Der Marionettenmord - Kerstin Kirchhofen - E-Book

Der Marionettenmord E-Book

Kerstin Kirchhofen

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Beschreibung

Kann jeder einen Menschen töten? Diese Frage quält Leon Lange, einen schüchternen Kreditberater. Seit seinem Neuanfang in Frankfurt schneidet er in seinen Träumen Nacht für Nacht einer Prostituierten die Kehle durch. Als er Indizien eines realen Mordes in seiner Wohnung findet, zweifelt Leon an seinem Verstand. Mit seiner besten Freundin Mia macht er sich auf die Suche nach der Wahrheit. Bei ihren Nachforschungen stoßen sie auf immer mehr Hinweise, die Leon belasten. Aber warum kann er sich nicht an die Tat erinnern? Je tiefer Mia und Leon graben, umso mehr geraten sie in ein Labyrinth aus Lügen und Intrigen. Wem kann er noch vertrauen?

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Seitenzahl: 207

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Kerstin Kirchhofen, Jahrgang 1990, arbeitet als Beraterin in der Kreditabwicklung. Nach einem erfolgreichen Abschluss ihrer Ausbildung zur Bankkauffrau hat sie über zehn Jahre ihre Kunden rund um Geldanlagen, Kredite und Versicherungen beraten. Seit Ende 2022 hilft sie Kunden, die in Zahlungsschwierigkeiten geraten sind. In diesen Fällen muss mit den Kunden eine individuelle Lösung gefunden werden, was jedes Mal eine kreative Herausforderung ist.

Für eine kurze Zeit sattelte Kerstin auf Berufskraftfahrerin um, merkte jedoch schnell, dass die Freiheit auf der Straße nicht den abwechslungsreichen Kundenkontakt ersetzt. Die Zeit auf der Autobahn rüstete sie jedoch mit Ideen für spannende Geschichten aus, die unter anderem in ihrem aktuellen Thriller einfließen.

Sie lebt zusammen mit ihrem Mann und Hund in einem beschaulichen Dorf namens Effeld, nahe der niederländischen Grenze.

Zu ihrem literarischen Vorbild gehört Sebastian Fitzek, dessen Online-Kurs „Meet your Master“ die Leidenschaft zum Schreiben endgültig entfachte. Schon seit Kerstin lesen kann, ist sie von Büchern begeistert und wollte immer eine eigene Geschichte zu Papier bringen. Kerstin nutzt das Schreiben, um ihre Gedanken zu sortieren und über die Welt nachzudenken.

ihre Gedanken zu sortieren und über die Welt nachzudenken.

Kerstin Kirchhofen

Der Marionetten Mord Wer zieht die Fäden?

© 2023 Kerstin Kirchhofen

Lektorat: Ellen Rennen (www.texpertin.de)

Coverdesign: Anne Fuchs (www.derbuntefuchs.de)

Korrektorat: Marleen Walter (www.lektorat-librelle.de)

ISBN Softcover: 978-3-347-96895-0

ISBN E-Book: 978-3-347-96896-7

Druck und Distribution im Auftrag: tredition GmbH, Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg, Germany

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist Kerstin Kirchhofen verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne Kerstin Kirchhofen unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg, Deutschland

Für Rebecca Gotzen,

deren Stärke ich bewundere

und die immer ihren eigenen Weg geht.

Du bist die Beste!

Inhalt

Cover

Titelblatt

Urheberrechte

Widmung

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Danksagung

Der Marionettenmord

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Prolog

Das Taxi fuhr knirschend die breite Kieseinfahrt zur herrschaftlichen Villa hinauf. Die Fenster im zweistöckigen Turm auf der Ostseite spiegelten die blutroten Strahlen der aufgehenden Sonne wider. Ein umgekippter Spielzeugbagger lag vor den Stufen, die zur alten Holztür führten. Das weiße Herrenhaus war vor vier Jahren aufwändig restauriert worden. Jahrhundertealte Tannen säumten das riesige Grundstück, hinter dem ein dichter Wald begann. Der nächste Nachbar war zwei Kilometer entfernt.

Der Fahrer umrundete den Springbrunnen, hielt direkt vor dem Eingang und öffnete ihr die Beifahrertür. Außer dem Rauschen der Bäume und dem Plätschern des Springbrunnens war nichts zu hören. Anfangs hatte sie die Stille gehasst, doch ihr Ehemann hatte sie zum Kauf der Villa überredet.

„Die Ruhe und der Platz sind perfekt für unsere kleine Familie.“

Freudestrahlend hatte er ihren Babybauch getätschelt und auf die parkähnliche Wiese gezeigt, wo er eine Schaukel aufbauen wollte.

Schnell hatte sie festgestellt, dass es im Wald gar nicht so still war. Tagsüber zwitscherten die Vögel und zirpten Insekten, nachts raschelten Kleintiere durch das Unterholz. Mittlerweile liebte sie die Abgeschiedenheit. Ihr dreijähriger Sohn Thaddäus sorgte für genug Trubel und hielt sie ständig auf Trab. In und außerhalb der Villa gab es viel für ihn zu entdecken.

Der Taxifahrer trug schnaufend die vier Koffer die Stufen zum Eingang hoch.

Thaddäus war während der Fahrt vom Flughafen eingeschlafen. Leise öffnete sie den Sicherheitsgurt des Kindersitzes und holte ihn behutsam heraus.

Mit knallrotem Kopf hievte der Fahrer das letzte Gepäckstück vor die riesige Eingangstür. Sie bedankte sich und gab ihm fünfzig Euro. Freudig machte er sich auf den Weg zum nächsten Fahrgast.

Endlich wieder zu Hause, dachte sie, und atmete die würzige Luft tief ein. Es war noch früh am Morgen und für Anfang September recht kühl.

Die letzten drei Wochen war sie ganz andere Temperaturen gewohnt gewesen. Sie hatte sich eine Mutter-Kind-Kur auf Lanzarote gegönnt, die tatsächlich den dringend nötigen Erfolg gebracht hatte. Ihre dumpfen Kopfschmerzen waren verschwunden und dank der vielen Massagen fühlte sie sich wieder frisch. Ihr Mann hatte ihr diese Auszeit ans Herz gelegt, wofür sie sich heute mit einem üppigen Abendessen bei ihm bedanken wollte. Um ihn damit zu überraschen, war sie einen Tag früher zurückgekehrt. Die frischen Lebensmittel hatte sie online bestellt und sie erwartete die Lieferung um zehn Uhr, sodass sie noch gute drei Stunden Zeit hatte, um die Koffer auszupacken.

Vorsichtig kramte sie den Haustürschlüssel aus ihrer Handtasche. Thaddäus hatte seinen Kopf auf ihre Schulter gelegt und schnaufte friedlich. Leise öffnete sie die Eingangstür, die trotz Restaurierung quietschte.

Der Eingangsbereich war riesig und in der Mitte hing ein goldener Kronleuchter von der Decke. Mit ihrer freien Hand streifte sie ihre Pumps ab, um kein Geräusch auf dem Marmorboden zu machen. Die Treppen an beiden Seiten der Eingangshalle waren mit einem roten Teppich ausgelegt. Auf einer antiken Kommode stand ein verwelkter Blumenstrauß. Sie rümpfte die Nase über die Nachlässigkeit der Putzfrau und ging die linke Treppe hoch, da sich auf dieser Seite Thaddäus‘ Kinderzimmer befand. Der flauschige Teppich wärmte ihre eiskalten Füße.

Nachdem sie den Kleinen ins Bett gelegt und das Babyfon eingeschaltet hatte, ging sie in die Küche, um einen Kaffee gegen die Müdigkeit zu trinken. Das benutzte Frühstücksgeschirr ihres Mannes stand auf der Spüle. Verärgert entfernte sie die hart gewordenen Porridgereste und stellte die Schüssel in die Spülmaschine. Wenigstens hatte ihr Mann seine Kaffeetasse in die Maschine geräumt. Nachdem sie den Kaffee ausgetrunken hatte, warf sie die Klamotten aus den Koffern über einen Schacht direkt in den Wäschekeller und ging die Treppe hinunter. Ein kalter Luftzug ließ sie frösteln. Die Kellertür schwang hin und her. Kein Wunder, hier unten zog es ständig. Das Babyfon fest umklammert, ging sie in den Wäscheraum.

Während sie die Wäsche in die Maschine lud, fuhr sie erschrocken zusammen. Da war ein Schleichen im Flur gewesen. Vorsichtig schritt sie zur Tür und rief ängstlich: „Ist da jemand? Frau Müller?“

Sie war gegen den Putzeimer gestoßen und die nassen Putzlappen ließen darauf schließen, dass die Putzfrau schon da gewesen sein musste. Sie erschien immer sehr früh, meistens, bevor sie und ihr Sohn aufstanden.

Stille.

Kopfschüttelnd widmete sie sich wieder der Wäsche. Du bist übermüdet, beruhigte sie sich selbst. Wer sollte schon hier sein?

Sie stellte die Waschmaschine an, die sofort Wasser zog. Eine Weile lauschte sie dem Rauschen; es erinnerte sie an die täglichen Strandausflüge mit Thaddäus. Er wollte stundenlang die Wellen fangen und mit ihr die größte Sandburg bauen. Seine unbeschwerte Freude ließ sie auch jetzt noch schmunzeln.

Plötzlich wurde alles dunkel. Hastig drückte sie auf den Lichtschalter, doch nichts passierte. Auch die Waschmaschine war verstummt.

„Verdammt“, stöhnte sie.

Die Sicherung musste rausgeflogen sein.

Mit ausgestreckten Armen tastete sie sich den Flur entlang. Der Stromkasten befand sich an dessen Ende. Langsam gewöhnten sich ihre Augen an die Dunkelheit. Durch die offenen Türen der anderen Kellerräume fiel schwaches Licht. Dennoch ging sie mit einem mulmigen Gefühl weiter. Warum hatte sie nicht wenigstens ein paar Socken übergezogen? Die Kälte kroch ihre Beine hoch.

Plötzlich nahm sie aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahr. Ein Schatten. Jemand musste im Weinkeller sein. Sie war fast auf dessen Höhe angelangt. Kurz überlegte sie umzukehren, um nach einem Gegenstand zu suchen, den sie als Waffe verwenden konnte. Oder sollte sie ihre beste Freundin anrufen? Sie wusste als Einzige von ihrer früheren Rückkehr. Schließlich sollte ihre Überraschung gelingen. Doch ihre Freundin würde nur lachen und alles auf ihre Müdigkeit schieben. Es gab bestimmt eine logische Erklärung für alles. Vorsichtig warf sie einen Blick in den Raum. Hier war niemand. Die Weinflaschen lagen, sortiert nach Jahrgang, in den Regalen. Erleichtert atmete sie aus. Vermutlich war nur ein Tier vor dem Kellerfenster vorbeigelaufen.

Endlich war sie am Sicherungskasten angekommen. In dem schummrigen Licht war die herausgesprungene Sicherung schwer zu erkennen. Doch sie fand den Schalter, der im Gegensatz zu den anderen nach unten zeigte. Sie drückte ihn nach oben.

Gerade als das Licht wieder anging, wurde ein Tuch auf ihren Mund und ihre Nase gelegt. Panisch machte sie einen tiefen Atemzug.

Riecht so Chloroform?, dachte sie, bevor sie das Bewusstsein verlor.

Langsam kam sie zu sich. Ihr Kopf dröhnte und sie lag auf einem Bett. Was war geschehen?

„Thaddäus!“

Sie schreckte hoch. Schmerz durchzuckte ihren ganzen Körper. Schwindel setzte ein und sie schloss ihre Augen. Langsam zählte sie bis zehn, um ihre Sinne wieder unter Kontrolle zu haben.

„Brumm, brumm“, machte eine Kinderstimme. Erleichterung durchströmte sie, Thaddäus war hier und spielte.

Sie rieb sich die pochenden Schläfen und sah sich um. Thaddäus saß mitten in einem Berg von Spielzeugautos. Es schien ihm gutzugehen. Vorsichtig stand sie auf. Sie strauchelte, konnte sich aber halten. Ihr Kreislauf normalisierte sich endlich. Von der Decke hing eine nackte Glühbirne, die den Raum erhellte. In der Wand gegenüber war eine schwere Tür. Hastig schritt sie darauf zu. Verschlossen. Verzweifelt rüttelte sie an der Klinke, stemmte sich gegen die Tür und zog daran, doch sie gab keinen Millimeter nach. Keuchend schlug sie dagegen.

„Mama?“

Thaddäus weinte. Sie hatte ihm Angst gemacht. Liebevoll nahm sie ihn in den Arm.

„Alles wird gut, mein Schatz“, flüsterte sie, während sie behutsam seinen Kopf streichelte.

Hoffentlich, dachte sie.

Im Raum gab es eine weitere Tür, die zu einem kleinen Bad führte. Das warme Wasser der Dusche funktionierte, genauso wie die Toilettenspülung. In einem Schrank neben der Dusche waren Handtücher, Duschgel, Shampoo, Zahnpasta, Zahnbürsten und Toilettenpapier verstaut. In dem Spiegel über dem Waschbecken erkannte sie sich kaum selbst. Ihr Gesicht war leichenblass und ihre Augen waren vor Furcht weit aufgerissen. Was war hier los? Wo war sie? Von ihrem Spiegelbild geängstigt, wandte sie ihren Blick ab, doch an der Innenseite der Badezimmertür hing ebenfalls ein Spiegel.

Ein lautes Brummen ließ sie zusammenzucken und aus dem Bad treten. Über dem Bett pustete ein Ventilator frische Luft ins Innere.

Neben der Badezimmertür gab es eine kleine Küchenzeile. Verwundert öffnete sie die Schränke. Sie waren mit Nudeln, Reis und Konserven vollgestopft. Es gab nichts Verderbliches.

Langsam wuchs in ihr ein furchterregender Gedanke.

Jemand hatte an alles gedacht, sodass sie Wochen, wenn nicht sogar Monate, in diesem Raum überleben könnten

1

Er, ein Mörder? Nach all dem, was er durchgemacht hatte, nach all diesen Schicksalsschlägen und den Verlusten konnte er kein Mörder sein.

Ein Schrei weckte ihn. Es war sein eigener schriller Schrei. Schweißgebadet schreckte Leon Lange hoch, mit geweiteten Augen und einem Puls, als wäre er einen Marathon gelaufen. Dabei war er in seinem eigenen Bett. Zitternd und keuchten saß er da, seine Beine merkwürdig verdreht in der Bettdecke verwickelt. Die Jalousien flatterten. Durch sein schwunghaftes Aufrichten war Leon gegen sie gestoßen. Das gestreifte Mondlicht erzeugte eine unheimliche Stimmung. Ein eiskalter Schauer lief ihm über den verschwitzten Rücken.

Schon wieder dieser Albtraum. Warum träumte er ihn immer und immer wieder? Mechanisch fuhr er mit seinem Finger über die Narbe auf seiner Hand.

Leon schlurfte ins Wohnzimmer und ließ sich seufzend auf die Couch fallen. Der Couchtisch war übersät mit Post. Nach einem kurzen Überfliegen, hatte er sie dort abgelegt. Die sollte ich endlich mal sortieren und abheften!

An Schlaf war jetzt nicht mehr zu denken, sein Kopf war hellwach. Obwohl er eigentlich todmüde war und sich am liebsten wieder hingelegt hätte, würde er nicht mehr einschlafen können. Wieso schnitt er dieser fremden Frau die Kehle auf? Seit drei Monaten quälte Leon dieser Albtraum, fast jede Nacht, und er fand keine Erklärung dafür. Lag es an der neuen Wohnung?

Es war noch früh am Morgen. Die vom schwachen Mondlicht erhellte Uhr über der Wohnzimmertür zeigte Viertel nach fünf. Sie tickte leise. Das Geräusch rief wieder die Erinnerung an den grausamen Traum wach. Aber warum? Eine Uhr kam in seinem Traum überhaupt nicht vor, sie hatte höchstens eine symbolische Bedeutung. Schließlich war die Lebenszeit dieser armen Frau abgelaufen. Endgültig.

Jetzt philosophierte er wieder vor sich hin. Es war doch nur ein alberner Traum!

Kopfschüttelnd stand Leon auf, er musste sich ablenken. Ein Glas Wasser und eine Joggingrunde würden ihm sicherlich guttun.

Als Leon zur Flasche griff, hielt er inne. Eine Boulevardzeitschrift lag aufgeschlagen auf dem Küchentresen. Er abonnierte solch einen überflüssigen Kram gar nicht. Langsam zweifelte er an seinem Verstand.

Leon keuchte erschrocken auf, als sein Blick auf den roten Kringel um einen Artikel fiel. Die Linien, die sich einen Weg durch die Worte bahnten, endeten jeweils mit einem Tropfen. Als er die Zeitung mit zitternden Händen fast senkrecht hielt, sahen sie aus wie herablaufendes Blut.

Den Filzstift, der herunter kullerte, nahm Leon nur unbewusst wahr. Sein Fokus lag einzig und allein auf dem Zeitungsausschnitt:

„25-jährige schwangere Prostituierte ermordet

Am Samstagmorgen, den 5. September, entdeckte ein Anwohner eine Leiche mitten in der Frankfurter Luxemburger Straße. Sie lag mit durchgeschnittener Kehle achtlos in einem Müllcontainer.

Bei dem Opfer handelt es sich um die heroinabhängige Prostituierte Lynn S.

Laut Obduktion war sie im siebten Monat schwanger. Die Befragungen in ihrem persönlichen Umfeld dauern noch an.

Wer ist ihr Mörder? Hat sich Lynn S. für den Kauf von neuem Stoff an den Falschen gewandt? War es der Vater des Kindes oder einfach nur ein Psychopath?

Die Polizei bittet um Hinweise.“

Bumm! Bumm! Leon fasste sich an die Brust, da sein Herz vor Entsetzen herauszuspringen schien. Eiskalter Schweiß lief seine Stirn hinab. Eine Panikattacke. Diesmal war seine schreckliche Vergangenheit nicht der Auslöser. Der Artikel beschrieb genau den Mord aus seinem Albtraum. Das konnte doch nicht sein!

Mit zitternden Fingern suchte Leon die Telefonnummer seines Therapeuten in der Kontaktliste seines Handys. Tag und Nacht, hatte Dr. Maximilian Stühler versichert, sei er für ihn erreichbar.

Leon vergaß, dass es für einen Anruf noch viel zu früh war. Er brauchte jetzt Hilfe, um nicht durchzudrehen.

Eine verschlafene Stimme meldete sich am anderen Ende der Leitung.

Leon platzte heraus: „Ich werde verrückt. Schon wieder dieser Traum und jetzt …“

„Ach, Herr Lange, was kann ich für Sie tun?“

Die Müdigkeit von Dr. Stühler schien verflogen, was Leon ungemein beruhigte.

„Ich war so in Panik, da habe ich Ihre Nummer gewählt. Ich befürchte ich drehe langsam durch.“ Leon biss sich in den Zeigefinger, der Schmerz konzentrierte seinen Verstand darauf.

„Was genau war der Beweggrund für Ihre Panikattacke?“

„Na ja, der Traum wirkte so real und die Frau … Wissen Sie, die Frau, sie sieht meiner Katharina so ähnlich.“

Dass die Unruhe hauptsächlich vom Zeitungsartikel herrührte, verschwieg Leon. Er war sich nicht sicher, wie weit Dr. Stühler in diesem Fall an die ärztliche Schweigepflicht gebunden war. Musste er der Polizei mitteilen, wenn einer seiner Klienten ein Mörder war? Vor Leons Auge erschien der Satz: Die Polizei bittet um Hinweise.

„Verstehe, Ihrer Ehefrau“, antwortete Dr. Stühler bedächtig.

„Was hat das zu bedeuten?“

„In den letzten Sitzungen haben wir uns viel über Ihren tragischen Verlust unterhalten. Sie verarbeiten gerade das Ganze und wollen sich endlich mit der Tatsache abfinden, dass es einfach nur ein Unfall war.“

„Klar, Unfall! Wenn sie mir schon nicht von der Kündigung Ihres Jobs erzählt hat, könnte auch am Unfall etwas falsch sein.“

„Kündigung?“, fragte Dr. Stühler verwundert.

„Als ich Katharinas Chef den tragischen Unfall mitteilen wollte, erfuhr ich, dass sie schon zwei Jahre zuvor gekündigt hatte.“

„Das haben Sie mir nie erzählt.“

Leon schwieg. Es war ihm unangenehm, dass er seine Ehefrau scheinbar nicht gekannt hatte. Sie hatte ihn angelogen. Seit zwei Jahren hatte sie schon nicht mehr für J. K. Consulting gearbeitet. War überhaupt etwas echt an Katharina?

Um von seiner Enttäuschung abzulenken, stellte er eine drängende Frage: „Warum bringe ich sie um?“

„Herr Lange, ich bin mir sicher, Sie können in der Realität nicht mal einer Fliege etwas zuleide tun. Neben der Verarbeitung Ihres Traumas spiegelt sich der Zwiespalt zwischen Wut und Zuneigung wider.“

Diese Erklärung beruhigte Leon ein wenig, brachte aber gleichzeitig wieder seine Wut auf Katharina hervor. Er atmete tief ein und aus.

„Ihre gemeinsame beste Freundin. Wie hieß sie noch gleich?“, fragte Dr. Stühler unvermittelt.

„Mia.“ Leon setzte sich auf den Küchenstuhl und zog die Knie an. Er zitterte.

„Stimmt, Mia. Sie war doch eine Zeugin des Unfalls.“

„Ja, aber es regnete in dieser Nacht und dann war da diese verschleierte Frau. Ein Crewmitglied hatte sie ganz in der Nähe des angeblichen Sturzes gesehen. Sie trug sogar eine Sonnenbrille, obwohl es mitten in der Nacht war …“

Dr. Stühler unterbrach ihn: „Jetzt zweifeln Sie schon wieder an Mias Aussage. Genau das versuchen Sie während des Schlafes zu verarbeiten.“

„Hm… kann sein.“

„Sie vertrauen ihr doch, oder?“, fragte Dr. Stühler eindringlich.

„Ja klar, wir sind schließlich zusammen groß geworden. Wir sind durch die schwersten Zeiten gegangen. Ich würde ihr mein Leben anvertrauen.“

„Na, sehen Sie. Warum sollte Mia also lügen. Sie war sich doch ganz sicher.“

„Aber sie musste Katharinas Tod mitansehen und war danach tagelang nicht ansprechbar. Durch den Schock könnte Mia ein wichtiges Detail verdrängen.“

„So etwas passiert, jedoch hat Mia den Vorfall therapeutisch aufgearbeitet, sodass nun eine Verdrängung ausgeschlossen werden kann. Oder gibt es neue Erkenntnisse?“

„Nein. Alles beim Alten,“ antwortete Leon zögerlich.

Seine Aussage, er würde Mia sein Leben anvertrauen, war nicht einfach so dahergesagt. Leon wusste, er konnte sich hundertprozentig auf sie verlassen, doch sein Zweifel galt immer noch einer erfolgreichen Therapie. Er konnte nun gut nachvollziehen, wie schwer es war, ein Trauma zu überwinden, da er endlich denselben Schritt gewagt hatte.

„Was halten Sie davon, wenn Sie gleich Montagmorgen vorbeikommen und wir uns persönlich unterhalten?“, bot Dr. Stühler an.

„Da muss ich arbeiten.“

„Wie wäre es danach? Passt Ihnen 17 Uhr?“

„Ja, prima, danke.“

Das Telefonat mit Dr. Stühler hatte Leon etwas entspannt. Für die Albträume gab es eine simple Erklärung. Er musste endlich aufhören, nach einem Grund für Katharinas Unfall zu suchen. Dr. Stühler hatte recht, zu einem Mord wäre Leon niemals fähig. Er war oft schläfrig, hatte vermutlich unterbewusst diesen Artikel markiert und die Zeitschrift versehentlich einer Nachbarin stibitzt. Alles nur ein Zufall. In Großstädten wurde doch fast täglich jemand umgebracht. Anders als in seinem Heimatdorf Effeld, wo sofort der Nachbar auf der Matte stand, wenn etwas Ungewöhnliches geschah. Beruhigt, dass der Artikel nichts mit ihm zu tun hatte, beschloss Leon, endlich eine Runde zu joggen. Seit dem Umzug vor drei Monaten war er kaum seinem liebsten Hobby nachgegangen.

Obwohl es immer noch erst kurz nach sechs Uhr war, zog er sich hastig um. Voller Vorfreude, den Asphalt unter den Füßen zu spüren, seinen Rhythmus zu finden und seinen düsteren Gedanken zu entkommen, startete er seine App, um die Strecke aufzuzeichnen. Beim Blick auf seine letzten Strecken stutzte er. Lediglich eine Aufzeichnung war gespeichert, mitten in der Nacht um 2:11 Uhr am 5. September. Merkwürdig!

Das Datum löste eine dunkle Ahnung in ihm aus. Hatte jemand an dem Tag Geburtstag? Ihm fiel niemand ein, schließlich lebte er seit Katharinas Tod zurückgezogen und traf sich hauptsächlich mit Mia.

Leons Knie wurden weich. Zudem spielte seine Temperatur verrückt. Erst überkam ihn eine Hitzewallung und plötzlich lief ihm kalter Schweiß über die Stirn. Er zitterte. Während er die Schweißtropfen hastig wegwischte, wurde ihm schwarz vor Augen. Leon ging langsam in die Hocke, um nicht umzukippen.

Ruhig bleiben! Dafür gibt es bestimmt eine vernünftige Erklärung. Als er sich ein wenig besser fühlte, erhob er sich und ging wieder zum Küchentresen. Sein Blick fiel direkt auf den markierten Artikel. 5. September! Die Zeilen verschwammen vor seinen Augen, nur ein paar Worte sprangen ihm entgegen: Prostituierte, Mörder, Polizei. Leon erbrach sich.

Nachdem er seine Mundwinkel von den Überresten des Erbrochenen mit einem Küchentuch befreit hatte, entsperrte er mit zittriger Hand sein Smartphone. Die aufgezeichnete Strecke führte zur Luxemburger Straße in seinem Viertel und wieder zurück zu seiner Wohnung. Herrgott noch mal, er würde sich doch erinnern können, wenn er um diese Zeit gejoggt wäre. Er musste den Mord mitangesehen haben und war dann vor Schreck auf der Stelle umgekehrt. Das würde auch seine Albträume erklären. Aufgewühlt schritt Leon durch seine Wohnung. Was sollte er tun? Musste er als möglicher Zeuge zur Polizei gehen?

Mia. Sie war die Einzige, die ihm helfen konnte. Doch er wollte sie unmöglich so früh wecken. Seit Katharinas Unfall hatte Leon ihre Hilfsbereitschaft schon häufig überstrapaziert. Er musste sich mit etwas Anderem beschäftigen, bis er Mia anrufen konnte.

Leon betrat das Arbeitszimmer, hier müsste es sein. Das Tablet hatte er noch nicht ausgepackt. Es war in einem der Kartons, die in einer Ecke standen. Ein You-Tube-Video von Truck Diary war jetzt genau richtig. Jemandem zuzuschauen, wie er seinen Lkw fuhr, würde ihn sicherlich ablenken. Das beruhigende Brummen des Motors hatte ihm schon in vielen verzweifelten Momenten geholfen.

Was war das für ein Geräusch? Ein Knarzen. Leon wippte mit den Füßen vor und zurück. Ein Dielenbrett war lose. Er bückte sich und klopfte darauf. Ein hohler Klang echote durch den fast leeren Raum. Hatte er ein geheimes Versteck gefunden? Jetzt war er neugierig.

„Mist!“, fluchte Leon, als sich ein Holzsplitter in seinen Finger bohrte. Er zog ihn raus. Mit erhobener Hand beobachtete er, wie das Blut sich seinen Weg von der Fingerkuppe, über den Finger bis hin zum Handgelenk bahnte. Provisorisch wickelte Leon ein Taschentuch um die Wunde. Gespannt griff er nach dem Brett, um zu sehen, ob sich darunter etwas verbarg. Tatsächlich handelte es sich um einen