Der Mann vom Meer - Julius Regis - E-Book

Der Mann vom Meer E-Book

Julius Regis

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Beschreibung

Ein Kriminalroman zwischen Stockholm und den Schären-Inseln: Der Ingenieur Erik Reynold hat lange im Ausland gearbeitet – und kehrt nun nach Schweden zurück, um seinem Vater in einer wichtigen Angelegenheit zu Seite zu stehen: Dieser hat finanzielle Probleme und muss die Insel Jägarö, die seit Generationen im Familienbesitz ist, früher oder später verkaufen. Es sei denn das seit langem verschollene Millionenerbe der Familie taucht wieder auf … In Schweden galt Maurice Wallion in den 1910er und 1920er Jahren als einheimische Antwort auf Sherlock Holmes: Allerdings ist er robuster als sein Londoner Vorbild – und weniger exzentrisch. Heute könnte man ihn genauso gut als eine Art »Urvater« von Stieg Larssons Protagonisten Mikael Blomkvist bezeichnen: Wallion ist nämlich kein herkömmlicher Privatdetektiv, er ist Journalist. Sein Ruf eilt ihm voraus: Der »Detektivreporter« und »Problemjäger« vom Dagens Kurir. krimischaetze.de Null Papier Verlag

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Julius Regis

Der Mann vom Meer

Maurice Wallion ermittelt. Ein Schwedenkrimi aus den 1920er Jahren.

Julius Regis

Der Mann vom Meer

Maurice Wallion ermittelt. Ein Schwedenkrimi aus den 1920er Jahren.

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2024Klosterstr. 34 · D-40211 Düsseldorf · [email protected]Übersetzung: E. von Kraatz EV: Georg Müller, München, 1929 2. Auflage, ISBN 978-3-954185-36-8

null-papier.de/neu

Inhaltsverzeichnis

Über kri­mis­chaet­ze.de

Über den Au­tor

Über den Ro­man­hel­den Mau­ri­ce Wal­li­on

Über die­ses Buch

Han­deln­de Per­so­nen

Die Nacht hat tau­send Au­gen

I.

II.

III.

IV.

Ein Licht geht auf

I.

II.

III.

IV.

Je­mand flüs­tert

I.

II.

III.

IV.

V.

Je­mand schreit

I.

II.

III.

IV.

Un­ter­richt in Lo­gik

I.

II.

III.

IV.

V.

Zorn

I.

II.

III.

IV.

Er ist ge­kom­men

I.

II.

III.

IV.

Um einen Tisch her­um

I.

II.

III.

IV.

Das ist nicht mög­lich

I.

II.

III.

IV.

V.

Der Mann vom Meer

I.

II.

III.

IV.

V.

VI.

Erik se­gelt durchs Gra­nit­tor

I.

II.

Die Mine platzt

I.

II.

III.

IV.

V.

VI.

Dan­ke

Dan­ke, dass Sie sich für ein E-Book aus mei­nem Ver­lag ent­schie­den ha­ben.

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kri­mis­chaet­ze.de

Der Drachen­teich

Fräu­lein Ban­dit

Die blaue Spur – Mau­ri­ce Wal­li­on er­mit­telt

Das ver­schwun­de­ne Haus

Der Tod im Ka­si­no

Der Mann vom Meer

Auf der Flucht

Die wei­ße Nel­ke

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Über krimischaetze.de

Kri­mi­nal­ro­ma­ne sind heut­zu­ta­ge er­folg­reich wie nie. Kri­mi-Klas­si­ker? Da den­ken die meis­ten so­fort an Aga­tha Chris­tie (1890-1976) oder Ed­gar Wal­lace (1875-1932). Tat­säch­lich ge­hör­ten die bri­ti­schen Au­to­ren zu den ers­ten, die in den »wil­den« 1920er Jah­ren ins Deut­sche über­setzt wur­den. Kri­mi-Fans ken­nen oft auch den Schwei­zer Fried­rich Glau­ser (1896-1938), den Na­mens­ge­ber des Glau­ser-Prei­ses -- eine der wich­tigs­ten Aus­zeich­nun­gen für deutsch­spra­chi­ge Kri­mi-Au­to­ren. Wie viel­fäl­tig die Kri­mi-Sze­ne in der Wei­ma­rer Re­pu­blik war, ist in der brei­ten Öf­fent­lich­keit je­doch voll­kom­men in Ver­ges­sen­heit ge­ra­ten. Für kri­mis­chaet­ze.de ha­ben sich Jür­gen Schul­ze, Ver­le­ger des Null Pa­pier-Ver­la­ges, und Se­bas­ti­an Brück, Au­tor und Jour­na­list, zu­sam­men­ge­tan, um alte Kri­mi-Best­sel­ler neu zu ent­de­cken und als E-Book ver­füg­bar zu ma­chen -- über­ar­bei­tet, in neu­er Recht­schrei­bung und mit er­klä­ren­den Fuß­no­ten ver­se­hen.

Das kri­mis­chaet­ze.de-Pro­gramm star­tet zu­nächst mit sechs Ti­teln -- so­wohl Über­set­zun­gen aus dem Eng­li­schen (S.S. Van Dine) und Schwe­di­schen (Ju­li­us Re­gis), als auch deutsch­spra­chi­ge Ori­gi­na­le: In je zwei Fäl­len er­mit­teln Phi­lo Van­ce, der »ame­ri­ka­ni­sche Sher­lock Hol­mes«, und Mau­ri­ce Wal­li­on, der »De­tek­tivre­por­ter« und »Ur­va­ter« von Stieg Lars­sons »Mil­le­ni­um«-Pro­tago­nist Mi­kael Blom­qvist. Eben­falls ver­tre­ten sind die ver­ges­se­nen Wer­ke zwei­er jü­di­scher Au­to­ren: Die in Bu­da­pest, Pa­ris und San Se­bas­tián spie­len­de Kri­mi­ko­mö­die »Fräu­lein Ban­dit« des Ös­ter­rei­chers Jo­seph Del­mont so­wie der hu­mor­vol­le Kri­mi­nal­ro­man »Das ver­schwun­de­ne Haus -- oder: Der Ma­ha­ra­dscha von Bre­cken­dorf« des Frank­fur­ters Karl Ett­lin­ger.

In Zu­kunft wer­den bei www.krimischaetze.de re­gel­mä­ßig wei­te­re Ti­tel er­schei­nen.

Über den Autor

Ju­li­us Re­gis Pet­ters­son schuf die ers­te schwe­di­sche Kri­mi­se­rie, in der ein Jour­na­list die Haup­trol­le über­nimmt. Sei­ne Mau­ri­ce-Wal­li­on-Ro­ma­ne wa­ren ein großer Er­folg -- so­wohl in sei­ner Hei­mat, als auch dar­über hin­aus (Über­set­zun­gen un­ter an­de­rem ins Eng­li­sche und Deut­sche).

Re­gis wur­de 1889 in Stock­holm als Sohn ei­ner Kauf­manns­fa­mi­lie ge­bo­ren und mach­te 1909 im Stadt­teil Sö­der­malm sei­nen Schul­ab­schluss. Da­nach stu­dier­te er an der Stock­holms Högs­ko­la Li­te­ra­tur­ge­schich­te und ar­bei­te­te als Schluss­re­dak­teur in ei­nem Ver­lag. Ne­ben­bei be­gann er zu schrei­ben: Meist kur­ze Aben­teu­er­ge­schich­ten -- stark be­ein­flusst von dem in Schwe­den sehr po­pu­lä­rem Ju­les Ver­ne --, die in ver­schie­de­nen Li­te­ra­tur­zeit­schrif­ten er­schie­nen. Von den ers­ten Er­fol­gen an­ge­spornt, kün­dig­te er sei­ne Stel­le und star­te­te eine er­folg­rei­che Dop­pel­kar­rie­re als Film­kri­ti­ker und von Ar­thur Co­nan Doy­le und Gas­ton Leroux in­spi­rier­ter Kri­mi­nal­schrift­stel­ler. Au­ßer­dem war er als Über­set­zer tä­tig und ver­ant­wor­te­te un­ter an­de­ren ei­ni­ge schwe­di­sche Aus­ga­ben der Wer­ke von Ro­bert Louis Ste­ven­son. Re­gis war nicht ver­hei­ra­tet und hat­te kei­ne Kin­der. Er starb 1925, mit nur 35 Jah­ren und auf dem Hö­he­punkt sei­ner Kar­rie­re, an ei­ner chro­ni­schen Herz­muskel­ent­zün­dung.

Über den Romanhelden Maurice Wallion

In Schwe­den galt Mau­ri­ce Wal­li­on in den 1910er und 1920er Jah­ren als ein­hei­mi­sche Ant­wort auf Sher­lock Hol­mes: Al­ler­dings ist er ro­bus­ter als sein Lon­do­ner Vor­bild -- und we­ni­ger ex­zen­trisch. Heu­te könn­te man ihn ge­nau­so gut als eine Art »Ur­va­ter« von Stieg Lars­sons Pro­tago­nis­ten Mi­kael Blomkvist be­zeich­nen: Wal­li­on ist näm­lich kein her­kömm­li­cher Pri­vat­de­tek­tiv, er ist Jour­na­list. Sein Ruf eilt ihm vor­aus: Der »De­tek­tivre­por­ter« und »Pro­blem­jä­ger« vom Da­gens Kur­ir.

Mau­ri­ce Wal­li­on wohnt am Val­hal­la­vä­gen im no­blen Stock­hol­mer Be­zirk Ös­ter­malm Mit sei­ner brei­ten Stirn und dem vor­sprin­gen­den Kinn ist er zwar nicht be­son­ders gut­aus­se­hend, wohl aber eine ener­gi­sche und cha­ris­ma­ti­sche Per­sön­lich­keit, die Men­schen für sich ein­nimmt. Er hat eine tie­fe Stim­me, graue Au­gen und ein scharf­ge­schnit­te­nes, stets glat­tra­sier­tes Ge­sicht. Wal­li­on ist ele­gant ge­klei­det, raucht viel und glaubt nicht an Zu­fäl­le: Er sieht in je­dem Er­eig­nis das Glied ei­ner Ket­te, »und wenn man die­se Ket­te ver­folgt, fin­det man al­le­mal die Er­klä­rung.« Wal­li­on kann sehr char­mant sein -- wenn er je­doch in ge­fähr­li­che Si­tua­tio­nen ge­rät, in de­nen ihm sei­nen in­tel­lek­tu­el­len Fä­hig­kei­ten nicht mehr wei­ter hel­fen, zö­gert er kei­ne Se­kun­de, sei­ne Fäus­te ein­zu­set­zen.

Über dieses Buch

Ein Kri­mi­nal­ro­man zwi­schen Stock­holm und den Schä­ren-In­seln: Der In­ge­nieur Erik Reynold hat lan­ge im Aus­land ge­ar­bei­tet -- und kehrt nun nach Schwe­den zu­rück, um sei­nem Va­ter in ei­ner wich­ti­gen An­ge­le­gen­heit zu Sei­te zu ste­hen: Die­ser hat fi­nan­zi­el­le Pro­ble­me und muss die In­sel Jä­garö, die seit Ge­ne­ra­tio­nen im Fa­mi­li­en­be­sitz ist, frü­her oder spä­ter ver­kau­fen. Es sei denn das seit lan­gem ver­schol­le­ne Mil­lio­ne­ner­be der Fa­mi­lie taucht wie­der auf ...

Auf dem Weg zu sei­nem Va­ter hat Erik den In­ge­nieurs­kol­le­gen Ma­xi­mi­li­an Colt ken­nen ge­lernt, der eben­falls in Stock­holm zu tun hat. Nach ei­nem Re­stau­rant­be­such un­ter­neh­men sie eine Spritz­tour mit Colts Wa­gen und über­nach­ten spon­tan in ei­ner ver­las­se­nen Vil­la am Stadt­rand. Was zu­nächst wie ein spät­pu­ber­tä­rer Streich an­mu­tet, ent­puppt sich am nächs­ten Mor­gen als Tra­gö­die: Als Erik auf­wacht, sind sei­ne Hän­de blut­ver­schmiert, und auf dem Flur liegt ein To­ter, er­sto­chen mit ei­nem De­gen aus der in der Vil­la be­find­li­chen Waf­fen­samm­lung. Ist Eriks Nei­gung zum Schlaf­wan­deln ver­ant­wort­lich? Hat er den Ein­bre­cher über­rascht und ge­tö­tet? Wel­che In­ter­es­sen ver­folgt Ma­xi­mi­li­an Colt? Und gibt es den »Mann vom Meer« wirk­lich, der an­geb­lich schon im 18. Jahr­hun­dert zum ers­ten Mal auf Jä­garö er­schie­nen und vor kur­z­em wie­der auf­ge­taucht ist? Die­sen und noch viel mehr Fra­gen muss sich Jour­na­list und »Pro­blem­jä­ger« Mau­ri­ce Wal­li­on stel­len, als er von Erik be­auf­tragt wird, Licht ins Dun­kel zu brin­gen ...

Handelnde Personen

Mau­ri­ce Wal­li­on: Jour­na­list mit de­tek­ti­vi­schen Fä­hig­kei­ten

Erik Reynold: In­ge­nieur, hat lan­ge Zeit im Aus­land ge­ar­bei­tet, zu­letzt in Al­gier.

Hu­go Reynold: Sein Va­ter, lebt auf der Schä­ren­in­sel Jä­garö.

Mar­ta He­ge­li­us: Sei­ne Cou­si­ne, die 24­jäh­ri­ge führt für Hugo Reynold den Haus­halt.

To­bi­as: Haus­hof­meis­ter auf Jä­garö

Ma­xi­mi­li­an Colt: In­ge­nieurs­kol­le­ge von Erik Reynolds, ist auf Ge­schäfts­rei­se, ar­bei­tet nor­ma­ler­wei­se als We­ge­bau­er in Süd­afri­ka.

Adam Dra­ken­borch: Ku­ba­ner mit spi­ri­tis­ti­schen Vor­lie­ben, hat auf der Nach­ba­rin­sel von Jä­garö ein Som­mer­haus ge­mie­tet.

Do­lo­res Dra­ken­borch: Sei­ne Toch­ter, ein Me­di­um.

Na­po­león: De­ren Die­ner, von Adam Dra­ken­borch oft ab­ge­kürzt Po­león ge­nannt.

Lind­ström: Hat auf Jä­garö Acker­land von den Reynolds ge­pach­tet.

K­nut: Sein Sohn.

Ewald Se­burg: In­ge­nieur und Tauch-Spe­zia­list, soll den Mee­res­grund vor Jä­garö ab­su­chen.

Lang: Ad­la­tus von Mau­ri­ce Wal­li­on.

Jour­dain: Bel­gi­scher Po­li­zei­be­am­ter aus Brüs­sel

As­pe­land: Po­li­zei­kom­missar in Stock­holm

Die Nacht hat tausend Augen

I.

Die bei­den Her­ren, die am Tisch ne­ben der Bal­kon­tür zur Nacht aßen, er­reg­ten hier und da Auf­merk­sam­keit. Jetzt schwie­gen sie bei­de, aber erst nach ei­nem hef­ti­gen Wort­wech­sel, den der jün­ge­re von ih­nen durch eine lau­te, hit­zi­ge Ant­wort ab­ge­bro­chen hat­te: »Nach Süd­afri­ka rei­se ich nicht!«

Sei­ne bis­her kna­ben­haft fro­hen Au­gen hin­gen fins­ter an dem Wein­glas, das er zwi­schen den Fin­gern hin und her dreh­te. Das blon­de Haar er­schi­en we­gen des son­nen­ge­bräun­ten Ge­sichts noch hel­ler. Er zähl­te neun­und­zwan­zig bis drei­ßig Jah­re. Sein etwa um zehn Jah­re äl­te­rer Beglei­ter hat­te ein dunkles, hüb­sches Ge­sicht mit ener­gi­schen Zü­gen, die un­ver­wandt an dem an­de­ren hin­gen.

Fast alle Ti­sche des strah­lend er­leuch­te­ten Re­stau­rants wa­ren be­setzt, und das Stim­men­ge­wirr nahm zu, als auf ein Gei­gen­so­lo fröh­li­che Re­vue­schla­ger folg­ten. Die mil­de Luft des Juli-Abends stand still und durch­sich­tig über Stock­holm, und an den Kais spie­gel­ten sich lan­ge Rei­hen von La­ter­nen im blan­ken Was­ser.

Eine jun­ge Dame mit ei­ner Zi­ga­ret­te im Mun­de beug­te sich zu ih­rem Beglei­ter hin­über und flüs­ter­te, wor­auf die­ser sich um­dreh­te und die bei­den Her­ren be­trach­te­te.

»Den Jün­ge­ren ken­ne ich«, hör­te man ihn sa­gen, als die Mu­sik ge­ra­de ver­stumm­te. »Es ist Erik Reynold, der vor ei­ni­gen Jah­ren als gu­ter Sports­mann be­kannt war, aber dann gab es in Upp­sa­la ir­gend­ei­nen Skan­dal, wes­we­gen er die Uni­ver­si­tät ver­ließ, sein In­ge­nieur­ex­amen mach­te und au­ßer Lan­des ging. Er muss erst ganz kürz­lich zu­rück­ge­kehrt sein. Der an­de­re sieht aus wie ein Aus­län­der.«

Erik Reynolds brau­ne Wan­gen rö­te­ten sich. Er blick­te auf und be­geg­ne­te dem fes­ten Blick sei­nes Tisch­ge­nos­sen. Bei­de hat­ten schar­fe Ohren.

»Lass uns ge­hen«, mur­mel­te Erik und leer­te sein Glas. »Ich hät­te dar­auf ge­fasst sein müs­sen, aber ich ge­ste­he, dass es mich reizt.«

»Das sind so die klei­nen An­nehm­lich­kei­ten des Da­heim­seins«, sag­te Ma­xi­mi­li­an Colt lä­chelnd. »Dei­ne Lands­leu­te ha­ben kräf­ti­ge Stim­men und ein gu­tes Ge­dächt­nis. Ich sage ›dei­ne‹, weil man mich be­harr­lich für einen Aus­län­der hält. Das ist mir ei­ner­lei, aber von die­sem ziem­lich trink­ba­ren Sher­ry möch­te ich mich noch nicht tren­nen.«

Er füll­te sein Glas von neu­em und rich­te­te den Blick dann so­fort wie­der auf Erik.

»Hab’ ich dir schon mal er­zählt, dass ich Spi­ri­tist bin? Zu­wei­len ge­ben die dunklen Mäch­te den­je­ni­gen, die ver­ste­hen, Zei­chen. Dir wird es hier nicht gut ge­hen. Über­leg’ es dir, be­vor es zu spät ist. Süd­afri­ka ist die größ­te Chan­ce dei­nes Le­bens, und ich bin’s, der sie dir bie­tet.«

»Zum letz­ten Mal: nein!«

»Du hast dei­nen Ent­schluss ge­fasst?«

»Hab’ ich mich nicht deut­lich ge­nug aus­ge­spro­chen?«

»Du willst nach Hau­se zu dei­nem Va­ter?«

»Ist das so er­staun­lich? Wa­rum soll­te ich das letz­te klei­ne Ende der Rei­se auf­ge­ben, nach­dem ich von so­weit her­ge­kom­men bin!« Erik strich sich über sei­ne von vie­lem Wein er­hitz­te Stirn. »Mir ist, als ob ich plötz­lich er­wach­te. Wes­halb bin ich drei Tage in Stock­holm ge­blie­ben, ohne mich ent­schlie­ßen zu kön­nen? Das kommt mir jetzt ganz sinn­los vor.«

Colts Ge­sicht ver­zog sich zu ei­nem Lä­cheln, das nicht von Hei­ter­keit, son­dern von krampf­haf­tem Nach­den­ken zeug­te. Das Or­che­s­ter hat­te sei­ne Abend­auf­ga­be er­le­digt, und die Mu­si­kan­ten gin­gen von dan­nen.

»Die Reynold­schen Mil­li­ar­den schei­nen ihre Zau­ber­kraft nicht ein­ge­büßt zu ha­ben«, sag­te Colt. »Ihr Reynolds seid eine son­der­ba­re Fa­mi­lie. Seit zwei­hun­dert Jah­ren jagt ihr die­ser sa­gen­haf­ten Erb­schaft nach, ohne auch nur einen Bruch­teil da­von zu fin­den, ohne auch nur ein ge­schrie­be­nes Te­sta­ment dar­über zu be­sit­zen -- ja ohne noch dazu fest­stel­len zu kön­nen, wo und wann euer Stamm­va­ter ge­stor­ben ist. Glaubst du denn wirk­lich an die­ses alte Mär­chen?«

»Er war nicht mein Vor­fahr. Es wa­ren zwei Brü­der, Erik und Bern­hard Reynold. Der äl­te­re ging ins Aus­land, war erst Ka­per­ka­pi­tän in hol­län­di­schen Diens­ten und spä­ter Plan­ta­gen­be­sit­zer und Kauf­mann. Dass er ein rei­cher Mann war, steht fest. Der jün­ge­re blieb in Schwe­den, und ich bin sein letz­ter Nach­kom­me in ge­ra­der Li­nie. Es ist also nur na­tür­lich, dass ich we­nigs­tens den Glau­ben und die Hoff­nung mei­ner Vor­fah­ren ge­erbt habe.«

»Als ich dich in Ams­ter­dam traf, schi­en es nicht so.«

»Du weißt ja, dass ein drin­gen­der Brief mei­nes Va­ters mich be­wog, nach Ams­ter­dam zu fah­ren, um dort neue For­schun­gen an­zu­stel­len.«

»Und die­se er­ga­ben...?«

»Un­ge­fähr eben­so we­nig wie frü­he­re Er­kun­di­gun­gen.«

»Und den­noch kommst du ar­tig nach Hau­se und op­ferst dei­ne ei­ge­ne Zu­kunft, um in ei­ner Ecke zu sit­zen und die Il­lu­sio­nen dei­nes Va­ters zu tei­len.«

Erik Reynold be­weg­te un­mu­tig den Kopf, als ob sein Kra­gen zu eng ge­wor­den wäre. »Ich habe ja nicht ge­sagt, dass ich an die Sa­che glau­be. Aber ich las­se mei­nen Va­ter nicht im Stich, wenn er mich nö­tig hat.«

Colt lach­te wie­der, und der leicht be­rausch­te Erik glaub­te ver­fehl­te Iro­nie in dem dunklen, schma­len Ant­litz zu ge­wah­ren. »Im Üb­ri­gen be­grei­fe ich nicht, warum du un­be­dingt willst, dass ich wie­der ab­rei­se!«, rief er aus. »Ich hat­te dich ja noch nie ge­se­hen, als wir uns vor drei Wo­chen in Ams­ter­dam ken­nen­lern­ten.«

»Well my boy, ers­tens sind wir doch nicht um­sonst Kol­le­gen. Al­ler­dings warst du Gru­ben­in­ge­nieur in Al­gier und ich We­ge­bau­er in Süd­afri­ka, aber im­mer­hin ... Au­ßer­dem seh’ ich nicht gern, dass ein jun­ger Mann so un­prak­tisch ist wie du. Ich woll­te dir einen freund­schaft­li­chen An­stoß in die rich­ti­ge Rich­tung ver­set­zen -- das ist al­les.«

»Ich lass mich nicht gern an­sto­ßen«, mur­mel­te Erik und wink­te dem Kell­ner. Sie be­zahl­ten und ver­lie­ßen schwei­gend das Lo­kal.

Colt war kühl und ge­las­sen wie im­mer, wäh­rend die Be­we­gung nach dem lan­gen Still­sit­zen auf Reynold ein­wirk­te, so dass er la­chen­de Mäd­chen­ge­sich­ter und strah­lend er­leuch­te­te Tram­wa­gen wie durch einen Schlei­er sah. Colt ging auf sein ei­ge­nes klei­nes grau­es Sport­au­to zu. »Und die nächs­te Sta­ti­on?«, frag­te er.

»Es kommt mir vor, als ob wir heu­te Abend schon ge­nug er­lebt ha­ben«, er­wi­der­te Erik. »Ich stim­me fürs Ho­tel.«

»Mir soll’s recht sein.« Colt fuhr lang­sam und sah aus, als ob er tief nach­dach­te. Erst nach ei­ner Wei­le frag­te er plötz­lich: »Was war das für ein Vor­fall in Upp­sa­la?«

Die Fra­ge kam so un­er­war­tet, dass Erik ihn be­trof­fen an­sah.

»Oh, du brauchst na­tür­lich nicht zu ant­wor­ten, wenn du es nicht willst«, fuhr Colt lä­chelnd fort. »Aber du hast schon mehr­fach auf die Sa­che an­ge­spielt, und ich bin be­kannt­lich ein neu­gie­ri­ger Mensch. Au­ßer­dem mach’ ich selbst so oft dum­me Strei­che, dass es mich freut, wenn an­de­re es auch tun.«

»Ich weiß nicht recht, ob Skan­dal oder dum­mer Streich das rich­ti­ge Wort da­für ist«, er­wi­der­te Erik zö­gernd. »Aber es war ein sehr un­an­ge­neh­mer Vor­fall. Ich war da­mals drei­und­zwan­zig Jah­re alt und stu­dier­te in Upp­sa­la Mi­ne­ra­lo­gie. Mag sein, dass ich ein biss­chen wild war. Mei­ne Cli­que ge­hör­te nicht zu den zahms­ten. Aber was sich schließ­lich er­eig­ne­te, war gänz­lich un­vor­her­ge­se­hen. Nach ei­nem großen Uni­ver­si­täts­fest war ich nach Hau­se ge­gan­gen und fest ein­ge­schla­fen. Eine Stun­de dar­auf kam ein Stu­dent in mein Zim­mer her­ein, um ir­gend­ei­nen Un­fug zu ma­chen. Da sprang ich auf, hob einen Stuhl em­por, jag­te ihn die Trep­pe hin­ab und ver­setz­te ihm zum Schluss einen so furcht­ba­ren Schlag über den Kopf, dass er be­sin­nungs­los lie­gen blieb. Er muss­te ins Kran­ken­haus ge­bracht wer­den -- aber nun kommt das Merk­wür­di­ge: Ich war wie­der zu Bett ge­gan­gen, so­bald ich ihn nie­der­ge­schla­gen hat­te, und als ich früh­mor­gens ge­weckt wur­de, hat­te ich kei­ne Erin­ne­rung mehr an den Vor­fall.«

Colt warf ihm einen schar­fen Blick zu. »Wirk­lich nicht?«

»Nein, ich hat­te es im Schlaf ge­tan. Es wun­dert mich nicht, dass du es be­zwei­felst. Das tat man in Upp­sa­la auch. Ich war mit of­fe­nen Au­gen auf­ge­stan­den und hat­te so­gar mit ihm ge­spro­chen, aber dass ich mich in som­nam­bu­lem Zu­stand be­fand, ist Tat­sa­che. Als Kind, bis zu mei­nem fünf­zehn­ten Jahr, habe ich oft ge­schlaf­wan­delt, ein­mal fand man mich oben auf ei­nem ho­hen Schrank, ohne dass ich wuss­te, wie ich da­hin­auf­ge­kom­men war. Spä­ter glaub­te ich mei­nen Som­nam­bu­lis­mus über­wun­den zu ha­ben, aber je­nes Er­eig­nis in Upp­sa­la war ein hef­ti­ger Rück­fall. Mei­ne Er­klä­run­gen fan­den kei­nen Glau­ben. Man be­trach­te­te mich als einen Un­hold, der im Rausch einen Ka­me­ra­den über­fal­len hat­te. Mei­ne Stel­lung wur­de un­er­träg­lich. Des­halb brach ich mein Stu­di­um in Upp­sa­la ab, mach­te mei­nen Dr. ing. in Stock­holm und be­gab mich ins Aus­land. In den al­ge­ri­schen Kup­fer­mi­nen fand ich dann Ar­beit, die mir zu­sag­te, und dort bin ich drei Jah­re lang ge­blie­ben.« Er sprach lei­se und has­tig, als ob es ihn dräng­te, end­lich ein­mal aus­zu­spre­chen, wor­über er so oft und bit­ter­lich ge­grü­belt hat­te. Colts Au­gen hin­gen un­ver­wandt an ei­nem Rad­fah­rer, der in Schlan­gen­win­dun­gen vor dem Auto hin und her fuhr.

»Hast du noch mehr sol­che Rück­fäl­le ge­habt?«, frag­te er schließ­lich.

Die Ant­wort ließ auf sich war­ten.

»Ja, als ich in Con­stan­ti­ne1 war«, sag­te Erik mit sicht­li­chem Wi­der­stre­ben, denn er be­reu­te sei­ne Beich­te be­reits. »Ein Ein­bre­cher klet­ter­te nachts, wäh­rend ich schlief, zum Fens­ter her­ein. Da soll ich mich wie ein Ti­ger auf ihn ge­stürzt ha­ben. Glück­li­cher­wei­se ka­men in­fol­ge des Lärms so­fort Leu­te an­ge­lau­fen und ris­sen uns aus­ein­an­der, sonst hät­te ich ihn viel­leicht er­würgt. Er war halb tot, als ich er­wach­te und ihn von Men­schen um­ringt am Bo­den lie­gen sah.«

Bei der Erin­ne­rung an die­ses Er­wa­chen schau­der­te er, und sein Ton rief bei Colt ein halb zy­ni­sches, halb mit­lei­di­ges Lä­cheln her­vor. »Nimm es nicht so ernst«, sag­te er. »Sol­che Fäl­le er­re­gen in Al­gier si­cher­lich weit we­ni­ger Auf­se­hen als in Upp­sa­la.«

»Oh, man be­glück­wünsch­te mich we­gen mei­nes Muts, denn der Kerl hat­te ein Mes­ser bei sich. Aber es ist eine schreck­li­che Sa­che, sich selbst nicht zu ken­nen, Colt. Die Macht des Un­ter­be­wusst­seins lockt und be­un­ru­higt mich. Bin ich ein an­de­rer Mensch, wenn ich schla­fe? Ein pri­mi­ti­ver­es Ge­schöpf, wenn mein wa­cher Wil­le ab­ge­kop­pelt ist? Welch ein de­mü­ti­gen­der Ge­dan­ke!«

Colt dreh­te den Kopf und be­trach­te­te den jün­ge­ren Mann mit spöt­ti­scher Mie­ne. »Man tut fort­wäh­rend, was man nicht will«, sag­te er. »Für mich selbst habe ich eine sehr prak­ti­sche For­mel ge­fun­den -- näm­lich stets zu wol­len was ich tue. Das beugt in­ne­ren Kon­flik­ten vor.«

Das Auto nä­her­te sich der Va­sa­ga­tan2 und mach­te dann plötz­lich an ih­rer Ecke halt. Colt saß mit bei­den Hän­den am Lenk­rad und starr­te zu dem Ho­tel hin­über.

»Was nun?«, frag­te Erik. »Wes­halb hältst du denn hier und nicht vor un­se­rem Ho­tel?«

Colt lenk­te das Auto rück­wärts in eine Ne­ben­stra­ße. Dann lach­te er und er­wi­der­te: »Ich hat­te eine Vi­si­on von hei­ßen, stau­bi­gen Ho­tel­zim­mern. Frei­wil­lig gehe ich in ei­ner Nacht wie die­ser nicht in den Stall hin­ein. -- Lass uns wie freie Män­ner über­nach­ten, und nicht wie das Vieh!« Er dreh­te um und fuhr den­sel­ben Weg zu­rück, den sie ge­kom­men wa­ren.

Reynold at­me­te die mil­de Nacht­luft in tie­fen Zü­gen ein. »Wohl ge­spro­chen«, sag­te er. »Dei­ne Ein­ge­bun­gen sind eben­so glück­lich wie plötz­lich. Aber wo­hin?«

»Along the road to any­whe­re, the wide world at our feet«, zi­tier­te der an­de­re, und sei­ne Au­gen blitz­ten.

Erik Reynold lehn­te sich be­frie­digt zu­rück. Der star­ke Luft­zug er­frisch­te ihn, denn Colt, der nun die Rich­tung nach Nor­den ein­ge­schla­gen hat­te, fuhr schnell und im­mer schnel­ler.

»Hof­fent­lich sind hier jetzt kei­ne Po­li­zis­ten!«, be­merk­te Erik, als eine fer­ne Turm­uhr auf­tauch­te. Es war schon nach Mit­ter­nacht. Bald wur­de die Ge­gend länd­li­cher. Ein lei­ser Wind weh­te aus Os­ten. Der kommt von den In­seln, dach­te Erik, von Jä­garö, dem ein­zi­gen Be­sitz der Fa­mi­lie Reynold, nach­dem im Lauf der bei­den letz­ten Jahr­hun­der­te al­les an­de­re im Zei­chen je­nes ver­häng­nis­vol­len Erb­schat­zes drauf­ge­gan­gen war.

Erik hat­te sei­nen Va­ter seit vier Jah­ren nicht ge­se­hen und wäre noch in Al­gier ge­blie­ben, wenn ein Brief sei­nes Va­ters ihn nicht be­un­ru­higt hät­te. Zwar war sei­ne Cou­si­ne Mar­ta He­ge­li­us seit ei­ni­ger Zeit ganz nach Jä­garö über­ge­sie­delt und eine Stüt­ze für den al­ten Herrn, aber je­ner Brief er­zähl­te von schwe­ren Sor­gen und der dro­hen­den Ge­fahr, Jä­garö ver­kau­fen zu müs­sen. Un­ter die­sen Um­stän­den war es wohl kein Wun­der, dass Hugo Reynold sich in die ur­al­ten Aus­sich­ten auf die Rie­se­nerb­schaft ge­flüch­tet hat­te. Er schrieb, dass er glau­be, einen neu­en Leit­fa­den ge­fun­den zu ha­ben, und bat, Erik möge nach Hau­se kom­men und un­ter­wegs ge­wis­se, ge­nau an­ge­ge­be­ne Nach­for­schun­gen an­stel­len. Das moch­te der Sohn ihm nicht ab­schla­gen, ob­gleich er sich kei­ner­lei Hoff­nun­gen mach­te und dem al­ten aus­sichts­lo­sen Pro­blem so ab­leh­nend ge­gen­über­stand, dass er dem Wie­der­se­hen mit sei­nem Va­ter mit star­kem Un­be­ha­gen ent­ge­gensah.

Das Auto ras­te wei­ter gen Nor­den. Jetzt führ­te der Weg be­reits zwi­schen dich­ten Laub­mas­sen hin­durch, und Colt be­gann all­mäh­lich lang­sa­mer zu fah­ren, um sich zu ori­en­tie­ren. An ei­ner Kur­ve hielt er an und späh­te stumm vor sich hin. Der Mo­tor summ­te lei­se. In der Fer­ne lärm­te ein Mo­tor­rad, schi­en aber einen an­de­ren Weg ein­zu­schla­gen, denn bald erstarb das Geräusch. Zu Eriks Ver­wun­de­rung hat­te Colts Ge­sicht einen ge­spann­ten, wach­sa­men Aus­druck an­ge­nom­men.