Der magische Spiegel. Chinesische Märchen und Novellen aus den Zeiten der Blüte - Lo Ta-Kang - E-Book

Der magische Spiegel. Chinesische Märchen und Novellen aus den Zeiten der Blüte E-Book

Lo Ta-Kang

0,0
5,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Wie die funkelnden Lampions des Laternenfestes – fremdartig, zauberhaft, schön – erstrahlt das Reich altchinesischer Erzählkunst in dieser außergewöhnlichen Sammlung von zehn Märchen und Novellen aus der Zeit um 600 bis 1600 n. Chr. Im Spannungsfeld zwischen Außenwelt und Innenwelt, Staat und Gesellschaft im Geist des Konfuzianismus und dem Weg der Kontemplation im Tao, erzählen sie von der leidenschaftlichen Suche nach seelischem Ausgleich und dem Gleichgewicht kosmischer Kräfte. Im Mittelpunkt der Titelerzählung steht ein bronzener Spiegel aus uralten Zeiten, eine geheimnisvolle Macht, die auf dem Pfad der Freundschaft und Liebe hilft, das Unrecht auf Erden zu überwinden.

  • Aus einer anderen Welt: Tiefe Einblicke in Chinas Kultur und Mythologie
  • 10 Märchen mit 10 Illustrationen altchinesischer Art, mit Nachwort des Übersetzers und Herausgebers Richard B. Matzig

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 243

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Der magische Spiegel

Chinesische Märchen und Novellenaus den Zeiten der Blüte

Nach der französischen Übertragungdurch Lo Ta-Kang ins Deutsche übertragenvon Richard B. Matzig

Anaconda

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt undenthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugteNutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzungdurch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitungoder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere inelektronischer Form, ist untersagt und kann straf- undzivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten,so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir unsdiese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Standzum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Dieser Band erschien zuerst 1944 bei A. Francke in Bern.Orthografie und Interpunktion wurden auf neue Rechtschreibung umgestellt.Die Umschrift chinesischer Namen und Begriffe folgt wie in derVorlage dem Wade-Giles-System.

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikationin der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografischeDaten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2023 by Anaconda Verlag, einem Unternehmender Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,Neumarkter Straße 28, 81673 München

Alle Rechte vorbehalten.

Umschlagmotiv: Georges Barbier (1882–1932), »China. A womanand a maker of perfume«, British Library, London, fromRichard Le Gallienne, The romance of perfume, with drawings byGeorge Barbier, New York & Paris: Richard Hudnut 1928,© British Library Board. All Rights Reserved / Bridgeman Images

Umschlaggestaltung: www.katjaholst.de

Satz und Layout: InterMedia – Lemke e. K., Heiligenhaus

ISBN978-3-641-30407-2V001

www.anacondaverlag.de

Inhalt

Der alte Gärtner

Die wunderbare Begegnung des jungen Doktor Ts’ui

Der verlorene Schatz

Die unverhoffte Hochzeit des Ts’ên Tsin

Der Bodhisattva aus Jade

Die zerbrochene Laute

Die Reise ins Innere einer Schlummerrolle

Das Leben der schönen Kurtisane Li Wa

Die Abenteuer des Szu Wei

Der magische Spiegel

Aus dem Nachwort

Der alte Gärtner

Damals, um die Mitte der Dynastie Sung, lebte in Frieden und Beschaulichkeit der alte Tz’u Siên in dem Dorf Die Ewige Freude, zwei Meilen von P’ing-ch’êng, einer kleinen Stadt der Provinz Kiang-nan. Seines Zeichens Gutsherr, besaß Tz’u mehrere Morgen Landes und auch ein Gartenhaus. Sein Weib war lange schon gestorben und hatte ihm keine Kinder hinterlassen.

Tz’u war von Natur voller Begeisterung für den Gartenbau. Um dieser Leidenschaft ganz sich hingeben zu können, veräußerte er sogar seinen Gutsbesitz und behielt einzig den Garten zurück. Wenn er eine Blume seltener Art entdeckte, war seine Freude grenzenlos. Kein Schatz aus Gold und Geschmeide hätte tiefer ihn beglücken können. Wenn er auf Reisen war, um irgendeinen wichtigen Auftrag zu erledigen, hielt er in seinen geschäftlichen Fahrten inne, sobald er eine Blume erblickte. Er näherte sich ihr so sehr er konnte, um sie aufmerksam zu betrachten. So drang er zuweilen bei Unbekannten ein, ein wehrloses und flehendes Lächeln auf den Lippen. War die Blume von gewöhnlicher Art oder blühte sie im eigenen Garten, dann zog er seines Weges. Fand er aber eine seltene Pflanze, die er noch nicht kannte, dann vermochte er es nicht, aus seiner Versunkenheit sich loszureißen und weilte dort, vom Morgen bis zum Abend, vergaß sein Ziel und seine Aufträge. Darum nannte man ihn überall den »Blumennarren«.

Geriet er zuweilen einem Blumenverkäufer in die Hände, so ruinierte er sich jedes Mal, um alles zu kaufen was ihm gefiel. Es geschah nicht selten, dass er keinen einzigen Käsch1 mehr in der Tasche hatte; er gab ohne Zögern seine Kleider zum Pfand, um die notwendige Summe zu erhalten. Die Händler kannten seine Schwäche und steigerten den Preis. Tz’u wagte mit keinem Wort zu markten. Die Dorfbuben brachten ihm herr­liche Blumen, irgendwo in den Wiesengründen gepflückt, Erdklumpen um die Stängel an Stelle der Wurzeln. Tz’u kannte diese List, aber er kaufte die Blumen trotzdem. Seltsamer Vorgang! Diese wurzellosen Blumen, im Garten Tz’us eingepflanzt, begannen jedes Mal sich aufzurichten und zu blühen.

1 Kleine Münze in China; in der Mitte hat sie eine quadratische ­Öffnung zum Aufreihen auf Schnüre.

Tag um Tag, Monat um Monat gedieh der glückhafte Garten. Eine durchflochtene Bambushecke bildete die Umfriedung. Über die Hecke wuchsen verschwenderisch lichttrunkene Zweige, die Blüten des kletternden Rosenstockes, des wilden Pflaumenbaumes, der Kirsche und der Eberesche. Am Fuß der Hecke drängten sich Malven, Springkraut, Kannazeen, Lilien, Taglilien, Pfingst­rosen, die Scharlachlampen des Mohns, weiße Stiefmütterchen und wie viel andere Blumen noch! Eine blendende Fülle, ein drängender Reichtum! Verblühte eine Blume, dann entfaltete sich eine andere: Es war ein ewiger Frühling. Ein brombeerüberwachsenes Tor mit zwei Flügeln öffnete sich am hellen Mittag; hinter dieser Pforte führte die von Bambus eingerahmte Allee zu einem Häuschen, das aus drei Haupträumen bestand. Trotz des Strohdaches waren die Zimmer geräumig, voller Licht und Luft bei weiten Fenstern. Im Hintergrund thronte ein kleines Bildnis ohne Namenszug. Bänke, Stühle und Tische aus weißem Holz funkelten in Sauberkeit. Hinter dem Saal befanden sich noch zwei oder drei kleine Kammern, darunter das Schlafzimmer des Greises. Alle Zimmer waren in pein­licher Ordnung gehalten.

Beim Ausgang des Gartens stieß man auf einen riesigen See, den »See des Himmlischen Gehörs«, gewöhnlich aber »Lotusteich« genannt. Dieser See nährte sich von mehreren benachbarten Gewässern und er selbst war die Quelle großer Wasserfälle. Je nach der Jahreszeit, bei Sonnenlicht oder bei Regenfall, veränderte der See unaufhörlich seine Reflexe. Auf dem steilen Ufer hatte Tz’u Siên einen Damm gebaut; darauf waren zahlreiche Pfirsichbäume und Trauerweiden gepflanzt.

Jeden Tag erhob sich Tz’u Siên in der Morgenfrühe. Er wischte zuerst die Allee von den Blättern frei, die in der Nacht gefallen waren. Dann begoss er seine Blumen und Pflanzen, eine um die andere. Am Abend begoss er sie noch einmal. Entdeckte er eine Knospe im Augenblick der Entfaltung, dann war seine Freude schrankenlos. Schnell wärmte er Wein oder Tee. Er trug die Amphora oder den Teekrug vor die auf brechende Knospe hin, neigte sich vor ihr bis zur Erde, benetzte sie mit einer Tasse Wein oder Tee und rief dreimal: »Mögen die Blumen leben!« Er setzte sich auf die Erde und trank lange, die Augen auf die Blumenkrone gerichtet. Wenn er berauscht war, pfiff und sang er nach Herzenslust. Später schlief er zu Füßen des Stängels ein, den Kopf auf einen Stein gestützt. Er verließ die Blume nicht, ehe er ihrem langsamen Sich-Öffnen zugeschaut hatte.

Brannte die Sonne, dann schützte er die Knospen mit einem Palmzweig. Schimmerte der Mond durch den Bambus, dann blieb er die ganze Nacht im Garten. Wenn der Sturm blies, drängte er sich durch das dichte Gesträuch, einen Hut aus geflochtenen Binsen auf dem Kopf, und richtete die vom Regen gekrümmten Zweige mithilfe kleiner Bambusstützen wieder auf. Während der Sturmnächte ließ ihn die Sorge um seinen Garten oftmals aus dem Bett springen.

In dem Monat, da die Blumen welken, jammerte er den ganzen Tag und nicht selten brach er in Tränen aus. Er ertrug den Anblick der am Boden hingewelkten Blütenblätter nicht; sanft wischte er sie mit einem Palmzweig zusammen, legte sie auf eine Platte, um sie so lange aufzubewahren, bis sie ganz ausgetrocknet waren. Dann verschloss er sie in einer hohen Vase. Wenn sie voll war, goss er noch ein wenig Wein oder Tee hinein – als Totenopfer. Zuletzt, das Herz voller Tränen, nahm er diesen Blumensarg und begrub ihn auf dem Damm.

Sah er Blütenblätter, vom Regen in den Schlamm gespült, so hob er sie auf, reinigte sie in frischem Wasser und streute sie schließlich in den See. Es graute ihm vor dem Gedanken, eine Blume zu pflücken oder einen Zweig abzuschneiden. »Warum soll man sie töten, wenn doch eine Blume nur wenige Tage dauert? Und für diese wenigen Tage des Glanzes, welches Weben und Drängen und Wirken im Schatten langer Monate! Selbst der Aufbruch der Knospe ist eine große Mühsal: Tage um Tage sind notwendig dafür und ein glücklich strahlender Himmel. Welch ein Gegensatz, wenn eine Blume welkt! Sie stirbt so schnell. Und die Vögel, die Insekten, die Sonnenglut, der Wind, der Nebel, die Wolken … so vielen Feinden muss die zarte Blume trotzen. Und nur dank der Hingabe des Menschen kann sie siegen über alle Widerstände und Anfechtungen. Wie bringt man es übers Herz, eine Blume vom Stängel abzureißen? Wie schön ist es, wenn sie in der Sonne lächelt, im Wind tanzt wie ein junger Mensch, der trunken ist von Glück? Wer sie von ihrem Zweig trennt, verurteilt sie zum Tode: Eine gepflückte Blume kann diesen Schmerz nicht überleben und niemals kehrt sie zu ihrem mütterlichen Zweig zurück.« So redete der Alte; so predigte er ihnen allen, die nichts wussten von der Liebe zu den Blumen.

»Wenn die Blumen sprechen könnten«, sagte er ihnen noch, »wie würden sie in ihrer Unschuld klagen über ihr grausames Los! Und warum sollte man sie nicht bewundern, ohne sie zu berühren? – Ihr pflückt die Blumen leichten Herzens, um den Tisch Eurer Zechgenossen zu schmücken oder um dem Haar Eurer Geliebten einen neuen Glanz zu geben; aber Ihr hättet ebenso gut Eure Freunde zusammenrufen dürfen, um unter den Zweigen der lebendigen Blumen zu trinken, Ihr hättet für Eure Angebetete einen andern Schmuck als Blumen finden können!«

Am stärksten hasste der Greis jene Menschen, die Blumen aus reiner Laune pflücken, im Vorübergehen, und die sie dann gedankenlos auf die Straße werfen. Er selbst hatte ja nie eine einzige zerstört. Bei Freunden zog er es vor, eher in Bewunderung der Blätterkrone zu verharren als sie zu pflücken. Zuweilen geschah es, dass der Gast­geber eine Blume vom gläsern zarten Stängel brach, um sie dem Greis, dessen Bewunderung ihn rührte, zu überreichen. Da floh Tz’u Siên, so schnell seine Beine ihn tragen konnten, und rief: »O, welche Sünde!«

Natürlich hätte er es nie zugelassen, dass jemand die Blumen seines Gartens berührte. Beizeiten warnte er die Besucher mit seinen bekannten Argumenten. Und wenn einer bei seiner Rede ungerührt blieb, dann ging er so weit, sich vor ihm niederzuwerfen und Gnade für seine Blumen zu erflehen. In Wirklichkeit ließ man es ihm an Rücksicht und Wohlwollen niemals fehlen –, trotz des Spitznamens »Blumennarr«, den man ihm zu geben beliebte, als ob er eine lächerliche Figur wäre.

Arme Kinder wollten ihm von Zeit zu Zeit Blumen stehlen, um sie zu verkaufen; er zog es vor, ihnen einfach Geld zu geben. Sah er, dass während seiner Abwesenheit Blumen misshandelt worden waren, so machte er ihnen betrübten Gesichtes einen Verband aus Tonerde. Er nannte diese Zeremonie »die Heilung der Blumen«. Um jede Einwirkung fremder Menschen fernzuhalten, gewährte er Unbekannten ganz selten Einlass. Freunden und Nachbarn, die seine Besitzung sehen wollten, verweigerte er erst den Eintritt. Gab er nach, des langen Widerstrebens müde, dann rief er den Hartnäckigen zuerst das »Reglement« oder die »Verbote« in Erinnerung und öffnete zögernd die Pforte. Es war zum Beispiel verboten, den Blumen allzu nahe zu treten, denn sie hätten von einem unreinen Atem gekränkt werden können. Wenn ein Besucher so weit ging, eine Blume oder eine Knospe zu pflücken, dann schoss dem Greis das Blut zu Kopf, er erstickte fast vor Zorn. Selbstverständlich duldete er den Unverschämten nie mehr in seinem Garten. Alle aber begriffen seine Manie, begriffen seine übersteigerte Empfindlichkeit und hüteten sich, auch nur ein einziges Blättlein zu berühren.

Die Vögel, die zahlreich und ohne Unterlass im schönen Blätterwerk des Gartens zwitscherten, rissen mit ihren Schnäbeln wahllos in Beeren und Blüten. Der Gärtner streute Körner in die Allee, damit er die Gier der ­Vögel von den Sträuchern ablenke. Die gefiederten Gäste blieben nicht unberührt von seinen Bemühungen: Von Körnern satt, flogen sie von nun an spielerisch in den duft- und blütenschweren Zweigen hin und her, ohne ihre Schnäbel zum Raube zu öffnen.

Tz’us Garten brachte auch Früchte von nie gekannter Größe, von herrlicher Süße hervor. Von den reifen Früchten opferte er einige den Blumengeistern. Er selbst aß davon und verteilte eine große Anzahl an seine Nachbarn. Was übrig blieb, verkaufte er. Und es blieb ihm stets ein beträchtlicher Gewinn.

So lebte Tz’u Siên in der großen Freude des Gartenbaus. Während fünfzig Jahren erlahmte er nie in seinem liebenden Tun. Die Pflege der Blumen, diese Leidenschaft seiner Jugend, vertiefte sich im Glanz seines Alters zu verinnerlichter Kultur. Auch seine Gesundheit festigte sich mit den Jahren; denn der Weise wusste sich mit frugaler Speise und einfach gewobenen Kleidern zu begnügen. Mit dem Gewinn, den ihm seine Früchte brachten, wetteiferte seine Güte; oft half er den Armen des Dorfes. Die Einwohner liebten und verehrten ihn, sie nannten ihn »Vater Tz’u«. Er selbst gab sich den Namen »der alte Gärtner«.

Nun aber wohnte in dieser Zeit, nicht weit von dem Dorf Die Ewige Freude, ein gewisser Ch’ang Wei, der Sohn eines hohen Magistraten. Er war ein höhnischer, ­tyrannischer und gemeiner Mensch. Stark durch die Macht, die ihm seine soziale Stellung gab, vertrödelte er seine Tage, indem er die Nachbarn plagte und ärgerte und arglose oder gehorsame Gemüter seinen unverschämten Ansprüchen dienstbar machte. Unter seinem Befehl stand Tag und Nacht eine Horde von Dienern und jungen Taugenichtsen, wild wie Wölfe, die furchtbare ­Streiche ausheckten und über das Land den Schatten ihrer Untaten warfen.

So geschah es, dass Ch’ang Wei eines Tages in eine Rauferei verwickelt und von einem Feind, der noch schrecklicher war als er, mitleidlos verprügelt wurde. Er verklagte den Feind bei Gericht, verlor aber den Prozess; denn sein Gegner hatte die Richter schon vorher bestochen. Gedemütigt und von diesem Rückschlag des Schicksals aus der Fassung gebracht, hatte sich Ch’ang Wei für einige Tage in seinem Landhaus eingeschlossen, mit vier oder fünf Dienern und einigen jungen Müßiggängern. Dieses Haus lag mitten im Dorf Die Ewige Freude und war nicht weit vom Garten des Tz’u Siên entfernt. Eines Morgens, kurz nach der Zeit des Frühstücks, bummelte Ch’ang Wei schon halb betrunken mit seinen Leuten durchs Dorf. Unversehens gerieten sie vor das Tor des Vaters Tz’u und hielten, überrascht von der Schönheit der über die Hecke drängenden Blütenzweige, in ihrem Weg inne. Gleichzeitig erschallten mehrere Stimmen:

»Wie reizend ist die Ecke! Wem gehört sie?«

»Es ist der Garten des Vaters Tz’u«, sagte ein Diener und fügte hinzu »der Garten des Blumennarren, wenn Ihr lieber wollt.«

»Ich hörte oft von diesem Tz’u Siên, der in meiner Nachbarschaft wohnt. Er soll ein geschickter Gärtner sein. Da ist er also! – Gehen wir in seinen Garten und werfen wir einen Blick hinein!«

»Der Alte lässt niemanden in seinen Garten treten«, sagte der Diener.

»Niemanden? Das gilt für die anderen! Wird er es wagen, einen Besucher wie mich hinauszusetzen? Klopf ans Tor«, befahl Ch’ang Wei.

Es war die Zeit der Pfingstrosen im Garten des Vaters Tz’u. Das morgendliche Begießen war beendet und fröhlich trank Vater Tz’u vor seinen Blumen, eine kleine Schale und hochgefüllte Früchteteller zu seinen Füßen. Eben hatte er die dritte Tasse an den Lippen, als er das Klopfen an der Pforte hörte. Die Schläge folgten sich, in ungeduldigem Takt; Tz’u stellte die Tasse auf den Boden und ging das Tor zu öffnen. Fünf oder sechs Männer erschienen vor seinem Auge und ihr Atem roch nach Wein.

»Sie kommen wegen der Blumen«, sagte sich der Vater Tz’u, und indem er den ungebetenen Besuchern den Eingang versperrte, fragte er:

»Was wünschen die Herren?«

»Schaut einmal diesen Alten an! Ich bin der Herr Ch’ang Wei, kennst du mich nicht? Das große Haus dort drüben gehört mir. – Man hat mir gesagt, dass dein Garten von schönen Blumen voll ist. Ich habe mich nur um ihretwillen herbemüht und will sie sehen.«

»Eure Gnaden mögen mich anhören«, sagte der Greis zu Ch’ang Wei. »Ich habe keine einzige wertvolle Blume gepflanzt. Hier stehen nur Pfirsich- und Aprikosenbäume, ihre Blüten sind schon verwelkt. Es gibt also nichts mehr zu sehen.«

Ch’ang Wei riss wütend die Augen auf:

»Dieser unverschämte Alte! Welche Wichtigkeit steckt in deinem Garten, dass du die Blumen vor mir verbergen willst? Und du behauptest, nichts zu haben? Geht denn dein Garten zugrunde, wenn man ihn ansieht?«

»Ich lüge nicht. Mein Garten hat keine Blumen mehr«, beharrte der Greis.

Ohne ihn länger anzuhören, reckte Ch’ang Wei den Arm und stieß den Alten mitten in die Brust. Vater Tz’u verlor das Gleichgewicht, schwankte: Der Durchgang wurde frei. Tz’u Siên lag am Boden und die Männer wälzten sich in den Garten. Tz’u, in seiner Machtlosigkeit, schloss das dornenbewachsene Tor und folgte den Eindringlingen in die Allee. Im Vorbeigehen hob er vorsichtig die Vase und die Teller auf, dann hielt er sich in Entfernung, schweigend und wachsam.

Laut wunderten sich die Besucher über die Üppigkeit der Sträucher und Blumen, vor allem über die herrlich leuchtenden Pfingstrosen. Das war nicht die gewöhnliche Art, die man den »Frühling im Pavillon aus Jade« nennt, sondern eine seltene Züchtung von fünf verschiedenen Farben. Das Beet der Pfingstrosen lag gerade dem kleinen strohbedeckten Hause gegenüber. Die Blumen waren von künstlichen Felsblöcken umgeben und von einem großen Zeltdach geschützt, das von hohen Stäben aus Holz gehalten wurde. Denn diese empfindlichen Blumen ertrugen die Glut der Sonne nicht. Es waren Riesengewächse und die größten erreichten eine Höhe von zehn Fuß. Ihre Kronen waren breit wie die Töpfe der Alchimisten und funkelten im dichtesten Reichtum der Farben.

»Welche fabelhaften Blumen!«, riefen die Besucher gleichzeitig aus.

Ch’ang Wei kletterte sofort auf einen Felsblock, um den Duft mit vollen Nüstern einzuatmen. Nichts aber ging dem Vater Tz’u so sehr auf die Nerven, als diese ungebildete Weise des Genießenwollens. Er hielt nicht mehr an sich und sagte mit Sanftmut:

»Ich bitte Eure Gnaden, Abstand zu bewahren und nicht so hoch zu klettern.«

Ch’ang Wei, bereits durch den Empfang an der Gartenpforte erbost, suchte die erste Gelegenheit, seinem Zorn Luft zu machen.

»Alter Narr!«, schrie er, »du wohnst neben meinem Haus und weißt nicht einmal, wie mächtig ich bin! Du hattest hier so schöne Blumen versteckt und wagtest zu behaupten, du besäßest keine. Ich habe dich wegen dieser Lüge nicht bestraft, und du bist immer noch nicht zufrieden, so billig davongekommen zu sein? – Was sagst du, ich trete deinen Blumen zu nahe, wenn ich nur die Nase hineinstecke? Gut, ich rieche trotzdem daran!«

Er zog einen Zweig um den andern an sich und senkte seine Nase in jede Blumenkrone. Vater Tz’u kochte vor verhaltener Wut. Er wagte nichts zu sagen und erflehte heimlich aus vollem Herzen den raschen Weggang dieser Unverschämten. Aber Ch’ang Wei traf keinerlei Anstalten zu gehen.

»Bei diesen schönen Blumen muss man verweilen. Ihr Anblick ist noch verlockender, wenn man dabei trinkt.«

Er befahl sein Dienern, Wein zu holen. Nun sah Vater Tz’u, dass sie sich im Garten niederlassen wollten und vermochte nicht mehr zu schweigen. Er trat näher und sagte:

»Mein Haus ist zu schlicht und viel zu klein, um so hohe Herrschaften aufzunehmen. Ich schätze die große Ehre, die sie mir erweisen in der Bewunderung meiner Blumen. Wenn es sich aber darum handelt, hier Wein zu trinken, so glaube ich, dass die Herren in ihrer vornehmen Residenz viel besser bedient sein werden …«

Ch’ang Wei unterbrach ihn und wies mit dem Zeigefinger zur Erde.

»Wir werden uns auf den Boden setzen.«

»Der Boden ist zu wenig sauber, als dass Eure Gnaden sich darauf niederlassen könnten.«

»Das macht nichts!«, antwortete Ch’ang Wei. »Man wird einen Teppich ausbreiten.«

Kurz darauf kamen die Diener mit Speisen und Wein. Sie legten einen Teppich auf die Erde und alle setzten sich in die Runde. Sie tranken um die Wette und vollführten einen teuflischen Lärm. Abseits saß Vater Tz’u und wurmte sich in düsterem, in sorgenvollem Schweigen.

Verführt von der Herrlichkeit des Gartens, fasste Ch’ang Wei den Plan, sich seiner durch List zu bemächtigen. Mit einem schiefen Säuferblick rief er den alten Gärtner heran:

»Es ist nicht zu glauben, dass ein alter Trottel wie du ein so guter Gärtner ist! Du hast zweifellos Verdienste, komm und trink auf mein Wohl!«

Vater Tz’u brummte in seinem Groll:

»Euer alter Mann kann nicht trinken. Eure Gnaden brauchen sich deswegen keinen Zwang anzutun.«

»Ist dein Garten käuflich?«, fragte Ch’ang Wei drohend.

Vater Tz’u witterte die Gefahr und antwortete zitternd:

»Mein Garten? Aber er ist mein ganzes Leben, mein Anfang und mein Ende. Niemals würde ich ihn preisgeben.«

»Dein Leben, behalte es ruhig! Aber dein Garten, gib ihn mir, das ist ganz einfach. Wenn du dann kein Dach über dem Kopf hast, biete ich dir eine Stelle in meinen Diensten an. Ich werde nichts anderes von dir verlangen, als dass du meine Blumen pflegst. Könntest du für dich ein besseres Geschäft erträumen?«

»Welches Glück für den alten Knurrer!«, riefen die andern. »Es ist nicht leicht, bei unserem Herrn so gut angeschrieben zu sein. Beeile dich und danke ihm für diese Gunst!«

Der alte Gärtner kehrte ihnen den Rücken zu, halb erstickt vor ohnmächtigem Zorn.

»Schaut ihn an, diesen widerwärtigen Alten!«, sagte Ch’ang Wei erregt. »Ja oder nein, bist du einverstanden? – Warum antwortest du mir nicht?«

»Ich habe bereits nein gesagt. Für mich ist die Sache erledigt«, sagte Tz’u Siên trocken.

»Dummkopf! Wenn du auf deinem Nein beharrst, dann lasse ich dich sofort vom Unterpräfekten verhaften.«

Der alte Tz’u, auf dem Gipfel seiner Wut, war im Begriff, seinem Gegner die deutliche Meinung zu sagen; er erinnerte sich aber, dass der andere hier allmächtig war und zum Überfluss vollständig betrunken. Welchen Zweck hat es, sich mit einem Trunkenbold zu streiten? Es wäre besser, ihn ruhig zu halten, damit er so schnell wie möglich mit seiner Rotte verschwindet. Der Greis schluckte seinen Zorn hinunter und antwortete mit folgenden Worten:

»Wenn Eure Gnaden meinen Garten wirklich kaufen wollten, so würden sie mir sicherlich Bedenkzeit einräumen für meine Antwort; ein solches Geschäft lässt sich wohl kaum in einem Augenblick behandeln.«

»Dieses Mal hat er vielleicht recht«, sagten die anderen. »Verschieben wir den Kauf bis morgen.«

Da erhob sich die ganze Gesellschaft, torkelnd vor Betrunkenheit. Die Diener packten alle Geräte ein und gingen ihrem Herrn voran. In der Furcht, man könnte im Weggehen Blumen pflücken, stellte sich Vater Tz’u als Wache vor das Pfingstrosenbeet. Und wirklich kletterte Ch’ang Wei schon auf die Felsblöcke und streckte die Hand nach einer Pfingstrose aus. Vater Tz’u packte ihn am Ärmel:

»Verzichtet darauf, Herr! Für Euch bedeutet diese Blume vielleicht nur eine Kleinigkeit, aber Ihr wisst nicht, welche Mühsal es mich gekostet hatte, ehe sie so weit waren wie sie sind. Schwer würde es mich treffen, wenn man sie mir einfach abreißen wollte. Und wenn sie einmal abgeschnitten sind, dann können sie kaum einen oder zwei Tage leben. Lohnt es sich also, eine solche Sünde zu begehen?«

»Rede keine Dummheiten«, brüllte Ch’ang Wei. »Seit wann ist Blumenpflücken eine Sünde? Morgen, wenn du mir deinen Garten verkauft haben wirst, wird mir alles gehören und nichts wird es dich angehen, wenn ich alles herausreiße.«

Nach diesen Worten stieß er den Alten heftig mit dem Arm; aber Vater Tz’u klammerte sich an ihn:

»Eure Gnaden mögen mich ermorden, wenn Sie wollen, aber Sie werden keine einzige Blume pflücken!«

»Dieser Greis ist wahrhaftig unausstehlich«, rief die ganze Bande im Chor. »Der Herr will dir ein paar Blumen nehmen. Was liegt schon daran, dass du uns ­solche Grimassen schneidest? Glaubst du, dass wir dich fürchten?«

Nun griffen alle nach den Pfingstrosen und pflückten sie, ohne Rücksicht, ohne Vorsicht. Der alte Gärtner sank in Verzweiflung. Er ließ Ch’ang Wei los und stürzte sich auf die anderen, der Schwäche seiner alten Glieder nicht achtend. Aber er konnte ihre Arme nicht zurückhalten, sodass in wenigen Sekunden eine Fülle von Pfingst­rosen abgerissen war. Gemartert von Angst und Entsetzen schrie der Gärtner:

»Ihr Gauner und Verbrecher! Nichts wisst Ihr anzufangen in Eurer Tagdieberei und kommt zu mir, um diesen gemeinen Streich zu spielen! So nehmt auch meine Haut!«

Und gesenkten Kopfes warf er sich mit aller Macht auf Ch’ang Wei.

»Tod und Sünde!«, riefen die anderen, als sie Ch’ang Wei unter dem wütenden Ansturm des Alten wanken sahen.

Sie warfen die Blumen weg und sprangen mit erhobenen Fäusten auf den alten Gärtner los.

Ehe sie aber Zeit gefunden hatten, den Greis zu misshandeln, erhob einer der Angreifer seine Stimme und hielt die anderen zurück: Er war so klug einzusehen, dass Vater Tz’u vielleicht zu alt war, um so viele Schläge ohne schwere Folgen auszuhalten.

Sie wandten sich von Tz’u ab und halfen Ch’ang Wei auf die Beine. Rasend über seinen Sturz, taumelte dieser zu den Pfingstrosen hin und zerbrach mit verbissenem Eifer alle Stängel, ohne einen einzigen zu verschonen. Dann zerstampfte er die niedergerissenen Blüten, und sein Fuß suchte jedes einzelne Blatt, um es zu zerdrücken.

Vor dem Martertod seiner Blumen stieß der Vater Tz’u Verzweiflungsschreie aus, die den Himmel zum Erbeben bringen konnten, und wälzte sich auf dem Boden. Vom Lärm des Zwischenfalles aufgestört, rannten die Nachbarn herbei und blieben schreckversteinert beim Anblick des verwüsteten Parkes stehen. Rachsüchtig suchten die Leute Ch’ang Weis nach den Blättern und Zweigen, die den Boden bedeckten, und vollendeten das Zerstörungswerk. Endlich gelang es den Nachbarn, die Blumenmörder zu besänftigen. Sie erkundigten sich vorsichtig nach der Ursache des Streites. Unter ihnen befanden sich zwei oder drei Pächter des Ch’ang Wei. Sie versuchten bei ihrem Herrn, den alten Gärtner zu entschuldigen und begleiteten dann mit betonter Ehrerbietung, um die Erregung ihres Herrn nicht aufs Neue anzufachen, Ch’ang Wei und seine Leute bis zur Pforte. Indem er sich entfernte, schrie Ch’ang Wei ihnen zu:

»Sagt es nur dem alten Taugenichts, dass er mir seinen Garten zum Kauf anbietet, wenn ich ihm seine Unverschämtheit verzeihen soll. – Sonst wehe ihm!«

Dann ging er, unablässig schimpfend. Diese Drohung nahmen die Nachbarn nicht ernst, sie hielten sie für das Lallen eines Trunksüchtigen. Sie gingen in den Garten zurück und hoben erst einmal den Vater Tz’u auf. Der Greis saß auf der Schwelle seines Hauses und schluchzte herzzerbrechend. Man tröstete ihn so gut es ging. Alle zogen sich nun zurück und schlossen die dornenbewachsene Tür. Es gab aber auch einige Neugierige, denen Vater Tz’u nie die Pforte geöffnet hatte. Sie ergriffen die Gelegenheit, um sich lustig zu machen:

»Dieser besessene Alte hat wirklich übertrieben. Recht ist ihm geschehen. Nun hat er Lehrgeld bezahlt.«

Andere Leute, die versöhnlicher waren, unterbrachen die Lästerer:

»Seid nicht ungerecht. Wie heißt’s im Sprichwort?

Nach einem langen Jahr voll Müh und Plage

Verschenken Blumen Trost nur für zehn Tage.

Gewöhnliche Liebhaber geben sich keine Rechenschaft von den Schwierigkeiten der Blumenzucht. Der Alte hat sich wirklich Mühe gegeben, um sein schönes Ziel zu erreichen. Er hat das Recht, dass er seine Blumen eifersüchtig hütet.«

Vater Tz’u, einsam in seinem Garten, hörte nicht auf, über das Los der Pfingstrosen zu jammern. Er machte es sich zur frommen Pflicht, die gemarterten, von Schmutz und Staub bedeckten Blütenblätter aufzuheben. Dieses traurige Tun ließ seine Tränen wieder fließen und er stammelte:

»O, ihr Blumen, o mein ganzes Leben, immer habe ich Euch geliebt, immer gepflegt und betreut. Wie hätte ich Euch jemals ein Leid antun können! Wer hätte ein solches Unglück geahnt?«

Während er so klagte, hörte er hinter sich, ganz ferne, eine leise Stimme:

»Vater Tz’u, warum quälst du dich so?«

Der alte Gärtner wandte sich um. Unversehens stand er einem jungen Mädchen von etwa sechzehn Jahren gegenüber. Reizend war ihre Gestalt und in ihrer Haltung lag der Zauber der Anmut. Vergeblich stöberte der Greis in seinem Gedächtnis, um herauszufinden, welcher bedeutsamen Familie der Umgebung dieses holde Mädchen wohl angehören mochte? Er hielt seine Tränen zurück und fragte:

»Wo kommst du denn her, kleines Fräulein?«

»Mein Haus ist nicht weit von hier«, antwortete das Mädchen. »Ich hörte viel von deinen Pfingstrosen erzählen und ich kam nur darum her, weil ich die schönen Blumen sehen wollte. Aber ich wusste nicht, dass sie schon verwelkt sind …«

Bei dem Worte »Pfingstrosen« begann der alte Gärtner aufs Neue zu schluchzen.

»Ja, was fehlt dir denn?«, fragte das Mädchen erstaunt. »Kannst du mir deinen Kummer nicht anvertrauen?«

Da erzählte ihr der Greis von seinem Zusammenstoß mit Ch’ang Wei.

»Und wegen dieser Kleinigkeit weinst du?«, lachte das Mädchen. »Willst du sehen, wie sich die Blumen auf ihren Stängeln wieder erheben?«

»Scherze nicht, kleines Fräulein! – Noch nie ist eine gebrochene Blüte auf ihren Stängel zurückgekehrt.«

»O doch«, versicherte das Mädchen. »Ich weiß ein Geheimnis – meine Vorfahren haben es mir vermacht – um die Blumen auferstehen zu lassen!«

Der alte Gärtner schwieg betroffen und auch die bestrickende Grazie des Mädchens zog seine Gedanken sachte von seinem Unglück hinweg. Endlich sagte er:

»Besitzest du wirklich dieses Geheimnis?«

»Gewiss«, sagte sie.

Da warf sich Vater Tz’u vor ihr auf die Knie und grüßte sie mit hingerissener Gebärde:

»Wenn deine wunderbare Kunst gelingt, dann lade ich dich jedes Mal ein, wenn eine Knospe sich öffnet. Das soll deine Belohnung sein!«

»Sprechen wir noch nicht von Dank und Lohn. Geh und hole eine Schale Wasser!«

Mit einem Sprung war der Greis auf den Beinen und ging Wasser holen. Unterwegs fragte er sich zaghaft:

»Gibt es, o gibt es ein solches Wunder? Oder will das schöne Fräulein mir einen Streich spielen, weil es meine Tränen gesehen hat?«

Bald beruhigte er sich:

»Ich kenne ja dieses Mädchen nicht. Und welchen Grund hätte sie denn, mich aufzuziehen? Vielleicht, vielleicht gelingt es ihr, meine Blumen auferstehen zu lassen.«