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Keine Frage, der Mann hat einen an der Waffel. Aus dem Himmel des Ruhms stürzt er ab in die Hölle des Größenwahns. Der berühmte Schauspieler Jasper-Balderich Stiller kann nach einem Sturz das wahre Leben nicht mehr von seinen Rollen trennen. Wie Don Quijote hält er die Welt unbewusst zum Narren und wird entsprechend für einen solchen gehalten. Mit dem schlichten Herrn Schlottke, einem unterbelichteten Bruder im Geiste, besteht er die verrücktesten Abenteuer, erfährt vom Schicksal eines todkranken Jungen und setzt alles daran, ihm zu helfen. So inszeniert er den spektakulärsten Banküberfall in der Kriminalgeschichte, indem er während des Überfalls, vor den Augen der Polizei, mit einem Ensemble von Pfeifen und Nieten, die Premiere eines selbstverfassten Theaterstückes aufführt, in dem er seine eigene frühere Eitelkeit als Schauspieler parodiert. Dann ist da noch die schöne, hinreißend schielende Rosamunda, aber mehr wird noch nicht verraten.
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Seitenzahl: 297
Veröffentlichungsjahr: 2018
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Erstes Kapitel
Zweites Kapitel
Drittes Kapitel
Viertes Kapitel
Fünftes Kapitel
Sechstes Kapitel
Siebtes Kapitel
Achtes Kapitel
Neuntes Kapitel
Zehntes Kapitel
Elftes Kapitel
Zwölftes Kapitel
Dreizehntes Kapitel
Vierzehntes Kapitel
Fünfzehntes Kapitel
Sechzehntes Kapitel
Siebzehntes Kapitel
Achtzehntes Kapitel
Neunzehntes Kapitel
Zwanzigstes Kapitel
Einundzwanzigstes Kapitel
Zweiundzwanzigstes Kapitel
Dreiundzwanzigstes Kapitel
Vierundzwanzigstes Kapitel
Fünfundzwanzigstes Kapitel
Sechsundzwanzigstes Kapitel
Es war nur ein Bild und er war auch nicht gläubig, aber es störte ihn, dass es nicht mehr an der Wand hing.
Das Bild zeigte die Gottesmutter und das Jesuskind und als er die Augen aufschlug, sah er, dass sie es abgenommen hatten.
Es machte ihn traurig, aber dafür hatte er keine Schmerzen beim Wasserlassen mehr. Er betrachtete die hellgebliebene Stelle, wo das Bild gehangen hatte und dachte,
indessen ich, umraunt von Hamlets Geist bei Nacht, den Stimmen lausche, die mich flüsternd narren, harrt draußen meiner schon die Welt, mich Einzigartigen zu preisen..
Sein oder nicht Sein, das alles juckt die Blase kaum, doch kann, wer Druck verspürt und glaubt, dem
selben heute noch zu frönen-.
„Herr Stiller, hören Sie mich? Ich bin Doktor Meinhardt. Herr Stiller, Sie sind in einen Souffleurkasten gestürzt. Können Sie mich verstehen? Herr Stiller?“
Er, ans Bett gebunden, den Kopf vermummt:
„Gerülpst, gefurzt, auf Euer Wort geschissen, Graf Kernheim, kann er mich doch am Arsche lecken. Doch lenkt er ein, er lecke nicht und sträube sich aus wohl durchdachten Gründen, ich kann´s, ich will´s ihm nicht verdenken.“
„Ganz ruhig, Herr Stiller. Ganz ruhig. Wir kümmern uns um Sie. Bleiben Sie ganz ruhig. Können Sie mir sagen, in welchem Jahr Kennedy ermordet wurde?“
„Im Jahr des Herrn, doch soll Verschwiegenheit die Zunge lähmen und nichts verlauten, was im Rausch ersonnen. Der Rede Fluss, der Winde Brausen, verweht, verstummt, wie alles Irdische einmal auf Erden. Hat er gehört? Stopf er mir nicht die Ohren voll mit seinem Froschgequake. Kurzum, stell er das Grunzen ein.“
„Schön, gut, sehr schön. Sehr gut. Wie heißt die englische Königin, Herr Stiller. Überlegen Sie. Die Königin, verstehen Sie?“
„Sieh an, der Rossbeschäler selbst, in ganzer Pracht kommt er herbei geschlichen. Prost Mahlzeit. Ein Strolch mehr auf Erden. Sitzt ab, gehörnter Klumpfuß mit dem Mondgesicht und lasst den Gaul abschirren, dass er zu saufen kriegt, der Hungerlappen. Er hat´s verdient, der dürre Klepper, trug er doch schwer an dem, was Ihr Euch mit Behagen an den feisten Leib gefressen.“
„Kommen Sie, Schwester, kommen Sie. Lassen wir ihn, er muss schlafen. Tun Sie mir einen Gefallen, Schwester und schauen Sie jede halbe Stunde-.“
Schon an der Tür, hörte der Arzt: „Und Ihr da, Bettler, hey, lasst Euch vom Diener dreizehn Taler geben. Mir bricht das Herz beim Anblick Eurer Lumpen. Krumm, wie er ist, stammt er dem Anschein nach von einer Gurke. Versauft Ihr aber, was Euren Beutel füllte, womöglich noch mit Hilfe loser Weiber und lasst den Würfelbecher knallen in der Nacht, soll Euch der Teufel holen. Noch seid Ihr jung, treibt´s nicht zu wild, doch wartet nur, es ist des Alters List und Tücke, aus der Vergreisung Not sich einen Jux zu machen.“
„Wer ist dieser Mensch?“
„Der? Der große Jasper-Balderich Stiller, Schwester.“
„Oh gottogott.“
Eiligen Schrittes – warum und wohin das Ganze noch führen sollte, stand nicht in seinem Gesicht geschrieben – kam ihm Herr Schlottke im Pflegeheim entgegen, ein seltsames Männchen von kleiner buckliger Gestalt, welches eine Leidensmiene aufsetzte und bitter Klage führte, verschnupft zu sein, aber hoffe, zu überleben.
Nun war dieser Schlottke einer, der für alles eine Erklärung parat hatte und man nicht anders konnte, als sich deswegen an die Stirn zu tippen.
„Man sagt ja nicht umsonst, ist das Leiden noch so schwer, so kämpft der Mensch dagegen sehr.“
Sieh an, dachte unser Held, noch ein Verrückter mehr auf Erden, Ist die Welt denn noch zu retten? Dabei packte er Herrn Schlottke bei den Schultern, zog ihn näher heran, um ihn genauer zu beäugen:
„Die Bleichheit Eurer Käsebacken verrät den Hang zum Träumen, Kamerad, auch glotzt er wie belämmert in die Wolken, vermutlich wohl in alle Ewigkeit.“
„Amen“, entgegnete Herr Schlottke, die spirituelle Aura des ihm vom Sehen Bekannten witternd, „aber wenn ich Euch so reden höre, bin ich mit meinem Schnupfen, wie es scheint, noch glimpflich davongekommen.“
Na, dachte er, so einer ist mir mein Lebtag noch nicht unter die Augen gekommen, weswegen er sprach: „Zerschmettern wird der Herr im Himmel, Gebein, Gesäß und Satteltaschen dem, der nie vor seinem Vaterhaus gefegt der Gosse Schmutz und Plage, indessen ich, ein Knabe noch, wenngleich schon mittags auf den Beinen, das brave Mütterlein des Vaters Lieblingssüppchen kochen sah, das wahrlich nicht mit Salz und Linsen geizte.“
Herr Schlottke zog den Hut, grüßte freundlich, dachte aber, wo hat dich denn die Kokosnuss getroffen? Man sagt ja nicht umsonst: Spricht der Esel auch Latein, wird´s trotzdem kein Lateiner sein. Nur Herr Schlottke wusste, dass er einmal der
„große Stiller “, der berühmte Schauspieler war, bis er vor Jahren im dritten Akt von Schillers „Kabale und Liebe“ in den Souffleurkasten des Hamburger Schauspielhauses gestürzt war.
Nun ist die Zeit ja bekanntlich ein flotter Feger, der niemals stillzustehen weiß, eben noch hat die Jugend in unsrer Brust getobt, waren der Liebe Glut und Sehnsucht nach den Sternen unsere Begleiter, da sitzen wir auch schon krumm wie eine Gurke, mit Brille, Tatterich, Gicht und Bauch und womöglich all unserer prächtigen Locken beraubt, verkalkt, verdummt und verstummt vor dem Fernseher in einem Pflegeheims, um uns ein Fußballländerspiel anzuschauen, was unser Held so lange schweigend ertrug, bis er Mitleid mit dem Ball hatte, der niemandem etwas getan hatte, nach dem aber trotzdem alle traten, weswegen ihm der Kragen platzte:
„Wie ungestüm die kurzbehosten Krieger dem ahnungslosen Lederball doch mittels heftig ausgeführter Tritte in stetem, sichtbar hocherhitztem Trachten, aufs Widerlichste den Garaus zu machen ruhen, wie doch das malträtierte Spielgerät in hemmungsloser Angst von einem Fleckchen grüner Wiese sogleich zum nächsten hüpft und kaum, dass zum Verschnaufen jene vielgepriesene Kugel-.“
„Tooor! Tooor!“ schrie einer und alle, außer unserem Helden, stimmten fröhlich ein.
Da platzte es aus ihm heraus:
„Kaum, dass zum Verschnaufen jene kugelrunde Kugel für flüchtige Sekunden Muße findet, eilt sie erneut herbei, die nimmermüde Kriegerschar. Ein Bild, in dessen grauer Tiefe ein Schimmer edler Größe waltet. In Schweiß gehüllt, Recke um Recke, nicht einer, der, des Ringens müde, des Streitens übersatt zu werden scheint in dieser Schlacht der buntbestrumpften Leiber.“
Herr Schlottke stieß ihn an: „Ich warne Sie, Herr Möllenkotten, das nebenbei, den Namen habe ich mir nicht ausgedacht, um Euch zu ärgern, Herr Möllenkotten mag es nicht, wenn man ihm beim Torjubel ins jubelnde Wort fällt, Herr-.“
„Stiller, Jasper-Balderich Stiller, geboren einst am schönen Neckarstrand, stand günstig mal der Wind in jenen Tagen, so wusste ich gekonnt ins jenseitige Zwirbelheim zu speien, wo steilen Hangs der „Zwirbelheimer Goldbach“ wuchs, ein Tropfen erster Güte, der erste Rausch kam, wie so mancher später, war doch der Rausch schon Brauch und selten einer ohne.“
Herr Schlottke fand das eine nicht wenig interessante Erklärung.
„Mit Verlaub, Herr, aber wenn Ihr die Herrschaften weiterhin mit Eurem Fachwissen über die buntbestrumpften Leiber erfreuen wollt, macht´s draußen auf dem Flur. Man sagt ja nicht umsonst, treibt´s einen Ochsen zur Universität, man besser ihm zum Stellungswechsel rät.“
„Ein wahres Wort, doch zügle er die Reimerei, kein Maulesel beherrscht die Geige und zeigt er mir ein Pferd, das Harfe spielt, so lock ich ihm ´ne Kuh mit einer Bratsche aus dem Stall.“
Na warte, dachte Herr Schlottke bei sich, was Du gut kannst, kann ich noch besser, weswegen er sprach: „Und ist ein Schwein im Herbst allein, so wird´s das auch im Winter sein.“
„Ein Hahn, dem nicht will schwillen recht der Kamm, der lässt das Krähen irgendwann, selbst wenn die Henne legt ihr Ei, dem Hahn, dem ist das einerlei.“
So trieben die zwei es noch ein schönes Weilchen, wobei jeder den anderen mit seinen Sprüchen übertrumpfen wollte.
Eintönig gingen sie dahin, die Tage im Pflegeheim St.- Vitus, bis er eine Anzeige las, in welcher die evangelische Frauenhilfe im nordfriesischen Engringsen auf die Not hinwies, nach dem Tod des Pastors Krömstetten niemanden mehr zu haben, der den Seelen der Verstorbenen mit den Worten des Trostes, dem Segen des Allmächtigen und dem Versprechen auf das ewige Leben ein würdiges Geleit geben könne, zumal die Landeskirche sich außerstande sähe, für den ehrenwerten Pastor Krömstetten, Gott habe ihn selig und reiche Ernte seinem Kartoffelacker, einen Nachfolger nach Engringsen zu berufen.
Er schrieb zurück, der Herr habe es entschieden, das Schicksal es bestimmt, die Sterne es erlaubt, das Wetter es begünstigt, so fühle er sich auserwählt und überdies imstande, dem heidnischen Volk die Leviten des Herrn zu lesen. Er sei schon so gut wie auf dem Weg.
Da er nicht ohne Beistand reisen mochte, knöpfte er sich den armen Schlottke vor.
„Kein Mensch auf Erden ist allein, Schlottke, hat er noch Schwester oder Brüderlein, gleich morgen heißt es, auf, auf, Marsch, Marsch, per Zug hinauf nach Norden.“
„Nach Norden?“ sagte Herr Schlottke, „warum denn jetzt auf einmal nach Norden? Wir essen doch immer im Speisesaal und der geht nach Süden, nicht nach Norden.“
„Es muss, wer ewig strebt nach Edlerem auf Erden, Schlottke, im Diesseits wägen zwischen Heut´ und Morgen, das Heidenpack nimmt mir zu freche Züge da oben, mir schwant, das Pack frisst mehr und öfter als es betet.“
„Ach so, ja dann.“
Nun, dachte Herr Schlottke, mit einem wie dem zu reisen, ist allemal besser, als sich alleine am Fenster die Beine in den Bauch zu bohren und im Leben nicht weiterzukommen als vom Speisesaal zum Klo und mit dem Fahrstuhl ins Erdgeschoss.
„Die Kerle saufen ums Verrecken, Kamerad, dass weit in Land und Flur es schallt, der Zecher sittenlose Lieder, den Frevel auszurotten, gilt mein Streben.“ „Man sagt ja nicht umsonst, Herr: Wenn erst der Kerle Kehlen bersten, haben die Weiber nichts zu scherzen.“
Eigentlich wollte er Herrn Schlottke vor ein Auto schubsen, der Schlagzeilen wegen, die das brächte und die er vermisste, ließ es aber vorerst ungeschehen, da ihm keine rechte Grabrede einfallen wollte, die seiner und Schlottkes würdig gewesen wäre.
Kaum hatten sie nach langer Reise den Bahnhof von Engringsen erreicht, schaute er sich dreimal nach allen Seiten um, ob man wenigstens eine Blaskapelle in Marsch gesetzt hatte, um ihm zu Ehren aufzuspielen, da fiel sein Blick auf den Bahnschalter, wo eine junge Frau dabei war, den Schalter zu schließen.
Herrn Schlottke in die Rippen stoßend: „So seht nur, Schlottke, seht, dort drüben an des Schalters glasigem Gehäuse, scheint mir ein junges Weibsbild nach des Feierabends süßem Lohn zu trachten. Nur unter uns, ich schau der Jugend gerne zu beim frohen Spiel der Kräfte, müsst Ihr wissen, auch-.“
„Ach? Müsste ich das?“ seufzte Herr Schlottke, bückte sich und band sich einen Schnürsenkel zu, schielte aber auf seinen Gefährten, ob dieser, wenn auch nur langsam, endlich Vernunft annehmen würde. Der aber ließ nichts erkennen, was auf Genesung deutete, vielmehr trat er an den Schalter und sprach zu der jungen Frau:
„Ein dreifach Vivat, Jungfer Rosenschön, so wohlgewachsen wie Ihr seid, von schlankem Wuchs und kurvenreicher Blüte, bemächtigt sich Verlangen meines Blutes, auch schlägt mein Herz so laut in meiner Brust, als wolle es den Königsmarsch des Kaisers Amor trommeln.“
Die so Begrüßte schaute sich um, musste aber zu ihrem Schrecken erkennen, dass sich außer diesem Verrückten nur noch ein ähnlich gerupftes Vögelchen in der Schalterhalle aufhielt.
Die Hand vor dem Mund, da sie gähnte: „Moin. Und?“
Er zwinkerte ihr zu.
„Und wenn es nur zwei kleine Wörter sind, das zarte Moin und das bekannte und, die Ihr mir gönnt, so wohnt den beiden doch der Klang der Geigen inne.
Den Rest schweigt aus, dass es in Frieden dann zur Stille reife.“
„Wohin soll´s denn gehen, guter Mann? Husum?
Heide? Fedderbaddensiel?“
„Sprecht´s offen aus, denn was ein Frauenherz bewegt, soll niemand anders als das züchtge Weib in Worte kleiden. Wie lebt es sich in diesem Land, wo Fuchs und Wolf dem armen Lamm nicht gnädiger gewogen, als im sibirischen Pofkorninggrad, wo ich dereinst, des Zaren kaiserlicher Biberfänger, des Morgens schon auf Bärenjagd, ab Mittag dann gesättigt in mich ging.“
„Tut mir leid für Sie, mein Herr, aber ich habe Feierabend.“
Aha, dachte er, sie durch das Schalterglas betrachtend, wie sie sich die Lippen schminkte, schon hebt in ihrer Brust der Liebe Sturm zu wüten an. Das scheint ein schönes Feuerchen zu sein, das ich mit meinem Witz und Charme entfacht in ihrem Herzen.
Da fiel sein Blick auf ein mit Schlitz versehenes Kästchen, vor dem ein bedruckter Zettel lag:
„Wir sammeln für den todkranken Billy Joe Hinnarksen. Dank Ihrer Spende und mit Gottes Segen kann der arme Junge vielleicht gerettet werden.“
Auf das Kästchen deutend:
„Und ist die Wahrheit noch so schwer, sie zu erfahren, kam ich her. Was ist es, was des Knaben Herz beschwert und jene quält, die seine Äuglein lieben?
Sollte es Fieber sein, ein Fingernagel von vereitertem Wesen, so gilt es neue Wege zu beschreiten, in dem Fall rate ich, den Wevelsbacher Kräutersud zu trinken, man rührt mit einem Löffelchen drin rum und gießt ihn sich von oben in die Gurgel. Spuckt er es wieder aus, das bittere Gesöff, dann heißt es, Augen auf und alles Weitere bedenkend, doch rotzt er Blut und keucht, indessen ihn der Husten quält-.“
„Ach“, kam die Antwort, „wenn es ja nicht so traurig wär, würde ich es Ihnen ja erzählen, aber immer, wenn ich daran denken muss, dass eine Mutter ihr Kind, das Kind seine Mutter und die lieben Geschwisterchen ihr Brüderchen verlieren sollen, komme ich vor lauter Kummer gar nicht mehr dazu, die richtigen Worte zu finden.“
Herrn Schlottke, der das hörte, gingen ihre Worte so nahe, dass es ihm das Herz zerriss, bekümmert trat er ein paar Schritte beiseite, ballte die Fäuste und murmelte vor sich hin, „halte durch, Schlottke, halte durch, durchhalten, Schlottke.“
Da sie nicht wussten, wohin, kam ihnen eine Scheune am Dorfrand ganz gelegen, wo sie sich der Länge nach auf dem dort gelagerten Heu ausstreckten, zumal Herrn Schlottke nicht nur alle Glieder schmerzen, auch drohten ihm die Augen nach dem langen Tag schon im Stehen zuzufallen.
Da ihm Schlottkes Schweigen lieber war als dessen Schnarchen, stieß er ihn an.
Er beabsichtige übrigens zu einem so späten Zeitpunkt von dieser Welt zu scheiden, dass er zu alt sei, um diesen kummervollen Tag noch zu erleben.
Herr Schlottke, den das Heu am ganzen Körper piesackte, sperrte Mund und Augen auf und dachte bei sich, ist der Kerl jetzt vollends verrückt geworden oder will er sich einen Scherz mit mir erlauben? Man sagt ja nicht umsonst, macht einer Scherze von plumper Art, gefriert einem der Backenbart.
„Wie, Herr? Ihr gedenkt also allen Ernstes, mit dem Tod solange zu warten, bis Ihr, praktisch und auch sozusagen-.“
„Gewiss, Schlottke, weißgott nicht alles, was er sinnt und sagt, muss Nachlass eines Esels sein. Sagt nicht die Bibel schon, in jedem Ochsen steckt vom Löwen mindestens ein Viertel und war´s nicht David selbst, der einst dem Goliath mit einer Sense hieb das linke Ohr von der ihm zugeneigten Seite?“
„Das sagt die Bibel bestimmt nicht, Herr, aber dafür kenn ich den Psalm, wer einem Narr die Tür aufhält, hat gleich den Deibel mitbestellt.“
„Fürwahr, der Passus ist mir neu, wär er mir alt, ich wüsste seinen Reim zu schätzen. Im Übrigen, Schlottke, da Ihr zuweilen schnarcht und offnen Maules nach den Mücken schnappt, mich sticht das Heu, wenn´s Euch doch nur erschlagen würde, so hätt ich meine Ruh und fänd mit Freude des Schlummers Kraft und Segen wieder.“
„Das habt Ihr aber schön gesagt, Herr, vorne so rosig, in der Mitte so blumig und am Ende ging´s nochmal richtig zur Sache, gute Nacht.“
Er musterte ihn. Dann dachte er, ach was, um mich zu foppen, ist mein Schlottke am falschen Tag geboren.
„Mein Plan ist der, hör er mir zu, gewartet wird mit Tod und Scheiden, bis ich zu alt, um dem Spektakel beizuwohnen. Ist´s erst geschehen, Schlottke, gut, dann soll man allen Mut zusammennehmen und es getrost mir sagen.“
„Ich bin kein Philosoph , Herr, und beinahe hätte ich es sogar bis zur Mittleren Reife oder halbfertigem Summa Kummer Laura gebracht, aber soviel weiß ich auch, Ihr seid doch dabei, wenn Euer Stündlein schlägt, man Euch beide Äuglein schließt, die Händchen faltet auf dem Bauch und manche Träne weinet auch.“
Er stöhnte, da Schlottkes Satzbau sein Missfallen erregte: „Es schlägt die Stunde, wenn Gott die Zeiger stellt, Schlottke, na und? Das zu bestreiten, fehlt mir die Courage. Doch kann man jenem Stündlein auch ein Schnippchen schlagen, man stellt die Uhr ganz einfach vor und lässt zur abgemachten Zeit des Nachbarn Weib, des Försters Dackel sterben.“
Bei Onkel Willi mit dem alten Benz, dachte Herr Schlottke und starrte ihn mit offenem Mund an, wir Schlottkes hatten ja so manchen Halunken in unseren Reihen und selbst an Verrückten war kein Mangel, aber so einen hervorzubringen, war nicht einmal Tante Friedchen, der alten Tucke, vergönnt.
Mittlerweile hatten sie sich auf ihrem unbequemen Lager ausgestreckt, aber während Herrn Schlottke vor Müdigkeit die Augen schon zufielen, war unser Held hellwach, weswegen er den Gefährten weckte.
Ob er auch hier wohne? Er wohne selten hier, aber wenn, dann nicht allein zur Nacht, auch schätze er der Landluft edle Würze, ihres Aromas belebende Kraft.
„Der Mensch, Schlottke, dazu bestimmt, sein Heim zu hegen und sein Weib zu pflegen, bedarf der Ferne nicht in seiner Häuslichkeit, es, es brennt, die Flammen züngeln, schon brüllen Vieh, Knecht, Magd und Kinder, dann aber raus, Schlottke, auf allen mitgeführten Beinen und nichts wie rein in die Pantoffeln.“
„Gestatten Herr, aber findet Ihr die Reihenfolge, ich meine, erst raus aus dem Haus und dann schleunigst rein in die warmen Pantoffeln nicht ein wenig unlogisch?“
Nanu, dachte er, den Schlottke von der Seite beäugend, was nimmt der freche Kerl sich raus, mich vor den Mäusen zu belehren?
Herr Schlottke schlief.
Als der Mond durch das Gebälk schien, durch Teerpappe, Mauersteine und Dachziegel und die morschen Sparren silbern glänzten, riss er sich die Mütze vom Kopf, verneigte sich, begrüßte den Mond mit winkenden Händen und sprach: „Oh goldnes Licht der sternenklaren Ferne, der Du der Finsternis entrungen des Silberschatzes Perlenspiel, wende mir, Du wohlbeleibtes Goldgesicht, die Schönheit Deiner Vorderseite zu, gewähre mir, dass ich mich einer Kelle Eures Mondgebräus bediene, auf dass die Dunkelheit aus allen Hirnen weiche und Heil und Segen fahre in die mürben Schädel.“ Er griff nach einem Eimer, kletterte damit auf einen Stuhl, hielt den Eimer mit der Öffnung nach oben und streckte sich dem Licht entgegen, in der Absicht, das goldene Licht der Weisheit im Eimer zu sammeln für alle, die der Gnade des Himmels bedurften. So wie er damit fertig war und mit einem Blick in den Eimer feststellte, dass das goldene Licht, das er dem Mond stibitzt hatte, schon bis an den Rand schwappte, stieg er vom Stuhl herab und begab sich mit einer Taschenlampe auf die Suche nach einem Stück Stoff, um damit den Eimer abzudichten, damit kein einziger Strahl seines kostbaren Schatzes entweichen konnte.
Schon stieß er in der Ecke neben alten Lumpen auf eine Wolldecke, auf welcher ein fetter Dackel ruhte.
„Verzeihet, Herr Dackel mit dem Ginsterblick über der frostvernarbten Kläfferschnauze, dessen Lug und Laster ich keineswegs bewerten mag, noch mich erkühnen will, die Pfoten Eures Mütterleins der Hässlichkeit zu zeihen, gebt frei an Decke, was Eurem Hinterteil Raum zur Entfaltung bot.“
Als der Hund ihn so reden hörte, trollte er sich, denn es war ihm lieber, sich draußen einen steifen Schwanz zu holen, als von diesem Verrückten angesteckt zu werden.
Herr Schlottke war kaum erwacht, da zeigte er auf den Eimer:
„Was haben Sie denn da, Herr? Etwa ein zweites tragbares Klosett für Stunden, in denen das erste schon besetzt ist oder aus Mangel an Vorhandensein zu fehlen scheint?“
„Ach Schlottke, Schlottke“, seufzte er, „wo weit ins Land hinein die Dummheit waltet und Narren schalten nach Belieben, damit der Menschen Geist auch weiterhin am Hungertuche nage, seid Ihr der Tölpel erstes Stumpfgesicht.“
„Mit Verlaub, Herr, aber meine Frage zielte eigentlich mehr auf den Eimer da, als auf eine Probe Eurer philosofonorischen Kenntnisse“, worauf er Folgendes zu hören bekam: „Des Mondes goldenem Vermächtnis, Schlottke, gebührt doch wohl ein edlerer Ort,, als jener, den zu bekleckern und bekäckeln der Mensch seit jeher zur Erleichterung des Leibes nutzt. Nein, nein, das ist es nicht, zum Klo berufen war noch nie zu meiner Zeit ein Mond auf Erden, wenngleich, nun ja, ich meine so.“
„Sondern?“ Herr Schlottke rieb sich die verschlafenen Augen und dachte, Himmel, Herrgott und Sakramento, wenn der Kerl noch halbwegs bei Verstand ist, soll mich der Kuckuck im ersten Morgengrauen holen.
„Ihr müsst der Dummheit auch mal Grenzen setzen, Schlottke, sonst reist sie heute noch mit Euch ins Narrenhaus, wo Ihr beim Däumchendrehen das Strichemalen und das Töpfern lernt, hört zu.“
„Jawohl, Herr, auch wenn ich Mitleid mit meinen Ohren habe und sie eigentlich für Besseres-.“
„Mit einer Kelle weisen Lichtes, Schlottke, des Mondes goldnem Schein, entnommen, gesammelt in geweihten Stunden, geruhe ich ab nun, will sagen, eine Weile später, dem Bauernvolk der Bildung Geist und Klugheit ins leergefegte Hirn zu gießen, mein Plan-.“
„Man sagt ja nicht umsonst, Herr: Ist einer nicht mehr ganz bei Sinnen, so gibt´s vor diesem kein Entrinnen.“
Hier setzte es einen Schlag in den Nacken, worauf der gute Schlottke verstummte.
„Mein Plan, er kam mir potzblitz in den Kopf geschossen, ist der, zu Geld zu machen, was hier noch traulich ruht in dieses Eimers hohler Mitte, ich denk mir´s so, Schlottke, pro Mann-.“
„Um Himmels Willen“, sagte Herr Schlottke und beugte sich über den Eimer, „eine stinkende Decke und ein nicht besser duftender Putzlappen soll Euch dabei helfen, den Bildungsnotstand der Krabbenzähler, der Grätenstecher und Deichplatttreter und-.“
„Pro Mann, Schlottke, pro Mann gewähr ich jedem Trampelbein auf Frieslands Scholle, nun, sagen wir, eine halbe Kelle dieses Mondgesöffs, doch muss am Ende ein Gewinn in meinen Büchern stehn.“
„Man sagt ja nicht umsonst, Herr: Steht am Ende kein Gewinn, so ist das schöne Geld dahin.“
Statt bei seinem Gefährten Begeisterung zu sehen, oder wenigstens ein kleines Fünkchen Anerkennung, war alles, was der arme Schlottke mitbekam, ein verärgertes Kopfschütteln.
„Ist es ein Weib, Schlotte, dem diesen Trunk zu schlürfen ich gestatte, mag sein, ein holdes Mägdelein gar, von edler Unschuld noch und junfernhaft durchglüht in allen Gliedern, so kann es auch ´ne volle Kelle geben. Was Buben angeht, eineinhalb.“
„Eineinhalb was?“ sagte Herr Schlottke und dachte bei sich: herrjeh, man sagt ja nicht umsonst, hat der Mensch erst einen Fimmel, so hilft kein Beten und kein Himmel.
„Eineinhalb Kellen von des Mondes Silbertropfen, Schlottke, geschlürft, geschnuppert, geschmatzt oder in einem Zug die Kehle abwärts in das brodelnde Gedärm gestürzt, ganz wie Ihr wollt und wie´s die Englein mögen, egal, und jedem Trottel wird zuteil, was aller Götter bester Tropfen ist.“
Da dem armen Schlottke die Sache nicht geheuer war und er befürchtete, der Funken könne auch zu ihm herüberspringen, verkroch er sich in der Ecke unter seiner Wolldecke, riskierte ab und zu einen scheuen Blick auf seinen Herrn, vermochte aber keine Anzeichen der Besserung zu erspähen.
Im Gegenteil, denn schon hörte er ihn sagen: „Doch trinkt die Maid vom Quell des Lichtes, Schlottke, will ich vom Schlürfen nicht einmal ein ferne Echo hören, kein Rülpsen und kein Grunzen soll in das Schlucken platzen, vom edlen Trunk gibt´s allenthalben einen Schluck für jeden, ja, besser noch, ein Schlückchen.“
Herrn Schlottke wurde unheimlich zumute, die Kälte kroch ihm überall dahin, wo sie nach Schlottkes Meinung nichts zu suchen hatte.
„Ein Schlückchen Mondwein, na dann auf Euer Wohl, Herr, mögen die Narren auf dieser Welt sich an Euch ein Vorbild nehmen und aufhören, am leichtesten Kreuzworträtsel zu scheitern, Amen.“
„Amen, Schlottke und wenn´s beliebt, drei Aves unter Kerzenschein dazu, hat jeder erst im Dorf der stumpfsinnigen Pfeifen vom Licht der Weisheit seinen Teil gehabt und gründlich sich die Klugheit in den Kopf gesoffen, so wird, mein treuer Knecht, ich schwör´s, das Land wie neu geschaffen aus den Ruinen steigen, kein Heide mehr, kein Humpeln und kein Hinken, kein Straucheln mehr, kein Streiten, wo heute noch das Raufen und das Saufen wüten, kehrt morgen schon der Friede frommen Denkens ein. Was treibt Ihr da, mein Schlottke? Er treibt doch was. Ich hörte Schläge, die harten Tones Dinge trafen, die mir noch schleierhaft, doch haben sie sich doch auf rasche Art Gehör und somit auch Respekt verschafft.
Schlagt Ihr Euch Eure Flausen aus dem Schädel, Schlottke, dann weiter frisch ans Werk und frohes Wirken, haut drauf, langt zu, noch, scheint mir, nistet Unrat Euch im Schädel.“
„Na Ihr seid gut, Herr, und was Ihr von meinen Flausen haltet, will ich dieselben schnell wieder unter der Bettdecke verstecken, ich beliebte nur, nach einer Fliege zu klatschen, ich klatschte infolgedessen einmal, ich klatschte zweimal, ich klatschte-.“
„Ja ja, Schlottke, ist gut, ist gut, er klatscht ja noch, wenn andre schon zur Schule gehen. Von mir aus legt die Beine hoch, es muss ihm wieder Blut in Hirn gelangen, sonst fängt er mir noch an, des Fliegenklatschens wegen einen Stich zu kriegen.“
„Am Ende war es so, ich schlug das arme Tierchen tot, infolgedessen plumpste es zu Boden.“
„So ist es wohlgetan, mein werter Schlottke, ich seh´s wie Ihr, man muss den Fliegen ihren Spaß beim Sterben lassen, nicht ewig währt des Lebens Zauber auf einer Fensterbank, und geht der Teller erst zum Brunnen-.“
„Krug, Herr, lassen wir dem Krug den Vortritt vor dem Teller und lassen wir den Krug solange mit dem Henkel in der Hand um den ollen Brunnen herumspazieren, bis er sich selbst einen Vogel zeigt, sich einen Narren schimpft und hungrig heimwärts strebt zu seinen Liebsten.“
„Und dass Ihr´s wisst, Schlottke, geschlachtet wird im Dorf, wenn Frieden zwischen Mensch und Tieren herrscht, nur dann, wenn ich es sage, egal, ob Schaf, Kuh, Ente, Pute oder Gans nur dienstags zwischen eins und drei, doch muss von edler Milde zeugen des Schlachters Tun und Trachten, auch soll-.“
„Und Schweine, Herr?“
„Auch die, Schlottke, gewiss, gewiss, auch Schweine gilt es mitzurechnen, auch deren Dasein ist vom Tod bedroht und endet für gewöhnlich im Verrecken, nicht ewig währt der Säue keckes Grunzen, der Kringelschwänze froher Ringelreigen, egal, geschlachtet wird mit sanfter Hand und beethovenschen Tönen, kann sein, dass auch die Orgel spielt und zart die Harfe jauchzt, wenn schon des Metzgers blutverschmierten Hände-.“
„Das mit der Harfe, Herr, ist eine gute Idee, denn würdet Ihr sie vergessen, die Harfe, meine ich, wo bliebe dann das zart gerupfte Harfenspiel? Und wenn Sie mich das fragen, aber tun Sie es besser nicht, ich wüsste keine Antwort darauf zu geben, glaubt es mir.“
Jetzt war er es, der den Schlottke mit großen Augen anvisierte: „Ich will, die Schlachterei betreffend, Schlottke, wie auch das Quieken braver, unschuldiger Lämmer und ihrer armen Eltern Pein und Kummer, vom Blut nicht einen Tropfen sehen und von den Viechern kein Gejammer und Geflenne hören, doch muss die Tat des Schlachtens allein durch ihre Anmut glänzen, es hilft doch keinem, Schlottke, wenn das Leiden einer Sau den heilgen Sonntagsfrieden stört, stell er sich vor, wir beten, Gott wir loben Dich und machen Kreuze, wie beim Turnen, die Sau indessen, womöglich in den besten Jahren, will ums Verrecken nicht von Freunden, Vettern, Brüdern, Schwestern, Tanten scheiden, dabei ist derlei auch uns Menschen auferlegt, und, Schlottke, jammern wir? Sagt an.“
„Ich für mein Teil“, entgegnete Herr Schlottke, „würde lieber leben als geschlachtet beim Tiefgefrornen enden, Herr, man sagt ja nicht umsonst: Bist du erst tot und stumm, beginnt die Chose andersrum.“
„Er denkt sie sich wohl aus, der Sprüche ungelenke Scherze, der krummen Silben scheppernden Radau, wie, was? Und preist und rühmt sich noch in seinem Wahn, der Dichtkunst bester Federkiel zu sein, womöglich noch ein echter Goethekus, ein Schillerus, mit welchen ich, der Epilog ist schnell berichtet, Schlottke, noch jüngst in Stieselbach, ein Dörfchen hinter Weimar war´s, umgeben von der Wälder krummen Buchen, im Roten Hirschen einst auf Faustus, Räuber und Gedeihen so manches gute Glas geleert, doch setzten wir die selben wieder ab, sowie sie gründlich leergesoffen. Doch eilt die Zeit, Schlottke, jetzt fahr er meine Kutsche vor und spann die Rösser ein, dass er mir frohen Werkes summt der Alten schöne Lieder. Es ruft die Tat, es schreit die Welt nach wackrem Handeln, so stimm er frischen Herzens ein mit mir, na los.“
Er könne nicht singen, klagte Herr Schlottke und hielt sich den Bauch, er sei krank. Er fühle oben ein Reißen, links ein Beißen, unten ein Zwicken und was den Rest anbelange, so zweifele er keine Stunde länger daran, dass es besser sei, sein Lager vorerst nicht zu räumen, dabei stöhnte und jammerte er, als habe sein letztes Stündlein geschlagen.
„Dann nimmt er einen Trunk und schlürfe sich gesund an Bein und Leber, kein Zipperlein auf Erden, das meinem Mondlicht trotzen könnte, wohl ist es wahr, dass ich den Mond in Eimern an das Pack verkaufe, nicht, dass der Sinn mir gar nach Ramsch und Reichtum stünde, den ich mit losen Weibern dann genüsslich wüsste zu verhuren, Schlottke, das ist es nicht.“
„Aha, und was ist es dann, Herr? Sagt´s mir, dann kann ich es auch gleich wieder in aller Ruhe vergessen.“
„Es muss im Edlen immer auch ein Anfang liegen, Schlottke, denn täte es das nicht, wo bliebe das Beginnen?“
„Schön und gut, Herr, aber wenn es ein Narr ist, der sein Tagwerk mit dem Anfang anfängt, dann möchte ich nicht das Ende seiner Kunst erleben, darum nochmal, wenn Ihr gestattet-.“
„Es soll die Menschheit sich an jenen Dingen laben, Schlottke, die bis ins Grab ihr Trost und Beistand spenden, so danket Gott dem Herrn, dass er mich rief und keinen morschen Galgenstrick wie Euch erkor, das heilge Mondlicht in die Welt hinaus zu tragen.“
„Dann tragt Ihr mal schön, Herr“, sagte Herr Schlottke in der Ecke unter seiner Decke, „und wenn Ihr fertig seid, kocht mir bitte ein heißes Hühnersüppchen.“
„Dieses zu schlürfen, rat ich Euch nicht, Schlottke, sonst staut sich noch womöglich mancher Furz vor Eurer Hintertür, bevor derselbe braust ganz frohgemut ins Tageslicht hinaus. Nun hoch das Kinn und auf das Maul, dann sauf er sich von allen Qualen los, na los.“
Dabei führte er dem armen Schlottke den Eimer an den Mund, packte ihn am Schlafittchen und hielt den Eimer so, dass Herr Schlottke sich leicht hätte ein ordentliches Schlückchen genehmigen können, wenn ihm der Putzlappen nicht ins Gesicht gerutscht wäre und aller Durst im Nu verflogen. Daraufhin hieß er den Schlottke, drei weitere Eimer zu holen, und wenn ihn die Mühsal am Ende auch das Leben koste, derlei müsse der Mensch ertragen. Da er ihm in Aussicht stellte, ihn windelweich zu prügeln, falls ihm das misslänge und ihm versprach, ihn noch windelweicher kleinzuhacken, falls es irgendeinen Einspruch gäbe, tat der gute Schlottke, wie ihm aufgetragen.
Schon sah man die zwei die Dorfstraße entlang marschieren. Während Herr Schlottke vier randvoll mit Mondlicht gefüllt Eimer schleppte, stöhnte, fluchte und wimmerte, hatte der, der ihm das alles eingebrockt hatte, seine Hände in den Taschen vergraben und pfiff ein Liedchen nach dem anderen vor sich hin.
Kurz drauf kam ihnen die schielende Rosamunda entgegen, eine junge, in der Blüte ihrer Pracht stehende Maid, welche von der Liebe nur wusste, dass diese einen Bogen um sie machte und selbst beim Schützenfest tanzte kein Bursche mir ihr, weil sie schielte. Kaum, dass die Silberblickige vor ihnen stand, fuhr ihm der Liebeswahn ins Hirn, er riss dem Schlottke die Mütze vom Schopf, deutete auf einen der Eimer und sprach zu Rosamunda: „Des Himmels sei, wie auch des Glückes reichem Segen, wer diesen edlen Tropfen schlürft, so möge es Euch wohlbekommen, kippt, schluckt, sauft, soviel Ihr wollt, dann solln die Englein Euch das Näslein pudern und salben Euch die Hühneraugen.“
„Sie müssen schon entschuldigen“, sagte Herr Schlottke und stellte einen der vier Eimer der Jungfer vor die Füße, „aber mein Herr und Pfuscher aus Kurpfalz geruhen bei seinen Späßen keinen Spaß zu verstehen, gebt ihm um Gottes Willen einen Taler und sauft das Zeug, dass Euch die Kehle platzt, bevor´s des Wüterichs Kragen tut. Man sagt ja nicht umsonst: Wer einmal kostet von des Mondes süßem Wein, der ewig soll gebildet sein.“
Als Rosamunda die beiden so wirres Zeugs reden hörte, aus dem sie vorn nicht schlau und hinten nicht klüger wurde, spuckte sie in einen der Eimer, raffte den Rock und rannte so schnell davon, wie die Beine konnten.
Darauf er: „Es ist das bittre Los der Dummen, Schlottke, dass sie im Augenblick verstummen, da ihnen widerfährt der Wunder Gunst und Gottesgabe, doch soll Vergebung mit dem Prachtweib sein, es riet die Keuschheit ihm, vor mir zu fliehen, bevor es schmachtend meiner Schönheit ihre Unschuld zollte.“
Heidewitzka, dachte Herr Schlottke und biss sich auf die Lippen, um nicht laut los zu prusten.
„Ich will Sie ja nicht unterbrechen, Herr, aber was muss, das muss, und was Eure Schönheit angeht, so bin ich der Meinung, dass man die Dinge ruhig beim Namen nennen sollte, womit ich sagen will, dass Euer Gesicht, vor allem bei Tage, wenn die Sonne Eure Vorderseite als das enttarnt, was sie ist, nämlich-.“
Hierauf bekam er einen solchen Stoß vor die Brust versetzte, dass er sich erstmal um seine Rippen kümmern musste, statt die Schönheit seines Herrn in Zweifel zu ziehen.
Nun war unser Schlottke aber mit seinen Händen flinker, als sein Kopf hell, weswegen es auch keine zwei Tage dauerte und schon hatte er seinem Herrn ein schmuckes Holzkästchen mit abnehmbarem Deckel geschreinert, auf dessen Boden ein kleines, batteriebetriebenes Lämpchen mit einem Draht befestigt und es ihm augenzwinkernd mit den Worten überreicht, jetzt könne er Licht des Mondes, gefangen, gekeltert und nach guter alter deutscher Braukunst gebraut, getrost von Haus zu Haus tragen, um es gegen ein hübsches Sümmchen oder eine Spende für den armen todkranken Jungen im Dorf einzutauschen.
Vor Freude schlug er die Hände vor dem Gesicht zusammen und rief: „Gerülpst, gefurzt und zwei Meter neben Euer Werk geschissen, Schlottke, er kann mich doch am Arsche lecken, doch lenkt er ein, er lecke nicht und das aus wohldurchdachten Gründen, ich will´s, ich kann´s Euch nicht verdenken, Auch soll er grunzen, wie es ihm behagt, mein Wort, das habt Ihr wohlgetan. Ein wahres Kunstwerk, das Ihr schufet und das mit Händen, die im Besitz der Krätze sind.“