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Butler Parker ist ein Detektiv mit Witz, Charme und Stil. Er wird von Verbrechern gerne unterschätzt und das hat meist unangenehme Folgen. Der Regenschirm ist sein Markenzeichen, mit dem auch seine Gegner öfters mal Bekanntschaft machen. Diese Krimis haben eine besondere Art ihre Leser zu unterhalten. Butler Parker ist seinen Gegnern, den übelsten Ganoven, auch geistig meilenweit überlegen. In seiner auffallend unscheinbaren Tarnung löst er jeden Fall. Bravourös, brillant, effektiv – spannendere und zugleich humorvollere Krimis gibt es nicht! E-Book 1: Parker stellt den Attentäter E-Book 2: Parker impft die "Mörder-Bienen" E-Book 3: Parker macht dem Käpt´n Dampf E-Book 4: Parker geht auf Schnitzeljagd E-Book 5: Parker badet den Big Boss E-Book 6: Parker trickst den Marder aus E-Book 7: Parker heizt dem Panther ein E-Book 8: Parker schießt den Drachen ab E-Book 9: Parker schließt die Killerschule E-Book 10: Parker und die "Stimmen aus dem Jenseits"
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Seitenzahl: 1223
Veröffentlichungsjahr: 2022
Parker stellt den Attentäter
Parker impft die "Mörder-Bienen"
Parker macht dem Käpt´n Dampf
Parker geht auf Schnitzeljagd
Parker badet den Big Boss
Parker trickst den Marder aus
Parker heizt dem Panther ein
Parker schießt den Drachen ab
Parker schließt die Killerschule
Parker und die "Stimmen aus dem Jenseits"
Percival Bandersham saß allein im kleinen Salon und blickte den Butler betrübt an. »Sie ist einfach gegangen«, sagte er und deutete auf Agatha Simpsons leeren Sessel. »Dabei wollte ich sie nur um eine Gefälligkeit bitten. Immerhin ist Lady Agatha eine Cousine zweiten Grades meines Onkels Marmeduke.«
Der junge Lord schwenkte seine Blicke auf Josuah Parker. »Eine peinliche Lage, in der ich stecke. Ich hatte mir von diesem Besuch eine finanzielle Zuwendung versprochen, Mister Parker. Draußen wartet mein Taxi, und der Fahrer hat noch keinen Penny bekommen.«
»In der Tat eine unerfreuliche Situation, Mylord. Wären Euer Lordschaft geneigt, meiner bescheidenen Wenigkeit zu gestatten, den Chauffeur auszuzahlen?«
»Nett von Ihnen, alter Knabe. Doch der Fahrer ist meine geringste Sorge. Ich brauche zehntausend Pfund, sonst kann ich mir eine Kugel in den Kopf jagen.«
»Einem solchen Unterfangen wäre dringend abzuraten. Im allgemeinen sehen sich Leichen außerstande, größere Probleme zu lösen.«
»Das sagen Sie so, Mister Parker. Ich habe gespielt und gewettet, und meine Gläubiger warten nur noch bis Mittag. Wie spät ist es?«
Josuah Parker konsultierte seine Taschenuhr. »Noch zehn Minuten bis zwölf Uhr. Es wäre nicht übertrieben zu behaupten, daß die Zeit knapp wird, Mylord.«
»Wem sagen Sie das!« Bandersham blickte den Butler hoffnungsvoll an. »Sie haben wohl auch nicht zufällig zehntausend Pfund übrig, Mister Parker? Es handelte sich nur um ein mittelfristiges Darlehen.«
»Mylord wollen mein größtes Bedauern zur Kenntnis nehmen«, erwiderte Parker würdevoll. »Beträge dieser Größenordnung übersteigen die Möglichkeiten eines Butlers.«
»Es müssen ja nicht die vollen Zehntausend sein! Holen Sie mal Ihren Sparstrumpf, und wir werden nachsehen, was zusammenkommt.«
»In finanziellen Dingen folgt meine bescheidene Wenigkeit Myladys Beispiel. Beträge über zehn oder zwölf Pfund werden den Banken anvertraut. Gleichwohl ist man bereit, Eurer Lordschaft nach Kräften behilflich zu sein. Man weist auf die Möglichkeit, ... hm, Gläubiger durch mündliche Verhandlungen auf einen späteren Zahlungstermin einzustimmen.«
»Zwecklos, Mister Parker. Punkt zwölf Uhr muß ich zahlen«, sagte Percival Bandersham düster. »Ich frage mich, in was für einer Welt wir leben. Die Burschen haben versprochen, mir ein Ohr abzuschneiden, falls sie ihr Geld nicht pünktlich bekommen.«
»Angesichts der in Frage stehenden Summe ist Eurer Lordschaft Ohr bedeutend mehr wert«, erklärte Butler Parker. »Man darf hinzufügen, daß gewisse Kreise neuerdings gern zu derartigen Drohungen greifen. Demgegenüber sei die Bemerkung gestattet, daß ein abgeschnittenes Ohr nur ungern von den Banken revalutiert wird.«
»Sie sind ein Spaßvogel, Mister Parker! Ich würde das Ohr ja noch opfern, besonders das linke, auf dem ich schwerhörig bin! Aber was sollen meine Freunde sagen? Nächste Woche beginnt in Ascot die neue Saison. Beim Pferderennen ist der graue Zylinder Vorschrift. Das Ding würde mir halb über den Schädel rutschen, und ich würde aussehen wie ein Narr.«
Von diesem Zustand war Percival Bandersham ohnehin nicht weit entfernt. Josuah Parker vermochte bei aller Wertschätzung für den jungen Lord nicht gutheißen, daß ein Mitglied des britischen Adelsstandes das herrschaftliche Personal anpumpte.
»Da Mylady sich außerstande sehen, Eure Lordschaft aus der vorübergehenden Verlegenheit zu helfen, steht es meiner bescheidenen Person nicht zu, dem zuwiderzuhandeln, Mylord.«
»Zufällig weiß ich verdammt genau, daß zehntausend Pfund ein lächerlicher Betrag für Sie sind. Sie haben an der Börse verdient, als der Dollarkurs stieg. Und ich habe zur gleichen Zeit Dollars mit geliehenem Geld gekauft. Inzwischen ist der Dollar im Keller – genau wie ich.«
»Eine höchst bedauerliche Tatsache, Mylord. Es scheint ein Irrtum zu sein, ein Hunderennen mit Devisenspekulationen gleichzusetzen.«
»Das brauchen Sie mir nicht zu sagen, Mister Parker. Geben Sie mir wenigstens das Geld für mein Fluchttaxi.«
»Mit dem größten Vergnügen, Mylord. Meine Wenigkeit wird Sie hinausbegleiten und den Fahrer entlohnen.«
»So möchte ich das nicht, Mister Parker. Geben Sie mir hundert oder zweihundert Pfund. Es wäre mir peinlich, wenn der Fahrer dahinterkäme, daß ich von einem Butler ausgehalten werde.«
Josuah Parker verzog keine Miene, nickte würdevoll, wandte sich kurz beiseite, um seiner Brieftasche einige Banknoten zu entnehmen, und überreichte das Produkt seiner Hilfsbereitschaft. »Hier sind fünfzig Pfund, Mylord. Im Großraum London dürfte es unmöglich sein, an einem Vormittag an Taxigebühren mehr als diesen Betrag herauszufahren.«
»Das unterscheidet Sie von Tante Agatha, Mister Parker. Ich habe zwanzigtausend von ihr verlangt, in der Hoffnung, sie würde mir fünftausend geben, was ein Viertel ausmachen dürfte. Von Ihnen wollte ich zweihundert nehmen, und Sie bieten mir veritable fünfzig Pfund. Das ist sehr charaktervoll gehandelt, alter Knabe.«
»Mylord...«
»Keine Umstände«, sagte Percival Bandersham. »Ich finde schon allein hinaus.« Er lehnte ab, sich von Butler Parker zum Portal des Fachwerkhauses geleiten zu lassen.
Selbstverständlich brachte der Butler den Gast dennoch bis zum Eingang und reagierte auf Bandershams leutseliges Winken mit einer knappen Verbeugung.
Seine Lordschaft stolperte die Auffahrt hinab und schien dabei Parkers milde Gabe durchzuzählen. Am Gittertor befand sich allerdings kein Taxi. Dennoch – Bandersham hatte nicht gelogen. Das schwarze Gefährt mit dem typischen Aussehen eines Londoner Morris-Taxis hielt gegenüber. Die überdachte Gepäckabstellfläche links neben dem Fahrer war nicht zu erkennen, weil der Wagen in Fahrtrichtung Shepherd’s Market stand.
Der einzige Nachteil des Wagens bestand in der Tatsache, daß das Fahrgastabteil besetzt war. Sollte der Lord etwa Freunde zu seiner mißlungenen Inkasso-Tour eingeladen haben?
Josuah Parker dachte noch über die sonderbare Handlungsweise jenes Neffen dritten Grades seiner Herrin nach, als es von der Taxikabine her mehrmals aufblitzte. Die dumpfen »Plopps« folgten Sekundenbruchteile später. Parker identifizierte das Ereignis eindeutig als feindselige Handlung aus Feuerwaffen.
Percival Bandersham stürzte, rollte zur Seite und blieb auf der zu Lady Agatha Simpsons Besitz gehörigen Auffahrt liegen.
In diesem Augenblick bedauerte Josuah Parker, daß er nicht seinen vorsintflutlichen Colt zur Hand hatte. Wäre dies der Fall gewesen, hätte er es den Rowdies im Taxi schon gezeigt. So aber beschränkten sich Parkers Aktivitäten darauf, unter Ausnutzung der sich bietenden Deckung bis zu Lord Bandersham vorzudringen, um Hilfe zu leisten.
Josuah Parker mußte auf die Besatzung im Taxi wirken wie ein hin und her hüpfender riesiger schwarzer Vogel. Der Mann am Steuer aktivierte den Motor und brachte das Gefährt rasch außer Sicht.
Es gab noch zwei, drei dumpfe »Plopps« – dann herrschte Ruhe. Parker fand es bemerkenswert, daß nirgendwo Spuren von Geschoßeinschlägen erkennbar waren.
*
»Haben Euer Lordschaft sich verletzt?« erkundigte sich der Butler und beugte sich über den reglosen Adligen.
»Sind sie weg, Mister Parker?« Percival Bandersham blinzelte in die Helligkeit und gab es auf, sich tot zu stellen.
»Die sonderbaren Gentlemen haben es vorgezogen, sich zu verflüchtigen, Mylord. Ohnehin sollte und müßte erwähnt werden, daß es sich zweifelsohne um Platzpatronen handelte, mit denen geschossen wurde. Es dürfte der Verdacht naheliegen, daß es sich um einen Scherz handelte, inszeniert von Freunden Eurer Lordschaft?«
»Wer hier scherzt, sind Sie, Mister Parker... Helfen Sie mir auf. Ich muß mir den Knöchel verknackst haben, als ich mich hin warf. Verdammte Gangster!«
»Belieben Euer Lordschaft diesen Ausspruch auf die Gentlemen zu beziehen, die in menschenfreundlicher Absicht Knallkörper zur Detonation gebracht haben?«
»Ich kann nicht mehr laufen. Tante Agatha muß mich aufnehmen, bis ich körperlich wieder fit bin. Bringen Sie mich ins Haus zurück, Mister Parker. Ich brauche Ihre Hilfe.«
»Mylady dürfte wenig davon angetan sein, Verwandtschaft im Hause zu beherbergen.. Allerdings scheinen Euer Lordschaft in der Tat ernstlich verletzt zu sein. Mit Verlaub, das Fußgelenk ist angeschwollen.«
»Das hat nichts zu bedeuten, Mister Parker, aber behalten Sie das für sich. Ich bin beim letzten Polo-Match vom Pferd gefallen. Mit meinem Knöchel war’s schon vorher nicht zum besten, doch das muß meine Tante nicht unbedingt wissen. Ich rechne fest auf Ihre Verschwiegenheit, Mister Parker. Bringen Sie mich jetzt ins Haus – ich muß mich ein wenig ausruhen.«
»Wie Euer Lordschaft belieben. Die fünfzig Pfund scheinen in Anbetracht der eingetretenen Umstände nicht mehr vonnöten zu sein.«
»Welche fünfzig Pfund?« sagte der Lord in scheinbar ehrlichem Erstaunen.
»Ein typischer Fall von temporärer Amnesie«, äußerte sich Josuah Parker. »Falls Euer Lordschaft geruhen, in die rechte Seitentasche des Jacketts zu greifen, werden Mylord unschwer Banknoten im Gesamtbetrag von fünfzig Pfund entdecken, die dem Besitz meiner bescheidenen Wenigkeit entstammen.«
»Jetzt behaupten Sie nur noch, Sie hätten mir Geld geliehen!«
»Sollten Seine Lordschaft sich nicht mehr daran zu entsinnen vermögen, wird meine Wenigkeit den fraglichen Betrag unter ›Sonstiges‹ verbuchen.«
»Das dürfen Sie halten, wie Sie mögen, Mister Parker. Im Vertrauen – ich mag es nicht, mit Forderungen belegt zu werden, die ich nicht zu verantworten habe.«
»Ein gesundes Prinzip, Mylord. Es erleichtert mancherlei Rückzahlungsmodalitäten. Sind Euer Lordschaft in der Vergangenheit mit vergleichbaren Forderungen ähnlich verfahren?«
»Wie kommen Sie auf die Idee? Ich zähle mich zu den ehrlichsten Schuldnern des Vereinigten Königreichs. Sie haben ja erlebt, was einem Ehrenmann absolute Ehrlichkeit einbringt. Man hat auf mich geschossen.«
»Mit Platzpatronen, wie es den Anschein hatte, Mylord«, erwiderte der Butler. »Sollte es mal ernst werden, würde meine bescheidene Wenigkeit sich glücklich schätzen, in Mylords Nähe zu verweilen.«
»Sie sind eine treue Seele, Parker. Ich komme gerne auf Ihr Angebot zurück, denn die Kerle geben so schnell nicht auf. Sie sind gewissenlose Eintreiber, die sich den Teufel drum scheren, ob man flüssig ist oder nicht.«
»Nehmen Euer Lordschaft an, daß jene zweifelhaften Gentlemen sich der Mühe unterzogen haben, mit aufgeschraubtem Schalldämpfer zu feuern, obwohl es sich einwandfrei um Platzpatronen handelte? Das ergibt meines, wenn auch unmaßgeblichen Erachtens keinen Sinn.«
»Sie haben es doch erlebt, Parker. Es war die letzte Warnung! Beim nächsten Mal wird scharf geschossen, hol’s der Teufel. Ich verlange Asyl. Tante Agatha kann mir nicht abschlagen, mich so lange aufzunehmen, bis sich die Aufregung gelegt hat.«
»Myladys diesbezügliche Ansicht wird nicht in der gewünschten Art ausfallen, Mylord. Dies steht zu befürchten.« Josuah Parker hatte, seine Lordschaft stützend, den Eingang des herrschaftlichen Hauses erreicht.
»Das soll sie zahlen«, sagte Percy Bandersham. »Wenn sie mir die zwanzigtausend Pfund gibt, wird sie mich heute noch los.«
In der verglasten Vorhalle war Agatha Simpson inzwischen erschienen. Wie eine Walküre stand sie da, stattlieh und kampflustig. »Du schon wieder, Percy? Habe ich dir nicht gesagt, du sollst mein Haus nie wieder betreten? Deine Bettelei ist widerlich. Jetzt redest du auch noch mit Mister Parker über deine finanziellen Torheiten.«
»Mit Verlaub, Mylady«, sagte der Butler. »Mylord wurde beschossen und hat sich verletzt. Mylady können Seiner Lordschaft nicht Asyl und Schutz verweigern.«
»So? Kann ich nicht?« Lady Agathas Stimme sank grollend ins Baritonale. »In diesem Haus bestimme ich!«
Parker und Bandersham reagierten gleichzeitig.
»Mylady?«
»Tante, was regst du dich auf? Zwanzig große Scheine sind für dich doch kein Problem, oder?«
»Ich schränke mich ein und existiere vom Allernotwendigsten, während du fremdes Geld verjubelst, Percy. Diese Leichtfertigkeit werde ich keinesfalls unterstützen. Von mir bekommst du keinen Penny. Wenn du darauf bestehst, hier zu bleiben, wird Parker dir eine Dachkammer anweisen. Für deine Beköstigung hast du selbst zu sorgen, Gott helfe mir.«
»Amen«, sagte Percival Bandersham erleichtert und grinste zufrieden. Immerhin hatte er es geschafft, in Agatha Simpsons viktorianischem Fachwerkhaus Logis zu bekommen.
*
Red Carboun war die Karriere eines erfolgreichen Bankiers versagt geblieben. Deshalb war er in einen anderen Zweig des Geldgeschäfts übergewechselt.
Er vergab kurzfristig Darlehen an die Besucher von Pferde- oder Windhundrennen, finanzierte illegale Pokerpartien und half auch gern dem Mittelstand mit Bargeld aus, zu einem Zinssatz von 1% – pro Tag allerdings.
Red Carbouns Geschäfte florierten. Alle drei Monate verdoppelte sich sein Kapital, wobei die Eintreibungskosten stets zu Lasten seiner Kundschaft gingen.
Red Carboun war das, was man in einschlägigen Kreisen als Kredithai bezeichnete. Er fühlte sich wohl in seinem selbstgewählten Beruf und genoß es, höchste Schichten der Gesellschaft zu seinen Kunden zählen zu dürfen und im Bedarfsfall unter Druck setzen zu können. Red Carboun beherrschte den Finanzmarkt, verlieh und ließ eintreiben, schacherte, wucherte und mehrte seinen Besitz.
Er verfügte über Eintreiberkolonnen, die jeweils zu dritt arbeiteten. In dieser wenig zu einem Gentleman passenden Tätigkeit fanden alte Freunde Carbouns ihr Ein- und Auskommen. Alle Mitarbeiter beherrschten die Kunst der abgestuften Eskalation.
Näherte sich der Zeitpunkt der vereinbarten Rückzahlung, wurde der betreffende Kunde aufgesucht und freundlich auf seine Terminverpflichtung hingewiesen. Dies war die erste Stufe. Carboun gewährte seinen Schuldnern in aller Regel eine Nachfrist von drei Tagen, und diese Großzügigkeit stellte die zweite Stufe dar.
In der dritten Stufe wurde der Kunde nochmals aufgesucht und ermahnt, seiner Verpflichtung binnen 24 Stunden nachzukommen. Fruchtete auch dies nicht, besaß Red Carboun eine ganze Palette von Möglichkeiten und Verfahrensweisen, den Schuldner zahlungswillig zu machen.
So auch im Fall Percival Bandersham. Ihm drohte der Verlust eines Ohres. Ehe man jedoch zu dem chirurgischen Eingriff schritt, wurde die monetäre Forderung gegen seine Person noch mal deutlich bekräftigt.
Man lauerte ihm auf und bediente ihn mit künstlich gedämpften Detonationen von unscharfen Geschossen.
Zumeist beeindruckte dies den Schuldner so stark, daß alles darangesetzt wurde, sich der Zahlungsverbindlichkeit nebst aufgelaufener Zinsen zu entledigen, selbst wenn dies die Verlegenheit einschloß, Freunde oder Verwandte um den fraglichen Betrag zu bitten.
»Wir sind Bandersham seit dem frühen Morgen nachgefahren, Boß«, erklärte Charles Fever, der Chef des auf seine Lordschaft angesetzten Eintreibungskommansos. Jimmy Pepper und Oleg Mashnikow vervollständigen das Trio.
»Bandersham hat wirklich erste Adressen aufgesucht, Boß«, fuhr Charles Fever fort. »Mit dem britischen Adel ist nichts mehr los.»Bandershams Gesicht wurde von Mal zu Mal länger. Zum Schluß war er bei dieser Mistreß Simpson.«
Carboun richtete sich in seinem Schreibtischsessel auf. Viel brachte das nicht, denn Carboun war von Natur aus kein Riese. Was ihn auszeichnete, war sein ausladendes Haupt, weshalb man ihn auf der Public School in Hammersmith auch »Wasserkopf« genannt hatte. »Mistreß Simpson hat mehr Kohle, als sie verbraten kann«, berichtigte er. »Außerdem ist sie eine Lady. Lady Agatha Simpson, Fever! Man muß die Form wahren, mein Junge.«
»Was soll’s, selbst wenn die Alte ’ne echte Lady ist, Boß. Bandersham kam so arm aus dem Schuppen raus, wie er reingegangen ist. Wir haben ihm ein bißchen eingeheizt, bis eine schwarze Vogelscheuche dazukam. Butler – oder so was. Bewegte sich, als hätte er einen Ladestock verschluckt.«
»Was ist passiert?«
»Nichts weiter, Boß. Die Vogelscheuche schleppte Bandersham zum Haus, und wir sind weitergefahren. Der Kunde bleibt uns erhalten, schätzungsweise. Scheint bei dieser Lady zu wohnen, Boß. Oleg hat das Haus noch eine Viertelstunde lang beobachtet, aber es tat sich nichts mehr.«
»Sehr gut, Bandersham ist bei Lady Simpson hervorragend aufgehoben. Die Frau ist schwerreich. Wieviel habe ich von Bandersham zu kriegen?«
»Das Darlehen belief sich auf fünftausend Pfund, Boß. Noch mal fünftausend für Zinsen, achthundert für Gebühren und der Einsatz heute. Macht runde zwölftausend. Wir hatten bei Bandersham verdammt hohe Auslagen.«
»Ich weiß«, erwiderte Carboun grinsend. »Wir treiben Bandersham noch bis Zwanzigtausend hoch, denn dafür ist Lady Agatha jederzeit gut. Und damit Bandersham nicht meint, wir hätten ihn vergessen, soll Mashnikow bei Gelegenheit vorbeifahren und dem Lord eine Glatze schneiden.«
»Nichts mit Ohr ab, Chef?«
»Nächste Woche startet in Ascot die Saison, du Dummkopf! Bis dahin muß Bandersham gelöhnt haben und mit beiden vorhandenen Ohren auftreten können. Er wird frisches Geld brauchen und Reklame für uns machen. Verstehst du!«
»Wie du meinst, Boß. Was ist mit unserer Prämie?«
»Die kommt, sobald Bandersham gezahlt hat. Ich bin kein Unterstützungsfonds für Kleinganoven, Fever. Seht zu, daß Bandersham seine Schulden erledigt, und ich werde nicht kleinlich sein.«
»Sonnenklar, Boß.«
*
Von der Verplanung seiner nicht vorhandenen Bonität ahnte Percival Bandersham nichts. Er saß bequem in Agatha Simpsons Wohnhalle, ließ sich von Kathy Porter die Umschläge mit essigsaurer Tonerde wechseln, trank von Myladys Brandy und war obenauf.
»Man muß diesen Burschen nur zeigen, wo es langgeht«, erklärte er Lady Agathas Gesellschafterin und Sekretärin. »Ich wäre dumm, mehr als das Doppelte zurückzuzahlen, wo ich doch nur lächerliche Fünftausend geliehen habe. Jede Bank hätte mir das Geld nachgeworfen – aber nein, man tut etwas für die notleidende Unterschicht und soll dafür auch noch bestraft werden!«
Kathy Porter wrang den Lappen aus und blickte zu Bandersham auf. »Mylady und Mister Parker haben das aber anders geschildert, Mylord. Die Abwicklung der Geschichte scheint ziemlich ungewöhnlich zu sein.«
»Davon rede ich doch die ganze Zeit! Dreißig Prozent Zinsen im Monat sind einfach Wucher! Ich habe mich in Lady Agathas Schutz begeben, und da sie es ablehnt, die Summe für mich auszulegen, verlange ich vom Personal, daß man die Kerle von mir fernhält, die mich in den letzten Tagen belästigt haben. Sollte einer von denen noch mal kommen, soll man ausrichten, ich wäre nicht da.«
»Wie Sie wünschen, Mylord. Mister Parker äußerte sich allerdings dahingehend, es sei schwer, die Vertreter Ihres Gläubigers noch mal abzuweisen, Mylord. Die Forderung bestünde zu Recht.«
»Das ist Unsinn, Miß Porter. Fangen Sie nicht auch noch davon an! Tante Agatha wird sich nolens volens von fünftausend Pfund trennen müssen, und als Gegenleistung verlasse ich dieses Haus. Bis dahin aber nehme ich sämtliche Rechte eines Asylanten in Anspruch.«
Josuah Parker, dem die letzten Worte des Gastes nicht entgangen waren, näherte sich würdevoll. »Mylady erließen die Anweisung, Seine Lordschaft in den oberen Gemächern weiterzubehandeln. Es soll nach Möglichkeit nicht zuviel essigsaure Tonerde verbraucht werden.«
»Sie soll sich nicht so haben«, brummte Bandersham. »Ich ersetze ihr alles, sobald ›First Flower‹ das Rennen gemacht hat. Ich habe auf Platz und Sieg gewettet. Eine sehr anständige Quote, Mister Parker. Eins gegen acht.»
»Demnach handelt es sich bei ›First Flower‹ um einen krassen Außenseiter, Mylord?«
»Unsinn! Der Name sagt’s ja schon ›First‹, verstehen Sie? ›First Flower‹ geht als erster über die Ziellinie. Ein prachtvoller Dreijähriger – nur wissen das die anderen nicht. Wenn es sich ergeben sollte, nehme ich Sie nach Ascot mit, Mister Parker. Sie können Haus und Hof auf ›First Flower‹ setzen.«
Josuah Parker räusperte sich. »Meine bescheidene Wenigkeit vertraut Erspartes nur ungern der Gunst des Schicksals an, Mylord. Nach meinen Informationen lahmte ›First Flower‹ beim letzten Rennen in Luton.«
»Luton ist finsterste Provinz. Ich merke schon, Sie verstehen nichts von Pferden! ›First Flower‹ wurde künstlich zurückgehalten, das ist es! Der Laie ahnt ja nicht, wie schwer es ist, einen Gaul gekonnt lahmen zu lasen. Ich kenne den Jockey – und ›First Flower‹ kommt aus dem Rennstall von Sir Arthur. Das erklärt wohl alles.«
»Dennoch, man rät davon ab, auf Sieg zu setzen, Mylord. Nach den Informationen meiner Wenigkeit nehmen am dritten Rennen acht Pferde teil. Für Eure Lordschaft dürfte es sich empfehlen, den Einsatz zu splittern und auf Platz zu setzen. Was jenen ›First Flower‹ betrifft, kämen die Plätze sieben und acht in Frage, Mylord.«
»Schwachsinn, Parker. Sie bestätigen mir nur, daß die ausgestreuten Gerüchte angekommen sind. ›First Flower‹ soll ja auch als Außenseiter laufen. Ich habe bereits zweihundert Pfund plaziert, was mir leicht verdiente Sechzehnhundert einbringt. Die setze ich im fünften Rennen auf ›The Ripper‹ bei einer Quote von eins zu drei und kann mir meine viertausendachthundert Pfund sofort abholen.«
Josuah Parker verzichtete auf eine Erwiderung. »The Ripper« war ein besseres Ackerpferd, das bei walisischen Turnieren mit Mühe und Not Vorletzter geworden war. Der Teufel mochte wissen, von welch dubiosen Gestalten Seine Lordschaft die Tips bezog.
»Um ehrlich zu sein«, sagte Bandersham, »ich würde statt der Sechzehnhundert lieber Zweitausend setzen, auf Sieg natürlich! Dann kämen glatte Sechstausend heraus. Sie haben wohl nicht zufällig vierhundert Pfund flüssig, Mister Parker? Sie bekämen das Geld zurück, sobald ›The Ripper‹ gelaufen ist.«
»Meine bescheidene Person entledigt sich Myladys Auftrag, indem darauf hingewiesen wird, die Halle als Ambulanz nicht zweckzuentfremden, Mylord. Mylady wünscht, Euer Lordschaft mögen die Räume unter dem Dach aufsuchen, die Eurer Lordschaft zugewiesen wurden. Der Klärung halber ist hinzuzufügen, daß Mylady Besuch erwartet.«
»Und sie will einen schwerverletzten Neffen nicht dabeihaben, ich verstehe. Nun okay, ich beuge mich dem Mangel an angelsächsischer Gastfreundschaft, Parker. Und ich weiß, wie sehr es Sie schmerzt, mich Lady Agathas Fehlverhalten spüren zu lassen...«
»Euer Lordschaft wollen meine bescheidene Wenigkeit entschuldigen«, unterbrach Parker. »Es hat geläutet.«
»Ich bin nicht da, Parker! Und wenn es der Teufel persönlich ist, der nach mir fragt.«
»Sehr wohl, Mylord. Einen solchen Besuch wird man wohl kaum erwarten dürfen. Indessen hat die Annahme geringe Chancen auf Wahrscheinlichkeit, daß der Besuch Eurer Lordschaft gilt. Mylady erwartet einen Mitarbeiter von Scotland Yard.«
»Lassen Sie den Mann rein, Parker. Der Knabe kommt mir gerade recht. Ich habe mit ihm zu reden – über gewisse Praktiken bei der Vergabe von harmlosen Darlehen. Carboun muß verrückt geworden sein, seine Eintreiberkolonne auf mich zu hetzen. Bin ich nicht der beste Schuldner des gesamten Vereinigten Königreiches?«
»Wie Eurer Lordschaft belieben«, sagte Parker mit dem glatten und ausdruckslosen Gesicht eines professionellen Pokerspielers und entfernte sich.
*
Chief-Superintendent McWarden witterte wie ein Jagdhund. »Ist das Brandy, Mister Parker?«
»Ihre Nase ist Spitze, würde der Volksmund sagen, Sir. Lediglich eine Maßnahme zur Ersten Hilfe. Der Betroffene weilt in der Halle und genießt Gastfreundschaft. Es handelt sich um einen entfernten Verwandten Myladys. Der junge Lord Percival Bandersham ist Ihnen sicher dem Namen nach bekannt, Sir.«
»Lord Percival, der Zocker? Wer kennt ihn nicht? Was hat er diesmal für Schwierigkeiten, Mister Parker? Es geht um Geld, nicht wahr? Wer ist hinter ihm her?«
»Dies vorwegzunehmen steht meiner bescheidenen Wenigkeit nicht zu, Sir. Mylady erwartet Sie.«
»Also hat die Dame des Hauses mich wegen Percival Bandersham hergebeten. Hör mich der Henker! Wenn ich das gewußt hätte, wäre ich nicht vom Schreibtisch aufgestanden, Mister Parker. Lord Percival hat etwas an sich, was steten Ärger verursacht.«
»Seine Lordschaft befindet sich in der Halle, Sir«, wandte Parker ein, um die Stimmgewalt des Chief-Superintendenten zu dämpfen. »Man kann Sie weit hören.«
»Das ist mir gleichgültig, Mister Parker! Ich dachte, Mylady hätte mich wegen etwas Wichtigem herzitiert. Und nun handelt es sich bloß um einen verrückten Spieler und Schuldenmacher.«
Der Butler geleitete den Yard-Beamten in die Wohnhalle. Bandersham winkte matt, als McWarden eintrat. »Es wurde auch Zeit, daß die Polizei sich pflichtgemäß um Übergriffe bei der Vergabe von Kleinkrediten kümmert. Ehe Sie zu meiner Tante hinaufgehen, möchte ich mit Ihnen reden.«
»Gespräche zwischen uns dürften sich erübrigen, Euer Lordschaft. Bei allem Wohlwollen kann ich Ihnen nur empfehlen, vorsichtig zu wirtschaften. Sie überschätzen Ihre Vermögens Verhältnisse. Wenn das jeder Untertan Ihrer Majestät machen würde, hätte Scotland Yard nichts anderes zu tun, als obskure Kreditverträge auf ihren Einklang mit den Gesetzen zu überprüfen.«
»Was Ihre Pflicht und Schuldigkeit ist, McWarden! Ich kann verlangen, daß Sie Carboun und Konsorten das Handwerk legen, und zwar auf der Stelle.«
»Sie sind meiner Schätzung nach alt genug, um die Folgen abzusehen, wenn Sie Verträge unterzeichnen, Mylord. Mich entschuldigen Sie jetzt bitte. Ich habe zu tun.«
»Was denn?« rief Agatha Simpson von der Balustrade. »In meinem Haus haben Sie nichts anderes zu tun, als meinen Fahndungsergebnissen zu lauschen, McWarden.« Lady Agatha Simpson kam grazil wie ein Nilpferd die Treppe herunter und entbot dem Chief-Superintendent ihre Rechte.
McWarden übersah das nicht und nickte Lady Agatha zu. »Mein Taktgefühl verbietet mir, auf die Probleme Ihres Herrn Neffen näher einzugehen, Mylady«, sagte er. »Jedesmal ist es das gleiche Spiel, wenn Seine Lordschaft herumzieht, um ein bißchen Geld zu ergattern.«
»Ein bißchen? Percy verlangte von mir Zwanzigtausend, McWarden! Man muß dem Treiben endlich Einhalt gebieten! Deshalb habe ich Sie kommen lassen. Ist es nicht so, daß überhöhte Forderungen zur Unwirksamkeit eines Kreditvertrages führen? Und wer trotzdem solche Verträge unterzeichnen läßt, bricht geltendes Recht.«
»Sie kennen sich aber gut aus, Mylady.«
»Carboun hat nicht nur den Hochadel hereingelegt, McWarden. Ich habe meine Geschäftsbeziehungen zu diesem Mann natürlich sofort abgebrochen, als ich dahinterkam, welche Methoden er anwendet.«
»Geschäftsbeziehungen?«
»Nun ja, ich will nicht verhehlen, daß Mister Carboun mit wirklich erstklassigen Konditionen an mich herantrat. Er konnte mir vierzig Prozent Zinsen garantieren, zahlbar aufs Kapital im voraus. Aber so wie die Geschäfte nun zu laufen scheinen, kann ich nicht länger einverstanden sein. Ich habe sämtliche Beziehungen zur Firma Carboun abgebrochen. Es kommen nur noch ein paar Pfund an Prämien ein, mein lieber McWarden.«
»Sollten Sie zu denen zählen, die Carboun in seinen schmutzigen Geschäften finanziert haben, Mylady?«
»Heutzutage muß man scharf rechnen. Vierzig Prozent Zinsen werden kaum noch ausgeworfen ...«
»Carboun kassiert im Jahr weit mehr, Lady Agatha.«
»Da sehen Sie, wie unerfahren ich bin. Ich überlasse Carboun ein paar lächerliche Pfund zu seriösen Bedingungen, und dieses Subjekt holt beinahe das Zehnfache heraus!«
»Wieviel hatten Sie ursprünglich investiert, Mylady?«
»Darüber spricht man nicht, mein lieber McWarden. Lassen Sie den Hauptgesichtspunkt nicht aus den Augen. Es geht um die Probleme meines Neffen zweiten Grades.«
Percival Bandersham litt und traute seinen Ohren nicht. »Du hast Carboun finanziert, Tante Agatha?«
»Meine finanziellen Transaktionen brauchen dich nicht zu interessieren, mein Junge«, erwiderte die Lady. »Für seine Dummheiten ist jeder Mensch selbst verantwortlich.«
»Das kann man laut sagen«, meinte McWarden. »Was sagten Sie, Mylady, wie hoch sind Sie bei Carboun eingestiegen?«
»Ich nenne prinzipiell keine Zahlen, Superintendent. Carboun zählt nicht mehr zu den Leuten, mit denen ich Geschäfte mache. Es ist aber unter meiner Würde, mich mit weniger als der Hälfte der Maximalverzinsung zufriedenzugeben.«
»Aber Sie haben Beteiligungsgelder flüssig gemacht«, beharrte McWarden. »Das muß in den Einzelheiten überprüft werden.«
»Was ich sage«, warf Percival Bandersham ein. »Mein eigenes Fleisch und Blut beteiligt sich an räuberischer Erpressung. Nicht zu fassen! Ich bin enttäuscht.«
»Wer hat sich denn mit Carboun eingelassen? Wer ist denn so pleite, daß er keinen anderen Ausweg mehr wußte?«
»Sie schulden mir Geld, Tante Agatha. Sie sind kaum besser als Red Carboun! Mit zehntausend Pfund könnte die Sache abgetan sein, aber sagen wir vorsichtshalber fünfzehntausend, weil ich weiß, daß Sie immer herunterhandeln wollen.«
Myladys Miene gefror. Auch ihre Stimme hörte sich entsprechend an. »Ich beabsichtige keineswegs, etwas herunterzuhandeln, Neffe Percival. Von mir ist kein einziger Penny zu erwarten. Und mein Haus ist auch kein Asyl für leichtlebige Verwandte ...«
Der junge Lord stöhnte. Das war zuviel. Personal war anwesend – und der Yard-Beamte erlaubte sich zu grinsen. »Ich möchte mich verabschieden, verehrte Tante.«
»Nur zu, Percy! Miß Porter, Mister Parker und Mister McWarden dürfen hören, wie lieblos ich von meiner Verwandtschaft behandelt werde. Du bist ein undankbarer Mensch! Habe ich nicht alles für dich getan?«
»Wenn das alles war, möchte ich lieber nichts, Tante Agatha. Zweifellos wird man mich in den nächsten Tagen die Themse abwärts treibend auffinden. Wenn Sie das vor Ihrem Gewissen verantworten wollen?«
»Nun aber hinaus!« rief Mylady und grollte. »Bin ich vielleicht die Wohlfahrt?«
»Dies schlüssig zu beantworten«, schaltete sich Josuah Parker ungefragt ein, »bedarf tiefgreifender Überlegung, Mylady. Einerseits sind Mylady die nächste und erwiesenermaßen begüterte Verwandte seiner Lordschaft. Andererseits scheint Mylords Forderung ein wenig überhöht. Würden Mylady freundlichst erlauben, daß meine bescheidene Person eine zufriedenstellende Regelung mit dem Gläubiger Seiner Lordschaft zu erreichen sucht?«
»Sie können in Ihrer Freizeit tun und lassen, was Sie wollen, Mister Parker. Für mich ist der Fall erledigt. Ich weigere mich, noch mal den Namen Carboun zu hören.«
»Dies, Mylady, offenbart den Keim der herrschenden Situation. Das von meiner bescheidenen Wenigkeit gewählte Substantiv bezieht sich mehr auf lebende Individuen denn auf Situationen, stellt Pragmatismus doch jene philosophische Lehre dar, die im Handeln das Wesen des Menschen erblickt und Wert oder Unwert des Denkens danach bemißt.«
»Wollen Sie etwa unterstellen, mein Handeln und Denken sei unwert, Mister Parker?«
»Keinesfalls, Mylady. Die herrschende Situation erfordert Myladys Entschlossenheit. Es wäre zu prüfen, ob Mister Carboun nicht eine Falle zu stellen ist, um die Forderung an Seine Lordschaft zu befriedigen. Nimmt Carboun oder einer seiner Beauftragten den überhöhten Geldbetrag an, stehen Mylady sämtliche Rechtsmittel frei, auch jene, um Mister Carboun eine Klage anzuhängen.«
»Geben Sie sich keine Mühe, Mister Parker«, sagte Bandersham. »Ich verlasse ohnehin dieses ungastliche Haus. Ich bin schon so gut wie gar nicht mehr hier. Ihr Geld bekommen Sie zurück, sobald ›First Flower‹ und ›The Ripper‹ als erste über die Ziellinie galoppieren.«
»Haben Sie meinem Neffen etwa ohne mein Wissen Geld vorgestreckt, Mister Parker?« fragte Lady Agatha streng. »Schockierender Gedanke!«
McWarden hüstelte unbehaglich. »Wenn ich mich dann auch empfehlen darf, Mylady. Im Yard wartet noch Arbeit auf mich.«
»Habe ich Sie etwa hergebeten, mein Lieber?«
»Allerdings, Lady Agatha! Ihre Familienangelegenheiten müßten aber auch ohne mich zu regeln sein. Guten Tag!«
Parker brachte den Gast zur Tür, und Percival Bandersham schloß sich gleich an.
In der Halle herrschte eine drückende, aufgeladene Stimmung, wie vor einem Gewitter.
*
Percival Bandersham war erleichtert, den strengen Blicken und den Vorwürfen seiner entfernten Verwandten entronnen zu sein. Er hielt sich auch nicht lange mit Chief-Superintendent McWarden auf, sondern schritt auf ein Taxi zu, das unweit des Hauses am Bordstein parkte. Es handelte sich um den gleichen Wagen, der Seine Lordschaft zuvor schon zu diversen Adressen einer fruchtlosen Inkassotour befördert hatte.
»Wir wollen abrechnen, wenn’s recht ist, Sir«, sagte der Fahrer und addierte den Betrag des Taxameters mit den Gebühren für die Wartezeit zusammen. »Macht achtzehn Pfund und dreißig Pence. Tip nicht inbegriffen.«
»Mag sein«, erwiderte Lord Percival großmütig und dachte daran, die mühsam erworbenen Pfund auf irgendeine Weise zu sparen. »Sie fahren mich erst noch zu meinem Club, Mister. Grosvenor Place, Belgravia.«
»Sir, ich muß wenigstens eine Abschlagszahlung haben.«
»Unsinn. Sie bekommen Ihr Geld, sobald Sie mich beim Club absetzen. Fahren Sie endlich! Ich habe hier in Shepherd’s Market genug Zeit vertan.« Bandersham lehnte sich behaglich in die Polster zurück.
Notgedrungen folgte der Fahrer seiner Anweisung. Sollte der Fahrgast auch am Grosvenor Place sich als zahlungsunwillig erweisen, mußte er den geschuldeten Betrag vom Clubdiener fordern. Der Driver hoffte nur, daß der Gentleman überhaupt eingeschriebenes Mitglied war, sonst sah es schlecht aus mit der Kasse.
Percival Bandersham pochte mit dem Stock an die Trennscheibe zur Fahrerkabine und gebot Halt. »Dort drüben ist das Haus«, sagte er und wies auf das altehrwürdige Gebäude des Primrose Clubs. »Sie können mitkommen und Ihr Geld in Empfang nehmen, Chauffeur.«
In dem vornehmen Viertel herrschte wenig Verkehr. Botschaftsgebäude und Vertretungen internationaler Konzerne lösten sich entlang der breiten Straße mit seriösen Bauten ab, die konservative Herrenclubs beherbergten. Um so mehr fiel der heruntergekommene Landrover auf, der mit defektem Auspuff rechts neben dem Taxi dröhnend stoppte.
Lord Percival kümmerte dies wenig. Er stieg links zum Gehweg hin aus und blickte ungeduldig nach dem Taximann. Dieser indessen war blockiert. Der ratternde Landrover stand so dicht vorn rechts neben der Fahrertür, daß sie sich nicht öffnen ließ. Zur linken Seite hin gab es für den Fahrer keinen Ausstieg, da sich dort die Abstellfläche für Gepäck befand.
Der junge Lord war leicht irritiert und zögerte. Die TIMES berichtete fast täglich über rüpelhaftes Verhalten im Verkehr, doch die Stadtbezirke der oberen Zehntausend waren immer noch verschont geblieben.
Von der sonst stillen Straße her, um das Taxi herum, kamen zwei unangenehm wirkende Gestalten auf Bandersham zu, zweifellos die Insassen des lärmenden Farmer-Gefährtes.
»Bandersham?« fragte der eine Mann.
Empört wollte Percival Form und Anrede richtigstellen, als der zweite Kerl in die Tasche griff und mit einer Art Insektenspraydose auf Seine Lordschaft losging.
Percival Bandersham spürte das Gas. Er taumelte, stolperte und wurde von den beiden Verursachern aufgefangen. Sie nahmen ihn in die Mitte und schleiften ihn unbarmherzig zu ihrem röhrenden Landrover. Was weiter geschah, bekam Lord Percival nicht mehr mit, denn er versank in die dunklen Tiefen einer Bewußtlosigkeit.
Der Taximann jedoch verfolgte das Geschehen mit hellem Entsetzen: Menschenraub auf offener Straße! Er sah, wie sein Fahrgast hinter die Rücksitze des Landrovers verfrachtet wurde. Dann kletterten auch die beiden Geiselnehmer hastig hinein; der Wagen nahm Fahrt auf und entfernte sich mit ohrenbetäubendem Lärm in Richtung Knightsbridge und Kensington Road.
Eine Verfolgung schien sinnlos. Das Knattern und Dröhnen würde von sich aus schon die Polizei aufmerksam machen. Besser, man stieg aus und holte sich beim Club sein Geld ab, immerhin fast zwanzig Pfund, dachte der Driver.
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»Das war Ihr Fehler!« sagte Agatha Simpson und blickte den Taxifahrer strafend an. »Was erdreisten Sie sich, hier in meinem Haus Gelder eintreiben zu wollen, die Ihnen niemand, der hier wohnt, schuldet.«
»Mein Fahrgast war in Ihrem Haus, Madam«, verteidigte sich der Chauffeur. »Ich habe stundenlang warten müssen. In der Zeit war auch schon irgendwas im Gang. Hörte sich an wie knallende Champagnerpfropfen.«
»Das scheint zwischenzeitlich geklärt zu sein, Mister«, schaltete sich Butler Parker ein und griff in die Tasche. »Mylady empfindet Ihren Besuch als ebenso aufdringlich wie Ihre geldliche Forderung unangemessen. Nehmen Sie die zwanzig Pfund und verlassen Sie das Haus.«
»Augenblick«, unterbrach Parkers Herrin und brachte die Banknote an sich. »Ich wünsche nicht, daß Sie den Mann auszahlen, Mister Parker. Da könnte jeder kommen und Geld kassieren, nur weil er vor meinem Haus gewartet hat. Dieser Mensch soll erst mal beweisen, daß es mit der Forderung seine Richtigkeit hat. Sagten Sie nicht, Sie hätten Percival bereits mit Geld ausgeholfen, Mister Parker?«
»In der Tat, Mylady. Meine Wenigkeit war so frei, Seiner Lordschaft aus einer vorübergehenden Verlegenheit zu helfen. Indessen schienen die Umstände Seiner Lordschaft nicht zu erlauben, die Taxirechnung zu begleichen. In Abwägung verschieden gelagerter Rechtsgüter ist es immer empfehlenswert, dem Droschkenfahrer den fraglichen Betrag zu überlassen, um Mylady von der Anwesenheit Fremder zu erlösen.«
»Wenn Sie meinen, Mister Parker?« Widerstrebend trennte Mylady sich von den zwanzig Pfund. »Dieser Mensch wird es in Percivals Club ein zweites Mal versuchen. Man kennt doch die Geldgier gewisser Leute.«
»Mit Verlaub und im besonderen scheint es richtig und erforderlich, Mylady, den Mann zu verabschieden.« Parker deutete zum Eingang. »Sie dürfen gehen, Mister.«
Lady Agatha blieb in der Vorhalle stehen, wo der Mann abgefertigt worden war. »So etwas öffnet betrügerischen Machenschaften Tür und Tor, Mister Parker«, sagte sie, als der Butler nach Schließen des Portals wieder auf seine Herrin zutrat.
»Wie meine bescheidene Wenigkeit bereits andeutete, schien es klüger, eine diesbezügliche Unterhaltung nicht vor Ohren jenes Taxilenkers weiterzuführen. Wenn Mylady freundlichst Platz nehmen würden, wird man sich um eine Klarstellung bemühen.«
»Percival hat sich mal wieder vor dem Bezahlen gedrückt, Mister Parker. Ich kenne doch diesen unzuverlässigen Gesellen! Bestimmt waren die Kerle in dem Landrover Freunde von ihm ... Und die angebliche Schießerei vor meinem Haus – das war auch nur ein Trick, um mich gefügig zu machen, Percival Geld zu geben.«
»Mylady sollten nicht nur diesen einen Aspekt berücksichtigen.«
»Ich weiß, was ich sage. Aber jetzt hat Percival erreicht, was er wollte. Sie waren zu nachgiebig, Mister Parker. Selbstverständlich verlange ich meine zwanzig Pfund zurück.«
Parker räusperte sich. »Unterliegen Mylady möglicherweise einem leichten Irrtum?«
»Ausgeschlossen, Mister Parker. Ich hatte die Banknote in der Hand. Also war sie mein Eigentum. Erst Sie haben mich überredet, sie dem Individuum zu überlassen.«
»Sehr wohl, Mylady. In Anbetracht der geringen Wichtigkeit sollte die Frage bezüglich der zwanzig Pfund zunächst ausgeklammert werden. Damit stellt sich jedoch eine andere, weitaus schwererwiegende Frage, Mylady. Was mag mit Seiner Lordschaft geschehen sein?«
»Fragen Sie mich das, Mister Parker? Ich sagte klipp und klar, daß Percival geblufft hat. Seine Freunde haben sich einen Ulk erlaubt. Und nun lassen Sie mich mit der Geschichte in Ruhe, Mister Parker. Der Besuch meines Neffen und die unerfreulichen Folgen haben mich aus einer Phase höchster Kreativität gerissen. Ich war dabei, an meinem Bestseller zu arbeiten.«
»Demnach gedenken Mylady nicht, sich der Verfolgung jener Straftat zu widmen?«
»Was reden Sie da! Straftat! Einfach lächerlich ist das, Mister Parker.«
Der Butler gab sich nicht geschlagen. »Wenn meine bescheidene Wenigkeit Myladys Augenmerk auf die Tatsache lenken darf, daß Seine Lordschaft den Namen Carboun erwähnte. Dieser Mann genießt keinen guten Ruf in Finanzkreisen, Mylady.«
»Das weiß ich inzwischen selbst, Mister Parker.«
»Mister Carbouns Methoden, Forderungen einzutreiben, stehen ebenfalls nicht im Ruf christlicher Barmherzigkeit, Mylady. Seine Lordschaft sprach von einem Eingriff in körperliche Unversehrtheit. Für den Fall ausbleibender Rückzahlung des fraglichen Darlehens drohte Mister Carboun damit, Seiner Lordschaft ein Ohr abschneiden zu lassen.«
»Das ist doch blühender Unsinn, Mister Parker. Als Percival hier war, hatte er noch seine beiden unübersehbar am Kopf.«
»Mit Sicherheit, Mylady. Doch steht zu befürchten, daß man Seine Lordschaft ergriffen hat, um Mister Carbouns Androhung in die Tat umzusetzen, zumal Seine Lordschaft keine Gelegenheit hatte, anderweitig an die geforderte Summe heranzukommen. Man sollte daher unverzüglich die Polizei alarmieren, Mylady.«
»Nicht die Polizei, Mister Parker. Ich will mich nicht lächerlich machen. Ein telefonischer Anruf bei diesem Caloun genügt, um Ihnen das Absurde Ihrer Annahme vor Augen zu führen. Also machen Sie mir eine Verbindung mit Candoun! Ich will ihn ohnehin sprechen, weil er mich kürzlich mit einem viel zu niedrigen Zinssatz betrogen hat.«
»Mylady meinen Mister Carboun, mit Verlaub«, stellte Parker richtig.
*
Der berüchtigte Kredithai wollte sich zunächst nicht sprechen lassen. Die passionierte Detektivin verlor die Geduld und riß Parker den Hörer aus der Hand.
»Wer auch immer Sie sein mögen – sagen Sie Ihrem betrügerischen Chef, Lady Simpson wäre am Apparat. Mister Caldoun hat zehn Sekunden Zeit, das Gespräch anzunehmen. Sonst komme ich selbst, nicht wahr, Mister Parker?«
»Mylady besitzen wieder mal Ihren unübertrefflichen Schneid«, erwiderte Parker.
Es dauerte keine fünf Sekunden, bis Carboun in der Leitung war. »Lady Simpson ... Welche Überraschung!«
»Das glaube ich Ihnen aufs Wort. Sie sind ein widerliches Subjekt! Vor kurzem erfuhr ich von verschiedenen Seiten, mit welchen Zinssätzen Sie arbeiten. Und mich wollten Sie mit lächerlichen vierzig Prozent abspeisen, wie? Ich gebe Ihnen für die Nachzahlung genau vierundzwanzig Stunden Zeit. Und was erdreisten Sie sich mit meinem Neffen, Caldoun?«
»Ich verstehe nicht«, stotterte der Mann am anderen Ende der Strippe. »Wen meinen Sie, Lady Simpson?«
»Ich rede von Lord Percival, der sich bei Ihnen Geld geborgt hat. Dem Vernehmen nach fünftausend Pfund. Ich werde auf ihn einwirken, daß er das Geld an Sie zurückzahlt. Aber keinen Penny mehr als fünftausend, Candoun. Im übrigen verbitte ich mir, daß Lord Percival verfolgt und belästigt wird. Das ist in höchstem Maß ungehörig.«
»Meine Mitarbeiter haben Seine Lordschaft nur ermuntert, mit dem Geld herüberzukommen, Lady Simpson. Heute ist der Tag der vereinbarten Rückzahlung, und Lord Percival hat den Termin verstreichen lassen.«
»Das geht mich nichts an. Ich warne Sie, Caloun. Wenn noch mal so was passiert wie vor Percivals Club in Belgravia, schicke ich Ihnen die Polizei auf den Hals.«
»Belgravia? Ich habe niemand dort hingeschickt, Mylady.«
»Mitnichten, wie Mister Parker sagt. Ich habe die Aussage des Taxifahrers, der dabeigewesen ist, wie zwei Ihrer Handlanger meinen Neffen betäubt und in einem Geländewagen verschleppt haben. In fünf Minuten erwartet Mister Parker den Rückruf meines Neffen, daß alles in Ordnung ist. Regeln Sie das, Carloun. Bleibt der Rückruf aus, haben Sie das Schlimmste zu befürchten.«
Agatha Simpson warf den Hörer auf die Gabel. »So macht man das, Mister Parker. Sie werden es erleben: in wenigen Augenblicken klingelt das Telefon, und Percival meldet sich in alter Frische. Ihre Befürchtung ist lächerlich, Mister Caldoun hätte es auf eins von Percys Ohren abgesehen.«
»Mylady meinen natürlich Mister Carboun. Die Vermutung dürfte nicht zwingend zutreffen, daß Seine Lordschaft Handlangern dieser Firma in die Hände gefallen ist. Es kann sich auch um einen Fall handeln, bei dem Dritte an der Person Seiner Lordschaft interessiert sind.«
»Das sage ich doch! Dieser Carboun war es, der ein paar Mann auf Percival angesetzt hat, Mister Parker.«
»Wenn Mylady gestatten und es für nützlich halten, könnte meine bescheidene Wenigkeit die Örtlichkeiten am Grosvenor Place aufsuchen, um unauffällig Nachforschungen anzustellen.«
»Wozu? In wenigen Augenblicken wird Percival anrufen und melden, daß alles in Ordnung ist. Sie sollten etwas Nützliches tun, Mister Parker, und anschließend zu Carboun fahren und die Zinsen abholen, die dieser Betrüger mir schuldig geblieben ist. Ich hatte ihm seinerzeit fünfzigtausend Pfund zur Verfügung gestellt und zwanzigtausend sofort für die Zinsen davon einbehalten.«
»Hat Mister Carboun denn inzwischen gezahlt, falls Mylady diese Frage erlauben?«
»Nur meine fünfzigtausend zurück, Mister Parker. Wie der gute McWarden sagte, erzielt Caldoun aber leicht über dreihundert Prozent im Jahr, was bedeutet, daß ich mindestens die Hälfte für mich beanspruche. Wieviel macht das aus, Mister Parker?«
»Neunzigtausend Pfund, Mylady.«
»Da sehen Sie es! Carboun schuldet mir noch siebzigtausend Pfund, die ersten zwanzigtausend für die Zinsen schon abgezogen.«
»Die Ertragsrechnung scheint auf den ersten Blick etwas sonderbar, Mylady. Wie können Mylady hoffen, bei Mister Carboun noch Zinsen gutzuhaben?«
»Meine geschäftlichen Belange verstehe ich selbst am besten, Mister Parker. Beschaffen Sie mir mein Geld und sorgen Sie dafür, daß Percival keinen Penny mehr als diese unnötigen fünftausend Pfund zurückzahlen muß. Und noch etwas, Mister Parker: Ich werde nun in meiner schriftstellerischen Arbeit fortfahren.«
Josuah Parker verbeugte sich. »Wie Mylady belieben.«
»Die Welt verlangt nach meinem Bestseller. Nun ja, ich habe schon sehr klare Vorstellungen vom ersten Kapitel.«
Agatha Simpson schickte sich an, ihren Körper zum Studio hinaufzuwuchten. Parker blieb in der Halle zurück, um den Rückruf Seiner Lordschaft abzuwarten. Doch das Telefon blieb stumm.
*
Red Carboun logierte mit seiner Truppe in einem Hinterhaus in Lambeth. Viel Publikumsverkehr gab es wohl nicht, denn Josuah Parker mußte sich zum Büro Carboun durchfragen.
Schon Parkers Wortwahl bezüglich des Etablissements erregte Erstaunen. Der Butler fand seine schlimmsten Erwartungen bestätigt, nachdem er mehrmals energisch gepocht und man ihm geöffnet hatte.
Carboun prunkte nicht wie manche Bankiers mit edlem Interieur. Ein paar wacklige Stühle, ein ausgedienter Küchentisch, darauf das Telefon – das war die gesamte Einrichtung des Finanzmaklers.
Burschen lehnten an der Wand, tranken Flaschenbier und rauchten Kette. Parker wirkte zwischen Belegschaft und Mobiliar wie ein Wesen von einem anderen Stern. Er legte Handschuhe, Regenschirm und Melone sorgfältig auf den Tisch.
»Wer von den Gentlemen ist Mister Carboun, sei die Frage erlaubt.«
Jimmy Pepper, ein Ex-Catcher platzte vor Lachen. »So was hat noch keiner zu mir gesagt, Mann.«
»Im Prinzip waren Sie auch nicht gemeint, Mister... Führen Sie mich zu Ihrem Chef«, bat Parker.
»Der Boß ist nicht da und kommt heute auch nicht, Mann!«
»Eine höchst bedauerliche Tatsache, wenn sie zu Recht besteht. In diesem Fall wäre es wünschenswert, die Bücher einer Einsicht zu unterziehen. Von besonderem Interesse ist der Vorgang bezüglich Lady Agatha Simpson. Mylady entsendet mich, um gewisse Differenzen zu klären. Die Sache duldet keinen Aufschub, möchte meine Wenigkeit den Herren nicht verheimlichen.«
»Wer bist du denn?«
»Meine bescheidene Person hat noch nicht die Ehre und das Vergnügen, Ihr Duzpartner zu sein. Man steht dem herrschaftlichen Haushalt Lady Simpsons vor.«
»Hat der Boß je einer Lady Kohle besorgt?« erkundigte sich Pepper mit einem Blick in die Runde. »Davon wüßt’ ich aber. Ich war noch nie bei ’ner Lady eintreiben.«
»Halt dein Maul, Jimmy«, sagte Charles Fever. »Da lief mal was, aber genau andersrum. Vor ein paar Wochen brauchte der Boß dreißig Riesen zur Spitzendeckung. Irgendwer kam mit dem Tip, eine fette Lady in Shepherd’s Market machte solche Geschäfte mit Vorliebe.«
»Shepherd’s Market?« sagte Pepper. »Da waren wir doch heute. Hinter dem adligen Dummkopf her, der dann doch nicht löhnen wollte.«
»Es handelt sich mit Verlaub um Lord Percival Bandersham«, informierte Josuah Parker.
Zugleich hatte Fever die Faust geschwungen und Jimmy Pepper geraten, sein loses Mundwerk zu halten. Butler Parker überhörte das.
»In der Angelegenheit Seiner Lordschaft bedarf es ebenfalls gewisser Klärungen. Es wäre wünschenswert, Mister Carboun, den Leiter dieses Unternehmens, persönlich zu sprechen. Anderenfalls wäre meine Wenigkeit genötigt, den Aufenthaltsort Mister Carbouns zu eruieren und ihn unter womöglich für ihn mißlichen Umständen um ein Gespräch zu ersuchen.«
»Hör auf, Mann«, stöhnte Fever. »Dein Reden macht Kopfschmerzen.« Er wandte sich an den grinsenden Oleg Mashnikow. »Fahr los und bring den Boß her. Du weißt ja, wo der Alte steckt.«
»Ich weiß es, aber du weißt es auch. Und wir beide wissen, daß er Terror macht, wenn wir ihn da wegholen.«
Mashnikow pflückte den Zigarrettenstummel von den Lippen und schnippte ihn Jimmy Pepper vor die Füße. »Also mach’s selbst, wenn du meinst, daß es wirklich wichtig ist.«
Josuah Parker verstand nicht, warum Fever sich plötzlich so aufregte. Der Bursche ging mit wirbelnden Fäusten auf Mashnikow los, und Pepper wollte auch nicht untätig bleiben.
Im Handumdrehen war eine Prügelei im Gang, jeder gegen jeden, ausgenommen Josuah Parker, der nur verschiedentlich angerempelt wurde. Dies mißfiel Myladys Butler. Er hatte den Weg nach Lambeth nicht auf sich genommen, um an einer privaten Catchveranstaltung teilzunehmen.
Als Pepper sich einen Treffer einfing und rückwärts gegen Parker taumelte, war für den Butler das Ende des Hinnehmens gekommen. Jimmy Pepper wußte nicht, wie ihm geschah, als er gegen die anderen zurückkatapultiert wurde.
Pepper fiel auf Mashnikow und riß ihn mit zu Boden. Dies wiederum legte Fever offensichtlich als aggressiven Akt gegen seine Person aus, stürmte vor und griff Parker an.
Es geschah alles so schnell, daß es schwierig war, Parkers Aktionen zeitlich zu trennen. Die seit Newton geltenden Kraftgesetze schienen für Fever plötzlich nicht mehr verbindlich zu sein. Er hob ab, segelte durch die Tür in den Nebenraum, begrub aufgestapelte Gebrauchtmöbel unter sich und blieb ohne erkennbares Interesse am Fortgang der Auseinandersetzung liegen.
Ex-Catcher Pepper ließ ein böses Brummen hören. Er war wieder auf die Füße gekommen. Parker wich zurück, die offene Tür hinter sich wissend. Als Pepper in idealer Distanz war, klappte ihm die Tür vor der Nase zu, allerdings auf eine Weise, die die Pepper’sche Nase in arge Mitleidenschaft zog.
Aus humanitären Gründen öffnete Parker die Tür erneut, stieg über den Catcher hinweg und blickte Mashnikow ins schwellende Auge. »Nur eine Frage am Rand, Mister. Wo erreicht man Mister Carboun? Es wäre freundlich von Ihnen, rasch zu antworten, da dieser wohlgenährte Mensch hier Anstalten macht, sich wieder zu erheben.« Parker deutete auf den Fleischkloß Pepper.
Mashnikow schien keine Lust zu haben, Parkers Wunsch auf Auskunft zu befriedigen. Er drückte sich von der Wand ab, in der Faust ein Messer.
Mit einem Aufschrei wollte er sich auf Josuah Parker stürzen und die Waffe einsetzen, doch er rutschte an Parkers rechtem Arm wie an einer schiefen Ebene ab und landete auf dem Fußboden.
Inzwischen hatte sich Jimmy Pepper entschlossen, wieder nach Kräften mitzumischen. Das sollte sich als Überschätzung seiner Möglichkeiten erweisen, denn urplötzlich fühlte er sich angehoben und hochgeliftet, bis sein Schädel mit der Zimmerdecke Kontakt bekam.
Pepper brüllte wie ein Stier, worauf Parker ihn der Schwerkraft überließ. Im Nebenzimmer kam Leben in den eingepferchten Charles Fever. Er kroch auf allen vieren unter dem Gewirr aus Stuhl- und Tischbeinen hervor. Parker fühlte sich bemüßigt, die Melone ins Spiel zu bringen, die auf mittlere Distanz als Frisbee-Scheibe eine verblüffende Abwehrwaffe war.
Wie ein Ufo schoß die steife, stahlverstärkte Kopfbedeckung auf den ahnungslosen Fever zu, erwischte ihn knapp unter dem Ohr und schickte ihn zurück ins Land der Träume.
Auch mit Pepper war nicht mehr zu rechnen. Er lag am Boden und schnaufte wie ein Walroß. Mashnikow kroch hin und her und suchte nach seinem Messer. Parker half ihm dabei, indem er die Stichwaffe mit dem Fuß weiterstieß – immer gerade dann, wenn Mashnikow danach greifen wollte.
Nach einigen Spielzügen wurde es Parker zu eintönig. Sein Fuß blieb stehen, und das Knie war genau vor Mashnikows Nase. »Man wäre Ihnen zu gewissem Dank verpflichtet, wenn Sie sich entschließen könnten, Mister Carbouns derzeitigen Aufenthaltsort mitzuteilen, Mister«, sagte Parker mit undurchdringlicher Miene. »Die Umstände erfordern Ihre freundliche Mitwirkung, da Sie zur Zeit der einzige sind, der noch ansprechbar ist.«
Wie zufällig geriet Mashnikows Schädel zwischen Parkers Knie, der dezent den Druck verstärkte, bis das Gesicht des Burschen rötlich anlief.
»Eddies Club«, würgte er hervor. »Der Edelzockerladen an der Barrymore Street.«
Parker linderte den Druck seiner Kniegelenke, und Mashnikow wurde regelrecht mitteilsam, »Der Boß ist jeden Nachmittag da, um finanziell auszuhelfen. Ein Goldjob für Könner, Mister. Nicht nur ein Prozent pro Tag – zehn Prozent pro Viertelstunde...«
Nach Parkers flüchtiger Rechnung entsprachen diese zehn Prozent einem glänzenden Geschäft. Setzte man zum richtigen Zeitpunkt beispielsweise jene fünfzig Pfund Seiner Lordschaft ein, käme man in Jahresfrist zu einem Vermögen von 175.000 Pfund.
»Eddies Club?« wiederholte Parker. »In der Barrymore Street?« Er hatte Mashnikow noch nicht aus der Knieklammer entlassen.
»Barrymore, Ecke Fulham Road«, ächzte der Mann. »Aber nicht sagen, daß es von mir stammt.«
Parker warf einen Blick in die Runde. Das Zimmer sah wie ein Schlachtfeld aus. Von den wackeligen Stühlen war keiner mehr heil. Auch der Tisch hatte gelitten. Ihm fehlte ein Bein. Parker nahm Handschuhe und Regenschirm und schritt hinüber, um die Melone zu holen. Mit äußerster Sorgfalt reinigte er die schwarze Kopfbedeckung von anhaftenden Staubpartikeln, ehe er sein Haupt darunter barg.
Mit allgemein gültigen Wünschen für den Verlauf eines angenehmen Nachmittages fand Parker die Tür und schritt gemessen und würdevoll hinaus. Ihm war nicht allzu viel Erfolg beschieden, doch das wenige, was er forschend herausgebracht hatte, wollte er nutzen und anwenden.
Bis zur Barrymore Street war es ein Fußweg von sechs bis sieben Minuten. Josuah Parker ließ sein hochbeiniges Monstrum, mit dem er gekommen war, im Schatten einer Reklametafel zurück.
*
Der Spielclub war luxuriös und illegal. Man erreichte ihn nur über eine Außentreppe, die vermutlich als Feuer-Notabstieg gedient hatte. Inzwischen war die Treppe mit einer Stahl-Acrylglas-Konstruktion überdacht worden. Josuah Parker hatte keine Schwierigkeiten, Mitglied zu werden und Zutritt zu erlangen.
Mit lächerlichen fünf Pfund war die Sache abgetan. Der Geschäftsführer äußerte sich dahingehend, daß er sich glücklich schätzte, einen wirklichen Gentleman zu den Clubmitgliedern zählen zu dürfen. Der Geschäftsführer schielte dabei seltsam, was Josuah Parker nicht im mindesten berührte.
Er kannte die Unterschiede zwischen scheinbaren und wirklichen Gentlemen. Nicht die Kleidung war bestimmend, sondern die innere Einstellung. Die äußere Erscheinung der anderen Spieler konnte hingenommen werden. Es gab Pullover-Typen, aber auch Gestalten im Tuxedo-Anzug, in England Smoking genannt.
Allen gemeinsam war nach Parkers Auffassung eine leicht überhöhte Lautstärke. Man redete zu laut und zu unverhalten. Gespielt wurden Roulette, Black Jack und Baccarat. Wenn jemand am Spieltisch gewann, verkündete er es sofort der gesamten Gemeinde. Die Verlierer beschränkten sich auf tierisches Brüllen.
Der Stil des Clubs und die Art des Gewinnens und Verlierens entsprachen nicht Parkers Geschmack. Nach der notwendigen Investition von fünf Pfund, um überhaupt zugelassen zu werden, war er nun mal hier und gedachte, so rasch wie möglich jenen zweifelhaften Mister Carboun ausfindig zu machen.
Er wollte sich nicht auffällig nach ihm erkundigen. Es mußte möglich sein, Carboun dem Verhalten nach zu erkennen. Parker stand in der dritten Reihe am Baccarat-Tisch und beobachtete das Spielgeschehen, als ihm jemand leicht auf die Schulter tippte.
»Lust zum Spiel, Mister?«
Josuah Parker wandte sich um und besichtigte die gedrungene Gestalt, die ihn angesprochen hatte. Das herausragende Merkmal des anderen war ein voluminöser Schädel, den man normalerweise auch als »Wasserkopf« bezeichnet hätte. Vereinzelte Reste roten Haares ließen die Hypothese zu, daß der Mann in einschlägigen Kreisen wahrscheinlich mit »Red« angesprochen wurde.
Da Mister Carboun ebenfalls auf den Rufnamen »Red« hörte, sprach einiges dafür, daß Parker die gewisse Person gefunden hatte.
»Chips, oder Bares, Mister... äh, Sir?«
»Sie überlassen meiner Wenigkeit die Wahl?« Josuah Parker blickte den mutmaßlichen Red Carboun intensiv an.
»Hier wird mit Spielmarken gesetzt, Sir«, sagte der Wasserkopf. »Natürlich kommt auch Bares auf den Tisch, was im Fall des Gewinns das Um wechseln erspart. Wie wär’s mit hundert Pfund, Sir? Sie werden mit Sicherheit gewinnen und die hundert Pfund verdoppeln. Dann zahlen Sie einfach hundertzehn Pfund an mich zurück, und wir bleiben Freunde.«
»Gesetzt den Fall«, erwiderte Parker, »die Karten erlaubten sich eine unglückliche Lage?«
»Gar kein Problem, Sir. Sie geben mir Ihre Karte, und Sie zahlen das Darlehen zurück, wann immer es Ihnen paßt. Es kommen lediglich geringe Zinsen dazu.«
»Was hat der gemeinhin normale Mensch unter geringen Zinsen sich vorzustellen?«
»Kaum der Rede wert, Sir. Zehn Prozent auf alle sechs Spiele. Bei einem halben Dutzend Spielen werden Sie mit Sicherheit einmal gewinnen. Sie kennen doch die Bedingungen? Zwei, maximal drei Karten mit der Wertung von eins bis zehn. Acht gewinnt, und die Neun ist unschlagbar. Zuerst spielen Sie gegen die Banque, also Ponte. Ich werde Ihnen ein wenig behilflich sein, Sir. Genügen hundert Pfund?«
»Mit Gewißheit«, sagte Josuah Parker in aller Kürze. Er beobachtete die Vorgänge auf dem grünen Spieltisch. Der Banquehalter, ein rotgesichtiges Individuum, hatte soeben vierzig Pfund eingesetzt und mit Sieben gegen die Vier gewonnen. Nach Abzug der Gebühren stand die Banque nun bei 75 Pfund.
»Banco«, erklärte Josuah Parker von seinem Standort in der dritten Reihe. Einige Köpfe wandten sich ihm zu. »Nach dem Schlitten«, fügte der Butler hinzu.
»Ihr Einsatz, Sir?«
Der Ponte-Einsatz lag schon auf dem Tisch. Da nach dem Schlitten gespielt wurde, nahm der Croupier für Parker die ersten beiden Karten auf. Der Banquehalter legte eine Zehn und eine Sechs auf den grünen Filz. »Karte...!«
Er bekam eine weitere Zehn. Somit blieb es bei der Sechs. Der Croupier offerierte in Parkers Vertretung die Fünf und die Zwei. »Sieben gewinnt. Die nächste Banque, bitte.«
Die Chips im Wert von hundertundfünfzig Pfund wurden Josuah Parker mit einem länglichen, dünnen Mahagonibrettchen zugereicht, das wie der Schwanz einer Fischotter aussah.
Der vermeintliche Carboun wollte nach dem Gewinn greifen, doch Parkers Handgriff hinderte hin daran. »Sie hatten freundlicherweise fünfundsiebzig Pfund für mich ausgelegt, Mister. Zusammen mit den von Ihnen beanspruchten zehn Prozent macht Ihr Anteil exakt zweiundachtzig Pfund und fünfzig Pence aus. Sie erhalten den Betrag bar.«
Während der im Uhrzeigersinn nächste Spieler am Tisch die Banque übernahm, zahlte Parker seinen Financier mit Bargeld aus und sagte »banco«, ohne die Erklärung des neuen Banque-Halters abzuwarten.
Der wiederum drehte sich zu Parker um. »Wie wär’s mit Dreihundert, Mister?«
Josuah Parker nickte. »Wie es Ihrem Belieben entspricht, Sir.« Diesmal wehrte er den Wasserkopf ab, der eilfertig den Einsatz plazieren wollte.
»Meine Wenigkeit zieht es vor, mit eigenem Geld zu gewinnen, Mister«, sagte er und reichte drei Banknoten zu je hundert Pfund hinüber.
»Wieder nach dem Schlitten, Sir?« erkundigte sich der Croupier.
»Gewiß«, sagte Parker. »Es erleichtert ungemein den Spielablauf.«
Der Banque-Halter erzielte mit den beiden ersten Karten eine Acht, während Parker mit Hilfe des Croupiers nur insgesamt die Fünf zustandebrachte. Damit blieb das Spiel bei der Banque, und Parkers Einsatz war verloren.
»Pech«, brummte der vermeintliche Carboun. »Jetzt müssen Sie dranbleiben und den Verlust wieder einspielen, Sir. Die Banque steht bei fünfhundertfünfundsechzig Pfund. Gestatten Sie?«
Der nicht nur vermeintliche, sondern auch wirkliche Red Carboun zauberte mit der Gewandtheit eines Frettchens Parkers Einsatz in Form von Chips auf den Tisch und erklärte halblaut, der Verlierer halte banco prime.
»Nur deshalb, Sir, damit Ihnen kein anderer Zock... äh, Spieler dazwischenkommt.«
»Man versteht durchaus«, reagierte Parker mit steinerner Miene. »Allerdings zieht meine bescheidene Person es vor, den Einsatz allein und aufgrund eigener Entscheidung zu tätigen. Nehmen Sie daher – mit Verlaub Ihr Geld zurück.« Parker zählte mit Bedacht sechs Banknoten zu je hundert Pfund ab und reichte sie dem erwünschten Buchmacher.
»Wieder nach dem Schlitten, Sir?« fragte der Croupier.
Parker schüttelte den Kopf. »Man zieht es vor, selbst zu entscheiden.«
Der Banque-Halter präsentierte mit überlegenem Grinsen seine Acht mit der Zehn und sagte: »Schlagkarte, Mister.«
»Wie Sie meinen«, erklärte Parker und drehte die Sechs und die Zwei um.
»En cartes!« verkündete der Croupier. »Was sagt die Banque?«
»Noch mal. Ab dafür, Mann!«
Auch Parker bekundete sein Interesse, erneut die Ponte zu halten. Es ging nach wie vor um 565 Pfund.
Der Banque-Halter drehte die erste Karte sofort um. Es war die unschlagbare Neun. Parker hatte nur eine Zehn und eine Zwei bekommen.
»Keine Karte«, bluffte der vierschrötige Banque-Halter.
Josuah Parker ließ sich nicht beirren. Hätte der Mann zu der Neun noch eine Zehn gehabt, so daß es bei Neun blieb, wären die Karten sofort aufgedeckt worden. Wahrscheinlich besaß die Banque zu der Neun noch eine Drei oder Vier, was im Ergebnis die Zwei oder die Drei ausmachen würde.
Gegen die Drei kam Parker nicht an, so daß er zu seiner Zwei die dritte Karte forderte.
»Sechs verkauft«, sagte der Croupier mitleidslos.
Der Banque-Halter griff schon nach dem Pott, als Parker zu der Sechs die Zehn und die Zwei vorzeigte.
Rund um den Tisch ging ein Raunen. »Acht in der Ponte ...«
Damit war Josuah Parker Eigentümer des Gesamteinsatzes von 1 130 Pfund, da bei Pontegewinn keine Abzüge gemacht wurden.
»Hundertunddreizehn Pfund für mich«, sagte Red Carboun drängend.
Parker neigte den Kopf. »Es scheint, daß Sie meiner Wenigkeit noch fünfunddreißig Pfund schuldig sind, Sir. Einen sofortigen Ausgleich sollte man diskret vornehmen.«
Carboun wurde erst rot, dann blaß. »Hundertunddreizehn Pfund, Mister! Es war vereinbart, daß ich von allen sechs Spielen zehn Prozent bekomme!«
»Sofern Sie jene Spiele auch finanziert hätten, Sir. Dies ist aber – mit Verlaub – nicht der Fall. Meiner Beobachtung nach erhielten Sie den voreilig getätigten Einsatz des letzten Spiels bar zurück.«
»Aber ich habe Sie beraten«, versuchte Carboun eine Begründung.
»Auch das dürfte nicht zu abschöpfenden Maßnahmen an dem von meiner bescheidenen Person erzielten Gewinn berechtigen. Vielmehr geht es um das Wechselgeld der übergebenen sechshundert Pfund. Muß man die Polizei benachrichtigen, oder erwägen Sie eine freiwillige Zahlung, Sir?«
»Polizei? Beim Allmächtigen – wer sind Sie denn, Mister?«
»Diese Frage stellte man auch schon seitens Ihrer verehrten Mitarbeiter in den Räumlichkeiten, die Sie als Büro und Unterkunft zu nutzen scheinen, Sir. Dort konfrontierte man mich mit unerwünschten Tätlichkeiten.«
»Sie müssen Parker sein, der Butler von Lady Simpson!«
»Ihr Gespür für die Realitäten des Lebens ist unschlagbar. Wäre es vermessen, der Vermutung Ausdruck zu verleihen, bei Ihrer bedingt werten Person handele es sich um den Geschäftsführer des Geldverleihdienstes, Mister Red Carboun?«
»Sie wollen mich wohl reinlegen, Parker.«
»Nicht im mindesten, Sir. Vielmehr führt mich ein Auftrag Myladys zu Ihnen, Sir. Es handelt sich um zwei Angelegenheiten.«
»Wie haben Sie mich gefunden?«
»Dies ist durchaus nebensächlicher Natur, doch da Sie Wert auf die Auskunft zu legen scheinen: ein Mister Mashnikow ließ sich überreden, Ihren Aufenthaltsort mitzuteilen, Sir. Kommen wir jetzt zur Sache. Lady Agatha Simpson wünscht eine Abrechnung des Ihnen gewährten Kredites.«
»Sie hat das Geld doch längst zurück. Fünfzigtausend für dreißigtausend!«
»Gewiß, das bestreitet Mylady auch nicht. Mylady beansprucht indessen auch, an den erwirtschafteten Zinsen zu partizipieren. Vierzig Prozent scheinen Mylady erschreckend gering.«
»So? Tut es das? Bestellen Sie der alten Schachtel, sie bekäme keinen Penny mehr von mir. Überhaupt, ich sollte Lady Agatha anzeigen! Was sie gemacht hat, ist purer Zinswucher!«
»Mylady dürfte da im Prinzip anderer Meinung sein, Mister Carboun. Da Sie für Darlehen mindestens ein Prozent Zins täglich fordern, verlangt Mylady, entsprechend beteiligt zu werden. Es wäre daher in Myladys Sinn, wenn Sie Ihre Bücher offenlegten und sich mit einer Prüfung einverstanden erklärten, Sir. Widrigenfalls sähe Mylady sich gezwungen, gewisse Behörden einzuschalten.«
Carboun schnappte nach Luft. »Das ist die größte Frechheit, die mir je ...«
Parker winkte ab. »Es empfiehlt sich, die Angelegenheit möglichst emotionslos zu bereinigen, Mister Carboun. Erst heute vormittag fand ein Gespräch statt zwischen Mylady und Mister McWarden, dem Chief-Superintendent von Scotland Yard. Es scheint, daß Ihre Finanzpraktiken in besagtem Haus nicht völlig unbekannt geblieben sind, Sir.«
»Zum Teufel mit McWarden! Ich lasse mich nicht unter Druck setzen. Und ich dränge mein gutes Geld niemand auf. Meine Kunden waren stets mit den Konditionen einverstanden.«
»Dem zu widersprechen steht meiner bescheidenen Wenigkeit nicht zu, Sir. Es könnte jedoch zu bedenken sein, daß ein Einverständnis nicht gleichzusetzen ist mit Zufriedenheit. In diesem Zusammenhang darf man erwähnen, daß Seine Lordschaft, der höchst ehrenwerte Percival Bandersham, gewisse Beschwerden hinsichtlich der Maßnahmen geführt hat, die Seine Lordschaft zur Rückzahlung des Darlehens bewegen sollten.«
»Bei manchen Kunden hilft nur etwas Druck, Parker.«
»Offensichtlich in vielen Fällen ein durchaus legitimer Vorgang, Sir. Man kann die heutige Aktion Ihrer Mitarbeiter in gewissem Maß verstehen, wenn auch nicht gutheißen, da lediglich Platzpatronen schallgedämpft zur Detonation gebracht worden sind. Der zweite Anschlag auf die ehrenwerte Person Seiner Lordschaft kommt jedoch einem Attentat gleich. Eine Anzeige wegen Menschenraubes dürfte größte Aussicht auf Erfolg haben. Man wird Ihre Mitarbeiter festnehmen und Sie als Rädelsführer anklagen, Mister Carboun.«
Wie ein Fisch auf dem Trockenen klappte Carboun den Mund auf und zu. Seine Augen quollen hervor. »Dieses dicke alte Pferd«, ächzte er. »Sie will mir was einbrocken ...«
»Sollte diese Äußerung der Person Lady Agatha Simpsons gelten, muß dies wegen des ungebührlichen Vergleichs ausdrücklich zurückgewiesen werden, Sir. Als Myladys Butler verwahrt man sich entschieden gegen eine solch beleidigende Herabsetzung. Myladys Erscheinung ist stattlich, und das Lebensalter ist im Bereich der vollen Blüte anzusetzen, weshalb der gezogene Vergleich zu einem Geschöpf aus der Tierwelt der sofortigen Zurücknahme bedarf.«
Josuah Parker blickte Carboun mit unbewegter Miene an.
Der Geldverleiher wand sich. »Na gut, ich nehm’s zurück. Ich hab’ nichts gegen Ihre Herrin, Parker. Sie soll sich nur nicht in meine Angelegenheiten einmischen.«
»Das ist auch nur bedingt Myladys Absicht. Lord Percival hat den Vorzug, ein Neffe zweiten Grades zu sein. Schon dies verpflichtet Mylady zu überlegten Gegenmaßnahmen. Man darf die gewaltsame Entführung Seiner Lordschaft keinesfalls hinnehmen.«
»Ich hab’ nichts damit zu tun, zum Henker! Fragen Sie doch meine Leute, Parker! Jeder kann bestätigen, daß ich dem Mann sogar noch eine Nachfrist eingeräumt habe. Dafür steigen die Zinsen weiter an, aber ich laß’ doch keinen meiner Kunden auf offener Straße abräumen.«
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