Der Malik - Bernhard Kreutner - E-Book

Der Malik E-Book

Bernhard Kreutner

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  • Herausgeber: Benevento
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2021
Beschreibung

Auf den Spuren des Kartells: packender Krimi um Korruption und Geldwäsche Der österreichische Autor Bernhard Kreutner schickt seine beiden Kommissare Michael Lenhart und Sabine Preiss auf internationale Verbrecherjagd: Walter Denk ist im Auftrag des österreichischen Finanzministeriums auf Malta unterwegs, kehrt allerdings nicht wieder zurück. Der einzige Hinweis, dem die beiden nachgehen können, ist ein Zettel mit den Worten »Der Malik«, arabisch für »König«. Jetzt ist diplomatisches Fingerspitzengefühl gefragt! Kann die Wiener Sondereinheit dem Verbrecherkartell das Handwerk legen? - Der zweite Band nach dem Erfolgs-Krimi »Der Preis des Lebens« - Internationale Schauplätze zwischen Malta, Wien, London und Brüssel - Temporeich erzählt mit brisantem politischem Hintergrund - Neuer Fall für das unkonventionelle Ermittler-Duo Michael Lenhart und Sabine Preiss - Fesselnd und aktuell: Buchtipp für Krimi-Fans - Spannender Thriller: Welche Abgründe verbergen sich in der Finanzwelt? Mit den beiden Kommissaren hat der Krimiautor echte Typen mit Wiener Charme geschaffen. Michael Lenhart, der geradlinige Analytiker, geht alle Rätsel mit philosophischem Scharfsinn an. Sabine Preiss vereint Schönheit, Intellekt und Härte in einer Person. Zusammen ergeben sie ein Ermittler-Duo mit Ecken und Kanten – und einem untrüglichen Spürsinn für faule Machenschaften. Der zweite Band der Krimi-Reihe für die Wiener Ermittler tief in die Verstrickungen der internationalen Finanzwirtschaft. Nach und nach werden die Machenschaften eines skrupellosen Kartells sichtbar, das seine Kreise über den halben Kontinent zieht. Fundiert recherchiert, gewohnt gesellschaftskritisch und mit einer Prise schwarzem Humor: Sie werden Bernhard Kreutners Politkrimi nicht aus der Hand legen können!

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Seitenzahl: 293

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Bernhard Kreutner

DER MALIK

Kriminalroman

Sämtliche Angaben in diesem Werk erfolgen trotz sorgfältiger Bearbeitung ohne Gewähr. Eine Haftung der Autoren bzw. Herausgeber und des Verlages ist ausgeschlossen.

1. Auflage 2021

Copyright Deutsche Erstausgabe © 2021 Benevento Verlag bei Benevento Publishing Salzburg – München, eine Marke der Red Bull Media House GmbH, Wals bei Salzburg

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das des öffentlichen Vortrags, der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen sowie der Übersetzung, auch einzelner Teile. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Medieninhaber, Verleger und Herausgeber:

Red Bull Media House GmbH

Oberst-Lepperdinger-Straße 11–15

5071 Wals bei Salzburg, Österreich

Lektorat: Antje Steinhäuser, München

Satz: MEDIA DESIGN: RIZNER.AT

Gesetzt aus der Palatino, Avenier Next

Umschlaggestaltung: ZeroMedia GmbH, München, unter Verwendung von Motiven von FinePic®, München; Getty Images/Rika Hayashi/EyeEm

ISBN: 978-3-7109-0096-9

eISBN: 978-3-7109-5103-9

Dies ist ein rein fiktives Werk.

Die Handlung und alle handelnden Personenin diesem Buch sind frei erfunden.Jegliche Ähnlichkeiten mit lebenden oder realen

Personen wären rein zufällig.

Inhalt

Montag, 17.00 Uhr, Valletta, Malta

Donnerstag, 9.00 Uhr, Bundesministerium für Inneres, Herrengasse, Wien

Montag, 15.58 Uhr, Leadenhall Street 122, London

Dienstag, 9.00 Uhr,Institut für Orientalistik, Spitalgasse, Wien

Dienstag, 17.00 Uhr, siebter Bezirk, Neubau, Wien

Donnerstag, 16.40 Uhr,D-Trakt,Herrengasse, Wien

Donnerstag, 19.00 Uhr, Währing, Wien

Freitag, 10.00 Uhr, Kanzlei Freidmann, Schottenbastei, Wien

Freitag, 15.30 Uhr,D-Trakt, Herrengasse, Wien

Samstag, 7.00 Uhr,Büro Malik,Piaristengasse, Wien

Montag, 8.30 Uhr,D-Trakt, Herrengasse, Wien

Dienstag, 10.10 Uhr,Büro Freidmann, Schottenbastei, Wien

Mittwoch, 7.45 Uhr, D-Trakt, Herrengasse, Wien

Donnerstag, 5.10 Uhr, Am Ölberg, Klosterneuburg

Freitag, 10.45 Uhr, Autobahn A1, Höhe St. Pölten

Sonntag, 20.10 Uhr, Ukkel, Avenue Blücher, Brüssel

Montag, 6.15 Uhr, Felix-Dahn-Straße, Wien

Dienstag, 7.35 Uhr, D-Trakt,Herrengasse, Wien

Mittwoch, 9.00 Uhr, Finanzministerium, Johannesgasse 5, 1010 Wien

Epilog

Dank

Montag, 17.00 Uhr, Valletta, Malta

Eigentlich war es nur ein Fels im Meer. Klein, trocken, zerklüftet und doch heiß begehrt. Für die einen war Malta das Tor nach Afrika, für die anderen jenes nach Europa.

Die Mitglieder des Malteserordens bauten ab dem sechzehnten Jahrhundert riesige Festungen, um den Osmanen zu trotzen, die Briten Flughäfen, um den Nachschub für Hitlers Afrikakorps zu stören.

Phönizier, Römer, Vandalen, Goten, Araber, Normannen, auf diesem Stück Kalkstein hatten unzählige Völker geblutet. Walter Denk, Abteilungsleiter im Wiener Finanzministerium, hatte sich ein wenig eingelesen. Das tat er vor Auslandsreisen immer. Diese informelle Vorbereitung machte ihm Spaß und war immer eines seiner Erfolgsgeheimnisse gewesen. Ein bisschen mehr Hintergrundwissen, ein bisschen fundierter informiert als andere.

Als er in das wartende Taxi stieg, stellte er verwundert fest, dass bereits jemand darin saß. Der Wagen fuhr an, und sein ihm unbekannter Sitznachbar zog wortlos ein paar Handschellen aus der Tasche, hielt sie hoch und zeigte mit der Pistole in Richtung Füße.

Schlau, dachte Walter Denk, mit gefesselten Händen konnte man sich an einer roten Ampel aus dem Wagen fallen lassen und zu flüchten versuchen, mit gefesselten Fußgelenken nicht. Kaum hatte er die stählernen Fesseln angelegt, hielt ihm der Unbekannte wortlos ein zweites Paar hin. Nun waren auch seine Hände gefesselt, schachmatt.

Die Pistole. Woher kannte er dieses klobige Modell mit dem nach unten breiter werdenden Lauf? Irgendwo hatte er es schon einmal gesehen, aber wo? Nicht in natura, da war er sich sicher. Wahrscheinlich im Kino. Aber in welchem Film? Es wollte ihm einfach nicht einfallen.

Und warum dachte er in dieser Situation über die Pistole nach? War das eine Art Verdrängungsmechanismus, eine Panikreaktion? Walter Denk versuchte, sich zu konzentrieren. Warum hatte man ihn entführt? Er war als Verbindungsmann von seinem maltesischen Kollegen eingeladen worden, erst vor gut einer Stunde gelandet und gleich ins Hotel gefahren. Seinen Kollegen hatte er noch gar nicht getroffen. Er wusste nur, dass es um einen Fall von vermuteter Geldwäsche und Finanzbetrug ging, mehr nicht. Das ergab alles keinen Sinn.

Eine Verwechslung? Nein, unmöglich. Der Fahrer hatte ihn erwartet und mit Namen angesprochen. Sie wussten, wer er war. Was sollte er tun? Was konnte er tun? Nichts. Walter Denk sah aus dem Fenster und versuchte, sich wenigstens anhand der Verkehrsschilder zu orientieren. Sie hatten Valletta verlassen und fuhren an Pembroke vorbei Richtung White Rocks. Also Richtung Nordwesten. Allerdings nur kurz. Der Wagen verlangsamte das Tempo, bog nach rechts ab und fuhr am Malta BMX Indoor Skatepark vorbei, bevor er nach links auf einen Schotterweg abbog.

Walter Denk bemerkte, dass er trotz der Klimaanlage zu schwitzen begonnen hatte. Durch die Windschutzscheibe sah er einen steinernen Wachturm, konnte sich aber nicht an dessen Namen erinnern. Wahrscheinlich war es einer der zahlreichen Beobachtungstürme, die die Malteser im siebzehnten Jahrhundert nach der erfolgreich überstandenen Türkenbelagerung errichtet hatten.

Als sie den Turm erreicht hatten, hielt der Fahrer an, stieg aus, sah sich um und nickte. Wortlos griff sein Sitznachbar in die Hemdtasche, nahm einen kleinen Schlüssel heraus und reichte ihn Walter Denk, mit der Pistole auf dessen Füße zeigend. Als seine Füße frei waren, zeigte die Pistole Richtung Tür. Also stieg er aus. Der unbekannte Beifahrer tat es ihm gleich und deutete Richtung Turm.

Walter Denk fragte sich, warum er in diesem Augenblick nichts fühlte. In Kürze würde er sterben, aber in ihm war alles leer. Er spürte den Wind auf der Haut, hörte die Brandung unter ihm gegen die Felsen schlagen und fühlte − nichts.

Dann ein leichter Stoß in den Rücken. Anscheinend sollte er weitergehen. Er tat es. Langsam, Schritt für Schritt Richtung Meer. Einen Meter vor der Klippe blieb er stehen. Wieder ein Stoß in den Rücken, diesmal etwas fester. Er konnte deutlich die Mündung der Pistole an seinen Rippen spüren. Links, genau auf Höhe seines Herzens.

Walter Denk machte einen Schritt. Dann noch einen. Jetzt stand er unmittelbar an der Klippe und wunderte sich, dass die einzige Frage, die ihn beschäftigte, jene war, ob er nun erschossen oder von der Klippe gestoßen werden würde. Dann war die Pistolenmündung nicht mehr zu spüren. Also war sein Begleiter einen Schritt nach hinten getreten. Jetzt war er sich sicher, erschossen zu werden, von hinten, mit einer Desert Eagle, Kaliber .50 AE. Walter Denk lächelte, es war ihm doch noch eingefallen. Der Film hieß Snatch.

Der stumme Schütze steckte die Waffe weg, trat einen Schritt nach vorn und versuchte, in der unter ihm tosenden Brandung die Leiche zu entdecken, vergebens. Dann sah er sie einige Meter von den Klippen entfernt in Richtung offenes Meer treiben und nickte zufrieden. Diejenigen, die es anging, würden die Botschaft verstehen. Die Österreicher eher nicht.

Donnerstag, 9.00 Uhr, Bundesministerium für Inneres, Herrengasse, Wien

»Sie wollen die Auszeichnung tatsächlich nicht annehmen?«

Hauptmann Michael Lenhart, Leiter der Abteilung für Sonderfälle, sah zu seiner Partnerin, Leutnant Sabine Preiss, und trank einen Schluck Kaffee, bevor er antwortete. »Frau Ministerin Mannlicher, das Glück gehört denen, die sich selbst genügen.«

»Ihre Vorliebe für philosophische Weisheiten ist schön und gut, aber ich vermute, die Selbstgenügsamkeit ist nicht der einzige Grund für Ihre Ablehnung. Oder gehört das alles zu Ihrem Image als einsamer Wolf?«

»Frau Ministerin, es ist weniger eine grundsätzliche Aversion gegen Auszeichnungen als vielmehr eine Frage der Gerechtigkeit. Die Organmafia haben wir als Team aus dem Verkehr gezogen. Einzig mich als zufällig eingesetzten Leiter dieser Zwei-Personen-Strafabteilung mit einem Preis zu schmücken, halte ich daher für falsch.«

Widerwillig antwortete die Ministerin: »Mag sein, aber so sind nun mal seit jeher die Regeln.«

»Dann, Frau Ministerin, habe ich einen Grund mehr, die Auszeichnung abzulehnen und diese Regel, da falsch, zu brechen.«

Lächelnd schüttelte die Ministerin den Kopf. Offenen Widerspruch war sie nicht gewohnt. Dieser Lenhart war anders als die sonst leitenden Beamten und Polizeioffiziere, mit denen sie zu tun hatte. Parteipolitisch war er einer der seltenen Nullgruppler, seine Arbeitsmethoden waren mitunter unorthodox, und in der Kollegenschaft ging man ihm meist aus dem Weg. Weniger aus persönlicher Animosität, sondern wegen seiner Konsequenz und seines scharfen Intellekts. Neben Lenhart kamen sich die meisten dumm oder zumindest ungebildet vor. Andererseits waren nicht nur seine Zitate legendär, sondern auch seine Erfolge. Insofern wurde er respektiert, aber mit ihm arbeiten wollte fast niemand. Zumindest bis jetzt.

»Einverstanden, Lenhart. Ihre Arbeit, und damit meine ich Sie ausdrücklich ebenfalls, Leutnant Preiss, bei der Jagd nach der Organmafia war herausragend und hat auch international hohe Wellen geschlagen. Speziell die Schweizer stehen nun tief in unserer Schuld. Ich akzeptiere Ihre Ablehnung des Ehrenzeichens für Verdienste um die Republik Österreich. Ihre Degradierung zum Hauptmann ist hiermit aufgehoben. Lenhart, Sie sind ab sofort wieder Major und Sie, Frau Preiss, Oberleutnant. Um den Papierkram wird sich Brigadier Fritsch kümmern. Ich nehme an, damit können Sie leben?«

Während Sabine Preiss lächelnd nickte, antwortete Michael Lenhart ruhig und gelassen: »Ja, damit bin ich einverstanden, danke, Frau Ministerin.«

»Gut, kann ich sonst noch etwas für Sie beide tun?«

Diesmal war es Sabine, die antwortete: »Ja, Frau Ministerin. Wir haben Gefallen an den Sonderfällen gefunden. Mit Ausnahme der Bürokratie. Die Klassifizierung und Weitergabe der ungelösten Fälle nach den Vorgaben der EU ist keine Polizeiarbeit. Das ist reine Administration und, ganz offen gesagt: vielleicht gut gemeint, mehr aber nicht.«

»Ich weiß. Darum wird sich ebenfalls der Fritsch kümmern. Ich brauche Sie als Polizisten, nicht als Ärmelschoner. Die Frau Direktor und die Sektionschefs werden zwar keine Freude haben, wenn ich mich ins Organisatorische einmische, aber ich werde die Abteilung für Sonderfälle institutionalisieren. Sie bleiben im D-Trakt, berichten ausschließlich dem Fritsch beziehungsweise mir und werden sich um genau jene Fälle kümmern, die besonders sind. Einverstanden?«

Michael sah kurz zu Sabine hinüber, bevor er antwortete.

»Ja, Frau Ministerin, wir sind einverstanden.«

»Gut, Sie bekommen weitgehende Sondervollmachten, ähnlich jener der Nachrichtendienste. Ich will, dass Sie ungehindert und rasch arbeiten können.«

Michael Lenhart hob abwehrend die Hände. »Nein, Frau Ministerin. Hausintern hat man uns den schmeichelhaften Spitznamen ›Abteilung für Abfälle‹ gegeben, und seit letzter Woche klopft man uns mitunter neidvoll auf die Schultern. Sondervollmachten würden uns in den Augen der Kollegen zu etwas Besonderem machen, und das Besondere wird, zumal in Wien, gerne nach allen Regeln der Kunst wieder auf das Durchschnittsmaß reduziert. Abteilung für Sonderfälle genügt. Ihre informelle Unterstützung zusammen mit der organisatorischen Spitzfindigkeit von Brigadier Fritsch und dem Genie von Frau Wolf ist mehr, als wir brauchen.«

Ministerin Mannlicher lehnte sich in ihrem Sessel zurück und schüttelte den Kopf.

»Auch ein Argument, einverstanden. Aber was mich interessiert: Haben Sie das alles bereits vorab bedacht, oder ist Ihnen diese Erkenntnis erst jetzt gekommen?«

»Denken scheint mir ein steter Prozess zu sein. Allerdings bewegt das Denken allein nichts. Es muss auf einen Zweck gerichtet sein, und das Nachdenken darüber, wie es denn nun nach der erfolgreichen Feuertaufe mit der Abteilung für Sonderfälle weitergeht, war naheliegend. Der Rest ist mehr oder weniger eine Frage der Kausalität.«

»Zweckgerichtetes Denken, sehr gut! Vielleicht sollte ich diesen Grundsatz bei meiner nächsten Parlamentsdebatte von der Opposition einfordern.«

»Frau Ministerin, mit Verlaub, Politiker gehören wahrscheinlich zu den zweckgerichtetsten Menschen überhaupt. Das liegt in der Natur der Sache, nehme ich an. Einzig der Zweck, das Motiv ihres Tuns oder Nicht-Tuns, wäre zu hinterfragen. Abgesehen von der Qualität des Denkens an sich …«

Sabine Preiss unterbrach ihren Kollegen: »Michael, hör auf! Die Bemerkung der Ministerin war keine Einladung für einen Vortrag, sondern sarkastisch gemeint.« Und direkt an die Ministerin gewandt: »Frau Ministerin, wir haben in den vergangenen Tagen intern lange über die Zukunft der Abteilung für Sonderfälle diskutiert, lassen Sie uns einfach unseren Job erledigen.«

Die Ministerin sah zuerst Sabine Preiss einige Sekunden in die Augen und musterte anschließend Michael Lenhart. Der letzte Teil, einfach unseren Job erledigen, hallte in ihrem Kopf nach. War es tatsächlich besser, wenn sie sich nicht einmischte?

Michael Lenhart unterbrach das Schweigen: »Frau Ministerin, Sie fragten uns vorhin, ob Sie etwas für uns tun könnten, und das können Sie tatsächlich.«

»Und was, Lenhart?«

»Versprechen Sie uns, abzuheben, wenn wir anrufen, mehr nicht.«

Lachend erwiderte die Ministerin: »Ist das alles? Ich soll Sie in Ruhe lassen und auf Ihren Zuruf warten?«

Wie immer ruhig und sachlich, antwortete Michael Lenhart: »Exakt, Frau Ministerin. Wir machen unseren Job, und sollte uns jemand Knüppel zwischen die Beine werfen, kommen wir gerne auf Ihr Angebot zurück.«

Die Ministerin stand kopfschüttelnd auf, ging zu ihrem Schreibtisch und kam mit einer dünnen Aktenmappe zurück.

»Sie sind das ungewöhnlichste Duo, das mir in meinem gesamten Berufsleben untergekommen ist. Aber ich schätze Ihre offene und ehrliche Art, eine angenehme Abwechslung. Allerdings wird aus Ihnen beiden ab sofort ein Trio. Ihr Kurzzeitkollege, Gruppeninspektor Anton Steinbach, hat den Fritsch ausdrücklich um eine Versetzung zu Ihnen ersucht und mich dabei frecherweise gleich in cc gesetzt. Die Versetzung geht in Ordnung. Sie werden in Zukunft zu dritt arbeiten, viel Glück.«

Nach einer herzlichen Verabschiedung im Ministerbüro gingen die beiden zu ihrem unmittelbaren Vorgesetzten, Brigadier Fritsch, kamen aber nur bis in dessen Vorzimmer. »Na, da schau her, die beidn Schifahrer! Nett, dass wieda da seids, gesund und munter, wie ma scheint.«

»Ja, liebe Frau Wolf, danke der Nachfrage! Und wie geht’s Ihnen?«

»Fragts ned! Da Alte schwebt seit letzter Wochn auf Wolke siebn wegen de Schweiza, und a die Deutschn san plötzlich handzahm. Oba die Arbeit wird ned weniger. Wollt’s an Kaffee?«

»Sehr nett, Frau Wolf, aber wir haben gerade bei der Ministerin einen bekommen.«

»Jo, de is in Ordnung. I mein, i hab ja scho viele Minister geshn und die meisten …, aber lass ma des. Die Auszeichnung habn ma also abgelehnt, wie ich ghört hab?«

»Sie sind wie immer bestens informiert, Frau Wolf.«

»Des is a Lauffeuer, des sag i euch. Schaut’s, so a Ehrenzeichn hättn alle gern, kriegns aber ned, und da Herr Major kriegt’s, will’s aber ned. So was beschäftigt die Leut.«

Sabine Preiss schüttelte den Kopf. »Es ist keine zehn Minuten her, dass wir bei der Ministerin raus sind, und Sie wissen bereits alles. Wie machen Sie das, Frau Wolf?«

Mit einem selbstbewussten Lächeln antwortete sie: »Aber geh, Frau Oberleutnant. Was imma im Büro der Ministerin beschlossn wird, geht üba den Schreibtisch ana Kollegin, so einem Urgestein, wia i ans bin. Mia haltn uns gegenseitig am Laufenden und den Ladn in Schwung. Wenn ma überall den Dienstweg einhaltn würdn oder alls so machn täten, wie’s die Chefitäten wünschn, nicht auszudenkn, speziell in Wahlkampfzeitn. Ja, es gibt da so a Art Informations- und Korrekturnetzwerk, euch kann i’s ja sagn. Aber des bleibt unter uns, versprochn?«

»Versprochen, Frau Wolf«, erwiderte Michael Lenhart. »Ist der Herr Brigadier im Büro?«

»Ja, ihr könnt’s glei zu ihm rein. Aber er hat heut schlechte Laune. Ned wegen euch, wegen seiner NichtFreundin, der Richterin, die hat glei in der Früh angrufn. Des tut sie nua, wenn’s zu Haus Brösl gebn hat. Also Vorsicht beim Altn.«

Im Büro von Brigadier Fritsch, dem stellvertretenden Leiter des Bundeskriminalamtes, war von einer frostigen Stimmung nichts zu bemerken. Mit einem Wink lud der Brigadier die beiden ein, Platz zu nehmen, und beendete das Telefonat.

»Schön, Sie beide gesund und munter wiederzusehen. Am Telefon vorhin war die Ministerin. Sie sind beide befördert, Gratulation! Dass Sie die Auszeichnung ablehnen würden, darauf hätte ich gewettet. Als Philosoph sind Sie ja mehr ein Asket, oder wie man das nennt.«

»Sie meinen die Kyniker, wie Diogenes. Aber das stimmt nicht ganz. Ich lehne Eigentum nicht ab, ganz im Gegenteil. Ich halte persönliches Eigentum für eine der zentralen Voraussetzungen eines friedlichen und prosperierenden Lebens in Gemeinschaft. Und um auf dieses Ehrenzeichen zurückzukommen: Hätte man uns beide ausgezeichnet, hätte ich angenommen, aber wo es nur um mich ging, war es für mich nur logisch, abzulehnen.«

»Wie auch immer, so sind nun mal die Regeln. Der Steinbach ist schon im D-Trakt. Er hat auf einer Versetzung in Ihre Abteilung geradezu insistiert, und mir soll es nur recht sein. Um die Bürokratie wird sich in Zukunft die 2.2., Verbindungsbüro Den Haag, Europol kümmern. Sollen die sich mit Brüssel herumschlagen. Für Sie beide habe ich einen anderen Fall. Die Finanz vermisst seit einigen Tagen einen leitenden Beamten, und niemand, auch nicht die Kollegen von der Abteilung Wirtschaftskriminalität, kann sich einen Reim darauf machen. Schauen Sie sich das an. Irgendetwas stimmt da nicht.«

»Gut, machen wir.«

»Noch etwas: Generalmajor Kollnig hat gemeint, Sie sollen die Laptops und Mobiltelefone behalten, und ich habe nichts dagegen, wenn Sie mit abgeschirmten Computern arbeiten. Für die Inventur muss ich mir allerdings noch etwas einfallen lassen. Geräte vom Kommando Führungsunterstützung & Cyber Defence im Innenministerium, das reicht für eine Titelgeschichte in der Stadtzeitung. Ach was, darum soll sich die Wolf kümmern. In diesem Sinne, an die Arbeit.«

Schon im Hinausgehen rief Brigadier Frisch die beiden nochmals zurück.

»Das hätte ich fast vergessen! In Bern sind sie ganz blass geworden, als ich ihnen das Material über die Organmafia gegeben habe. Die hatten nicht den leisesten Verdacht. Als Zeichen des Dankes und der Anerkennung hat gestern die Botschaft diesen Geschenkekorb im Namen unserer dortigen Kollegen für Sie beide vorbeigebracht. Hier, nehmen Sie. Ich habe auch einen bekommen und kann Ihnen versichern, speziell die Käse sind von ausgesuchter Qualität und die Weine ebenso.«

Mit dem Korb der Schweizer Kollegen machten sich die beiden auf den Weg in den D-Trakt, wo sie bereits von Anton Steinbach erwartet wurden.

»Servus zusammen. Sabine, Michael, melde mich zum Dienst! Und mit einem Blick auf den Geschenkekorb: »Habt ihr da das Mittagessen gleich mitgebracht?«

»Hallo, Michael, nein, das ist ein Geschenk der Schweizer. Der Fritsch hat ihn uns grad eben mitgegeben. Greif zu.«

»Aber der ist doch für euch?«

»Nein, für die Abteilung, also auch für dich. Nimm dir, was du willst.«

Verwundert sah sich Anton den Korb näher an.

»Danke, nett von euch! Wenn ich darf, nehme ich gerne die Schokolade. Sowohl meine Frau als auch die Kinder sind Naschkatzen, und Süßigkeiten von Favarger und Beschle gehören zu den besten.«

»Sicher, und nimm dir auch von dem Käse und dem Wein, Anton. Der Fritsch meinte, die wären ausnehmend gut.«

»Danke, Sabine, aber die Schokolade genügt.«

Wortlos nahm Michael den Korb, teilte alles in drei Teile und schob die gesamten Süßigkeiten zum dritten Teil.

»Anton, keine falsche Bescheidenheit. Wir sind ein Team, und du hast Frau und Kinder. Also nimm, und willkommen in der Abteilung für Sonderfälle.«

Zögernd griff Anton nach einer seiner beiden Weinflaschen und musterte sie. Ein Chardonnay vom Weingut Martha und Daniel Gantenbein.

»Danke euch! Eine solche Aufteilung bin ich nicht gewohnt. Übrigens, der Fritsch hat uns bereits einen Fall zugeteilt. Es geht um einen auf Malta verschwundenen Abteilungsleiter aus dem Finanzministerium. Die Unterlagen habe ich ausgedruckt, sie liegen auf euren Schreibtischen. Wie lauten die Befehle?«

Michael Lenhart schüttelte lächelnd den Kopf, füllte eine Karaffe mit Wasser und ging voraus ins Wohnzimmer. Anton folgte ihm verwundert, Sabine Preiss mit drei Gläsern.

Nachdem alle Platz genommen hatten, sah sich Michael in dem großen Raum mit den riesigen Panoramafenstern um, bevor er aufstand und anfing, auf und ab zu gehen.

»Anton, ich habe eine Bitte: Du hast es ja bei der Jagd auf die Organmafia bereits bemerkt. Die Arbeitsweise von Sabine und mir ist für Polizeibeamte wahrscheinlich so ungewöhnlich wie dieser D-Trakt. Eine Luxuswohnung mit eigenem Eingang, die niemand haben wollte, weil sie sich wegen der riesigen Fenster ab April in einen Backofen verwandelte, wurde interimistisch zum Büro umfunktioniert, und aus der Strafabteilung für zwei Sonderlinge ist eine fixe Abteilung für Sonderfälle geworden. Bei uns gibt es keine Befehle. Strenge Hierarchien mögen in Armeen und Konzernen sinnvoll sein, aber nicht bei uns dreien. Bei uns übernimmt immer der fachlich Kompetenteste die Führung. Als wir diese Ärztin im Imperial geschnappt haben, hat Sabine das Kommando übernommen, und beim Organisieren des Showdowns warst es du. So machen wir das intern. Titel und Ränge sind etwas für extern, einverstanden?«

Anton Steinbach sah seine Kollegen verblüfft an. Michael Lenhart hatte recht. Als sie die Falle in der Herrengasse organisierten, hatte er als deutlich Rangniedrigerer freie Hand. Hier musste er sich umstellen.

»Sorry, Michael, ich muss mich erst daran gewöhnen. Allerdings weiß ich nicht genau, was du mit extern meinst?«

»Die Welt da draußen, Anton. Unsere Kollegen legen meist großen Wert auf Titel und Ränge, und diese Eitelkeit machen wir uns zunutze. Ein Beispiel: Du willst etwas von einem Sektionschef, kommst aber nur bis zu dessen Assistenten, denn der Sektionschef ist ziemlich sicher Akademiker und gibt sich nicht gerne mit einem kleinen Gruppeninspektor ab. Also übernehme ich das für dich. Umkehrt ist es manchmal besser, wenn nicht gleich ein Major in Erscheinung tritt, in diesem Fall übernimmst du. Verstehst du, was ich meine?«

»Ja, das Ziel bestimmt die Mittel.«

»Genau, Anton! Glaube mir, auch für mich war es anfangs ungewohnt, so zu arbeiten, aber ich möchte es nie wieder anders haben«, meldete sich Sabine zu Wort und fuhr entschlossen fort: »So, und jetzt holen wir uns die Unterlagen, lesen uns ein, und dann sehen wir weiter.«

Der Bericht war kurz. Magister Walter Denk, Abteilungsleiter im Wiener Finanzministerium, zuständig für internationale Amtshilfe, vierundvierzig Jahre alt, geschieden, Vater einer neunzehnjährigen Tochter, war am Montag nach Malta geflogen, aber nicht zum vereinbarten Treffen erschienen. Nachdem der maltesische Kollege ihn auch am darauffolgenden Vormittag nicht erreichen konnte, rief er in Wien an, anschließend in der österreichischen Botschaft, und am Dienstagnachmittag machte er Meldung bei der Polizei. Eine Überprüfung im Hotel ergab nur, dass Walter Denk eingecheckt und kurz darauf das Hotel wieder verlassen hatte. Als man später das Zimmer überprüfte, war es leer. Auch die weitere Fahndung blieb erfolglos. Walter Denk war spurlos verschwunden.

»Nun, was meint ihr?«, fragte Michael.

»Väter verschwinden nicht einfach spurlos. Die Kollegen von der Wirtschaft wissen nichts, und es gibt keinen Hinweis auf einen Selbstmord.«

»Exakt, Anton. Außerdem wissen wir nicht, warum er tatsächlich nach Malta geflogen ist.«

»Tja, Abteilungsleiter arbeiten eben nicht in Teams und können sich ihre Auslandsreisen anscheinend selbst genehmigen«, ergänzte Anton sarkastisch.

»Sabine, was ist dein erster Eindruck?«

»Ich halte die Reihenfolge und die Zeit für interessant. Angenommen, wir laden jemand aus dem Ausland ein und unser Gast erscheint nicht am vereinbarten Treffpunkt, dann würden wir es sofort über dessen Mobiltelefon sowie im Hotel versuchen und noch am selben Abend zur Polizei gehen. Schließlich geht es hier nicht um einen Kurzurlaub, sondern um ein Treffen von zwei hochrangigen Finanzfahndern. Aber die Malteser lassen sich alle Zeit der Welt. Die Sache stinkt.«

»Also gehen wir ihr auf den Grund. Sabine, bitte übernimm du die Botschaft und versuche, mehr über unseren Ansprechpartner und die Finanzbehörden in Malta herauszufinden. Aber bleib allgemein, mach keinen Druck. Vorläufig soll alles nach reiner Routine aussehen. Anton und ich besuchen die Kollegen von der Wirtschaft und Finanz, einverstanden?«

»In Ordnung. Bitte kümmere du dich um das Mittagessen und nimm auch etwas fürs Frühstück mit.«

»Gern, besondere Wünsche?«

»Nein. Schau, was es bei Henry im Buffet Warmes gibt. Und ein Salat wäre gut.«

Anton folgte diesem scheinbar alltäglichen Dialog mit zunehmender Neugierde. Hatte Sabine tatsächlich von Frühstück gesprochen?

»Moment, Frühstück? Heißt das etwa das, was ich gerade denke?«

Während Sabine nur lächelnd zu Michael hinübersah, antwortete dieser ganz sachlich: »Ja, du hast es zwar nicht ausgesprochen, aber unsere Partnerschaft geht seit unserem Skiurlaub über das Berufliche hinaus.«

»Und ich soll das für mich behalten, nehme ich an?«

»Ja, selbstverständlich! Es geht niemanden etwas an.«

»Das widerspricht aber den Regeln.«

»Ich weiß, und ich, vielmehr wir widersetzen uns dieser Regel, da wir keinen Grund sehen, inwiefern unser Privatleben unsere Arbeit beeinträchtigen könnte.«

»Machen da der Philosoph und die Mathematikerin ihre eigenen Regeln? Wie geht das mit euren hohen Standards zusammen?«, wollte Anton, nach wie vor verblüfft, wissen.

Nach einem Blick zu Michael antwortete Sabine: »Das Pflänzchen ist noch sehr jung. Wenn wir bereits jetzt unser privates Verhältnis melden, ist diese Abteilung, unsere Abteilung, erledigt, das wollen wir nicht. Wir werden uns daher ein wenig Zeit lassen. Um beim Bild des Pflänzchens zu bleiben: Wenn es gewachsen ist und starke Wurzeln hat, werden wir es melden. Wenn nicht, war es die Meldung nicht wert. Zufrieden?«

Anton hob lachend die Arme und entgegnete: »Ja, absolut. Dieses kleine Geheimnis bleibt intern. So, und jetzt zum Externen, zu den Kollegen von der Wirtschaft. Lass uns gehen. Michael, hast du noch den Wagen?«

»Ja, es hat mich niemand nach den Schlüsseln für den BMW gefragt.«

Während Anton Steinbach in Richtung Josef-Holaubek-Platz im neunten Wiener Gemeindebezirk fuhr, studierte Michael Lenhart nochmals die Unterlagen. Als er die Mappe zuklappte, fragte ihn Anton: »Du hast früher selbst in Wirtschaftsfällen ermittelt. Kennst du die dortigen Kollegen?«

»Kaum. Ich war bei der 5.3., Verdeckte Ermittlungen. Allerdings hatte das Siebener-Büro, Wirtschaftskriminalität, selten Freude an meiner Arbeit. Sie meinten, ich würde in ihrem Teich fischen. Es könnte also sein, dass unser Empfang ein wenig frostig ausfällt. Wie sieht es bei dir aus?«

»Mit 7.2., Finanzermittlungen, hatte ich immer wieder zu tun. Die waren ganz in Ordnung. Aber wir sollen uns an den Abteilungsleiter, Major Ernst Tschiller, halten, den kenne ich nicht, du?«

Nachdenklich blickte Michael aus dem Fenster. »Den Boss, ja, den kenne ich. Recht gut sogar. Ich würde sagen, er gehört eindeutig in die Kategorie extern.« Auf einen fragenden Blick seines Kollegen hin fuhr Michael fort: »Ich nehme an, du kennst das Gebäude dort?«

»Du meinst die dortige Tintenburg? Sicher, warum?«

»Weil der Tschiller in meinen Augen diesem Gebäudetypus genau entspricht. Streng, zweckorientiert, nüchtern, machtbewusst und bar jeder Schönheit und Eleganz.«

Verwundert erwiderte Anton: »Du beurteilst Menschen nach ihrem Aussehen?«

»Nein, zumindest nicht bewusst. Mit Schönheit und Eleganz meine ich nicht das Äußere. Es geht vielmehr um eine Schönheit und Eleganz des Denkens, des Ausdrucks, des Seins. Aber der Mangel an Schönheit scheint mir insgesamt eine Krankheit unserer Zeit zu sein. Wir huldigen der nackten Funktion und lassen die Schönheit nur zu leicht verkümmern. Schau aus dem Fenster: Die moderne Architektur hat das Besondere, Regionale, Schöne durch das Glatte, Austauschbare, Uniformierte ersetzt. Friedensreich Hundertwasser sprach in diesem Zusammenhang von der gottlosen Geraden, und sein Freund, Arik Brauer, philosophierte darüber schon vor rund vierzig Jahren in seinem Buch Das Runde fliegt. Ja, in meinen Augen ist die moderne Architektur meist funktionell, aber seelenlos. Konrad Lorenz, ein anderer großer Österreicher, bezeichnete diese Gebäude als Batterien für Nutzmenschen. In diesen Beton- und Glasschluchten arbeitet man nicht, man funktioniert, man flaniert nicht, man hastet, man lebt nicht, man vegetiert.«

»Und der Tschiller ist so: funktionell und seelenlos?«

»Nein, nicht seelenlos. Ich spreche keinem Menschen eine Seele ab. Das steht mir nicht zu. Er definiert sich sehr stark über seine Funktion, seinen Titel. Insofern ist er ein ideales Übungsfeld für unsere Intern/extern-Arbeitsweise.«

»Hast du sonst noch einen Tipp? Wir sind gleich da.«

»Ja, nimm auf keinen Fall einen der nummerierten Parkplätze. Die Kollegen hier sind diesbezüglich sehr empfindlich.«

Nachdem sie den Wagen auf einem der Gäste-Parkplätze abgestellt hatten, gingen die beiden zum Empfang und ließen sich bei Major Tschiller anmelden. Wie erwartet, ließ der Herr Major sie zuerst warten und schickte dann einen jungen Assistenten.

»Herr Lenhart, ich bin Revierinspektor Klaus Brandtner. Sehr erfreut, Sie kennenzulernen. Ihr Ruf eilt Ihnen voraus. Der Herr Major, Magister Tschiller, hat mir den Auftrag gegeben, mich um Sie zu kümmern. Er ist sehr beschäftigt und kann Sie daher im Augenblick nicht empfangen, so leid es ihm tut. Was kann ich für Sie tun?«

Zur Verblüffung von Revierinspektor Brandtner blieb Michael Lenhart freundlich lächelnd stehen und schwieg. Nach einigen Sekunden des Schweigens fragte der junge Revierinspektor leicht verunsichert: »Herr Lenhart? Ist etwas?«

Weiterhin lächelnd erwiderte dieser: »Aber nein, wo denken Sie hin, Herr Revierinspektor! Ich wollte Ihnen nur, wie es die Höflichkeit gebietet, die Gelegenheit geben, sich auch bei meinem Kollegen vorzustellen, Gruppeninspektor Steinbach«, und mit diesen Worten trat er demonstrativ einen Schritt zur Seite.

Revierinspektor Brandtner reagierte aalglatt und begrüßte auch Anton Steinbach mit falscher Herzlichkeit, wurde beim Händeschütteln allerdings zunehmend rot, während Anton Steinbach bis über beide Ohren grinste.

Michael Lenhart wechselte die Aktenmappe von der linken in die rechte Hand und sah sich demonstrativ um. »Sehr schön, nun, da wir uns alle vorgestellt haben, sollten wir uns auf den Weg machen. Wenn ich mich recht erinnere, geht’s hier entlang.«

Lenhardt ging los, und Revierinspektor Brandtner eilte ihm nach und erwiderte mit einem Anflug von Panik in der Stimme: »Aber ich bitte Sie, Herr Lenhart! Der Herr Major ist, wie gesagt, verhindert. Wenn Sie mir bitte in das Besprechungszimmer folgen wollen. Ich habe den ausdrücklichen Auftrag, mir Ihre Bitte anzuhören und Sie nach Kräften zu unterstützen.«

Michael Lenhart blieb stehen, sah sich um und dann dem verunsicherten Brandtner direkt in die Augen. »Mein lieber Herr Revierinspektor, Sie haben wirklich Ihr Bestes gegeben, aber wir gehen jetzt diesen Gang hinunter, und wenn wir beim Büro von Major Tschiller angekommen sind, werden Sie artig anklopfen, die Türe öffnen und uns persönlich beim Herrn Major vorstellen. Haben Sie mich verstanden?«

Revierinspektor Brandtner ließ die Schultern hängen und gab sich geschlagen. Beim Büro von Major Tschiller angekommen, klopfte er leise, öffnete die Tür und ließ die beiden eintreten. »Es tut mir leid, Herr Major. Er hat darauf bestanden, mit Ihnen persönlich zu sprechen. Ich konnte nichts tun.«

Major Tschiller blickte nur kurz von seinem Computer auf und tippte weiter. »Das hatte ich befürchtet«, sagte er leise, und an seinen Assistenten gewandt: »Du kannst gehen.«

Nachdem Revierinspektor Brandtner die Tür leise hinter sich geschlossen hatte, klappte Major Tschiller den Laptop zu, stand auf, richtete seinen Hosenbund und sah die Besucher feindselig an. »Was wollen Sie, Lenhart?«

»Es geht um das Verschwinden von Walter Denk auf Malta.«

»Verstehe, der Fritsch hat Ihnen also einen neuen Fall gegeben. Ich hatte zwar gehofft, dass sich unsere Wege nie mehr kreuzen, aber diese Bitte ist anscheinend nicht erhört worden. Wie auch immer, zum Denk kann ich nichts sagen. Wir haben keinerlei Informationen. Da müssen Sie sich zur Finanzpolizei bemühen.«

»Sie arbeiten doch eng mit denen zusammen. Gibt es von Ihrer Seite keinerlei Hinweise oder Verdachtsmomente?«

Weiterhin frostig antwortete Major Tschiller: »Ist das Ignoranz, oder macht es Ihnen einfach Spaß, anderen auf die Nerven zu gehen? Wenn ich sage, wir haben keinerlei Hinweise, dann ist das auch so. Als wir die Meldung bekamen, sind wir alles durchgegangen, genau und streng nach Vorschrift. Von unserer Seite gibt es nichts. Das steht auch alles im Bericht. Sie hätten sich den Weg und mir ein Wiedersehen mit Ihnen sparen können.«

Michael Lenhart blieb gewohnt höflich. »Trotzdem vielen Dank, Herr Major. Wir werden uns selbstverständlich auch bei den Kollegen im Finanzministerium umhören. Sollten sich neue Verdachtsmomente oder Fragen ergeben, werden wir uns im Bedarfsfall wieder vertrauensvoll an Sie wenden. Am besten per E-Mail, nehme ich an?«

Major Tschiller setzte sich und klappte seinen Laptop wieder auf. »Wenn es sein muss. Jede Arbeit hat eben ihre Schattenseiten. Die Tür ist dort.«

Zurück im Auto, sah Anton seinen Partner verdutzt an. »Du hast mit diesem Empfang gerechnet, Michael, stimmt’s?«

»Ja, und ich bin sehr zufrieden, ein voller Erfolg.«

»Inwiefern war das ein Erfolg? Ganz abgesehen von der frostigen Atmosphäre?«

»Erstens hast du dich ausgezeichnet geschlagen und nicht provozieren lassen, von der fast zerquetschten Hand des Assistenten einmal abgesehen, aber das war der Situation angemessen und nicht wirklich aggressiv. Höchstens ein wenig kindisch.«

Lachend unterbrach ihn Anton: »Ja, der hat nicht gewusst, ob er schreien oder betteln soll. Aber ich wollte diesen Schleimer nicht so einfach davonkommen lassen. Also habe ich bei der Begrüßung seine Hand bei den Fingergrundgelenken genommen und ordentlich zugedrückt. Aber ich habe dich unterbrochen, sorry. Nach erstens kommt bekanntlich zweitens.«

»Zweitens war das eine Lehrstunde in der hohen Schule der verbeamteten Unfreundlichkeit. Es hat so gut wie nichts gefehlt.«

»Unnötiges Warten und das versuchte Abwimmeln durch einen subalternen Mitarbeiter?«

»Gut erkannt, was noch?«

»Er hat uns nicht eingeladen, Platz zu nehmen, der feine Herr Major.«

»Richtig, aber das war noch nicht alles.«

»Das Weglassen der Titel. Der Knilch hat dich immer nur mit Nachnamen angesprochen, während er seinen Vorgesetzten stets Magister und Major nannte.«

»Richtig. Damit waren von Anfang an alle Fronten geklärt und die Niederlage von Herrn Major Tschiller fast perfekt.«

»Sorry, aber das verstehe ich jetzt nicht.«

»Aus ihrem Bericht wussten wir, dass sie keine Kenntnisse im Zusammenhang mit dem Verschwinden des Herrn Denk auf Malta haben, trotzdem sind wir hierhergefahren, haben uns weder abweisen noch provozieren lassen und klargemacht, dass wir den Fall verfolgen und einer Konfrontation nicht aus dem Weg gehen.«

Anton Steinbachs Miene hellte sich auf: »Daher auch dein Hinweis auf die E-Mails! Die Botschaft dahinter: Entweder du antwortest auf meine Mails, oder ich stehe immer wieder genau hier in deinem Büro als dein persönlicher Albtraum, sehr schlau! Aber sag, warum kann dich der Tschiller nicht ausstehen?«

»Eine alte Geschichte. Er war damals noch nicht Abteilungs-, sondern erst Büroleiter, ermittelte in einer Fälschungssache und legte den Fall schließlich zu den Akten, aus Mangel an Beweisen. Gleichzeitig bin ich bei meinen Ermittlungen, unabhängig von ihm, auf diesen Fall gestoßen und habe ihn, sagen wir, mitgenommen und zum Abschuss gebracht. Weder er noch seine Mitarbeiter hatten die Unterlagen richtig interpretiert und die Zusammenhänge erkannt. Die Sache machte die Runde und war ihm unglaublich peinlich.«

»Kann ich mir vorstellen. Wir sind gleich bei der Hinteren Zollamtsstraße. Wird uns hier ein ähnliches Theater erwarten?«

»Nein, die dortigen Kollegen habe ich immer als sachorientiert und fair erlebt.«

»An wen wenden wir uns hier?«

»Sektionsleiter Thomas Berger, er ist der Vorgesetzte von Walter Denk, ein alter Bekannter.«

»Na, dann bin ich mal gespannt, wie die Begrüßung ausfallen wird.«

Anders als bei der Abteilung Wirtschaftskriminalität wurden die beiden im Finanzministerium freundlich begrüßt, und der Sektionsleiter kam ihnen auf dem Gang entgegen. »Servus Michael, schön, dich zu sehen.«

»Ebenfalls servus, Thomas. Darf ich vorstellen, mein Partner, Anton Steinbach.«

»Bitte kommt rein.«

Nachdem alle Platz genommen hatten und mit Kaffee und Wasser versorgt waren, schob Sektionsleiter Berger eine dünne Aktenmappe über den Tisch. »Das ist leider alles, was wir in der Sache wissen. Ganz ehrlich, wir haben keine Ahnung, warum der Denk verschwunden sein könnte.«

Michael Lenhart blätterte kurz in den Unterlagen und legte sie dann beiseite. »Sehe ich das richtig, es gab keinen konkreten Fall, sondern der Denk ist aufgrund eines Telefonats mit seinem maltesischen Kollegen in den Flieger gestiegen?«

»Ja, er rief mich am Freitag gegen zwanzig Uhr an und teilte mir mit, dass er am Montag für ein bis zwei Tage nach Malta müsse. Das war’s.«

»Eine sehr spontane Reise.«

»Ja, und der Denk ist ein erfahrener und sehr genauer Mann. Wenn er also am Freitag beschließt, nach Malta zu fliegen und damit seinen gesamten Terminkalender durcheinanderzuwirbeln, dann muss es wichtig gewesen sein.«

»Weißt du, ob er seinen maltesischen Ansprechpartner schon länger kannte?«

»Nicht genau, aber ich nehme es an. Der Denk war, nein, ist für die internationalen Kontakte, beispielsweise die EGMONT-Gruppe, zuständig. Allein durch die regelmäßigen Treffen im Rahmen der internationalen Kooperation dürfte er ihn gekannt haben. Ich meine, so groß ist Malta und das dortige Finanzministerium nicht.«

»Ein gutes Argument. Ich nehme an, du hast auch mit Denks Mitarbeitern gesprochen.«

»Sicher, aber die tappen ebenfalls im Dunkeln und haben keine Erklärung.«

»Du sagtest, der Denk ist ein sehr penibler Mann, und als solcher hat er sich auf das Treffen doch sicher vorbereitet. Gibt es dazu irgendetwas?«

»Nein. Er war am Wochenende nicht im Büro. Wir haben seine Logfiles überprüft. Er hat am Freitag um sechzehn Uhr sieben das Büro verlassen und davor nichts im Zusammenhang mit Malta aufgerufen.«

»Trotzdem, es muss etwas geben. Was sagt dir dein Gefühl? Du kennst den Mann. Wie ist seine Arbeitsweise? Wofür ist er bekannt?«