Der Großversuch - Brigitte Meurer - E-Book

Der Großversuch E-Book

Brigitte Meurer

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Beschreibung

Die Tochter des Journalisten Richard Gruber verstirbt. Diagnose Herzversagen. Diese Diagnose wird von Richard Gruber angezweifelt, da seine Tochter kurz vorher gegen die Schweinegrippe geimpft wurde. Er trifft auf den Arzt Walter Almrath, der die Zweifel für berechtigt hält. Er berichtet, dass Pharmavertreter viele Ärztemuster dieses Impfserums verteilen und Kopfprämien für Impfungen zahlen. Walter Almrath stellt dem Journalisten eine Probe des Serums zur Verfügung. Diese Probe wird von einem mit Richard Gruber befreundeten Chemiker untersucht. Es stellt sich heraus, dass es sich hierbei um ein Serum gegen normale Grippe handelt, jedoch Zusatzstoffe enthält, die er nicht klar analysieren kann. Eine Kollegin teilt ihm mit, dass bei diesem Serum die, nicht ungefährliche, Nanotechnologie eingesetzt wird. Ein Mitarbeiter des Institutes verkauft die Information, dass dieses Serum untersucht wurde an Wilhelm Soltau, einem ehemaligen Mitarbeiter des BND. Dieser arbeitet für des Hades, einem Zusammenschluss von Managern einiger Pharmaunternehmen. Soltau erhält den Auftrag, den Auftraggeber dieser Analyse zu finden. Es wird in das Institut eingebrochen,jedoch nur die Überwachungsbänder gestohlen. Soltau kann Richard Gruber als den Auftraggeber identifizieren und teilt es dem Hades mit. Soltau erhält von dem Vorsitzenden des Hades den Auftrag den Journalisten zu stoppen. Wilhelm Soltau recherchiert und verfolgt Richard Gruber. Zwischenzeitlich erteilt ein Mitglied des Hades einem orientalischen Terroristen telefonisch den Mordauftrag an Richard Gruber.

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Seitenzahl: 427

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Der Tag war trübe. Dicke graue Wolken schütteten kalten Regen über die Trauergemeinde. Ein Heer von schwarzen Regenschirmen wogte im böigen Wind. Nur ein Mann stand ohne Schirm am offenen Grab. Sein bleiches Gesicht war nass, Tränen vermischten sich mit dem kalten Regen. Er wirkte wie versteinert. Seine Hände waren zu Fäusten geballt und vor seinen Füßen lag ein großer Strauß weißer Rosen. Langsam senkte sich der Sarg in das offene Grab. Eine Frau schluchzte laut. Als die jungen Männer, die den Sarg zu Grab getragen hatten, die Gurte vorsichtig niederlegten, bückte der Mann sich und griff nach den Rosen. Er trat an das offene Grab und ließ das Rosenbukett, fast zärtlich, in das offene Grab fallen. Leise flüsterte er “Du warst noch so jung. Das ganze Leben lag noch vor dir. Es war Mord. Ich werde den Täter zur Rechenschaft ziehen.” Er hob seine rechte Hand wie zu einem letzten Gruß, drehte sich abrupt um und ging, ohne sich weiter um die Trauergemeinde zu kümmern in Richtung Parkplatz davon.

Auf dem Parkplatz angekommen setzte er sich in seinen Aston Martin, wischte sich energisch den Regen und die Tränen aus dem Gesicht. Dann verließ mit aufheulendem Motor den Parkplatz. Als er sich in den fließenden Verkehr eingereiht hatte, sagte er deutlich “Redaktion”. Das leise piepsen der Freisprechanlage zeigte ihm an, dass sein Handy wählte. Schon nach dem ersten Freizeichen meldete sich Silke mit ihrer samtenen Altstimme “Allgemeines Tageblatt, guten Tag, wie darf ich Ihnen helfen?”

„Tag Silke, hier ist Richard, gib mir bitten den Chef.”

„Moment, ich verbinde dich.” Es knackte in der Leitung und kurz darauf meldete sich der Chefredakteur Gunter Willich „Hallo Richard, bist du nicht auf der Beerdigung deiner Tochter?”

„Da komme ich gerade her. Ich möchte Urlaub haben - unbegrenzt - von mir aus auch unbezahlt.”

“Richard, was hast du vor? Wen soll ich denn jetzt nach Afghanistan schicken, das kannst du nicht machen. Du bekommst keinen Urlaub. Morgen fliegst du!”

„Dann kündige ich eben.” erwiderte Richard Gruber aufgebracht.

„Bist du völlig verrückt geworden? Davon wird deine Tochter auch nicht wieder lebendig. Mach deine Arbeit. Das ist das Beste.”

„Das Beste ist, wenn ich heraus finde, warum meine Tochter sterben musste. Vielleicht ist ja auch eine Story drin. Was ist jetzt? Kriege ich meinen Urlaub oder muss ich wirklich kündigen?” Seufzend brummte Gunter Willich „Ja, du kriegst deinen Urlaub. Dafür kriege ich eine Menge Ärger. Aber bitte halte mich auf dem Laufenden - und mach keinen Unsinn.”

„Danke, ich melde mich.” Damit trennte Richard die Leitung. Wie eine schnurrende Katze glitt der Aston Martin im fließenden Verkehr dahin. Richard Grubers Gedanken wurden vom Klingeln seines Handys unterbrochen. „Gruber” meldete er sich ungehalten. „Sag mal, was fällt dir ein, einfach so zu verschwinden. Du hättest wenigstens auf mich warten können. Es ist auch meine Tochter, die da gerade beerdigt wurde. Ein wenig Trost hätte ich gebraucht.”

„Anke, ich habe jetzt keine Lust mit dir zu streiten. Ich konnte und kann jetzt keine Menschen ertragen, die mir ihr Beileid für den sinnlosen Tod unserer Tochter aussprechen. Lass dich von deinem Mann trösten, der kann das wesentlich besser als ich. Ich melde mich irgendwann bei dir.”

„Du bist immer noch der rücksichtslose Kerl, der du immer warst!” Grußlos hatte Anke aufgelegt. Richard Gruber zuckte mit den Schultern und murmelte grimmig „Ich weiß schon, warum ich mich scheiden ließ.”

Er schaute sich um und stellte fest, dass er unbewusst seine Lieblingsbar angesteuert hatte. Richard Gruber setzte den Blinker und bog mit quietschenden Reifen auf den Parkplatz ein. Mit großen Schritten eilte er durch den immer noch strömenden Regen zum Eingang der Bar.

- 2 -

Als er die Bar betrat umfing ihn tröstlich, angenehme Wärme und das leise Gemurmel der Gäste. Richard Gruber hängte seinen Mantel auf, ging zur Bar und setzte sich auf einen Hocker. „Tag Angelo, einen Cognac, doppelt bitte.” Mit geübten Handgriffen schenkte der Barkeeper den Cognac ein und stellte ihn vor Richard Gruber ab. Der ergriff das Glas und leerte es in einem Zug. “Noch mal dasselbe.” Angelo goss erneut Cognac in das Glas und sagte „Richard, davon wird es auch nicht besser.”

“Keine Sorge, ich betrinke mich nicht. Ich möchte nur ein wenig nachdenken. Den ersten Schluck brauchte ich jetzt einfach.” Angelo nickte und widmete sich wieder den anderen Gästen. Erst jetzt bemerkte Richard Gruber, dass ein Mann neben ihm saß, der ihn mit leicht glasigem Blick ansprach „Auch Kummer, Fremder? Ich heiße Walter Almrath.”

“Richard Gruber” murmelte er abweisend. Richard Gruber hatte keine Lust auf ein Gespräch. Doch sein Nachbar redete mit der Hartnäckigkeit eines Angetrunkenen weiter „Weißt du Richard, wenn ich meinen Eid nicht vergesse, dann bin ich Pleite. Aber ich kann verdammt noch mal meinen Eid nicht vergessen.” Etwas unsicher griff Walter Almrath nach seinem Bierglas. „Was ist das denn für ein Eid?” fragte Richard Gruber nicht mehr ganz so abweisend. „Na, den hikratis - hippat - ach ich bin zu betrunken, um das Wort auszusprechen. Meinen Eid als Arzt, eben.” Mit einem Schlag erwachte das Jagdfieber in Richard Gruber. Er schob das Cognacglas zur Seite, winkte nach Angelo und bestellte eine Limonade und einen starken, großen Kaffee für seinen Nachbarn. „Du gehst nicht Pleite, wenn du deinen hippokratischen Eid vergisst oder ignorierst? Wie soll ich das verstehen?”

„Ach das ist ziemlich kompliziert und es dauert lange das zu erklären.”

Richard Gruber blickte seinen Nachbarn aufmerksam an „Ich habe Zeit und kann zuhören.” Walter Almrath schwankte etwas als er versuchte seinen Nachbarn konzentriert anzuschauen „Was bist du denn für ein komischer Mensch? Du hast Zeit und willst zuhören? So ganz ohne Hintergedanken einfach so?” Das erste mal seit Tagen huschte ein kleines Lächeln über Richard Grubers Gesicht. Er schüttelte den Kopf „Nein, nicht ohne Hintergedanken. Aber vielleicht können wir uns gegenseitig helfen. Du bist Arzt und kannst mir vielleicht einige Zusammenhänge erklären. Ich bin Journalist und kann dir vielleicht helfen. Ich weiß zwar noch nicht wie, aber ich werde überlegen.” Angelo stellte die Limonade vor Richard Gruber und den großen Topf mit dampfendem Kaffee vor Walter Almrath ab.

Mit einem Nicken schob Richard Gruber das immer noch gefüllte Cognacglas in Richtung Angelo, der es mit einem leichten Stirnrunzeln wegnahm und den Cognac in den Ausguss schüttete. Schweigend schaute Richard seinen Nachbarn an. Der griff zögernd nach der Kaffeetasse, trank einen Schluck und verzog angewidert das Gesicht „Aus medizinischer Sicht ist der Kaffee völlig falsch, wenn du mich ausnüchtern willst. Weißt du Kaffee regt den Kreislauf und die Magentätigkeit an und damit wird der Alkohol schneller ins Blut transportiert. Wesentlich besser ist Wasser.”

Dr. Walter Almrath drehte den Kopf und winkte Angelo herbei „Wasser ohne Kohlensäure, aber bitte eine große Flasche.” Auch diese Bestellung nahm der Barkeeper mit einem leichten Runzeln der Stirn, aber wortlos, entgegen. Kurz darauf stand eine große Flasche Wasser und ein blitzendes Glas vor Dr. Walter Almrath. Angelo goss Wasser in das Glas und mit einem leicht ironischen „Wohl bekomm's” widmete er sich erneut seinen anderen Gästen.

Richard Gruber, der immer noch schweigend Dr. Walter Almrath anschaute, nippte an seiner Limo. Nachdem der Arzt das zweite Glas Wasser geleert hatte, trank er einen Schluck des immer noch heißen Kaffees. „Weißt du, irgendwie bin ich ein Arzt der alten Schule. Ich nehme mir Zeit für meine Patienten. Aber das ist heute nicht mehr so einfach mit den ganzen Vorschriften und Abrechnungsformalitäten. Aber das ist ja nicht das Schlimmste. Als Arzt wirst du von Kliniken und Pharmareferenten unter Druck gesetzt. Ja, und wenn du das nicht mitmachen willst, dann hast du eben Pech, dann musst du Pleite machen. So ist das eben.” Dr. Walter Almrath zuckte mit den Schultern und schaute Richard mit verschleierten Augen an „Na und ich bin eben soweit. Und was hast du für einen Kummer?”

„Ich habe heute meine neunzehnjährige Tochter begraben. Sie ist wahrscheinlich an einer Impfung gestorben.”

„Oh, das tut mir leid. War es eine Impfung gegen die Schweinegrippe?” Richard Gruber schaute den Arzt verblüfft an. „Woher weißt du das?” Dr. Walter Almrath grinste ein wenig schief „Och, es ist doch zumindest in Ärztekreisen eine bekannte Tatsache, dass diese Impfung eine Menge schwerwiegender Nebenwirkungen hat.”

Langsam hatte sich die Bar mit Gästen gefüllt und der Geräuschpegel war angeschwollen. Richard Gruber schaute sich um, beugte sich zu seinem Nachbarn und flüsterte „Ich glaube, wir sollten das Gespräch in einer etwas intimeren Umgebung fortsetzen, wenn du einverstanden bist. Da ist die Unterhaltung etwas entspannter.”

„Woran denkst du?”

„Wenn du nicht unbedingt nach Hause musst, komm doch noch mit in meine Wohnung. Da gibt es dann auch etwas zu essen.” Dr. Walter Almrath nickte lachend “Einen Happen könnte ich jetzt wirklich vertragen.” Richard Gruber winkte Angelo herbei “Die Rechnung bitte, alles zusammen.” Kurze Zeit später verließen die beiden Männer die Bar.

- 3 -

Es war bereits dunkel geworden und der Himmel hatte seine Schleusen jetzt vollständig geöffnet. Gefolgt von Dr. Walter Almrath lief Richard Gruber durch den strömenden Regen zum Parkplatz. Als sie bei Richard Grubers Auto ankamen, nickte der Arzt anerkennend „Einen chicen Flitzer hast du da.” Schnell steigen die beiden Männer in den Aston Martin. „Na, wenn ich schon mal hier bin, dann will ich auch etwas Spaß haben.”

„Sag mal, was machst du eigentlich als Journalist?”

„Ich bin Auslandskorrespondent und treibe mich die meiste Zeit des Jahres in irgendwelchen Krisengebieten herum.” Wieder nickte Dr. Walter Almrath „Dann kann ich verstehen, dass du etwas Spaß haben möchtest, wenn du zu Hause bist. Was sagt denn deine Familie zu deinem Job?”

„Ich bin geschieden.” Dr. Walter Almrath zuckte mit den Schultern „Das wird mir wohl auch noch passieren. Als meine Einnahmen immer weiter sanken, ist meine Frau einfach abgehauen. Ich weiß nicht einmal wo sie steckt.” Den Rest des Weges saßen die beiden Männer schweigend nebeneinander. Nur das monotone Geräusch des Scheibenwischers und das gleichmäßige Schnurren des kraftvollen Motors waren zu hören.

Etwas später bog der silberne Aston Martin in die Tiefgarageneinfahrt vor einem Hochhaus ein. Richard Gruber drückte auf einen Knopf am Armaturenbrett und das Rollgitter glitt hoch. Er ließ den Wagen in eine Parkbox rollen, dessen Garagentor offen stand. Die Männer stiegen aus. Richard Gruber drückte auf eine Taste an seinem Wagenschlüssel und mit einem leisen Knacken verriegelte sich der Wagen. Kurz darauf ertönte ein melodisches Pfeifen. Dr. Walter Almrath schaute sich verblüfft um „Was war denn das?”

„Diese kleine Melodie sagt mir, dass der Diebstahlschutz jetzt aktiv ist.” lächelte Richard Gruber. Bevor die beiden Männer die Garage verließen, drückte Richard Gruber auf einen winzigen Taster in der Box und das Garagentor begann sich zu senken.

Dr. Walter Almrath folgte dem Journalisten zum Aufzug. Im Aufzug kramte Richard Gruber in seinen Taschen. Er zog einen Schlüssel aus den Tiefen seiner Hosentasche, steckte ihn in ein Schloss im Fahrstuhl und setzte ihn mit einer Drehung des Schlüssels in Bewegung.

- 4 -

Als der Lift kurze Zeit später mit einem sanften Ruck anhielt, gaben die auseinander gleitenden Türen den Blick auf eine großzügige Wohnung frei. Mit einer Handbewegung forderte Richard Gruber seinen Gast auf, die Wohnung zu betreten. „Das ist mein Ruhepunkt. Hier kann ich meinen Job vergessen und das ganze Grauen das damit zusammenhängt.” Langsam ging Walter Almrath die drei Stufen zum Wohnzimmer hinunter, durchquerte das Wohnzimmer dessen großes Panoramafenster einen atemberaubender Blick auf die Stadt freigab. „In welchem Stockwerk sind wir eigentlich?” Der Arzt stand so dicht vor der Scheibe, dass sich sein Atem dort niederschlug. „Einundzwanzigste Etage. Darüber gibt es nur noch den Himmel und ein paar Flugzeuge. Aber zieh doch deine nasse Jacke aus und wenn du möchtest, kannst du auch einen Trainingsanzug von mir haben. Die Arme und die Beine dürften etwas lang sein, aber es ist immer noch bequemer, als in deinen nassen Sachen herumzuhocken.” Dr. Walter Almrath nahm das Angebot dankend an, begann sich seiner nassen Kleidung zu entledigen. Er fing den Trainingsanzug, den Richard Gruber ihm zuwarf, auf und zog ihn rasch an.

Richard Gruber hatte bereits einen Jogginganzug an und fragte “Hast du jetzt Hunger? Ich könnte uns ein Steak in die Pfanne hauen. Was meinst du dazu?” Dr. Walter Almrath der gerade seine feuchten Sachen ordentlich auf einen Stuhl hängte antwortete „Ja gerne, wenn ich etwas gegessen habe bin ich auch wieder soweit, dass ich einen klaren Gedanken fassen kann.” Richard Gruber stand in der Küche und deutete auf einen Hocker vor der Küchenbar. Dr. Walter Almrath nahm Platz und schaute Richard Gruber beim Kochen zu. „Wie möchtest du dein Steak?”

„Medium.” Das laute Brausen der Dunstabzugshaube machte eine Unterhaltung schwierig, daher schwiegen die Männer. Mit sparsamen Bewegungen briet Richard Gruber die Steaks, bereitete einen Salat zu, schob ein Baguette in den Ofen und legte Besteck und Servietten auf die Bar. „Möchtest du ein Glas Wein oder lieber etwas alkoholfreies?”

„Oh, Alkohol habe ich heute schon genug gehabt. Wenn du einen Saft hast, wäre mir das lieber. Richard Gruber stellte sein Glas vor seinen Gast und fragte „Orange, Grapefruit, Tomate, Traube oder schwarze Johannisbeere?” Dr. Walter Almrath entschied sich für schwarze Johannisbeere. „Du hast doch nichts dagegen, wenn ich ein Glas Wein trinke?”

„Nein, natürlich nicht.” Richard Gruber stellte ein Weinglas und ein Wasserglas an seinen Essplatz, öffnete eine Flasche Wein und goss sich Wein und Wasser ein. Als die duftenden Steaks auf den Tellern lagen, das Brot und der Salat fertig war, setzte Richard Gruber sich neben Dr. Walter Almrath. Schweigend nahmen sie das Essen ein. Nur einmal unterbrach Dr. Walter Almrath das Schweigen „Es schmeckt mir sehr gut. Das Steak hat wirklich eine hervorragende Qualität und ist genau auf den Punkt.”

“Auch das Essen gehört zu meiner Entspannung. Meistens ist es ein richtiger Fraß, den ich während meiner Arbeit bekomme. Deshalb achte ich sehr genau auf die Qualität, wenn ich zu Hause bin.” Dr. Walter Almrath schaute Richard Gruber verblüfft an „Aber sag mal, wohnst du denn da nicht in einem Hotel?“ Richard Gruber ließ ein kurzes, trockenes Lachen hören „Ich weiß nicht wie du dir so ein Hotel mitten in einem Krisengebiet vorstellst. Auch in den Hotels bist du nicht sicher. Überall wird geschossen. Wenn dann die Rebellen einen Transport mit Lebensmitteln finden, dann wird der überfallen und die Lebensmittel erreichen den Empfänger nicht. Kannst du dir jetzt vorstellen, dass es in diesen Hotels nicht immer ein drei Gänge Menü gibt.“ Richard Gruber grinste „In diesen Hotel werden meistens Ausländer, eben auch Journalisten, unter gebracht. Und - du wirst es nicht glauben, alle Gäste sind schon glücklich, wenn sie zum Frühstück einen Kaffee, Brot und vielleicht ein wenig Fleisch bekommen.“

„Jetzt kann ich verstehen, dass du so großen Wert auf deine Ernährung und ein wenig Luxus, wie dein Auto, legst.“ Dr. Walter Almrath schob seinen Teller etwas von sich und sagte „An dieses Essen könnte ich mich gewönnen.“

„Walter, nimm doch bitte die Gläser mit und mach es dir im Wohnzimmer bequem. Ich sorge hier nur für ein wenig Ordnung.“ Dr. Walter Almrath griff nach den Gläser, stellte sie im Wohnzimmer auf einem Tisch ab und machte es sich in einem Sessel bequem, der ihn fast aufsaugte.

Richard Gruber räumte das Geschirr in die Spülmaschine und nach ein paar Handgriffen sah die Küche wieder so aus, als ob sie nicht benutzt worden wäre. „Kaffee, Espresso, Cappuccino oder Latte?”

„Ein Espresso wäre nicht schlecht. Geht auch ein doppelter?“

„Selbstverständlich geht auch ein Doppelter. Kommt sofort.“

Dr. Walter Almrath schaute sich um. Das Wohnzimmer war sehr sparsam aber geschmackvoll eingerichtet. Das Einzige, dass irgendwie störte, waren die überall herumliegenden Schreibblöcke und Stifte. Während Walter Almrath noch in seine Betrachtungen vertieft war, kam Richard Gruber ins Wohnzimmer, schaute Dr. Walter Almrath an und wieder schlich sich ein kleines Lächeln auf sein Gesicht. Er reichte seinem Gast die Tasse „Hier, dein Espresso. Du wunderst dich wahrscheinlich, dass hier überall Blöcke und Stifte herumliegen. Das ist auch etwas das ich einfach brauche. Überall in meiner Wohnung findest du etwas zum Schreiben, selbst auf dem Klo liegt ein Block und ein Stift. Ich brauche das, damit ich meine Gedanken oder Ideen sofort festhalten kann.”

Dr. Walter Almrath nippte an seinem Espresso “Jetzt sag mir doch bitte einmal warum sich deine Tochter impfen ließ.” Richards Grubers Blick verschleierte sich „Ihr Arzt hatte es ihr empfohlen. Sie wollte in ein paar Wochen nach Alaska fliegen, um dort Urlaub zu machen. Sie hat ihrem Arzt vertraut und ließ sich die Spritze geben. Zehn Tage später war sie tot. Es begann mit Kreislaufstörungen, Herzrasen und extremer Müdigkeit. Der Arzt sagte, dass das normal sei und sie sich keine Sorgen machen müsse. Meine Exfrau machte sich natürlich Sorgen und hat mich sofort informiert, aber ich glaube da war es schon zu spät. Vor einer Woche fand sie dann unsere Tochter morgens tot im Bett. Der Notarzt diagnostizierte Herzversagen. Dabei war ihr Herz völlig in Ordnung, so wie bei einem jungen Fohlen.”

„Es tut mir leid. Aber deine Tochter ist nicht die Erste die nach solch einer Impfung starb. In diesem Serum ist ein sogenannter Immunverstärker und niemand weiß so recht wie der sich auf den menschlichen Körper auswirkt.” seufzte Dr. Walter Almrath.

Richard Gruber schüttelte den Kopf „Ja, Herr im Himmel, ist dieses Serum denn nicht getestet worden?” Dr. Walter Almrath lachte trocken auf. “Ach, diese Tests werden doch an Ratten, Mäusen und im Labor durchgeführt. Aber ein Risiko bleibt immer. Außerdem wurde dieses Serum in höchster Eile entwickelt, dabei sehe ich persönlich gar nicht die große Gefahr in dieser Schweinegrippe. Bisher sind alle Krankheitsbilder dieser Grippe sehr milde verlaufen, bis auf ein paar wenige Todesfälle. Aber das waren Menschen, die gesundheitlich schon sehr angeschlagen oder sehr alt waren und dementsprechend über ein recht schwaches Immunsystem verfügten. Da ist eben diese Grippe oben drauf gekommen. Dass kann auch bei einem ganz normalen Schnupfen passieren.”

Richard Gruber hatte nach einem Block gegriffen und sich ein paar Stichworte notiert. „Weißt du wer diesen Impfstoff entwickelt hat und hast du etwas von diesem Impfstoff?”

„Entwickelt hat das Serum die Firma Glyxomed und ja, ich habe ein paar Ärztemuster von diesem Serum.” Richard Grubers Stift raste über das Papier. „Kannst du mir ein Muster überlassen?”

„Das darf ich eigentlich nicht. Aber du bekommst es. Wahrscheinlich muss ich meine Praxis in Kürze sowieso schließen. Da macht ein verschwundenes Ärztemuster auch nichts mehr.”

- 5 -

„Danke, ich werde das Zeug untersuchen lassen. Aber nun erzähl doch einmal was mit dir und deiner Praxis los ist.” Dr. Walter Almrath beugte sich vor und stellte die geleerte Tasse auf den Tisch zurück.

Er seufzte „Das ist kurz erzählt. Patientengespräche werden nicht mehr bezahlt, es sei denn du bist Psychiater oder zugelassener Psychologe. Der Papierkrieg nimmt überhand. Die Kassen bestimmen, welche Medikamente zu verschreiben sind, eben Generika, die sind billiger. Die sogenannte forschende Pharmaindustrie will natürlich ihre teureren Medikamente in den Markt drücken und bietet Provisionen für diese Mittel an. Wenn ich diese Mittel verschreibe, muss ich gegenüber der Krankenkasse schriftlich Rechenschaft ablegen, warum ausgerechnet dieses Mittel und kein Generikum. Dann kommen auch noch die Kliniken und versuchen uns zu bestechen, damit die Patienten bei ihnen eingewiesen werden. Dabei ist es egal, ob das Krankheitsbild des Patienten in den Fachbereich der Klinik fällt. Wenn du dabei nicht mitmachst, dann bekommst du keine Ärztemuster mehr von den Pharmareferenten und es kann durchaus passieren, dass ein Patient von dir in einer Klinik abgewiesen wird. Das alles zusammen treibt viele Praxen in den Ruin. Eigentlich muss heute jeder Arzt wie ein Supermarkt arbeiten. Alles anbieten und verkaufen. Die größte Einnahmequelle sind die sogenannten IGeL Leistungen. Da grassiert ganz schön der Nepp.”

Erstaunt fragte Richard Gruber „Was bitte sind IGeL-Leistungen?” Wieder lachte Dr. Walter Almrath trocken auf „IGeL“ ist die Abkürzung für Individuelle Gesundheitsleistung, die wird äußerst selten von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt. Manche Privatversicherungen übernehmen ausgewählte IGeL aber nicht alle. Das fängt bei Akkupunkt als Schmerztherapie an und hört mit der Raucherentwöhnung noch lange nicht auf. Selbstverständlich habe ich auch schon IGeL verkauft, aber nur, wenn es mir wirklich sinnvoll erschien. Aber es gibt Kollegen, die haben sich darauf spezialisiert und machen damit richtig Kohle. Bei denen sieht es im Wartezimmer wie in einer Frittenbude aus. Die haben Schilder mit IGeL-Angeboten, eben wie eine Speisekarte. Aber ich kann das nicht guten Gewissens mitmachen und deshalb steht meine Praxis vor dem Aus.”

Richard Gruber nickte und sagte nach einer kurzen Pause „O.K. Gehen wir das Ganze einmal systematisch an. Diese seltsamen IGeL-Leistungen scheinen offenbar legitim zu sein. Eben freie Marktwirtschaft, gemäß Angebot und Nachfrage. Wenn ich dabei auch ein ethisches Problem sehe, aber das lassen wir erst einmal außen vor. Die Provisionszahlungen und auch die, ich nenne es mal, Kopfprämie der Kliniken verstoßen offensichtlich gegen Gesetze. Das werde ich morgen bei meinem Anwalt einmal überprüfen lassen. Jetzt zu meinem Wunsch nach dem Impfstoff. Den werde ich von einem befreundeten Chemiker untersuchen lassen und sehen was dabei heraus kommt. Wenn es dir recht ist, werde ich morgen in deine Praxis kommen und das Serum abholen.” Richard Gruber grinste etwas schief “Dafür darfst du mir dann auch eine IGeL berechnen.”

Dr. Walter Almrath schaute seinen neuen Freund etwas zweifelnd an “Und wie stellst du dir vor, dass du mir helfen kannst?”

“Das werde ich dir morgen sagen, wenn ich beim Anwalt war. Mir spukt da etwas im Kopf herum, aber das möchte ich erst recherchieren. Bist du einverstanden?” Walter Almrath nickte “Eigentlich bin ich gerne Arzt und möchte es auch bleiben. Aber in eine Klinik will ich nicht und was soll ich machen, wenn ich meine Praxis verliere. Dann stehe ich vor dem Nichts. Also, ich mach was du mir vorschlägst, du scheinst offenbar zu wissen was du willst und was du tust. Jetzt möchte ich aber gerne gehen.”

„Ich habe Alkohol getrunken und kann dich leider nicht nach Hause fahren. Hast du es weit?”

„Na ja, zu Fuß wäre ich fast eine Stunde unterwegs und ein Taxi kann ich mir nicht leisten.”

„Kein Problem. Ich sorge dafür, dass du nach Hause kommst. Ich werde mal eben telefonieren.” Richard Gruber verschwand im Schlafzimmer. Als er kurz darauf wieder erschien sah er wie Dr. Walter Almrath seine nassen Sachen wieder anziehen wollte. „Nee, nee, lass das mal, nimm deine Sachen mit, den Trainingsanzug kannst du mir morgen wiedergeben.” Walter nickte dankend. “Hoffentlich vergesse ich nicht, ihn mit in die Praxis zu nehmen.”

„Das macht dann auch nichts.” In diesem Moment summte ein Telefon. Richard Gruber hob ab „Danke, er kommt sofort.” Richard Gruber legte auf und wand sich an Walter. „Jetzt musst du los, das Taxi ist da.” Dr. Walter Almrath zuckte nervös zusammen. Richard Gruber lächelte “Keine Sorge, das ist schon bezahlt.” Die beiden Männer gingen zum Aufzug, Richard Gruber drückte auf den Knopf, der den Aufzug zum Penthouse brachte. Als die Türen auseinander glitten, betrat Dr. Walter Almrath den Aufzug und Richard Gruber drückte auf den Knopf mit dem Buchstaben “L”, und bevor sich die Türen schlossen sagte Richard Gruber “Das Taxi steht vor der Tür, der Concierge wird dich aus dem Haus lassen. Ich melde mich bei dir. Guten Nacht“

Dr. Walter Almrath schaute Richard Gruber an “Gute Nacht und vielen Dank für das Zuhören und alles Andere.” Fast lautlos glitten die Türen zu und ein leises Surren zeigte an, dass der Aufzug sich in Bewegung gesetzt hatte.

Richard Gruber räumte die Gläser und Tassen in die Spülmaschine, dann setzte er sich hin und machte sich noch einige Notizen. Anschließend ging er zu Bett.

- 6 -

Am nächsten Morgen war Richard Gruber früh auf den Beinen. Nach einer Wechseldusche ging er im Bademantel in die Küche und bereitete sich einen Kaffee zu. Auf dem Weg zu seinem Arbeitszimmer nahm er seine Notizen vom Wohnzimmertisch, setzt sich an seinen Schreibtisch und begann zu telefonieren. Zunächst vereinbarte er einen Termin mit einem befreundeten Anwalt. Danach rief er seinen ehemalige Studienkollegen an, der nach ein paar Semestern den Plan Journalist zu werden aufgegeben hatte und Chemiker wurde. Thorsten Kelter arbeitete jetzt in einem großen Institut. In kurzen Worten schilderte Richard Gruber seinem ehemaligen Studienkollegen sein Problem. Thorsten Kelter bat Richard Gruber nur um einen kurzen Anruf bevor er sich nach München auf den Weg machten würde.

Danach rief Richard Gruber seinen Chefredakteur Gunter Willich an. „Hallo Gunter, ich bin da etwas auf der Spur.” Kurz berichtete Richard Gruber was sein neuer Freund ihm am vergangenen Abend erzählt hatte. „Könnte was dran sein. Übrigens ich habe Wölfi nach Afghanistan geschickt. Und - wenn an der Story mit dem Arzt was dran ist, hast du keinen Urlaub mehr, dann bekommst du einen offiziellen Auftrag von mir. Halt mich auf jeden Fall auf dem Laufenden.” Richard Gruber schaute auf die Uhr. „O.K. Ich muss jetzt los. Ich melde mich.” Damit beendete er das Gespräch.

Eilig kleidete Richard Gruber sich an und machte sich auf den Weg in die Anwaltskanzlei von Sven Wilkes. Unterwegs rief er aus dem Auto die Auskunft an und ließ sich die Anschrift der Praxis von Dr. Walter Almrath geben. In der Anwaltskanzlei angekommen begrüßte ihn die Sekretärin „Oh, guten Tag Herr Gruber, auch mal wieder im Lande? Gehen sie gleich durch, Dr. Wilkes wartet schon auf sie.”

Nach etwas mehr als einer Stunde verließ Richard Gruber seinen Freund Sven Wilkes. Er merkte, dass die Arbeit ihm gut tat und mit einem „Schönen Tag noch sie Zauberwesen”, eilte er fröhlich pfeifend an der verdutzten Sekretärin vorbei. Immer noch pfeifend machte Richard Gruber sich auf den Weg zur Praxis seines neuen Freundes Dr. Walter Almrath.

Als er in der Praxis ankam stellte Richard Gruber fest, dass im Wartezimmer nur zwei Patienten waren. Er setzte sich hin und griff nach einer Zeitung. Noch bevor er die Zeitung aufschlagen konnte musterte ihn die dralle Sprechstundenhilfe und fragte etwas zögernd „Guten Tag, darf ich bitte Ihre Karte haben?”

„Oh, guten Tag, ich komme nicht als Patient. Ich möchten den Doktor privat sprechen.”

„Ich werde Herrn Doktor Bescheid sagen, dass sie da sind.” Etwas beleidigt zog sich die Sprechstundenhilfe hinter ihren Tresen zurück, griff nach dem Telefon und flüsterte etwas hinein. Dann hob sie den Kopf und schaute Richard Gruber noch einmal forschend an „Würden sie mir bitte ihren Namen sagen?”

Grinsend stand Richard Gruber auf und legte wortlos seine Visitenkarte auf den Schreibtisch. Die Sprechstundenhilfe wurde rot und flüsterte Richards Namen in den Hörer. Dann sagte sie sehr freundlich zu ihm „Herr Doktor kommt sofort. Ehhm,sie sind doch der, den ich auch schon im Fernsehen gesehen habe, damals im Irakkrieg oder?” Richard Gruber nickte. „Kann sein.“ Die Gesichtsfarbe der Sprechstundenhilfe wurde noch ein klein wenig dunkler als sie verlegen um ein Autogramm bat. Richard Grubers Grinsen wurde noch ein wenig breiter „Also ich bin nicht so prominent, dass ich mir einbilde Autogrammkarten mit mir herumschleppen zu müssen. Aber wenn sie mir einen Bogen Papier geben, werde ich gerne etwas darauf schreiben.” Mit etwas zitternden Händen reichte das Mädchen Richard Gruber einen Bogen Papier. “Wie heißen sie denn?”

“Anna-Lena Müller” stotterte sie. Während Richard Gruber - Ich danke Anna-Lena für das nette Gespräch Richard Gruber – schrieb, kam Dr. Walter Almrath in Begleitung eines Patienten aus dem Sprechzimmer, den er mit den Worten verabschiedete „Nun machen sie sich mal keine Sorgen, nächste Woche sind die Ergebnisse da und dann rufe ich sie an.” Dr. Walter Almrath drehte sich zu Richard Gruber um „Dann komm mal mit durch.”

Als Dr. Walter Almrath die Tür geschlossen hatte, schaute er Richard Gruber strafend an. „Ich finde es gar nicht nett, dass du meine Sprechstundenhilfe anbaggerst. Die hat schon Probleme genug, denn sie wird wohl bald arbeitslos sein. Da musst du ihr nicht auch noch Liebeskummer bereiten.”

„Wie kommst du denn darauf, dass ich deine Sprechstundenhilfe anbaggere?”

„Du hast doch was aufgeschrieben, das habe ich gerade noch gesehen.” Richard Gruber lachte trocken auf „Die Dame wollte ein Autogramm von mir, sie hat mich irgendwann mal in der Flimmerkiste gesehen und da ich nicht über Autogrammkarten verfüg, habe ich ihr einen netten Satz auf ein Blatt geschrieben und meine Unterschrift.”

„Ach so. Ich wusste gar nicht, dass du so berühmt bist.” staunte Dr. Walter Almrath.

„Ich auch nicht, aber kann ja noch kommen, dann werde ich mir doch noch Autogrammkarten anfertigen lassen. Aber jetzt mal zurück zu unserem Thema. Ich komme gerade vom Anwalt, der hat eine recht gute und durchführbare Idee gehabt. Aber dazu muss ich vorher wissen, wie lange deine Praxis noch durchhält.”

„Tja, mein Steuerberater hat gesagt, wenn sich in vier bis fünf Monaten nichts geändert hat, dann muss ich Konkurs anmelden. Aber warum willst du das wissen?”

„Mein Rechtsanwalt hat folgenden Plan. Du gehst zu Dr. Sven Wilkes, der ist mein Freund, er setzt mit dir ein Schriftstück auf, dass du dich auf die Angebote der Kliniken und der Pharmavertreter einlässt. Das dadurch erwirtschaftete Geld wird auf ein Konto, das Sven Wilkes einrichtet, eingezahlt. Du kannst leider nicht darüber verfügen. Aber wenn das Ganze hinhaut und wir dann etwas handfestes nachweisen können, dann wäre es möglich, dass du einen ziemlichen Batzen Geld abstauben könntest und außerdem kann ich dir dann kostenlose Werbung bieten, denn du wirst in meinen Artikeln genannt, wenn du willst. Es besteht kein Risiko für dich. Wenn es nicht klappt, dann musst du deine Praxis wohl zu machen. Mit der Weitergabe des Impfstoffes ist das so eine Sache. Eigentlich darfst du mir das nicht für eine Untersuchung geben, aber ich komme ohne dieses Serum nicht weiter. Mehr kann ich dir im Moment nicht sagen.” Dr. Walter Almrath lehnte sich in seinem Stuhl zurück, schloss für einen Moment die Augen und sagte dann leise „Gut, ich mache es. Auf diese Weise habe ich wenigstens eine Chance meine Praxis zu behalten. Wann kann ich einen Termin bei deinem Rechtsanwalt bekommen?”

Richard Gruber griff in seine Tasche, zog sein Handy hervor und sagte laut und deutlich „Wilkes” sofort begann das Handy zu wählen. Als die Kanzlei sich meldete, vereinbarte Richard Gruber einen Termin für den nächsten Tag am späten Nachmittag. Dabei schaute er Dr. Walter Almrath fragend an, der nur nickte. Richard Gruber bestätigte den Termin und trennte das Gespräch, griff erneut in seine Tasche, zog eine Visitenkarte des Rechtsanwaltes heraus und schob sie Dr. Walter Almrath über den Schreibtisch. „Übrigens, ist klar, dass dich der Anwaltsbesuch keinen Cent kostet.”

„Danke. Wann brauchst du das Serum und wie lange dauert es bis die Untersuchung beginnt?”

„Tja, wenn ich das Serum heute bekomme, dann mache ich mich gleich auf den Weg nach München und übergebe es meinem Freund, dem Chemiker.” Richard Gruber schaute auf die Uhr “Es ist jetzt fast Mittag, da sollten die Autobahnen frei sein. Bis München sind es rund vierhundert Kilometer und wenn nichts dazwischen kommt, schaffe ich das in gut drei Stunden.” Dr. Walter Almrath nickte „Dann kann ich dir das Serum geben. Ich werde es für eine Injektion vorbereiten, dann gebe ich dir die Spritze und einen Abriss der Verpackung mit. Das Serum darf nicht länger als acht Stunden in der Spritze bleiben. Wenn es länger darin bleibt und warm wird, werden die Ergebnisse nicht mehr genau sein.”

„Aber wie willst du das Verschwinden des Serums erklären?”

„Das wirst du gleich sehen.” Dr. Walter Almrath ging zum Kühlschrank, nahm ein Päckchen heraus, legte es auf seinen Schreibtisch, öffnete das Päckchen und entnahm ihm eine Phiole. Dann nahm der Arzt eine Einmalspritze aus einer Schublade und holte sie aus der Verpackung. Anschließend ritzte er die Phiole mit dem Serum an, brach das Kopfstück ab und zog das Serum in die Spritze. Danach steckte er den Kanülenschutz wieder auf die Nadel, riss eine Lasche der Verpackung des Serums ab, legte die Spritze und Packungslasche in einen kleinen Karton, den er vorher mit Watte auspolstert hatte, verschloss ihn sorgfältig und reichte ihn an Richard Gruber weiter. “Bitte möglichst kühl transportieren.” Dann nahm Dr. Walter Almrath eine neue Spritze aus der Schublade, öffnete seinen Medikamentenschrank, nahm eine Flasche heraus, zog etwas von dem Inhalt in die Spritze und füllte es in die leere Phiole des Impfserums. Sorgfältig stellte er die offene Phiole in die Verpackung, legte das Kopfstück dazu, verschloss die Packung und stellte sie auf die Kante des Kühlschrankes. Anschließend warf er die gebrauchte Spritze in den dafür vorgesehenen Müllbehälter. Dann griff Dr. Almrath zum Telefon und wies seine Sprechstundenhilfe an, ihm eine IGeL-Preisliste zu bringen. Kaum hatte er aufgelegt, ging die Tür auf und Anna-Lena kam mit mehreren Blättern Papier in der Hand herein. Als sie am Kühlschrank vorbei ging, streifte sie das Serumkästchen, das auch sofort zu Boden fiel. Mit den Worten “Oh, Entschuldigung.” Bückte sie sich und hob die Schachtel, aus der etwas tropfte, auf. Sie schaute auf die Schachtel “Ach du je, das ist der neue Impfstoff.” Als sie sich aufrichtete, schwammen ihre Augen in Tränen. Dr. Walter Almrath schüttelte den Kopf, streckte die Hand aus und sagte “Geben sie mal her.” Er riss die Verpackung an der noch verschlossenen Seite auf und schüttete den Inhalt in seine Hand. “Nun, das ist wohl nicht mehr zu gebrauchen. Bitte passen sie doch demnächst ein wenig besser auf und notieren sie bitte, was mit dem Impfstoff passiert ist.” Mit immer noch tränenumflortem Blick legte Anna-Lena die Preislisten auf den Schreibtisch, nickte und verließ leise schniefend schnell das Sprechzimmer.

Richard Gruber, der das Ganze mit versteinertem Gesicht beobachtet hatte sagte grinsend „Du bist ja vielleicht ein gerissener Hund. Jetzt will ich aber los, damit ich schnell nach München komme. Sobald ich es abgeliefert habe, rufe ich dich an.” Damit erhob er sich, klopfte Dr. Walter Almrath auf die Schulter und verabschiedete sich mit den Worten „Ich glaube, wir beide können was erreichen.” Dann verließ Richard Gruber das Sprechzimmer, nickte der Sprechstundenhilfe freundlich zu.

- 7 -

Nachdem Richard Gruber das Päckchen mit der Spritze vorsichtig in den Kofferraum seines Aston Martin gelegt und die Aktentasche so platziert hatte, dass das Päckchen auch bei wildester Fahrweise nicht durch den Kofferraum fliegen konnte, setzte er sich an das Steuer des Wagens, ließ ihn an und schaute auf die Tankanzeige.

Ärgerlich sog Richard Gruber Luft durch die Zähne und murmelte „Ich sollte noch tanken, bevor ich auf die Autobahn gehe.” Nachdem er seinen Wagen vollgetankt und mit der Kreditkarte bezahlt hatte fuhr er auf die Autobahn. Schon bald hatte Richard Gruber die Frankfurter Kreuze überwunden und gab Gas. Das Fauchen des 12-Zylinders wurde lauter und die 518 PS beschleunigten den Wagen sehr schnell über die 250 Stundenkilometermarke.

Nur kurze Zeit genoss Richard Gruber immer wieder den Rausch der Geschwindigkeit, dann drosselte er das Tempo auf gemütliche 180 Stundenkilometer. Die Autobahn war recht frei und so erreichte er, trotz eines weiteren Tankstopps, die Stadtgrenze von München nach gut zweieinhalb Stunden Fahrtzeit. Die Stimme aus dem Navigationsgerät führte ihn sehr schnell zu dem Institut, in dem sein Freund arbeitete.

Auf dem Parkplatz angekommen löste Richard Gruber den Sicherheitsgurt und sagte laut zu seinem Handy „Kelter”. Gleich darauf meldete sich Thorsten Kelter, sein Freund, der Chemiker. „Hallo Thorsten, ich stehe hier auf dem Parkplatz und habe etwas für dich dabei.”

„Donnerwetter, das ging aber schnell. Komm doch bitte in die Halle und melde dich beim Empfang. Ich komme sofort herunter.” Richard Gruber nahm das Päckchen aus dem Kofferraum und ging auf das Gebäude zu. In der Halle angekommen, wartete Thorsten Kelter schon auf ihn. Nachdem die beiden Männer sich herzlich begrüßt hatten, ging Thorsten Kelter zum Empfangstresen und sprach mit der resolut aussehenden Dame. Als er wieder bei Richard Gruber ankam sagte er „Komm wir gehen in Besprechungsraum drei, da sind wir völlig ungestört.” Thorsten Kelter öffnete eine Tür und forderte Richard Gruber mit einer Handbewegung zum Eintreten auf. Auf dem langen Konferenztisch standen Gläser, Tassen, kleine Flaschen mit Erfrischungsgetränken und zwei große Thermoskannen. „Nimm doch Platz. Kann ich dir etwas anbieten, Kaffee oder Tee? Oder lieber etwas Erfrischendes?”

„Danke, ich nehme ein Wasser.” Thorsten Kelter reichte Richard Gruber eine kleine Flasche Mineralwasser und ein Glas. „Dann schieß mal los, was kann ich für dich tun?” Richard Gruber legte den kleinen Karton vorsichtig auf den Tisch „Da ist das Zeug drin, das meine Tochter vermutlich umgebracht hat. Ich möchte, dass du es untersuchst und mir sagst was da drin ist.”

„Das mit deiner Tochter tut mir leid.” Vorsichtig öffnete Thorsten Kelter das Päckchen und schaute hinein. „Da ist ja eine Spritze drin.”

„Ja, aber das Ding ist steril. Ich war dabei, als der Arzt das Serum aufgezogen hat.”

„Warum hat er dir denn nicht die Originalverpackung mitgegeben?”

„Das kann ich dir auch nicht sagen, aber ich denke, er muss über die Verwendung Buch führen. Es war ein Ärztemuster.” Dann berichtete Richard Gruber wie der Arzt es bewerkstelligt hatte, dass es so aussah, als ob das Serum verloren gegangen sei. Thorsten Kelter schaute seinen Freund erstaunt an. „Also, etwas seltsam ist das schon. Ein angeblich so harmloser Impfstoff unterliegt ähnlich strengen Regeln wie Betäubungsmittel. Höchst erstaunlich. Bei Ärztemustern ist es nicht üblich Buch darüber zu führen. Die Pharmaindustrie verteilen diese Muster eigentlich immer ziemlich großzügig.”

„Nun, ich vermute nur, dass er darüber Buch führen muss. Gesagt hat er es nicht. Er hat nur seine Sprechstundenhilfe angewiesen, zu notieren was mit dem Muster geschehen ist.”

„Richard, du bist Journalist. Wenn ein Arzt solch einen Aufstand wegen eines Impfserums, das auch noch ein Ärztemuster ist, macht, dann stimmt da irgend etwas nicht, das sollte dir doch einleuchten.”

„Wenn ich den Arzt das nächste Mal sehe, werde ich ihn fragen. Doch grundsätzlich hast du natürlich recht. Was meinst du, wann ich mit einem Ergebnis rechnen kann?”

„Wie lange ist das Material schon in der Spritze?” Richard Gruber überlegte einen Moment „Maximal vier Stunden. Es soll bis zu acht Stunden stabil bleiben, sagte der Arzt.”

„Na, der muss es ja wissen. Aber jetzt werfe ich dich raus. Ich mache mich gleich an die Arbeit. Ich freue mich schon richtig darauf. Schon viel zu lange war ich schon an meinen Schreibtisch gefesselt und habe kaum noch Gelegenheit gehabt im Labor zu arbeiten.” Thorsten Kelter stand auf. Richard Gruber leerte sein Glas. Noch bevor die beiden Männer den Raum verließen sagte der Chemiker “Ich werde dich sofort anrufen, wenn ich mit der Analyse fertig bin.”

“Du kannst mich jederzeit erreichen. Meine Telefonnummern hast du doch noch alle?” Thorsten Kelter nickte. In der Halle verabschiedeten sich die beiden Männer voneinander.

- 8 -

Während Richard Gruber das Gebäude in Richtung Parkplatz verließ, eilte Thorsten mit wehendem Kittel in Richtung Aufzüge davon.

In seinem Büro angekommen informierte Thorsten Kelter seine Sekretärin, dass er für einige Stunden im Labor zu finden sei. Dort angekommen, machte Thorsten Kelter sofort sich an die Arbeit. Er öffnete das Päckchen und bereitete einen Teil des Serums für den Gaschromatografen vor. Schon nach kurzer Zeit erschienen die Ergebnisse auf dem Bildschirm. Thorsten Kelter warf nur einen kurzen Blick darauf und druckte die Analyse aus. Er bat eine Hilfskraft, das benutzte Gerät zu reinigen. Dann widmete er sich der ausgedruckten Analyse. Er markierte einige Stellen und begann eine neue Analysereihe. Mehrere Stunden arbeitete Thorsten Kelter intensiv, doch er stieß immer wieder auf unsaubere Auswertungen. Thorsten Kelter schaute auf die Uhr. Mittlerweile war es schon nach 20.00 Uhr geworden. Der Chemiker seufzte, griff zur Spritze mit dem restlichen Serum, nahm die Ausdrucke seiner Analysen auf und ging in sein Büro. Nach kurzer Überlegung griff er nach dem Telefonhörer und wählte eine Schweizer Nummer. Schon nach dem zweiten Läuten tönte eine sehr weiche, dunkle Stimme aus dem Hörer „Antoinette Rüngli”. Thorsten Kelter atmete auf. „Hallo Antoinette hier ist Thorsten, wie geht es dir?”

Nach einem kurzen Smalltalk kam Thorsten Kelter zum Grund seinen Anrufes. „Ich habe hier eine Analyse, da komme ich überhaupt nicht mit klar. Auf der einen Seite scheint es ein Serum gegen eine ganz stinknormale Influenza zu sein, aber auf der anderen Seite passt da so einiges nicht zusammen. Wenn du online bist, schicke ich dir die Analysen sofort rüber.” Aus dem Hörer tönte ein heiteres Lachen „Ich glaube, du brauchst mir die Analysen nicht zu schicken. Ich kann dir sagen, was du da auf dem Schreibtisch hast. Das ist das neue Serum gegen die Schweinegrippe. Du hast völlig recht, es basiert auf dem Serum gegen die ganz normale Influenza, aber es ist mit einem Immunverstärker versetzt und der beinhaltet Nanoteilchen. Ist ganz klar, wenn du da nicht nach suchst, dann verwirren dich die Analysen.”

- 9 -

Während Thorsten Kelter und Antoinette Rüngli sich in ein Fachgespräch über Risiken und Nutzen der Nanotechnologie vertieften, druckte im Labor ein Chemiker die Analysen von Thorsten noch einmal aus. Dann griff er mit schweißnassen Händen zum Telefon. Am anderen Ende der Leitung meldete sich eine metallisch klingende Männerstimme mit einem knappen „Hallo”

„Hier ist Volker Jungmann. Der Laborleiter hat heute höchstpersönlich das Serum gegen die Schweinegrippe analysiert. Er machte einen verwirrten Eindruck. Ich weiß nicht ob er eine saubere Analyse erhalten hat.”

„Woher kam das Serum?”

„Das weiß ich nicht. Ich glaube es ist ihm durch einen Boten gebracht worden. Kurz nach Mittag ist er in der Halle gewesen und hat mit einem Mann gesprochen, das weiß ich von der Security. Ein Name wurde nicht eingetragen. Aber ich kann von meinem Arbeitsplatz den Parkplatz sehen und dort habe ich um die Mittagszeit ein auffälliges ausländisches Auto gesehen.”

„Das Kennzeichen?”

„Nein, das konnte ich auf die Entfernung nicht erkennen.”

„Die Schachtel des Serums?”

„Nein es ist in einer Spritze hier angekommen.” Noch bevor Volker Jungmann noch etwas sagen konnte, sagte ihm der Ton im Hörer, dass sein Gesprächspartner aufgelegt hatte.

Volker Jungmann wischte sich seine schweißnassen Hände am Kittel ab und seufzte tief auf. Er wusste, dass er gerade etwas getan hatte, dass eigentlich nicht richtig war, aber er war schon so oft bei Beförderungen übergangen worden und außerdem würde er in den nächsten Tagen einen Umschlag, der eine nette Summe Geld enthalten würde, in seinem Briefkasten finden. Während er den Kittel auszog, seine Jacke aus dem Schrank holte und das Labor verließ überlegte Volker Jungmann, wer wohl hinter dieser seltsam metallisch klingenden Stimme am Telefon stecken könnte. Im Aufzug angekommen murmelte er vor sich hin „Was machst du dir Gedanken darüber, Hauptsache ist doch, dass die Kasse stimmt.” Dann verließ er leichten Schrittes das Gebäude.

Inzwischen hatte Thorsten Kelter das Telefonat mit seiner Schweizer Kollegin beendet. Er hatte sich in seinen Schreibtischsessel zurück gelehnt und dachte über das was Antoinette ihm mitgeteilt hatte nach.

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Wilhelm Soltau legte nachdenklich den Hörer auf. Er überlegte, ob die Information, die er soeben von Volker Jungmann erhalten hatte so wichtig sein könnte, dass er sie weitergeben müsste. Wilhelm Soltau war es gewohnt auch Kleinigkeiten auf eventuelle Folgen hin zu überprüfen. Das hatte ihn in seiner Zeit beim Nachrichtendienst schon häufig auf eine heiße Spur gebracht. Damals glaubte er noch an die gute Sache, doch mit der Zeit machte Wilhelm Soltau die Erfahrung, dass auch der Nachrichtendienst eine Hure ist und dem Herren dient, der ihr die meisten Vorteile bietet.

Als ihm dann der Hades eine gut bezahlte Aufgabe anbot, suchte er sich einen Arzt, der ihm Depressionen attestierte und mit dieser Diagnose war er für den Nachrichtendienst untragbar geworden. Dass seine neue Aufgabe darin bestand im Dreck zu wühlen, Geheimnisse aufzustöbern und für Männer zu arbeiten, die für Geld und Macht alles taten, störte ihn nicht. Auch wenn Leben oder Existenzen dabei vernichtet würden, darin ähnelte der Hades sehr dem Nachrichtendienst.

Wilhelm Soltau schüttelte den Kopf und verscheuchte die Gedanken an die Vergangenheit. Er stand auf, zog seinen Mantel an, schlug den Kragen hoch und machte sich auf den Weg zur nächsten Telefonzelle. Die Nummer, die Wilhelm Soltau wählte, kannte nur er. Sofort nach dem Freizeichen meldete sich die sonore Stimme von Zeus. „Jemand interessiert sich für Ihr Projekt. Es wurde heute analysiert. Der Auftraggeber ist unbekannt.” informierte Wilhelm Soltau den Vorsitzenden des Hades. „Finden sie heraus, wer der Auftraggeber ist.” Das Klicken in der Leitung zeigte, dass der Gesprächspartner bereits aufgelegt hatte.

Langsam hängte Wilhelm Soltau den Hörer auf, straffte die Schultern und eilte nach Hause. Ohne den Mantel abzulegen, griff er zum Telefon und als sich eine Frau meldete, legte er wortlos wieder auf und wählte eine andere Nummer. Als der Gesprächspartner sich meldete drückte Wilhelm Soltau auf die Taste des Gerätes, das seine Stimme metallisch klingen ließ “Die Post ist unterwegs, der Brief kommt noch heute an.” Dann legte er auf, schaltete den Stimmverzerrer aus, zog den Mantel aus, setzte sich an seinen Schreibtisch und plante seine weitere Vorgehensweise.

- 11 -

Richard Gruber war wieder auf der Autobahn angekommen und schwamm langsam im fließenden Verkehr mit, er hatte es nicht eilig. Er wusste, dass er sich auf Thorsten Kelter verlassen konnte und bald würde er wissen, warum seine Tochter sterben musste. Es dämmerte bereits, als der Aston Martin in die Einfahrt zur Garage unter dem Hochhaus einbog. Erst jetzt bemerkte Richard Gruber, dass er heute, außer dem Frühstück noch nichts gegessen hatte und sehr hungrig war. Richard Gruber lenkte den Wagen durch die Tiefgarage und verließ sie wieder. Als er auf die Straße einbog sagte er „Walter”. Kurz darauf meldete sich Dr. Almrath. „Hallo Walter, hier ist Richard, ich bin hungrig. Möchtest du mir beim Essen Gesellschaft leisten?”

“Ja, gerne, ich könnte auch einen Happen vertragen.”

„Wenn du mir sagst wo du bist, dann hole ich dich ab.”

„Ich bin noch in der Praxis, wollte aber gerade nach Hause gehen. Ich warte dann hier auf dich.” Richard Gruber schaute auf die Uhr „Ich bin in etwa zehn Minuten bei dir.”

„Gut, dann bin ich fertig.” Kurze Zeit später bog der silberne Aston Martin in die Straße ein, an der die Praxis von Dr. Walter Almrath lag. Die Scheinwerfer erfassten den Arzt, der bereits wartend vor den Haus stand. Sanft bremste Richard Gruber den Wagen ab und ließ Dr. Walter Almrath einsteigen. Als der sich angeschnallt hatte, fuhr Richard Gruber los. „Magst du japanisch?”

„Ich habe es noch nicht probiert, aber roher Fisch soll ja sehr gesund sein. Also versuche ich es einfach mal.”

Im “Samurai” wurden die Männer sehr freundlich von einer Japanerin, die wie eine Geisha gekleidet war, begrüßt. Mit eine leichten Verbeugung befreite die „Geisha“ die beiden Männer von ihrer Garderobe und fragte nach ihren Wünschen. Richard Gruber verbeugte sich auch leicht “Gerne hätten wir zwei Plätze am Tepan, wenn es möglich ist.” Wortlos verbeugte sich die „Geisha” wieder und trippelte davon. Dr. Walter Almrath und Richard Gruber folgten ihr. Als sie auf den bequemen Hockern am Tepan Platz genommen hatten, bemerkte Richard Gruber, dass sein neuer Freund sich etwas irritiert umschaute. Ein junger Japaner in einem dunklen Anzug näherte sich den neuen Gästen, verbeugte sich leicht, reichte ihnen die Speisekarten und fragte „Darf ich ihnen einen Aperitif anbieten?” Richard Gruber schaute Dr. Walter Almrath an, der nickte. „Bitte zwei Champagner.” Leise entfernte sich der dienstbare Geist. Etwas verzweifelt blätterte Dr. Walter Almrath in der Speisekarte „Ich habe keine Ahnung, was sich hinter den Gerichten verbirgt. Kannst du mir etwas empfehlen?”

„Was möchtest du denn als Hauptgericht? Fisch oder Fleisch. Beides ist hier ausgezeichnet.”

„Ich entscheide mich für Fleisch. Für das Drumherum triffst du die Entscheidung.” Eine weitere, traditionell japanisch gekleidete Frau servierte den Champagner und nahm lächelnd die Bestellung auf. Nachdem sie sich entfernt hatte fragte Dr. Walter Almrath „Sag mal, wieso bist du denn eigentlich schon wieder hier. Ich denke, du wolltest nach München?”

„Da war ich doch auch. Ich habe das Serum abgeliefert und warte jetzt auf das Ergebnis. Sobald es vorliegt, werde ich einen Anruf erhalten. Aber jetzt lass uns doch erst einmal das Essen genießen.” Nachdem Dr. Walter Almrath die ersten Schwierigkeiten mit den Stäbchen überwunden hatte, schwelgte er im Sushi und löffelte anschließend eine etwas scharfe, aber sehr gut schmeckende Suppe. Gerade als das Hauptgericht serviert wurde, spürte Richard Gruber, dass sein Handy in der Hosentasche vibrierte. Er zog es hervor, entschuldigte sich bei Dr. Walter Almrath und verließ das Lokal. Als Richard Gruber auf der Straße stand, nahm er das Gespräch an. Die Nummer im Display hatte ihm gezeigt, dass es Thorsten war. „Hallo Thorsten, so schnell habe ich gar nicht mit deinem Anruf gerechnet.”

„Hallo Richard, ich hatte auch einige Schwierigkeiten, aber eine nette Kollegin hat mir sehr geholfen.”

„Augenblick Thorsten, ist es dir recht, wenn ich das Gespräch aufzeichne, dann kann ich es gleich noch einmal hören.“

„Klar, kein Problem. Sag Bescheid wenn die Aufzeichnung läuft.“

„Kann losgehen.“ Sofort begann Thorsten Kelter zu berichten, was er heraus gefunden hatte. Während Richard Gruber zuhörte begannen seine Gesichtszüge zu versteinern, nur die Kaumuskeln bewegten sich heftig. Thorsten Kelter beendete das Gespräch mit den Worten „Richard, es tut mir furchtbar leid was geschehen ist und wenn du Hilfe brauchst, lass es mich wissen.”

„Danke Thorsten, du hast mir schon jetzt sehr geholfen. Auch wenn die Nachricht nicht gut war, danke ich dir nochmals für deine Unterstützung. Wir hören voneinander.” Richard Gruber trennte die Leitung und ging langsam zurück in das „Samurai”. Als er sich wieder neben Dr. Walter Almrath setzte, schaute der ihn prüfend an „Das war wohl keine gute Nachricht, du bist ganz blass. Ist mit dir alles in Ordnung?”

„Ja, es wird gleich schon wieder besser. Aber lass uns erst einmal zu ende essen. Dann kannst du dir das Gespräch anhören. Thorsten hat mir erlaubt es aufzuzeichnen.” Schweigend setzten die Männer das Essen fort. In stillem Einvernehmen verzichteten sie auf das Dessert und den Kaffee. Richard Gruber zahlte und dann verließen sie das Lokal. Auf der Straße fragte Richard Gruber „Wohin? Zu dir oder zu mir?”

„Wir fahren zu mir. Das ist bequemer, ich habe ja kein Auto dabei.”

„Dann sag mir deine Adresse.” Während Dr. Walter Almrath seine Adresse nannte, programmierte Richard Gruber das Navigationssystem. Es war nur eine kurze Fahrt zur Wohnung des Arztes, die schweigend zurück gelegt wurde. Direkt vor dem Haus, in dem sich Dr. Walter Almraths Wohnung befand, erspähte Richard Gruber eine passende Parklücke. Mit einem eleganten Schwung platzierte er den Aston Martin punktgenau in der Lücke.

In der Wohnung angekommen, bat Dr. Walter Almrath Richard Gruber ins Wohnzimmer. „Ich werde uns einen Kaffee machen. Oder möchtest du etwas Härteres?”

„Nein danke, Kaffee ist in Ordnung. Das Härtere spare ich mir für zu Hause auf.” Richard Gruber ließ sich in einen schäbig aussehenden Sessel fallen, dessen Sprungfedern gequält aufseufzten. Er legte das Handy auf den Tisch und lehnte sich zurück. Dr. Walter Almrath betrat mit einem Tablett das Wohnzimmer. Er stellte Tassen, Milch, Zucker und eine Kaffeekanne auf den Tisch. Das Tablett wurde gegen ein Seitenteil des Sofas gelehnt, auf dem Dr. Walter Almrath Platz nahm. Als er den Kaffee eingegossen hatte, sagte er „Dann lass mal hören, was dein Chemiker herausgefunden hat!”

Richard Gruber schaltete die Wiedergabefunktion seines Handys ein. Aus dem kleinen Lautsprecher tönte Thorsten Kelters Stimme “Ja klar, aber das Material ist auch schon mit sicherer Post an dich unterwegs. Kann es losgehen?”

„Ja, die Aufzeichnung läuft. Du kannst anfangen.”