Der Judenstaat - Theodor Herzl - E-Book

Der Judenstaat E-Book

Theodor Herzl

0,0
1,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Theodor Herzl war ein dem Judentum zugehöriger österreichisch-ungarischer Schriftsteller, Publizist und Journalist. 1896 veröffentlichte er das Buch Der Judenstaat, das er unter dem Eindruck der Dreyfus-Affäre geschrieben hatte. Herzl war der Überzeugung, dass Juden eine Nation seien und dass aufgrund von Antisemitismus, gesetzlicher Diskriminierung und gescheiterter Aufnahme von Juden in die Gesellschaft ein jüdischer Staat gegründet werden müsse. Er wurde zu dessen Vordenker, organisierte eine Massenbewegung und bereitete so der Gründung Israels gedanklich den Weg. Er gilt als Hauptbegründer des politischen Zionismus.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Der Judenstaat

Versuch einer modernen Lösung der judenfrage

Theodor Herzl

Inhalt

Theodor Herzl

Vorrede.

Einleitung.

Allgemeiner Theil.

1. Die Judenfrage.

2. Bisherige Versuche der Lösung.

3. Gründe des Antisemitismus.

4. Wirkung des Antisemitismus.

5. Der Plan.

6. Palästina oder Argentinien?

7. Bedürfniss, Organ, Verkehr.

Die Jewish Company.

1. Grundzüge.

2. Immobiliengeschäft.

3. Der Landkauf.

4. Bauten.

5. Arbeiterwohnungen.

6. Die „ungelernten“ Arbeiter.

7. Der Siebenstundentag.

8. Die Arbeitshilfe.

9. Der Marktverkehr.

10. Andere Kategorien von Heimstätten.

11. Einige Formen der Liquidation.

12. Bürgschaften der Company.

13. Einige Thätigkeiten der Company.

14. Industrielle Anregungen.

15. Ansiedlung von Facharbeitern.

16. Die Geldbeschaffung.

Ortsgruppen.

1. Die Verpflanzung.

2. Die Gruppenwanderung.

3. Unsere Seelsorger.

4. Vertrauensmänner der Ortsgruppen.

5. Stadtpläne.

6. Der Zug des Mittelstandes.

7. Das Phänomen der Menge.

8. Unser Menschenmaterial.

9. Kleine Gewohnheiten.

Society of Jews und Judenstaat.

1. Negotiorum gestio.

2. Der Gestor der Juden.

3. Die Landergreifung.

4. Verfassung.

5. Sprache.

6. Theokratie.

7. Gesetze.

8. Das Heer.

9. Die Fahne.

10. Reciprocität und Auslieferungsverträge.

11. Vortheile der Judenwanderung.

Schlusswort.

Theodor Herzl

Theodor Herzl (geboren am 2. Mai 1860 in Pest, Königreich Ungarn; gestorben am 3. Juli 1904 in Edlach an der Rax, Niederösterreich) war ein dem Judentum zugehöriger österreichisch-ungarischer Schriftsteller, Publizist und Journalist. 1896 veröffentlichte er das Buch Der Judenstaat, das er unter dem Eindruck der Dreyfus-Affäre geschrieben hatte. Herzl war der Überzeugung, dass Juden eine Nation seien und dass aufgrund von Antisemitismus, gesetzlicher Diskriminierung und gescheiterter Aufnahme von Juden in die Gesellschaft ein jüdischer Staat gegründet werden müsse. Er wurde zu dessen Vordenker, organisierte eine Massenbewegung und bereitete so der Gründung Israels gedanklich den Weg. Er gilt als Hauptbegründer des politischen Zionismus.

Vorrede.

Der Gedanke, den ich in dieser Schrift ausführe, ist ein uralter. Es ist die Herstellung des Judenstaates.

Die Welt widerhallt vom Geschrei gegen die Juden, und das weckt den eingeschlummerten Gedanken auf.

Ich erfinde nichts, das wolle man sich vor Allem und auf jedem Punkte meiner Ausführungen deutlich vor Augen halten. Ich erfinde weder die geschichtlich gewordenen Zustände der Juden, noch die Mittel zur Abhilfe. Die materiellen Bestandtheile des Baues, den ich entwerfe, sind in der Wirklichkeit vorhanden, sind mit Händen zu greifen; jeder kann sich davon überzeugen. Will man also diesen Versuch einer Lösung der Judenfrage mit einem Worte kennzeichnen, so darf man ihn nicht „Phantasie“, sondern höchstens „Combination“ nennen.

Gegen die Behandlung als Utopie muss ich meinen Entwurf zuerst vertheidigen. Eigentlich bewahre ich damit nur die oberflächlichen Beurtheiler vor einer Albernheit, die sie begehen könnten. Es wäre ja keine Schande, eine menschenfreundliche Utopie geschrieben zu haben. Ich könnte mir auch einen leichteren literarischen Erfolg bereiten, wenn ich für Leser, die sich unterhalten wollen, diesen Plan in den gleichsam unverantwortlichen Vortrag eines Romans brächte. Aber das ist keine solche liebenswürdige Utopie, wie man sie vor und nach Thomas Morus so häufig producirt hat. Und ich glaube, die Lage der Juden in verschiedenen Ländern ist arg genug, um einleitende Tändeleien überflüssig zu machen.

Um den Unterschied zwischen meiner Construction und einer Utopie erkennbar zu machen, wähle ich ein interessantes Buch der letzten Jahre: „Freiland“ von Dr. Theodor Hertzka. Das ist eine sinnreiche Phantasterei, von einem durchaus modernen, national-ökonomisch gebildeten Geist erdacht, und so lebensfern, wie der Aequatorberg, auf dem dieser Traumstaat liegt. „Freiland“ ist eine complicirte Maschinerie mit vielen Zähnen und Rädern, die sogar ineinander greifen; aber nichts beweist mir, dass sie in Betrieb gesetzt werden könne. Und selbst, wenn ich Freilands-Vereine entstehen sehe, werde ich es für einen Scherz halten.

Hingegen enthält der vorliegende Entwurf die Verwendung einer in der Wirklichkeit vorkommenden Treibkraft. Die Zähne und Räder der zu bauenden Maschine deute ich nur an, in aller Bescheidenheit, unter Hinweis auf meine Unzulänglichkeit und im Vertrauen darauf, dass es bessere ausführende Mechaniker geben wird, als ich einer bin.

Auf die treibende Kraft kommt es an. Und was ist diese Kraft? Die Judennoth.

Wer wagt zu leugnen, dass diese Kraft vorhanden sei? Wir werden uns damit im Capitel über die Gründe des Antisemitismus beschäftigen.

Man kannte auch die Dampfkraft, die im Theekessel durch Erhitzung des Wassers entstand und den Deckel hob. Diese Theekesselerscheinung sind die zionistischen Versuche und viele andere Formen der Vereinigung „zur Abwehr des Antisemitismus“.

Nun sage ich, dass diese Kraft, richtig verwendet, mächtig genug ist, eine grosse Maschine zu treiben, Menschen und Güter zu befördern. Die Maschine mag aussehen, wie man will.

Ich bin im Tiefsten davon überzeugt, dass ich Recht habe – ich weiss nicht, ob ich in der Zeit meines Lebens Recht behalten werde. Die ersten Männer, welche diese Bewegung beginnen, werden schwerlich ihr ruhmvolles Ende sehen. Aber schon durch das Beginnen kommt ein hoher Stolz und das Glück der innerlichen Freiheit in ihr Dasein.

Um den Entwurf vor dem Verdacht der Utopie zu schützen, will ich auch sparsam sein mit malerischen Details der Schilderung. Ich vermuthe ohnehin, dass gedankenloser Spott durch Zerrbilder des von mir Entworfenen das Ganze zu entkräften versuchen wird. Ein im Uebrigen gescheiter Jude, dem ich die Sache vortrug, meinte: „das als wirklich dargestellte zukünftige Detail sei das Merkmal der Utopie“. Das ist falsch. Jeder Finanzminister rechnet in seinem Staatsvoranschlage mit zukünftigen Ziffern und nicht nur mit solchen, die er aus dem Durchschnitt früherer Jahre oder aus anderen vergangenen und in anderen Staaten vorkommenden Erträgen construirt, sondern auch mit präcedenzlosen Ziffern, beispielsweise bei Einführung einer neuen Steuer. Man muss nie ein Budget angesehen haben, um das nicht zu wissen. Wird man darum einen Finanzgesetzentwurf für eine Utopie halten, selbst wenn man weiss, dass der Voranschlag nie ganz genau eingehalten werden kann?

Aber ich stelle noch härtere Zumuthungen an meine Leser. Ich verlange von den Gebildeten, an die ich mich wende, ein Umdenken und Umlernen mancher alten Vorstellung. Und gerade den besten Juden, die sich um die Lösung der Judenfrage thätig bemüht haben, muthe ich zu, ihre bisherigen Versuche als verfehlt und unwirksam anzusehen.

In der Darstellung der Idee habe ich mit einer Gefahr zu kämpfen. Wenn ich all' die in der Zukunft liegenden Dinge zurückhaltend sage, wird es scheinen, als glaubte ich selbst nicht an ihre Möglichkeit. Wenn ich dagegen die Verwirklichung vorbehaltlos ankündige, wird Alles vielleicht wie ein Hirngespinst aussehen.

Darum sage ich deutlich und fest: ich glaube an die Möglichkeit der Ausführung, wenn ich mich auch nicht vermesse, die endgiltige Form des Gedankens gefunden zu haben. Der Judenstaat ist ein Weltbedürfniss, folglich wird er entstehen.

Von irgend einem Einzelnen betrieben, wäre es eine recht verrückte Geschichte – aber wenn viele Juden gleichzeitig darauf eingehen, ist es vollkommen vernünftig, und die Durchführung bietet keine nennenswerthen Schwierigkeiten. Die Idee hängt nur von der Zahl ihrer Anhänger ab. Vielleicht werden unsere aufstrebenden jungen Leute, denen jetzt schon alle Wege versperrt sind, und denen sich im Judenstaate die sonnige Aussicht auf Ehre, Freiheit und Glück eröffnet, die Verbreitung der Idee besorgen.

Ich selbst halte meine Aufgabe mit der Publication dieser Schrift für erledigt. Ich werde das Wort nur noch nehmen, wenn Angriffe beachtenswerther Gegner mich dazu zwingen, oder wenn es gilt, unvorhergesehene Einwände zu widerlegen, Irrthümer zu beseitigen.

Ist das, was ich sage, heute noch nicht richtig? Bin ich meiner Zeit voraus? Sind die Leiden der Juden noch nicht gross genug? Wir werden sehen.

Es hängt also von den Juden selbst ab, ob diese Staatsschrift vorläufig nur ein Staatsroman ist. Wenn die jetzige Generation noch zu dumpf ist, wird eine andere, höhere, bessere kommen. Die Juden, die wollen, werden ihren Staat haben und sie werden ihn verdienen.

Einleitung.

Die volkswirthschaftliche Einsicht von Männern, die mitten im praktischen Leben stehen, ist oft verblüffend gering. Nur so lässt sich erklären, dass auch Juden das Schlagwort der Antisemiten gläubig nachsagen: wir lebten von den „Wirthsvölkern“, und wenn wir kein „Wirthsvolk“ um uns hätten, müssten wir verhungern. Das ist einer der Punkte, auf denen sich die Schwächung unseres Selbstbewusstseins durch die ungerechten Anklagen zeigt. Wie verhält es sich mit dem „Wirthsvolklichen“ in Wahrheit? Soweit das nicht die alte physiokratische Beschränktheit enthält, beruht es auf dem kindlichen Irrthum, dass im Güterleben immer dieselben Sachen rundlaufen. Nun müssen wir nicht erst, wie Rip van Winkle, aus vieljährigem Schlafe erwachen, um zu erkennen, dass die Welt sich durch das unaufhörliche Entstehen neuer Güter verändert. In unserer vermöge der technischen Fortschritte wunderbaren Zeit sieht auch der geistig Aermste mit seinen verklebten Augen rings um sich her neue Güter auftauchen. Der Unternehmungsgeist hat sie geschaffen.

Die Arbeit ohne Unternehmungsgeist ist die stationäre, alte; ihr typisches Beispiel die des Ackerbauers, der noch genau dort steht, wo sein Urvater vor tausend Jahren stand. Alle materielle Wohlfahrt ist durch Unternehmer verwirklicht worden. Man schämt sich beinahe, eine solche Banalität niederzuschreiben. Selbst wenn wir also ausschliesslich Unternehmer wären – wie die thörichte Uebertreibung behauptet – brauchten wir kein „Wirthsvolk“. Wir sind nicht auf einen Rundlauf immer gleicher Güter angewiesen, weil wir neue Güter erzeugen.

Wir haben Arbeitssclaven von unerhörter Kraft, deren Erscheinen in der Culturwelt eine tödliche Concurrenz für die Handarbeit war: das sind die Maschinen. Wohl braucht man auch Arbeiter, um die Maschinen in Bewegung zu setzen; aber für diese Erfordernisse haben wir Menschen genug, zu viel. Nur wer die Zustände der Juden in vielen Gegenden des östlichen Europa nicht kennt, wird zu behaupten wagen, dass die Juden zur Handarbeit untauglich oder unwillig seien.

Aber ich will in dieser Schrift keine Vertheidigung der Juden vornehmen. Sie wäre nutzlos. Alles Vernünftige und sogar alles Sentimentale ist über diesen Gegenstand schon gesagt worden. Nun genügt es nicht, die treffenden Gründe für Verstand und Gemüth zu finden; die Hörer müssen zuerst fähig sein zu begreifen, sonst ist man ein Prediger in der Wüste. Sind aber die Hörer schon so weit, so hoch, dann ist die ganze Predigt überflüssig. Ich glaube an das Aufsteigen der Menschen zu immer höheren Graden der Gesittung, nur halte ich es für ein verzweifelt langsames. Wollten wir warten, bis sich der Sinn auch der mittleren Menschen zur Milde abklärt, die Lessing hatte, als er Nathan den Weisen schrieb, so könnte darüber unser Leben und das unserer Söhne, Enkel, Urenkel vergehen. Da kommt uns der Weltgeist von einer andern Seite zu Hilfe.

Dieses Jahrhundert hat uns eine köstliche Renaissance gebracht durch die technischen Errungenschaften. Nur für die Menschlichkeit ist dieser märchenhafte Fortschritt noch nicht verwendet. Die Entfernungen der Erdoberfläche sind überwunden, und dennoch quälen wir uns ab mit Leiden der Enge. Schnell und gefahrlos jagen wir jetzt in riesigen Dampfern über früher unbekannte Meere. Sichere Eisenbahnen führen wir hinauf in eine Bergwelt, die man ehemals mit Angst zu Fuss bestieg. Die Vorgänge in Ländern, die noch gar nicht entdeckt waren, als Europa die Juden in Ghetti sperrte, sind uns in der nächsten Stunde bekannt. Darum ist die Judennoth ein Anachronismus – und nicht weil es schon vor hundert Jahren eine Aufklärungszeit gab, die in Wirklichkeit nur für die vornehmsten Geister bestand.

Nun meine ich, dass das elektrische Licht durchaus nicht erfunden wurde, damit einige Snobs ihre Prunkgemächer beleuchten, sondern damit wir bei seinem Scheine die Fragen der Menschheit lösen. Eine, und nicht die unbedeutendste, ist die Judenfrage. Indem wir sie lösen, handeln wir nicht nur für uns selbst, sondern auch für viele andere Mühselige und Beladene.

Die Judenfrage besteht. Es wäre thöricht sie zu leugnen. Sie ist ein verschlepptes Stück Mittelalter, mit dem die Culturvölker auch heute beim besten Willen noch nicht fertig werden konnten. Den grossmüthigen Willen zeigten sie ja, als sie uns emancipirten. Die Judenfrage besteht überall, wo Juden in merklicher Anzahl leben. Wo sie nicht ist, da wird sie durch hinwandernde Juden eingeschleppt. Wir ziehen natürlich dahin, wo man uns nicht verfolgt; durch unser Erscheinen entsteht dann die Verfolgung. Das ist wahr, muss wahr bleiben, überall, selbst in hochentwickelten Ländern – Beweis Frankreich – so lange die Judenfrage nicht politisch gelöst ist. Die armen Juden tragen jetzt den Antisemitismus nach England, sie haben ihn schon nach Amerika gebracht.

Ich glaube, den Antisemitismus, der eine vielfach complicirte Bewegung ist, zu verstehen. Ich betrachte diese Bewegung als Jude, aber ohne Hass und Furcht. Ich glaube zu erkennen, was im Antisemitismus roher Scherz, gemeiner Brotneid, angeerbtes Vorurtheil, religiöse Unduldsamkeit – aber auch was darin vermeintliche Nothwehr ist. Ich halte die Judenfrage weder für eine sociale, noch für eine religiöse, wenn sie sich auch noch so und anders färbt. Sie ist eine nationale Frage, und um sie zu lösen, müssen wir sie vor Allem zu einer politischen Weltfrage machen, die im Rathe der Culturvölker zu regeln sein wird.

Wir sind ein Volk, Ein Volk.