers
Die in meinen Geschichten beschriebenen Personen, Orte und Handlungen sind größtenteils frei erfunden.
Eventuelle Ähnlichkeiten mit realen Personen sind nicht beabsichtigt und rein zufällig.
Der Glöckner von der Frauenkirche
Die Erben des Odysseus
Schnäppchenjäger
Paywall
Erderwärmung
Radaubrüder
Festivitäten
Rosenbogen und Gesang
Platzmangel
Resteverwertung
Fernweh
Reisefieber
Abenteuerurlaub
Vierundzwanzig Stufen
Bergvagabunden
Urlaubsende
Launen der Natur
Nackedeis
Multitasking
Service ist nur ein Wort
Senioren
Aus Neu mach Alt
Es gibt keine Radfahrer mehr
Traumfabrik
Helden
Fahrkarten-Kauf
Wahrsagerei
Fußball, Fußball über alles
Im Vorhof zur Hölle
Hämmer
Hochwasser
Schwarze Löcher
Ferngesteuert
Service-Wüste
Um jeden Preis
Erziehungsmaßnahmen
Königliche Hoheiten
Zungenbrecher
Der Traum vom Fliegen
Mangelwirtschaft
Der Lack ist ab
Betreutes Fahren
Paketboten
Sendeschluss um Mitternacht
Wenn man Bücher schreibt, möchte man selbstverständlich auch welche verkaufen. Zu diesem Zweck hält man Lesungen. Sofern man das Glück hat, Veranstalter dafür zu gewinnen.
Der Möglichkeiten gibt es viele: Buchhandlungen, Cafés, Literaturzirkel, Stadtteilzentren zum Beispiel. Je nachdem, was man schreibt, kommen auch Sportheime, Museen, Schulen und Kindergärten in Frage. Auch die Kurgäste in Rehakliniken und Krankenhäusern oder die Bewohner von Seniorenheimen sind meist dankbare Zuhörer.
Trotzdem ist es nicht einfach, einen Lesungstermin zu ergattern. Schon gar nicht, wenn es einem nicht liegt, forsch wie der Hauptmann von Köpenick bei den Veranstaltern aufzumarschieren und sie mehr oder weniger zu nötigen.
Bestseller-Autorinnen und -autoren haben es wesentlich leichter. Da organisiert der Verlag ganze Lesereisen. Der will ja schließlich auch Bücher verkaufen. Je mehr, desto besser.
Aber da auch ein blindes Huhn ab und zu ein Körnchen findet, hatte ich in diesem Jahr das Glück, schon etliche Lesungen halten zu dürfen. Dabei kann man so einiges erleben, mit dem man vorher nicht gerechnet hat!
Wenn man in einem Café liest, kommt es gar nicht so selten vor, dass mittendrin die Tür aufgeht und jemand hereinkommt, der eigentlich ,nur' einen Kaffee trinken und den dort angebotenen tollen Kuchen probieren möchte. Was für ein Glück, wenn der oder die Betreffende dann erst mal sitzen bleibt, sich die Lesung anhört (obwohl er noch nie von diesem Autor oder der Autorin gehört hat) und hinterher nicht nur mit gut gefülltem Bauch, sondern auch mit einem oder mehreren Büchern zufrieden von dannen zieht. Mir ist das bisher allerdings noch nicht passiert. Ich hatte schon Glück, wenn die Gäste bei meinem Anblick nicht auf der Stelle das Weite gesucht haben.
Zwischenrufe von Zuhörern kommen auch gelegentlich vor. Oder ein vergessenes Handy plärrt mitten im spannenden Krimi los. Das darf einen aber nicht aus der Fassung bringen. In diesem Fall ist es nicht schlecht, wenn man – wie ich - beim Theaterspielen gelernt hat, zu improvisieren. Oder entsprechend schlagfertig reagieren kann. Das kann man allerdings lernen. Das beste Beispiel dafür bin – auch wieder ich ...
Als Kind war ich – man glaubt es heute kaum - seeehr schüchtern. Das hat noch bis ungefähr Mitte zwanzig angedauert. Stumm wie ein Fisch saß ich da – in der Schule, bei Geburtstagspartys oder sonst irgendwo unter vielen Menschen. Selbst wenn ich etwas zu sagen gehabt hätte - ich kriegte die Zähne nicht auseinander. Aus Schüchternheit. Vielleicht auch aus Angst, mich zu blamieren.
Irgendwann legte sich von einem Tag auf den anderen der Schalter um. Von da an war – und bin ich noch immer – das genaue Gegenteil. Heute sagt man mir nach, dass man bei meinem Ableben meine freche Gosch'n nochmal extra erschlagen muss ...
Aber jetzt zurück zu dem, was ich eigentlich erzählen wollte. Nämlich zum Glöckner von der Frauenkirche, dem diese Geschichte (und das Buch) ihren Titel verdanken.
Es gibt vermutlich kaum jemanden in Nürnberg oder sonst irgendwo auf der Welt, der die Frauenkirche nicht kennt. Immerhin eröffnet das Christkind von dort aus jedes Jahr ,seinen' Markt, und die Zeremonie wird fast überall im Fernsehen live übertragen.
Im Schatten (oder besser auf der Rückseite) dieses ehrwürdigen Gotteshauses sollte ich im Sommer dieses Jahres eine Lesung halten. Im Freien, auf zwei oder drei ehemaligen Parkplätzen, die man zu diesem Zweck requiriert hat. Mit Sitzbänken und Blümchen in Kästen hat man das Ganze in eine Ruhezone verwandelt. Sehr zum Leidwesen der Autofahrer (Parkplätze sind in der Innenstadt Mangelware), aber zur Freude der Fußgänger oder älterer Leute, die gerne mal eine Pause einlegen, ohne gleich etwas konsumieren zu müssen. ,Parklet' nennt man das, und man kann das Mobiliar ohne Weiteres auch mal woanders hinstellen.
Nun ist das mit Freiluftveranstaltungen so eine Sache. Die sind wetterabhängig. Und wie der Teufel will – am Tag der geplanten Lesung schien die Sonne von einem strahlend blauen Himmel. Bis – ja, bis mein Mann und ich in der Stadt ankamen. Als wir die Tiefgarage verlassen wollten, schüttete es wie aus Kübeln. Zum Glück waren wir früh dran und konnten die Dusche von oben abwarten. Sie dauerte nur ein paar Minuten.
Am Leseort angekommen, war eine Mitarbeiterin bereits beschäftigt, die Sitzgelegenheiten trockenzulegen. Meine Bücher konnte ich gegenüber im Büro des Veranstalters aufbauen. Nur für den Fall, dass Petrus beabsichtigte, ein weiteres Mal den himmlischen Wasserhahn aufzudrehen.
Er tat es nicht. Aber dafür gab es eine andere lautstarke Unterbrechung meiner Lesung.
Eine Viertelstunde vor dem Ende – es war dreiviertel sieben (für Nicht-Franken: Viertel vor sieben) ertönten vom Turm der Frauenkirche die Glocken. Aber nicht nur drei Schläge, wie es sich zur Dreiviertelstunde gehört. Nein, es klang, als stünde der Weltuntergang unmittelbar bevor!
Weiterlesen war unmöglich. Man konnte sein eigenes Wort nicht mehr verstehen. Ich guckte also sehr vorwurfsvoll zum Kirchturm hinauf und brüllte: „Ich mache lieber mal Pause, bis der Radau zu Ende ist!" Ich weiß, das ist wenig respektvoll. Aber schließlich kam das Glockengeläut zu einer sehr unpassenden Zeit – und obendrein viel zu früh!
Ich nutzte die Gelegenheit, mit einem Schluck aus meinem Wasserglas meine Stimme zu ölen. Leider dachte der ,Glöckner von der Frauenkirche' überhaupt nicht daran, seine lärmintensive Tätigkeit wieder einzustellen.
An dieser Stelle möchte ich einwerfen: Ich weiß sehr wohl, dass in der heutigen Zeit kein Mensch mehr auf den Glockenturm klettert, um dort am Seil zu hängen wie ein Gorilla an der Liane, um die Kirchenglocken in Bewegung zu setzen. Natürlich wird auch das – wie mittlerweile fast alles – elektronisch gesteuert. Allerdings sollte ein Computer imstande sein, die richtige Uhrzeit zu erwischen. Da waren die menschlichen ,Täter' früher zuverlässiger!
Wie dem auch sei: Nach einer gefühlten Ewigkeit verstummte endlich die Geräuschkulisse.
„Gott sei Dank, der Glöckner hat Feierabend", bemerkte ich in Richtung meiner grinsenden Zuhörerschaft, bevor ich meine Geschichte zu Ende brachte.
Immerhin – am Ende dieser denkwürdigen Veranstaltung habe ich sogar ein paar Bücher verkauf ...
* * *
„Sag mal – bist du sicher, dass wir auf dem richtigen Weg sind?"
Mein Mann stellt das Handköfferchen ab, das er die ganze Zeit hinter sich her gezerrt hat, richtet sich auf und reibt sich den schmerzenden Rücken.
„Zumindest sind wir auf dem Weg in die Innenstadt." Hinter der Brücke, die wir gerade überquert haben, sehe ich einen Wegweiser mit der Aufschrift „Karstadt", der nach rechts zeigt. Ganz in der Nähe muss das Café sein, in dem ich heute – zusammen mit einer Kollegin – eine Autorenlesung halten soll.
Seufzend tappen wir weiter. Es nieselt. Es ist kalt und ungemütlich. Hätte ich geahnt, was das für eine Irrfahrt werden würde – ich glaube, ich hätte mich für diesen Auftritt nicht gemeldet!
Das ganze Unterfangen stand von Anfang an unter keinem guten Stern. Eigentlich hatten wir mit dem Zug fahren wollen. Wenn – ja, wenn ich es geschafft hätte, entsprechende Fahrkarten zu organisieren ...
Aber das Internet kann mich nicht leiden. Auch die Bahn nicht, und schon gar nicht die VGN. Ich will Ihnen die Einzelheiten lieber ersparen, die mich eine Million Nerven gekostet und
uns letzten Endes veranlasst haben, doch das Auto zu nehmen.
Tja. Und nun sind wir da, unser fahrbarer Untersatz steht auf der anderen Seite des Main-Donau-Kanals in einem Parkhaus – und wir suchen das Hofcafé. Keine Ahnung, warum das so heißt. Vielleicht, weil in der Stadt früher irgendwelche königlichen Hoheiten residiert haben. Oder weil man im Innenhof bei schönem Wetter im Freien Kaffee trinken kann ...
Vorerst tun mir die Füße weh. Obwohl ich bequeme Schuhe anhabe. Aber auf Kopfsteinpflaster zu laufen ist kein Vergnügen. Dieses Relikt aus dem Mittelalter, auch in der Innenstadt von Nürnberg sehr geläufig, könnte man wirklich mal abschaffen. Pferdekarren gibt es schließlich auch nicht mehr!
Der Handkoffer, in dem ich meine Bücher transportiere, scheppert laut. Aufs Klo muss ich auch, und das dringend!
Nachdem uns ein ortskundiges Ehepaar endlich auf den richtigen Weg gebracht hat, finden wir immerhin das Karstadt-Kaufhaus. Da gibt es Toiletten. Resolut marschiere ich hinein, meinen Gatten im Schlepptau. Im zweiten Stock finde ich endlich, was ich so dringend brauche ...
Sichtlich erleichtert komme ich zurück und wir machen uns wieder auf die Suche.
Ich werde den Verdacht nicht los, dass einer von uns in seiner Ahnengalerie einen Nachkommen von Odysseus, dem Seefahrer hatte. Sie wissen schon, das ist der Held aus der griechischen Sage, der nach dem Trojanischen Krieg zehn Jahre unterwegs war, bis er endlich wieder zu Hause ankam. So lange brauchen wir hoffentlich nicht!
Von dem vielen Herumgerenne haben wir Hunger gekriegt. Wir steuern irgendein Café an (das richtige haben wir immer noch nicht entdeckt) und stärken uns mit Kaffee und Kuchen.
Ein Glück, dass wir sehr früh losgefahren sind! Ich will unbedingt noch das Wahrzeichen von Bamberg, das ,Alte Rathaus' sehen und die Brücke davor, die der Stadt den Namen ,Klein-Venedig' eingebracht hat.
Wäre nur das Wetter nicht gar so ungemütlich! So vertreiben wir uns die Zeit hauptsächlich in verschiedenen Geschäften, bummeln ziellos durch die Fußgängerzone und finden irgendwann eher zufällig doch noch das Gesuchte.
Heute halten sich die Touristenmassen in Grenzen, obwohl noch Osterferien sind. Aber es ist später Nachmittag, es regnet inzwischen in Strömen und die meisten Touristenbusse sind längst auf der Rückfahrt. Ich kriege sogar ein paar Fotos in den Kasten, auf denen keine Köpfe zu sehen sind. Allerdings – ein bisschen Sonne hätte die bunten Farben des Rathauses sicher noch mehr leuchten lassen!
Es wimmelt in der Stadt von Studenten, und die kennen hier alle einschlägigen Lokale. Obendrein sind sie alle sehr nett und freundlich und zeigen uns endlich den Weg zu unserem Ziel. Welche Überraschung – es ist nur ein paar hundert Meter von der Rathausbrücke entfernt!
Wir sind die ersten und dürfen im Nebenzimmer Platz nehmen, in dem später die Lesung stattfinden wird. Gott sei Dank – endlich hinsetzen, ein Getränk hingestellt kriegen und ein bisschen ausruhen! Wir sind halt doch nicht mehr die Jüngsten! Wobei – meine Gehwerkzeuge sind bei Weitem nicht mehr so intakt wie die von meinem Gatten, obwohl er mir an Jahren einiges voraus hat. Aber seine Beine müssen ja auch nicht fünfzehn Kilo Übergewicht schleppen.
Die Zeit vergeht. Es wird halb sechs, dann zwanzig vor. Noch immer niemand da. Weder meine Autorenkollegin noch irgendein Zuhörer.
Ich fange allmählich an zu zweifeln, ob ich mich im Lokal, beim Datum oder in der Uhrzeit geirrt habe. In letzter Zeit kommt so was hin und wieder vor. Kein Wunder bei dem Stress! Im letzten halben Jahr haben sich alle Termine zusammengeballt, die dank Corona in den vergangenen drei Jahren ausgefallen sind. Sicherheitshalber konsultiere ich zum x-ten Mal meinen Kalender. Aber es stimmt alles. An mir liegt es diesmal also nicht!
Die Holztür öffnet sich knarzend. Hurra, es treffen zwei Zuhörerinnen ein! Kurz danach kommt meine Kollegin mit ihrer Familie, danach noch andere Neugierige.
Ein Lesepult ist nicht vorbereitet. Wir greifen zur Selbsthilfe. Zack, wird ein Tischchen nach vorne gerückt, unsere Manuskripte darauf ausgebreitet und dann in die Kamera gelächelt. Der Kollege, der die Lesung hier organisiert hat, schreibt gelegentlich für die örtliche Zeitung und möchte ein Foto. Hoffentlich habe ich nicht wieder gar so dämlich geglotzt!
Die Lesung macht Spaß, die Zuhörer geizen nicht mit Applaus. Das Brot des Künstlers – das ist es, was einen immer wieder dazu bringt, den ganzen Stress auf sich zu nehmen.
Nachdem die Lesung zu Ende ist, ratschen wir noch ein bisschen mit den Anwesenden. Aber dann hat mein Göttergatte es eilig. Wir haben noch eine knappe Stunde bis nach Hause und es wird nicht mehr lange dauern, bis es dunkel ist.
Hektisch raffe ich meine Bücher, Flyer und Visitenkarten zusammen, stopfe alles in den Handkoffer, renne noch mal zur Toilette. Wer weiß, wie lange es dauert, bis wir unser Auto wiedergefunden haben. Eine weise Entscheidung!
Wir verabschieden uns eilig und flitzen los. Mein Mann weiß, wie wir zum Parkhaus kommen. Immer runter Richtung Wasser, über die Brücke und dann sind wir da.
Schön war's!
Es gibt ein Lied mit dem Titel ,Über sieben Brücken musst du geh'n' ... Also, wenn wir die zählen, die wir doppelt gelaufen sind, weil wir wieder umkehren mussten, sind es gefühlt mindestens siebenunddreißig!
Kurz und gut: Hätte nicht nach x-maligem Fragen ein netter Student uns mit Hilfe seines Handys den richtigen Weg gewiesen – wir würden heute noch suchen.
Immerhin weiß ich jetzt, in wessen Ahnengalerie sich die Nachfahren des Odysseus getummelt haben müssen!
Dass ich in der Hektik mein Handy im Café liegen gelassen habe, die Parkgebühr das Honorar restlos aufgefressen und es den größten Teil des Heimwegs in Strömen geregnet hat, war nur das Tüpfelchen auf dem berühmten ,I'.
* * *
Liebe Leserinnen, liebe Leser, ich muss Ihnen ein Geständnis machen: Ich bin Schnäppchenjägerin!
Nein, nicht von der Sorte Raffzahn, die während der Corona-Zeit Klopapier und Nudeln gehamstert und sich an der Supermarktkasse aufgeführt hat wie die Sau am Sofa, wenn die Kassiererin gewagt hat, ihnen einen Teil ihrer Beute abzunehmen (Stichwort: Haushaltsübliche Menge). Oder die sogar den Klopapier-Drive-In in Anspruch genommen haben.
Sie wissen nicht mehr, was das war? Es gab irgendwo in Deutschland einen Supermarkt (oder sogar mehrere), welche die angelieferten Paletten mit Klopapier erst gar nicht in den Laden transportierten, sondern gleich draußen verkauft haben. König Gierhals – pardon, König Kunde - fuhr auf den Parkplatz, der Verkäufer lud die Pakete in den Kofferraum und kassierte gleich. War praktisch. Für beide Seiten. Schon wegen der drohenden Ansteckungsgefahr.
Also, von denen soll heute nicht die Rede sein. Das waren keine Sparfüchse, sondern rücksichtslose Flegel. Punkt!
Nein, ich meine Menschen, die gezielt jede Woche die Werbeblättchen der Discounter nach Sonderangeboten durchforsten, sich akribisch notieren, was sie nächste Woche unbedingt besorgen müssen und dann unter Umständen die halbe Stadt abklappern, bis sie alles beisammen haben. Dass die Kosten für den ÖPNV oder das Benzin die eingesparten Cents wieder auffressen (und meistens gar nicht reichen), daran denken solche Leute nicht. Oder sie ignorieren bewusst diese Tatsache.
Viele tun das aus purer Not. Weil das Gehalt oder die Rente hinten und vorne nicht reicht und sie jeden Cent dreimal umdrehen müssen, bevor sie ihn ausgeben. Oder aus Gewohnheit. Die Kriegsgeneration gehört dazu. Ihr Leben lang ans Sparen gewöhnt, können sie es auch im Alter nicht lassen. Auch wenn sie es gar nicht mehr nötig hätten.
Ich bin ein Nachkriegskind. In den Fünfzigern, als ich geboren wurde, war die Not immer noch groß. Die Sparsamkeit habe ich quasi mit der Muttermilch aufgesogen. Das war äußerst nützlich, als ich meine erste eigene Wohnung bezog. Mein nicht gerade üppiges Gehalt reichte gerade so – Appartements waren damals schon relativ teuer. Essen und trinken musste ich auch, und die Fahrkarten für die wöchentlichen Zugfahrten nach Hause gingen auch ganz schön ins Geld. Also sparte ich. Jeden Pfennig. Und war stolz wie Oskar, wenn ich irgendwo im Schlussverkauf mal ein günstiges Kleidungsstück erbeuten konnte.
Dieses erhebende Gefühl genieße ich heute noch. Zumal ich weiß, wie hoch die Gewinnmargen bei Kleidung sind. Das Zeug wird gewöhnlich spottbillig in irgendeinem Niedriglohnland produziert und hierzulande für teures Geld an die Kundschaft verhökert. Die Differenz stopft sich der Händler in seine sowieso schon ausgebeulten Taschen.
Schnäppchenjagen ist für mich sozusagen zum Sport geworden. Und – entgegen den Ermahnungen meiner Mutter, nichts zu kaufen, was ich nicht wirklich brauche – fahre ich hin und wieder in mein Lieblings-Outlet-Center, eine halbe Autostunde von Nürnberg entfernt. Wir sind sowieso öfter in dieser Gegend. „Nou gäiht's in an derhie" sagen die Franken.
Vor einigen Tagen haben wir wieder mal einen Ausflug in diese Richtung gemacht. Auf meinen ausdrücklichen Wunsch. Mein Mann kauft dort nie ein, obwohl es jede Menge Sachen auch für Männer gibt. Aber hauptsächlich Anzüge, Business-Hemden, Krawatten und edle Socken. Sowas braucht er als Rentner nicht mehr.
Eigentlich wollte ich nur mal wieder vorbeischauen. Kaufen wollte ich absolut nichts. Meine Schränke platzen ja schon jetzt aus allen Nähten! Doch ich hatte anscheinend Kleister an den Fingern. Als wir nämlich wieder gingen, blieben zwei T-Shirts an mir kleben und ließen sich einfach nicht entfernen.
Was sollte ich machen? Sie mit Gewalt runterreißen? Das brachte ich nicht übers Herz. Da wären sie vielleicht kaputt gegangen. Also zückte ich meinen Geldbeutel, bezahlte die Teile und nahm sie mit.
Ich gehe jede Wette ein, dass es Ihnen genauso gegangen wäre. Oder hätten Sie ein Polo-Shirt liegen gelassen, das mal fast neunzig Euro gekostet hat und jetzt für zehn dort hing? Und das andere, nur unwesentlich teurer, das Ihnen schon im ersten Augenblick fast ins Gesicht gesprungen ist und so gut zu Ihrer weißen Hose passt, die Sie beim letzten Mal so günstig im Outlet erstanden haben? Nein, hätten Sie nicht, da bin ich sicher.
Genauso sicher bin ich, dass ich diese beiden Teile noch in meinem Schrank unterbringen werde!
***
Paywall. Auch so ein entsetzliches neues Wort, dem man ständig begegnet, wenn man einen Bericht in der Zeitung lesen will. Auf Deutsch: Bezahlschranke. Soll heißen: wenn einen der Artikel interessiert, muss man erst mal löhnen. Wie bei den sattsam bekannten, Pay-TV genannten Fernsehkanälen á la Amazon Prime, Netflix oder Sky. Das sind die einzigen, die mir geläufig sind. Sicher gibt es noch mehr davon. Aber die muss ich mir nicht merken. Ich nutze sie sowieso nicht.
Was mich am meisten ärgert, sind die Tageszeitungen. Die verstecken inzwischen alles, was einigermaßen interessant wäre, hinter besagter Paywall. Also, ich finde, das ist eine Frechheit. Schließlich hat doch jeder Bürger das Recht auf Information. Wer sich das aber nicht leisten kann, steht im Regen.
Gut, ich sehe ja ein, dass die Journalisten und die Mitarbeiter in der Druckerei nicht ohne Gehalt arbeiten wollen. Auch die Vorstandsmitglieder möchten vom Kuchen was abhaben (am liebsten die größten Stücke). Auch alles andere, was sonst noch zur Produktion einer Zeitung nötig ist, kostet einen Haufen Geld. Vor allem das Papier ist teuer geworden. Sehr teuer. Ob das wohl daran liegt, dass während der Corona-Zeit so viele Leute Klopapier gehortet haben?
Was aber in meinen Augen gar nicht geht, ist, dass man nicht einmal mehr die Traueranzeigen lesen kann, ohne gleich die Zeitung zu abonnieren. Traueranzeigen! Die sind erstens wichtig und zweitens schon bezahlt. Nämlich von den Hinterbliebenen. Zwar werden die Anzeigen nach zwei Wochen für alle freigeschaltet – aber was habe ich davon, wenn ich von Tante Klaras Beerdigung erst erfahre, wenn sie längst unter der Erde ist? Also, das gehört doch nun wirklich zu den Informationen, die für alle zugänglich sein müssen! Schließlich geben die Angehörigen doch die Anzeige auf, damit jeder, der an der Trauerfeier teilnehmen möchte, auch erfährt, wann sie stattfindet!
Es ist für mich absolut kein Trost, dass stattdessen alle möglichen Belanglosigkeiten kostenlos im Internet abgerufen werden können. Was interessiert es mich, dass Fußballer XYZ sich kurz vor seinem Eintritt ins Rentenalter als schwul geoutet hat, nachdem er dreißig Jahre mit einer Frau verheiratet war und mit ihr vier Kinder hat? Oder dass irgendeine Möchtegern-Prominente, deren Namen niemand kennt, sich zum Schönheitschirurgen in Behandlung begeben und jetzt Lippen hat wie ein Schlauchboot? Mir ist es, um die Wahrheit zu sagen, auch völlig wurscht, wer von den königlichen Hoheiten in Europa gerade seinen Geburtstag oder den dreiundsiebzigsten Jahrestag seiner Krönung feiert. Wenn ich so was unbedingt wissen will, gehe ich zum Arzt. Im Wartezimmer liegt genügend erbauliche Lektüre herum, in der alle meine diesbezüglichen Fragen beantwortet werden.