Der letzte Auftrag - Alex Mann - E-Book

Der letzte Auftrag E-Book

Alex Mann

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Beschreibung

Der Amerikanische Bürgerkrieg neigt sich seinem Ende zu, und es sieht nicht gut für die Konförderierten aus den Südstaaten aus. Das sieht auch der realistische Konförderierten-Captain James Spears so, doch ein Aufgeben lässt sein Ehrgefühl nicht zu. Dann erhält er einen letzten Auftrag. Er soll mit seinen Männern von den Virginia Partisan Rangers den Senator Douglas Reilly quer durch die feindlichen Linien und das wilde südwestliche Indianerland nach Mexico bringen, wo er die dort herrschenden Franzosen als Unterstützer gegen die Nordstaaten gewinnen soll. Es wird ein mörderischer Ritt, und die kleine Truppe wird mehr und mehr dezimiert. Doch dann ist es entgegen aller Erwartungen das geschafft. Aber als sie die Grenze schon in Blickweite haben, werden sie von Unionstruppen gestellt. Spears hatt jetzt nur noch die Wahl sich zu ergeben oder sterben … Ein neuer Military-Western, hart, schonungslos, packend.

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EPUB
MOBI

Seitenzahl: 197

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Der letzte Auftrag

Der letzte Auftrag

Alex Mann

Impressum

Copyright: Novo-Books imvss-verlag

Jahr: 2024

Lektorat/ Korrektorat: Peter Altvater

Cover: Hermann Schladt

Verlagsportal: www.novobooks.de

Gedruckt in Deutschland

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie

Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig.

1

Der kalte Regen prasselte unaufhörlich auf ihn nieder. Er hämmerte wie schweres Artilleriefeuer auf die Krone seines Hutes und lief in mächtigen Strömen über seinen schwarzen Regenmantel. Seine Stiefel sanken tief im Matsch ein und so wirkten seine Bewegungen recht linkisch, als er sich vom Stall zu dem großen, hell erleuchtenden Herrenhaus hinüberbewegte. Der Posten mit der langen Muskete und dem aufgepflanzten Bajonett hatte sich unter den Schutz der Veranda zurückgezogen.

James Spears hatte genau gesehen, wie der Mann hastig seine Waffe geschultert hatte, als er den Fremden auf sich zukommen sah. Noch bevor er einen Fuß auf die kleine Treppe setzen konnte, die zur Veranda hinaufführte, straffte sich der Wachtposten.

„Halt. Wer da?“

„Captain James Washington Spears, Virginia Partisan Rangers. Ich wurde herbestellt.“

Der Mann musterte ihn kurz ungläubig. Unter dem schwarzen weiten Regenmantel, der jegliches Abzeichen verbarg, sowie der tief in die Stirn gezogenen Hutkrone konnte er kaum mehr als einen dichten, struppigen Bart erkennen. Durch das Stillstehen kroch sofort die Kälte in Spears Hände und Ohren, während sich gleichzeitig unter dem gummierten Mantel die Hitze staute.

„Korporal der Wache!“, rief der Posten schließlich.

Sofort wurde die Tür des Herrenhauses geöffnet. Der Korporal wartete anscheinend direkt im Eingangsbereich. Statt einer Muskete trug er eine Laterne und trat hinaus auf die Veranda.

„Was ist denn los?“

„Ein Captain Spears von den Virginia Partisan Rangers. Er sagt, er wird erwartet.“

„Muss ich beim Offizier der Wache nachfragen“, sagte der Korporal und war bereits auf dem Weg nach drinnen.

„Dürfte ich vielleicht unter dem Dach warten? Es ist mächtig kalt und nass hier draußen.“ Spears rieb sich die klammen Hände.

„Nein“, sagte die Wache bestimmt, doch der Korporal drehte sich um.

„Lass das, McKenna. Geh ein Stück beiseite und lass den Mann raufkommen.“

Der Posten fällte das Bajonett und trat zwei Schritte nach rechts, um Spears Platz zu machen. Schnell erklomm er die fünf Stufen und lehnte sich dann mit dem Rücken an den Pfosten eines Stützbalkens.

Nach einer halben Minute öffnete sich die Tür und der Kopf des Korporals erschien im hellen, warmen Licht.

„Sie können reinkommen, Captain Spears.“

Spears schüttelte sich und streifte den nassen Mantel ab. Dann trat er ins Innere des Hauses. Der Vorraum war nüchtern eingerichtet. Auf einer Treppe, die ins obere Stockwerk führte, saßen drei Soldaten in neuen, dunkelblauen englischen Uniformen1 mit hellem Kragen und dazu den braunen Jeanshosen der Konföderierten. Ihre Musketen lehnten an der Wand. Sie gehörten vermutlich zur Wache.

An einer anderen Wand waren sechs Stühle aneinandergereiht. Auf einem saß ein junger Leutnant in tadelloser blaugrauer Uniform. Seine hohen Reitstiefel waren blank poliert. James Spears fragte sich, wie lang er da so wartete, denn der Regen dauerte nun bereits den ganzen Nachmittag an.

„Möchten Sie einen Kaffee, Sir?“, fragte der Korporal und musterte Spears, der einen merklichen Kontrast zu dem jungen Leutnant bildete. Spears trug einen einfachen braunen Anzug, der nichts Militärisches zeigte. Um seine Hüfte war ein breiter Gürtel mit einem Coltholster und einem langen Bowiemesser geschlungen.

„Gern“, sagte er kurz angebunden und setzte sich neben den jungen Leutnant.

Der Mann warf ihm einen etwas abfälligen Seitenblick zu.

Spears lauschte dem Klappern der Stiefel, als der Korporal in der Küche verschwand und kurz darauf mit einer zierlichen Porzellantasse erschien, die er Spears reichte und die in den groben, schwieligen Händen der beiden Männer seltsam deplatziert wirkte.

„Danke“, sagte Spears und nahm einen tiefen Schluck. Angenehme Wärme breitete sich in seinem Körper aus. Dennoch runzelte er die Stirn. „Das ist doch kein Kaffee, Korporal.“

Der Korporal wandte sich um und zog fragend eine Augenbraue in die Höhe. „Ersatz, Sir. Das, was wir seit Monaten trinken. Süßkartoffelkaffee.“

„Verstehe. Wann hatten Sie zuletzt einen richtigen Kaffee?“

Der Korporal kratzte sich an der Stirn. „63 in Pennsylvania, glaub ich.“

„Schicken Sie einen Mann zum Stall, zu meinem Sergeanten. Er soll ihnen ein Säckchen geben. Für Sie und Ihre Leute, nicht für …“

Spears richtete die Augen zur Decke, zum Obergeschoss, wo die beiden Senatoren des konföderierten Kongresses sitzen sollten.

„Echten Kaffee, Sir?“

„So echt, wie er vor dem Krieg war, Korporal.“

„Vielen Dank, Sir. Ist mächtig anständig von ihnen.“

„Kleines Geschenk von General Sheridans Kavallerie.“

Spears sah die freudigen Gesichter und das Grinsen der Wachsoldaten. Geschichten darüber, wie den Yankees der Hintern versohlt wurde, trugen noch immer zur Steigerung der Moral bei. Auch wenn den meisten inzwischen klar war, dass die Konföderierten nur noch Schlachten, eigentlich nur noch Gefechte gewinnen konnten, aber nicht den Krieg.

Vor ein paar Tagen hatte Grant die Armee von Nordvirginia aus ihren Stellungen bei Petersburg und Richmond vertrieben. Die Hauptstadt der Konföderation war gefallen und in Flammen aufgegangen, und Lee zog sich nun hastig nach Westen zurück. Er hatte Tausende von Männern verloren.

„Sie sind Offizier?“, fragte der Leutnant und unterbrach Spears Gedankengänge.

„Ja. Captain James Washington Spears, Virginia Partisan Rangers.“

„Partisan Rangers. Verstehe.“ Der Leutnant verzog das Gesicht und verkündete damit deutlich seinen mangelnden Respekt für die Guerillas. „So weit im Süden?“

„Ich wurde für einen Auftrag hierher beordert. Und Sie?“

„Ich warte auf ein neues Kommando.“

„Schätze, man wird sie enttäuschen. Wo sollen diese Kommandos denn jetzt noch herkommen?“

Der Leutnant, der sich immer noch nicht vorgestellt hatte, zuckte mit den Schultern. „Bald werden zwei konföderierte Armeen in North Carolina stehen, die von Lee und die von Joe Johnston. Und dann werden wir zurückschlagen.“

Das helle Leuchten eines Blitzes zuckte durch die regennassen Fensterscheiben und gleich darauf folgte das tiefe Grollen des Donners.

Der Leutnant warf einen Blick zum Fenster. Spears musterte ihn. Jung. Glattrasiert. Tadellos uniformiert. Neu. Anscheinend voller Tatendrang. Zu spät für diesen Krieg. „Soweit ich weiß, gibt es in diesen Armeen einen Mangel an Soldaten. Nicht an Offizieren.“

Der Leutnant warf ihm wieder einen süffisanten Seitenblick zu.

„Es besteht nach wie vor ein Mangel an professionellen Offizieren.“

„Verstehe.“ Spears leerte die Tasse und holte eine Pfeife unter seiner Jacke hervor. „Virginia Military Institute?“

„Ja.“

„Welcher Jahrgang?“

Der Leutnant rutschte etwas unangenehm berührt auf seinem Stuhl hin und her. „Ich habe dieses Jahr mein Patent erhalten.“

„Im Frühjahr?“

„Ja.“

Spears seufzte schwer und drückte mit dem kleinen Finger den Tabak in seiner Pfeife fest. „Gehen Sie nach Hause, Junge. Das erspart ihnen einiges an Ärger.“

„Weil viele Offiziere so denken wie Sie, verlieren wir den Krieg.“

Spears ließ die Pfeife sinken und warf dem jungen Mann einen scharfen Blick zu. „Ganz ehrlich, wenn Sie gern in einem Duell erschossen werden möchten, dann reden Sie nur so weiter. Dank der Offiziere in unserer Armee haben wir überhaupt so lange durchgehalten.“

„Auf General Lee trifft das sicherlich zu.“

„Ach, aber auf Colonel Mosby nicht?“

„Nein.“

James Washington Spears nickte langsam, stand auf und setzte sich auf einen Stuhl an der gegenüberliegenden Wand.

„Was soll das?“, fragte der Leutnant.

„Wissen Sie, Lieutenant“, sagte Spears langsam. „Ich habe in diesem Krieg schon etliche Menschen umgebracht. Die meisten waren Yankees. Manche waren Südstaatler und die meisten davon wiederum gute Virginier. Ich habe sie getötet, weil sie es mit dem Norden gehalten haben, aber ich denke dennoch, dass es gute Virginier waren. Sie haben eben nur an etwas anderes geglaubt als ich. Jedenfalls habe ich heute noch niemanden getötet und das soll auch in der letzten halben Stunde dieses Tages so bleiben.“

Bevor der Leutnant etwas sagen konnte, erschien ein anderer junger Offizier am Fuß der Treppe. „Captain Spears? Senator Reilly möchte Sie jetzt sprechen.“

„Was ist mit mir?“, fragte der Leutnant und fuhr auf.

„Jetzt möchte er mit Captain Spears sprechen“, wiederholte der Offizier kalt.

Spears folgte ihm die Treppe hinauf und in ein großes Zimmer, dessen Wände mit Bücherregalen voll gestellt waren. Zwei Zivilisten in schwarzen Gehröcken und ein Colonel in einer sauberen blaugrauen Uniform standen um einen Tisch herum, auf dem eine Karte ausgebreitet war. An die beiden großen Fenster prasselte der Regen unaufhörlich. Blitze zuckten in unregelmäßigen Abständen, und das Grollen des Donners wirkte im Obergeschoss des Hauses noch lauter. Ein gusseiserner Ofen spendete allerdings eine angenehme Wärme, die einen merklichen Kontrast zu dem eisigen Frühjahressturm bildete, der draußen über die Farm niederging.

„Captain Spears, Sir“, sagte der Offizier, dessen drei Balken am Kragenspiegel der einzige Hinweis auf seinen Rang als Captain waren.

Einer der Zivilisten kam mit ausgestreckter Hand auf Spears zu. Er trug einen schlichten schwarzen Gehrock mit grauer Weste und einer blassblauen Krawatte. Spears hätte ihn auf Mitte vierzig geschätzt, wusste aber, aber Senator Douglas Reilly bereits die fünfzig überschritten hatte. Er trug die Haare kurz und war sauber rasiert. Dass er vor einigen Tagen hastig Richmond verlassen musste, war ihm nicht anzumerken.

„Captain Spears“, grüßte er und seine knochige Hand umschloss Spears Finger. „Darf ich ihnen Senator Woolcumb aus Arkansas vorstellen?“ Er zeigte auf den anderen Zivilisten, der im Gegensatz zu ihm einen langen grauen Vollbart pflegte, der immer noch von kräftigen braunen Strähnen durchzogen war. „Und das ist Colonel Mathews.“

„Sir“, sagte Spears und nickte dem Colonel kurz zu, ehe Reilly ihn direkt an den Kartentisch lenkte.

„Möchten Sie einen Kaffee, Captain?“ Der Senator funkelte ihn verschwörerisch an. „Wir haben hier noch den Richtigen.“

„Gerne, Sir.“

„Captain, bringen Sie uns bitte allen einen Kaffee. Und wenn es geht, etwas zu rauchen.“

Reilly beugte sich über die Karte. „Wie sind Sie über die aktuelle Lage im Bilde, Captain?“

Spears räusperte sich kurz. „Von dem, was wir von Versprengten und aus Zeitungen erfahren haben, weiß ich, dass General Lee sich angeschlagen aus Petersburg zurückzieht. Er hat in etlichen Gefechten bereits mehrere Tausend Mann verloren, verfügt kaum über Munition und Verpflegung. Grant verfolgt ihn und er hat all das, was uns fehlt, und dazu zahlreiche gut bewaffnete und inzwischen auch erfahrene Kavallerie.“

„Yankees“, kommentierte Colonel Mathews abfällig.

„Yankees mit Henry, Spencer und Sharps Gewehren, die nach vier Jahren endlich ihr Handwerk gelernt haben, Sir. Ich hatte gestern einen Zusammenstoß mit einer ihrer Kavalleriepatrouillen, die bereits Richtung Grenze aufklärte. Hat mich einen Großteil meines Kommandos gekostet.“

Spears bemerkte, wie bei diesen Worten die Farbe aus den Gesichtern der beiden Senatoren wich.

„Wie … wie meinen Sie das? Wie viele Leute haben Sie denn noch?“, fragte Reilly schließlich.

„Als ich den Befehl erhielt, hierherzukommen, waren es dreiundachtzig. Jetzt sind es zwanzig. Ich hoffe immer noch, dass sich noch ein paar Versprengte einfinden, aber wer bis morgen nicht hier ist, wird sich wohl in einem Yankee-Gefängnis wiederfinden. Oder an einem Baum.“

Reilly ließ sich in einen gepolsterten Stuhl zurücksinken. Im selben Augenblick erschien der Captain mit einem Tablett, auf dem eine silberne Kanne stand, aus welcher er Kaffee in vier kleine Porzellantassen füllte, die jener ähnelten, aus welcher Spears bereits sein Süßkartoffelgebräu getrunken hatte. Dann stellte er eine Zigarrenkiste auf den Rand der Karte, die auf dem Tisch ausgebreitet lag, und verschwand wieder.

„Das … das kommt jetzt etwas überraschend“, sagte Reilly.

Spears atmete tief durch und griff nach einer der Zigarren, die er dann unsicher in den Fingern drehte. „Wofür hatten Sie meine Männer denn vorgesehen?“

„Colonel“, sagte Woolcumb knapp, woraufhin sich Mathews über die Karte beugte.

„Wie Sie schon richtig gesagt haben, Captain, zieht sich die Armee von Nordvirginia in diesem Moment in den Südwesten Virginias zurück. General Lee wird versuchen, die Yankees abzuschütteln und dann nach North Carolina vorzudringen. Hier soll er sich mit der Tennesseearmee unter General Johnston vereinen. Zusammen verfügen beide sicherlich über 50.000 kampferprobte Veteranen, mit denen wir Sherman und Grant nacheinander schlagen werden.“

Er machte eine rhetorische Pause und Spears studierte die Karte. Mit ein paar schnellen Fingerstrichen wurden diese Manöver eindrucksvoll beschrieben. Aber anscheinend bedachte der Colonel oder der, der ihm den Plan vorgegeben hatte, nicht, dass die Unionsarmeen inzwischen wesentlich stärker und mobiler als ihre Gegner waren. Selbst wenn Lee seine Gegner abschütteln und sich mit Johnston vereinigen könnte, so war Ulysses S. Grant doch nicht der Typ General, der sich nach einer Niederlage gleich zurückzog wie seine Vorgänger. Das hatte er im Vorjahr eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Spears hegte arge Zweifel an diesem Plan, aber noch sah er nicht, wo sein Platz darin war.

In diesem Moment beugte sich Woolcumb über die Karte. „Wir müssen allerdings auch die Möglichkeit ins Auge fassen, den ganzen Osten der Konföderation vorübergehend aufzugeben.“ Spears runzelte die Stirn. Der Osten WAR die Konföderation. Im Westen gab es nichts, womit man einen Krieg über längeren Zeitraum fortführen könnte. „Senator Reilly und ich möchten daher Verbindungen zu den Franzosen in Mexiko aufnehmen und sie bitten, uns in unserem Kampf zu unterstützen. Sie sollen uns dort hinbringen.“

Spears biss das Ende der Zigarre ab und spuckte es auf den Fußboden, während er über diesen Plan nachdachte. Woolcumb entzündete ein Streichholz und hielt es ihm entgegen. „Was sagen Sie, Captain?“

„Ich habe arge Zweifel, dass die Franzosen uns helfen werden.“

„Es besteht eine Chance. Wenn die Lincoln-Administration diesen Krieg gewinnt, wird sie ihre einmal gewonnene militärische Stärke nutzen und aufseiten der Juaristas in den Krieg in Mexiko eingreifen, denn Mister Lincoln ist ein erklärter Feind der Franzosen.“

„Mister Lincoln hätte gute Aussichten, eine solche Operation mit Erfolg durchzuführen, sobald er den Süden niedergeworfen hat. Die Franzosen haben dagegen große Probleme in Mexiko. Gerade die nördlichen Provinzen haben sie nicht unter Kontrolle. Wie sollten sie uns helfen, selbst wenn sie es wollten?“

Reilly erhob sich aus seinem Sessel und schien ein Stück seiner Zuversicht zurückgewonnen zu haben. „Wir sind in einer verzweifelten Lage, Captain Spears. Wir müssen nach Strohhalmen wie diesem greifen. Sollten uns die Franzosen nicht helfen, sind wir verloren. Wenn wir es nicht einmal versuchen, ist unser Schicksal besiegelt und wir können ebenso gut kapitulieren.“

Spears rieb sich die Augen. Er war müde. Vier Jahre hatte er gekämpft und gerade in den letzten Monaten hatte sich der Guerillakrieg in den Appalachen noch einmal dramatisch verschärft. Die Aussichten für die Konföderation waren immer schlechter geworden und im gleichen Atemzug nahmen die Strohhalme, an die man sich klammerte, immer fantastischere Züge an. War dies noch sein Krieg, wenn die Yankees Virginia vollständig besetzen würden?

„Was sagt denn der Präsident dazu?“

„Präsident Davis möchte den Krieg unter allen Umständen fortsetzen“, sagte Reilly. „Notfalls auch, wenn General Lee zur Kapitulation gezwungen wird.“

„Wenn Lee kapituliert, ist der Krieg vorbei.“

„Noch haben wir beachtliche Truppen unter Edmund Kirby Smith im Trans-Mississippi Territorium. Zusammen mit einem französischen Korps kann diese Armee dem Krieg eine entscheidende Wende geben.“

Auch daran hegte Spears große Zweifel. Er wusste, dass Lee von allen konföderierten Generalen die beste Ausrüstung und die modernsten Waffen erhielt. Schon Johnstons Tennesseearmee war wesentlich schlechter bewaffnet, und im Trans-Mississippi-Gebiet gab es nichts, womit man eine Armee ausrüsten und bewaffnen konnte, die die Yankees besiegen sollte.

„Was passiert mit meinen Männern, wenn wir da sind?“

„Die, die bleiben wollen, können sich General Smith anschließen“, sagte Colonel Mathews.

„Mit Verlaub, Sir, das ist eine etwas eigenartige Haltung.“

„Inwiefern?“, fragte Reilly.

„Man verlangt von ihnen, dieses gefährliche Unternehmen durchzuführen und stellt es mir dann frei, meine Einheit in Texas aufzulösen?“

Mathews versuchte, sich eine Antwort zurechtzulegen, und auch die beiden Senatoren wussten nicht, was sie auf Spears Einwand erwidern sollten. Eine große Standuhr kündete mit einem dumpfen Glockenschlag die neue Stunde an. Es war die erste Stunde des neuen Tages.

„Welcher Tag ist heute?“, fragte Reilly gedankenverloren.

„Der 9. April 1865“, sagte Matthews.

Reilly nippte an seiner Kaffeetasse. „Werden Sie den Auftrag denn nun ausführen?“

Spears nickte langsam und blies blaue Wölkchen an die Decke. „Ich muss aber zuvor mit meinen Männern reden. Schätze, nicht alle werden Virginia verlassen wollen.“

„Auf wie viele können Sie zählen?“

„Ich kann auf alle zählen. Aber dieser Auftrag ist etwas anderes. Die Lage hat sich mit dem Fall von Petersburg und Richmond drastisch verändert.“

„Dann reden Sie mit ihren Männern“, sagte Reilly. „Möglichst schnell. Ich möchte morgen früh aufbrechen.“

Spears strafte sich ein wenig und wollte gerade auf dem Absatz kehrt machen, als Colonel Mathews noch einen Gedanken äußerte. „Ihnen fehlen Männer, Captain Spears?“

Spears blieb stehen und noch ehe er erahnen konnte, was Mathews von ihm wollte, fuhr der Captain fort. „Da draußen sitzt ein junger Leutnant. Frisch vom VMI. Der bettelt uns schon seit Tagen um einen Posten an, dabei verfügen wir hier direkt nicht einmal über eine Kompanie und haben keinerlei Verbindung zu Lee oder Johnston. Nehmen Sie ihn doch mit.“

Spears räusperte sich verlegen. „Verzeihung, Sir, aber ich hatte bereits eine Unterredung mit dem Leutnant und hatte dabei den Eindruck gewonnen, dass er eine weitere Beschäftigungslosigkeit dem Dienst bei den Partisan Rangers vorziehen würde.“

„Er wird seine Meinung rasch ändern, wenn ihm klar wird, dass das der einzige Posten ist, den wir ihm derzeit anbieten könnten.“

Spears kratzte sich verlegen mit dem Finger am Augenwinkel. „Ich bitte nochmals um Verzeihung, Sir, aber es ist auch gut möglich, dass ich es vorziehen würde, dass er beschäftigungslos bleibt.“

„Ich habe Sie schon einwandfrei verstanden, Spears. Und ich weiß, dass ihr Partisanen euch weder gern unterordnet, noch Fremde in eure Reihen aufnehmt. Aber Sie haben gesagt, sie brauchen Männer und Leutnant Bennet ist ein hoch motivierter junger Mann.“

„Das ist das Problem, Sir. Die meisten hoch motivierten Männer sind 61 und 62 ziemlich rasch gefallen.“

„Fragen wir doch einfach den Leutnant“, meinte Reilly und erhob sich vom Stuhl.

Spears ließ dem Senator und dem Colonel den Vortritt und folgte den beiden Männern die Treppe hinunter.

„Leutnant Bennet“, grüßte der Senator freundlich und Spears konnte am Klappern der Stiefel und des Säbels hören, wie der junge Mann auf die Beine sprang. „Es freut mich, Ihnen mitteilen zu können, dass wir Ihnen endlich ein Kommando anbieten können.“

„Ich bin bereit, überall meine Pflicht zu tun.“

Spears schüttelte ungläubig den Kopf.

„Das freut mich sehr zu hören, Leutnant“, sagte der Senator. „Sie werden sich Captain Spears Partisan Rangers anschließen.“

Schweigen folgte und Spears hätte nur zu gern das Gesicht des jungen Mannes gesehen. Langsam schritt er die letzten Stufen der Treppe hinab und geriet ins Blickfeld des jungen Offiziers. Er musterte ihn erneut. Neue blaugraue Uniform, zweireihiger Rock mit hellblauem Kragen – er spekulierte also auf ein Kommando bei der Infanterie – dunkelblaue Hose mit dünnem Goldstreifen. Das alles musste ihn ein Vermögen gekostet haben.

„Nehmen Sie an?“, fragte Colonel Mathews und in seiner Stimme schwang ein gewisses Desinteresse mit, so als sei es ihm egal, was aus dem jungen Leutnant werden würde.

„Andere Kommandos stehen zurzeit nicht zur Verfügung, Sir?“

„Sie können sich gern zur Nordvirginia- oder zur Tennesseearmee durchschlagen, falls Sie das schaffen. Die Partisan Rangers sind das einzige Kommando, welches wir hier ihnen derzeit anbieten können.“

Betreten senkte Bennet seinen Blick kurz auf die Spitzen seiner blank polierten Stiefel. Seine Hand krampfte sich um den Griff seines Säbels und er presste die schmalen Lippen aufeinander.

„Einverstanden“, sagte er schließlich.

„Exzellent. Ich freue mich, dass ein junger Mann aus so guter Familie uns auf unserer Reise begleiten wird“, sagte Reilly und Spears fragte sich, was er damit wohl sagen wollte? Was bedeutete aus guter Familie? Die prächtige Uniform des Mannes verriet ihm allerdings, dass diese Worte nicht einfach so daher gesagt wurden. Wahrscheinlich hatte der Vater des Jungen sie bezahlt und wahrscheinlich hatte dieser darauf spekuliert, dass der Einfluss seines alten Herren ausreichen würde, ihm ein besseres Kommando zu verschaffen.

„Sie können mich gleich begleiten.“ Spears griff nach seinem Regenmantel, warf ihn sich über und schickte sich an zu gehen.

„Sie können hier im Haus ein Quartier haben, Captain“, meinte der Senator noch. Doch Spears schüttelte mit dem Kopf. „Danke. Aber ich bin es gewohnt, mit meinen Männern zu schlafen. Es wäre nicht gut, jetzt noch etwas daran zu ändern.“

Er trat hinaus in die kalte Nacht. Der Regen hatte sich etwas abgeschwächt und ging jetzt nur noch als sanftes Nieseln nieder. Der Posten präsentierte das Gewehr, als er Spears bemerkte.

Bennet folgte ihm und die beiden gingen langsam zum Stallgebäude hinüber, wo die Reste der Partisan Rangers ihr Lager bezogen hatten.

„Sie haben eine prächtige Uniform, Leutnant.“

„Danke.“ Bennet machte eine kurze Pause. „Sir.“

„Leider müssen Sie sie ihren Eltern zurückschicken. Wir tragen Zivil und das ist für diesen Auftrag wichtiger denn je.“

„Mir wurde mal berichtet, dass Colonel Mosbys Männer immer in Uniform angreifen.“

„Colonel Mosbys Männer vielleicht. Meine nicht. Ich werde Sie noch in die Details unseres Auftrags einweihen. Nur so viel: Wir müssen durch North Carolina, South Carolina und Georgia. Dort finden sie derzeit mehr Blaubäuche als in Washington. Deshalb werden wir keine Uniformen tragen.

„Verstehe.“ Bennet zögerte einen Moment. „Sie haben vielleicht mitbekommen, Sir, dass ich mich nicht um dieses Kommando gerissen habe.“

„Und Sie haben nicht mitbekommen, dass ich mich keinesfalls um Sie gerissen habe“, erwiderte Spears gelassen. „Schätze, wir müssen beide lernen, das Beste daraus zu machen.“ Er musterte den Leutnant von der Seite. „Hören Sie. Das Ziel unseres Auftrags besteht darin, den Senator nach Mexiko zu bringen. Deshalb müssen wir Feindkontakt unbedingt vermeiden. Allerdings wird sich das auf Dauer kaum verhindern lassen. Sie werden also ihre Chance kriegen, sich im Kampf auszuzeichnen.“

„Das hoffe ich.“

Sie erreichten den Stall, der wohl einst Platz für ein großes Gestüt geboten haben musste. Jetzt waren die Pferde dieser Farm an die Armee verkauft worden. Die Tiere in den Koppeln gehörten zu Captain Spears Partisan Rangers, die sich um ein kleines Feuer versammelt hatten, welches sie in der Mitte des Ganges entzündet hatten. In den Flammen standen mehrere Kannen mit Kaffeewasser und Pfannen, in denen Speck brutzelte. Die Partisan Rangers selbst waren eine wilde Erscheinung. Sie alle trugen zivile Kleidung, meist bescheidene braune Jacken aus Wolle oder Jeansstoff oder farbige Hemden. Aufgrund der Kälte, die der Regen mit sich gebracht hatte, hatten die meisten sich Mäntel übergezogen. Sie trugen Hüte in allen möglichen Formen und Farben, die einige mit Federn geschmückt hatten. Sie waren gut bewaffnet. Im Laufe des Krieges hatte sich jeder Mann einen oder auch zwei Revolver und moderne Gewehre beschaffen können. Nur an Munition für die Spencer und Henry Gewehre mangelte es ihnen.

Die Männer lachten und scherzten und rauchten ihre Pfeifen, als Spears und Leutnant Bennet im Lichtkegel des Feuers erschienen.

„Möchten Sie einen Kaffee, Captain?“, fragte ein stämmiger Ranger mit dichtem rotbraunem Bart und grün funkelnden Augen.

„Nein, danke, Duffy. Ich hatte drinnen bereits Kaffee.“

„Echten Kaffee?“

„Hat man Sie um ein Säckchen gebeten?“

„Da kam so ein halb verhungerter Junge aus South Carolina, der meinte, Sie hätten gesagt, ich soll ihm eins geben. Na ja, wir haben ja genug.“

Spears machte etwas Platz, damit Bennet näher an das Feuer herantreten konnte.

„Jungs, man hat uns Verstärkung mitgegeben. Das ist Leutnant Bennet. Er kommt frisch vom VMI und möchte Kampferfahrung sammeln.“

„Dann sollte er sich aber was anderes zum Anziehen besorgen“, stellte Duffy fest.

„Wir kümmern uns drum.“ Spears verschränkte die Arme. Die Vorstellungszeremonie war beendet. Die Partisan Rangers musterten Bennet mit Argwohn. Der Leutnant sah sich jedes Gesicht ganz genau an. Diese Männer mochten alle kaum älter sein als er, aber die dichten, struppigen Bärte und die Strapazen des Krieges ließen sie viel älter wirken.

„Der Senator hat mir einen“, Spears suchte nach Worten, „besonderen Auftrag gegeben.“ Die Aufmerksamkeit der Männer richtete sich wieder von Bennet auf ihren Captain. „Wir sollen ihn nach Texas bringen und von dort aus nach Mexiko begleiten. Er will mit den Franzosen in Verhandlung treten, damit die auf unserer Seite in den Krieg eintreten.“

Schweigen. Spears schaute Duffy in die Augen und las darin, dass sein Sergeant genauso über die Sache dachte wie er. Nach vier Jahren Krieg verstanden sich beide ohne Worte.