Der Kampf um den Mann - Clara Viebig - E-Book

Der Kampf um den Mann E-Book

Clara Viebig

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Beschreibung

Dem Bauern geht es in "Der Kampf um den Mann" schlecht, er liegt im Sterben. Nach dem Tod des ersten Ehemanns der Bäuerin war er ins gemachte Nest geschlüpft. Die Rosenkranzjungfern werden erwartet, in ihrer Gegenwart stirbt es sich angeblich leichter. Als eine von ihnen, die Cilla, vor den anderen erscheint, wird deutlich, dass sie dem jungen, hübschen Bauern nachstellt. Als dies die wesentlich ältere Bäuerin mitbekommt, steht ihr Entschluss fest: Teilen will sie ihn niemals mit einer anderen. In "Eine Flucht" müssen die beiden Damen der feinen Gesellschaft erkennen, dass es gar nicht so leicht ist, in einem Arbeitshaus den "gefallenen Mädchen" zu helfen. Diese sehnen sich nach ganz anderen Dingen als nach einem Dasein auf dem Land oder in einer Kleinstadt.-

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Clara Viebig

Der Kampf um den Mann

Dramenznklus

Saga

Die Bäuerin

Drama in einem Akt

Personen:

Reinhold May, genannt der Mitte-Lange-Bauer.

Die Mitte-Lange-Bänerin.

Karline Flesch.

Cilla Pioschek.

Amanda Senz.

Kathrine Barberski.

Rosenkranzjungfern.

Ort der Handlung: Ein katholisches Dorf im Osten.

Zeit: Gegenwart.

Behäbige Bauernstube. Im Hintergrund ein Fenster, durch das man Dorsstrasse und Dorfkirche sieht, und eine Tür auf die Strasse. Links: Tür, und das bäurische Ehebett mit geblümten Kattunvorhängen; die Vorhänge sind bei Aufgang des Vorhangs zugezogen. Rechts: Schrank mit Gläsern und buntem Porzellan u. s. w. Au der Wand: Muttergottesbild, mit dem Schwert im Herzen, darunter Weihwasserkesselchen. Am Bett: Schemel mit Medizingläsern u. s. w. Die Sonne scheint Flesch, halb bäurisch, halb städtisch gekleidetes Weib, ist allein in der Stube. Mitte-Lange-Bauer im Bett, unsichtbar.

Flesch

(am Schrank beschäftigt, hält eine Flasche gegen’s Licht).

Hm! Halbvolle tut se noch sein! Merken wird’s die Bäuerin nich, wenn ich e wing kosten tu! (Trinkt ein paarmal aus der Flasche.) Ah! Brr! Is das ’ne Hitz, zum verblischen! Un müd’ is mer, reine hin! Wenn mer nur könnt sich e wing uf’s Ohr legen! Aber nee, glei muss mer Troppen eingeben oder — halt — hat der Herre Dokter nich gesagt, Wein soll er kriegen, en Löffel voll, alle halbe Stund? (Nimmt eine andre Flasche, trinkt daraus und setzt sie wieder hin.) Ae was, nutzen tut doch nischt!

Bauer (seufzt tief).

Flesch.

Jo, jo, mer sagt schon, is das en Kreuz! Jeses Maria, nich eene Minute hat mer Ruhe — was der Bauer einen kuranzt! Un so die ganze Nacht. Die Unraft! ’raus wollt’ er aus’m Bett, denn wieder ’rein — immer ’raus, ’rein — un das Gestöhne! Mer is schon was gewöhnt, aber nee, nee — (Geht au’s Bett, zieht dir Gardine ein wenig auseinander.) Was wollt Ihr denn, Mitte-Lange? Nee, ich sage schon, dass Ihr auch gar so schwere sterben tut! Selbiges hab’ ich noch kaum erlebt un bin doch nu an die fufzehn — nee, was sag ich? an die zwanzig Jahr Leichenfrau. Se sagen, wenn Fleschs Karline kommt, tut’s Käuzchen glei schreien. Habt Ihr’s denn noch immer nich gehört, Mitte-Lange? He, Bauer — nee?!

Bauer (hübscher junger Mann, aber leichenblass).

Halts — — Maul —! Hört — uf — mit — dem Geschwätze!

Flesch.

Geschwätze — Geschwätze?! Nee, so wahr ich leb’ un dermaleinst uf de ewige Seligkeit hoffen tu’, sagt nich Geschwätze! Jo, jo, Ihr könnt’s dreiste glauben, Mitte-Lange, wie dazumal ’s grosse Sterben im Dorfe tat sein, un ich nich wusste, wo zuerscht hin, — da sollt’ ich en Krankes umbetten un da Schröpfköppe setzen un da Pillen drehn un da ’ne Latwerge eingeben un da en Gestorbenes waschen — ich kann’s Euch zuschwören, wo ich hinkam, schrie gleich der Totenvogel. (Kopfschüttelnd.) Nur hier nich, nur hier nich!

Bauer.

Ich — will — nich — sterben!!

Flesch.

Sträubt Euch nich derwider, sträubt Euch nich so, ’s hilft nischte, ’s macht Euch’s Abscheiden nur schwerer! (Ein Krenz schlagend.) Wie Gott will! (Sich auf den Bettrand setzend, gemütlich:) Glaub’s schon, dass Euch’s Sterben so leichte nich ankommt, Mitte-Lange; wenn ich Ihr wär’, könnt’ mer’sch ebenso leid zu Mute sein. Da habt Ihr nu all das scheene Geld mit der Bäuerin geheirat’, ’s Haus mitten im Dorfe, die sieben Pferde un all den Acker! Ich sag’ Euch, Euer Roggen steht! (Kichernd.) Jo, jo, da können die Pärchen sich derhinter verstecken. Un in Eurem Obstgarten, i du mein Jeses, der is so dichte, do erscht recht — ’s sieht’s keener.

Bauer.

Ich — will — nich — sterben!

Flesch.

Jo, jo, glaub’s gerne, Ihr seid noch zu jung. Wenn’s noch die Bäuerin täte sein, die dran müsste — he, Bauer, gutt fufzehn ist die älter wie Ihr, fufzehn Jahre, is se nich? Aber lasst gutt sein, Bauer, is se auch nich jung un nich scheene, en braves Weib is se, das muss’r der Neid lassen. Un is se auch e wing stramm — (mit dem Auge blinzelnd) gelle, Bauer? — Moos hat se. Ihr Erschter, Gott hab’n selig, hat ihr brav hinterlassen. Ihr habt e mal Glück gehabt! I du mein, wie saht Ihr aber auch scheene aus, als Ihr von die Soldaten kamt, ’s Bündel am Stecken, die rote Mütze schief uf’m Ohr. Futsch waren die Mädeln. Mer möcht’ sprechen, ’s is nich möglich, wenn mer Euch jetzt ansehn tut.

Bauer.

Hört — us! Hört — uf!

Flesch.

Jo, jo, das hätt’ sich der Bäuerin ihr Seliger auch nich träumen lassen, wie er Euch dazumal gemiet’, dass sein Knecht so bald Mitte-Lange-Bauer werden täte, — er musst’ ’rin in die kalte Grube un Ihr ’rin ins warme Bette. Umdrehn tät’ er sich im Grabe, wenn er’s wüsst’. Das hätt’ er nie von der Bäuerin gedacht, un keener im Dorf nich, nee, keener hätt’ sich das gedenkt! Jo, jo, wenn se auch gar so sehre stolz tut —, he, du, blas’ mir’n Staub weg’ — se hat’s auch gemerkt, dass Ihr ’n scheener Kerl wart. Un de Mädeln, die hatten’s Nachsehn. Aber Pech hat se doch — ach, du mein Jesus — nu wird se wohl nich noch eenmal freien.

Bauer (sich gewaltsam aufraffend).

Ich will nich sterben.

Flesch (ihn niederdrückend).

Ss, ss, legt Euch!

Bauer (stöhnt).

Flesch.

Jo, jo, Ihr sterbt schwere. Na, na, wartet man, wann de Rosenkranzjungfern erscht kommen, dann wird’s Sterben schon leichter gehn. Wenn’s Hochamt aus is, denn kommen se, de Jungfern vom heiligen Rosenkranz. Hätt’ de Bäuerin uf mich geheert, hätten se gestern schon hier gebet’t, un Ihr wärt schon drüben in der ewigen Ruh’. Un ich hätt’ de Nacht schlafen können. (Gähnend.) Oh, bin ich müd’! Was, was sagt Ihr, Bauer? Jo, Ihr könnt glauben, wenn die beten tun an Eurem Bette, die reinen Jungfrauen, die unschuldigen Lämmer, dann kriegt Eure arme Seel’ Sehnsucht nach ihrer himmlischen Heimat. De Augen fallen Euch zu, ganz sachte — adjes Welt, Himmel, tu Dich uf — aus is! Ss, ss, Mitte-Lange-Bauer, man nich so stätsch! So — (zieht ihm das Kopfkissen unter’m Kopf weg und zieht die Gardine zu).

Die Tür im Hintergrund wird vorsichtig geöffnet, Cilla Pioscheck schiebt sich langsam herein. Schönes, junges Mädchen, mit Gebetbuch und Rosenkranz, in schwarzem Kirchengewand bäurischen Schnittes, das blaue Band der Rosenkranzjungfern um den Hals.

Flesch.

Nanu? Ei, sieh eener, Pioscheks Cille, un alleene?! Wo sein denn die andern Jungfern vom Rosenkranz?

Cilla (verlegen).

Se sein noch zu Gange in der Kirch. ’s Hochamt is noch nich aus, ich konnt’ nich mehr drinne bleiben, — o die Hitz, mein Kopf — is mir’s schlecht! Seid so gutt, Karline, ’nen Trunk!

Flesch.

Glei, glei! I du meine Güte! Jo, die Hitze! Setz der, setz der. (Streichelt ihr die Wangen.) Jemmich, ganz elendig biste, gar nich so scheene weiss un rot, wie sonst. Es war wohl gar sehre voll in der Kirch? Na, wart’ man, — (holt ein Gläschen aus dem Schrank und giesst ein) da, trink e wing, wird der glei besser zu Mute.

Cilla (das Glas fortstossend).

Nee, nee, kein Schnaps! (sich lauernd umsehend) Wasser, wenn ich nur Wasser hätt’ — recht frisches! Oh, is mir’s schwach!

Flesch (trinkt das Glas aus).

Nu sag’ eener, Wasser will se!

Cilla (ächzend).

Wasser, Wasser!

Flesch.

Hier is keens. Da musste schon selber an’n Brunnen gehn.

Cilla.

Och, hol’ mer doch —

Flesch.

Ich bin zu hin, de ganze Nacht uf den Beinen un denn noch zum Brunnen laufen — nee! (lässt sich auf einen Stuhl fallen.)

Cilla (verzweifelt).

Jesus, geht doch, seid doch so gutt, ich bitt’ Euch.

Flesch (ärgerlich).

Warum nich gar? Hol’s der alleene, hast jüngere Füss’! (gähnend) So’n Kreuz! Nee, der Bauer, was der ein’ vexiert!

Bauer (seufzt).

Cilla (zusammenschreckend).

Wie gehts ’m denn? Was macht er denn?

Flesch.

Schlecht! Gar sehre! ’s is nischt mehr mit ihm. Der Herre Doktor sagt’ gestern, nee, vorgestern sagt er schon, der wird nich wieder. Vor drei Tagen hat er’s letzte gegessen, na, da weess mer’sch doch, wenn einer nischt mehr essen tut! ’n Wunder, dass ’s nich schon alle is.

Cilla.

Oh — —

Flesch.

Nu, was denne? Sterben müssen wer alle, der eine früh, der andre spät, der eine leicht, der andre schwer — (nach dem Bett hin) der quält sich. Na, wenn ihr nachher für sein Abscheiden tut beten, wird’s schon werden. Dafür seid’r jo da!

Bauer (stöhnt).

Cilla (mit einem Schritt gegen das Bett).

Er tut sich rühren, — er will was! Bauer, Bauer — Ich bin’s, Pioscheks Cilla — ich (in Tränen ausbrechend) ich!

Flesch.

Nu, was denne? Lass das Gebarme?

Cilla.

Bauer!

Flesch.

Sei stille, ruf’n nich zurücke! ’s Kissen hab’ ich’m schon weggezogen unter’m Koppe, das sput’t.

Cilla

(ist in sich zusammengesunken, das Gesicht in den Händen verbergend).

Flesch

(kämpft mit dem Schlaf. Die Kirchenuhr schlägt elf. Cilla anstossend:)

Sag’ emal — he, Jungfer! — das Hochamt dauert wohl noch e wing? De Bäuerin wird auch noch e wing beten tun. Du bleibst doch hier, Cille, bis die andern vom Rosenkranz kommen, gelle?

Cilla (nickt).

Flesch.

Nu siehste, das trifft sich jo scheene! Da sei doch so gutt, pass’ e wing uf’n uf (sieht nach ihm.) — der duselt jetzte, keene Bange. Wann de Bäuerin heeme kommt — du siehst’s hier durch’s Fenster — da sei doch so gutt, hust ’mer, da wach ich glei uf un —

Cilla.

Ja, ja!

Flesch.

Ich halt’ mich nich mehr! Ich muss mich e wing nebenan uf’s Bette legen, schlafen beileibe nich, nee, nee, nur de Füsse ruhn.

Cilla.

Geht nur, macht, ich pass’ uf.

Flesch.

Hust’ aber, dass se’s ja nich merken tut, de Bäuerin, nur ja nich — hust’, hörste?

Cilla (sie brängend).

Ja, ja, legt Euch nur hin! Geht doch schon, geht, geht!

Flesch (taumelt ab).

Cilla

(ans Bett springend, reisst die Gardinen auseinander).

Reinhold! Holde! Stirb nich! Wach uf! Siehste mich’ Kennste mich? Ich bin’s, die Cilla!

Bauer (lallend).

Cil — la. (Sich befinnend, zärtlich:) Cilla!

Cilla.

Er hört mer, er kennt mer. (Weinend.) Holde, gelle nee, das tuste mer nich an, du bleibst leben. Holde, mein Schatz! (Wirst sich über ihn, versucht ihn aufzurichten.)

Bauer (fällt stöhnend zurück).

Ich will nich sterben!

Cilla.

Red’ nich — sterben, was sollste wohl? Wo tut’s der denn weh? Im Koppe? In der Brust? Hier? Da? Gelle nee, ’s is nich so schlimm, wie se reden tun? Was der Doktor weiss, der Quacksalber! Un de Karline! Die denkt nur ans Sterben, die is schon so alt. Aber wir zwei beide, gelle, wir sein jung! Holde, pass uf, du wirst wieder gesund, ganz gesund, ganz stark! Vorigtes Jahr bei der Ernte, wer war da der Stärkste? Du, gelle? Wie haste de Garben uf’n Wagen geschmissen! Un dies Jahr noch beim Heuen, was konntste das hohe Gras mähen! Un uf den Arm konntste mer nehmen, wie en ganz kleines Kind! Wo fehlt’s der denn jetzt, sag doch, red’ doch, — ein Wort.

Bauer.

Lass mich! Lass mich!

Cilla.

Was, nischte wissen willste von mer, och geh, Spass! Musst mer nich vexieren tun, o nee, nee, meine Angst is so gross! Seit du krank bist, was hab’ ich gebet’t, unter Tag bei der Arbeit, alle Stund, un nachts, nachts — o mein Jeses, die Nächt! ’s hat mich nich gelitten im Bette. ’raus bin ich, wie sonst, wenn du mer gepfiffen hast; in den Obstgarten bin ich gelaufen, ich dacht’ immer, du musst’ hinter der Heck’ stehen un uf mer warten, wie so ofte. Aber nischte von dir, bloss de Bäume standen da. Da hab ich mer ins Gras geschmissen un geweint un geweint. Un morgens, mittags un abends bin ich hier ums Haus geschlichen, aber ’rein hab’ ich mir nie nich getraut. Ich hab’ Angst vor der Bäuerin. Die Alte, die Eule, die Garschtige die!

Bauer.

Lass se, lass se!

Cilla.

Nee, die, die mit ihrem Geldsack, wär die nich gewesen, hättste mir genommen, gelle? Un nu, nu is se beese, weil sie alt is un ich jung, weil sie so garschtig is un ich hübsch, gelle? Weesste noch, wie du von’s Militär kamst, wir waren immer ’s scheenste Paar uf’m Tanzboden. Holde, nich wahr? Sag doch was, mich verlangert danach so sehre.

Bauer.

Cilla!

Cilla.

Wie de’s sagst, nee, noch einmal: Cilla! Dass ich’s recht hören tu. Lauter! So wie sonst: Cilla! Holde, hör’ mich, sieh’ mich an, sag’ doch: Cilla!

Bauer (sich mühsam aufrichtend).

Ich glaube — sie — haben recht — mit mir is’s aus. (Sinkt zurück.)

Cilla.

Das sagen se schon seit drei Tag. Drum sollen wir heut’ den Rosenkranz beten bei dir. Senz’ Amanda hat mer’sch gesagt — o mein Schreck — da musst ich der vorher sehn, ich konnt’s ja nich glauben. Der Bäuerin hab’ ich ufgelauert, un wie se in de Kirche ’rin kam, bin ich sachte ’rausgeschlichen. Nu bin ich hier un nu hab’ ich der alleene. Holde, du kannst ja nich sterben! Kuck nur, dein Arm, der is noch so dick, und deine Brust noch so breit (sie betastet ihn) und dein Haar — nee, das is nich mehr so kraus un so voll, aber gräm’ der nich drum. Maternes Hieronymus hat auch mal die Krankheit gehat’, un nu is doch keener im Dorf, der so oft zum Balbier zum Haarscheeren muss. Mit dir is’s nich aus, noch lange nich.

Bauer.

Meinste — ach, meinste, ich könnt noch dervon kommen?

Cilla.

Sicher, ganz sicher.

Bauer.

Sechs — Kerzen — will — ich —

Cilla.

Nee, zwölfe, zwölfe — wallfahren wollen wer, wir zwei beide, gelle du? Ach, wie wird’s wieder scheene werden — weesste noch, Holde, uf der Wallfahrt damals — denkste noch dran? Die Bäuerin war nich mitte gegangen, du warst wie’n Lediger, akkerat so. Se waren alle beim Ablass in der Kapell’, nur wir zwei im Feld, ganz alleene. Flachs blühte, ganz blau war’sch, — wo die Weiden am Lug standen, trafen wir uns. Da setzten wir uns. (Pause.)

Bauer.

Da — setzten — wir uns.

Cilla.

Gelle, nu freuste der? Du bist schon lange nich mehr so erschrecklich blass, ordentlich Rot haste uf’m Gesichte. Fass mer um’n Hals, so — richt’ der e wing uf, siehste, nu geht’s schon!

Bauer (stark).

Ich will nich sterben!

Cilla (nach dem Fenster blickend).

Jeses, die Bäuerin.

Bauer (fällt mit einem Seufzer zurück).

Cilla

(zieht hastig die Borhänge zu und springt nach der Nebenkammer, rufend).

Flesch! Karline!

Bäuerin

(eintretend, im schwarzen Kirchenstaat mit Gebetbuch und Rosenkranz. Strenges Gesicht, Vierzigerin).

Nu, was denne? Du? Hier in der Stub? Du? Du?

Cilla (stotternd).

Ich, jo, ich, — fragen wollt’ ich — Tag auch, Bäuerin Die Karline hat mer — ich — se hat mer —

Bäuerin.

Un ganz alleene?

Cilla (rasch).

Ich sollt e wing ufpassen, die Karline sagt — ich — ich — se hätt’ — se hat sich e wing in der Kammer ufs Bette gelegt.

Bäuerin (immer ohne sie anzusehen).

Du, du sollst e wing ufpassen? Ufpassen?! Ufpassen?! Ihm uflauern, ja, das konntste wohl — ’s giebt nu nischte mehr ufzulauern, Jungfer! (rufend.) Flesch, Karline! (legt, ohne das Mädchen weiter zu beachten, ihre Haube ab.) Wie sieht’s denn aus hier? (Giebt Cillas Buch und Rosenkranz, die auf dem Tisch liegen, einen Stoss.) Nimm deine Sach’! Lass se nich ’rumfahren in andrer Leut’s Haus!

Bauer (stöhnt, Bäuerin sieht hinter die Gardine).

Cilla.

Bäuerin, wie geht’s ihm denne?

Bäuerin.

Wirste ja am besten wissen, warst ja jetzt lange genug hier?

Cilla.

Eenen Augenblick nur! Eenen kleinen Augenblick! Ich war in der Kirch’, un da —

Bäuerin.

In der Kirch? So. ’s Hochamt is ja noch nich zu Ende.

Cilla.

Ich bin ’raus vorm Ende. ’s war so arg schwüle drinne.

Bäuerin.

Schwüle? So. Jo, jo, jo, ’s könnt en Gewitter wer’n.

Bauer.

Auf — auf — ich will — auf!

Cilla.

Was sagt er denne? Was möcht’ er?

Bäuerin (zuckt die Achseln).

Cilla.

Jeses, Bäuerin, nee, wie Ihr auch seid! So ruhig, so — so — — muss er denn sterben? Ach nee, gelle nee?!

Bäuerin.

Wie Gott will!

Cilla (zitternd).

Sterben — sterben, wie schrecklich! (Sucht sich dem Bett zu nähern).

Bäuerin.

Meinste? ’s Sterben täte so schrecklich sein! ’s Sterben, meinste?! (für sich.) Leben, als wär’ mer schon tot, als säh’ mer nischte — wie er nach den jungen Mädeln schielt! — als hört’ mer nischte — — wie sie schäkern tun, im Hof, im Stall, uf’m Feld, überall! — — als fühlt’ mer nischte, als fühlt’ mer nischte derbei, das is — — (bemerkt Cilla am Bett, stösst sie weg, packt sie am Hals, schreiend!) Mach’, dass de ’raus kommst, du, du! Ich kann der nich vor Augen sehn! Dich vor allen nich, Dich mit Deiner glatten Fratze! Raus, sonst — — (immer noch Cilla festhaltend.) Was, was sagste? He? Kannste nich reden? Tuschelst doch sonst genug. Lach doch. Wie de sonst lachen tust — haha, hihi, hihihihi — du kannst nich, was? Du hast keenen Odem mehr? Angst haste?! Ei warum nich gar! Se hört ja nischte. — (Auf sich deutend: