Der Mond ist kalt und dunkel - Pola Kayser - E-Book

Der Mond ist kalt und dunkel E-Book

Pola Kayser

4,5

  • Herausgeber: Hinstorff
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2013
Beschreibung

Der Tod einer Verwandten führt die 50-jährige Hamburgerin Greta Winter und ihre gleichaltrige Freundin ins herbstlich verschlafene Binz auf Rügen. Kaum angekommen, lässt der Schrei einer Rezeptionistin die beiden Frauen aus dem Hotelbett fahren. In der Lobby hören sie kurz darauf eine tragische Geschichte: Aus Eifersucht hat die Hotelbesitzerin vor drei Wochen zuerst ihren Mann und dann sich selbst vergiftet. Die sichtlich geschockte Empfangsdame lässt sich nicht davon abbringen, dass sie den Wiedergänger ihrer gewesenen Chefin gesehen haben will. Als die Rezeptionistin wenig später tot am Strand gefunden wird, ist Gretas Neugierde geweckt. Mit mürrischer Unterstützung ihrer Freundin Lissy beginnt sie, hinter die Kulissen des schönen Seebades zu schauen.

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Seitenzahl: 292

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Inhaltsverzeichnis
Prolog
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Impressum

Vielen Dank an das Literaturhaus Rostock für die Unterstützung dieses Buchprojekts

Prolog

Ob sie zurückkommen? Es wäre nicht das erste Mal hier auf Rügen, auch nicht in Binz, dass Verstorbene Wiedergänger werden. Weil sie keine Ruhe im Grab finden. Weil es noch etwas zu klären gibt. Die Frau und der Mann lagen auf dem Sofa, als würden sie nur ausruhen und in wenigen Minuten aufstehen. Die rechte Hand der Frau umklammerte den Brief. So sollte es sein. Er nickte zufrieden. Endlich war Ruhe eingekehrt. Vom Todeskampf der beiden war nichts mehr zu erkennen. Keine Spur von Schmerz auf ihren Gesichtern. So friedlich wie jetzt hatte er die Eheleute schon lange nicht mehr beieinander gesehen.

Der Gedanke ließ ihn lächeln. Das tat gut. Er hatte wenig gelächelt in der letzten Zeit. Und so hielt sein Gemütsumschwung auch jetzt nur kurz an. Schon verengte er seine Augen wieder und presste hasserfüllt die Lippen aufeinander, bis sie eine waagerechte Linie bildeten. So schnell konnte er nicht vergessen. Er schloss die Augen und atmete tief. Jeder Raum hat seinen Klang und seinen Geruch. Dieses Zimmer hatte er noch nie gemocht. Von allem zu viel: zu viel Zigarettenrauch, zu viele Möbel, zu viel Nippes. Raffgier zeigte sich in jedem Winkel. Doch was ihn wirklich zur Weißglut trieb, war die Uhr. Ihr Ticken schlug wie ein Hammer an seinen Kopf. Tick, tack, tick, tack. Aufhören! Das hatte er früher schon gedacht, wenn er hier stehen und warten musste, bis sich die Herrschaften bequemten, ihm Anweisungen an den Kopf zu werfen. Hier hatte niemals Stille, nie Frieden geherrscht.

Als er die Augen wieder öffnete, traf sein Blick die sechs Messingbecher, die im Halbkreis um einen Krug auf dem alten Buffet standen. Er hatte sich oft vorgestellt, einen davon in die verdammte Wanduhr zu feuern. Wie wunderbar würden das Klirren des Glases und die letzten tickenden Lebenszüge dieses protzigen Kastens klingen. Doch jetzt hatte er einen Auftrag. Dafür wurde er schließlich bezahlt. Und er brauchte jeden Cent. Also wanderte sein Blick erneut prüfend durch das Zimmer.

Alles war so, wie es sein musste. Nichts verändert, keine Spuren. Das massige Gründerzeit-Buffet, die Kommode, das Sofa und die Sessel mit Häkeldeckchen auf den Kopflehnen, die vielen Gemälde, die kaum noch Tapete erkennen ließen – so hatte dieses Wohnzimmer immer ausgesehen. Auf dem Tisch lagen ein paar zerlesene Frauenzeitschriften, ein abgegriffenes Zippo-Feuerzeug und eine angebrochene Schachtel F6. Das war ihre Marke. Darin waren sie sich einig gewesen, wenigstens darin. Dann die zwei Schnapsgläser und die kleine Flasche daneben. Die war besonders wichtig. Sie war offen. So sollte es sein. Und an den Gläsern würde man ihre Speichelspuren finden. Sein Blick wanderte weiter über den Parkettboden mit den Perserteppichen. Auch hier keine Spuren, kein Schmutz, nichts, was auf fremde Personen hindeuten würde. Über seine Schuhe hatte er sich Duschhauben gezogen.

Plötzlich zuckte er zusammen. Motorgeräusche. Es klang nach einem langsam fahrenden Auto. Jemand, der beobachtete, vielleicht sogar heraufkommen wollte? Sein Atem stockte. War von der Straße aus wirklich nichts zu sehen? Er wandte den Kopf zu den Fenstern. Die Läden waren geschlossen, ebenso die schweren Vorhänge. Es dürfte kein Licht nach draußen dringen. Trotzdem blieb er ganz still stehen, bis er das Auto nicht mehr hören konnte. Er atmete tief ein und aus, dann sah er noch einmal zu den Toten. Etwas schien ihm verändert, gab ihm das Gefühl, ein anderes Bild als eben vor Augen zu haben. Sein Atem beschleunigte sich wieder. Sein Mund wurde trocken. Es waren ihre geöffneten Augen. Sie starrten und hatten ihn vorhin schon irritiert. War ihr Blick eben nicht noch ein Stückchen weiter zur Tür gerichtet gewesen? Erneut drängten sich ihm Geschichten von rastlosen Wiedergängern in den Sinn, die sich besonders die Alten in Binz zuhauf erzählten. Zwar hielt er das alles für Aberglauben, doch beschlich ihn das ungute Gefühl, beobachtet zu werden. »Unfug«, flüsterte er. Die Unruhe blieb. Nur nicht aus den Augen lassen! Das Gefühl, hier nicht allein zu sein, drückte auf seinen Brustkorb. Der hob und senkte sich unter dieser Last. Wie lange brauchte ein Toter, um ein Wiedergänger zu werden? Eine Woche, einen Tag oder vielleicht nur eine Stunde? Waren das Atemgeräusche? Nein, das konnte nicht sein. Er ging ein Stück auf sie zu, wobei sein Herz vor Angst schmerzhaft verkrampfte. Sie regten sich nicht. Wenn sie wirklich tot sind, könnten sie nicht atmen, dachte er. Während er sich noch ärgerte, dass er Altweibergeschwätz solche Macht über sich gab, fiel ihm der Spiegeltrick ein, den er aus Filmen kannte. Man muss einen Spiegel vor den Mund der Person halten. Beschlägt er, dann atmet die Person und lebt.

In der zweiten Badschublade, die er ängstlich nach nebenan lauschend durchsuchte, fand er einen Vergrößerungsspiegel. Er näherte sich den beiden, vorsichtig. Mit zitternden Fingern hielt er ihm den Spiegel vor den Mund, bereit, auf die beiden einzuschlagen, im Fall der Fälle. Das Glas blieb klar, auch bei ihr. Er brachte den Spiegel zurück. Bevor er die Wohnung verließ, löschte er das Licht und tastete sich im Dunklen zu den Vorhängen. Sie hatten nie Vorhänge und Fensterläden zugleich geschlossen. Erst als die Tür hinter ihm mit leisem Klacken ins Schloss sank, beruhigte sich sein Atem. Die Aufgabe war erledigt.

1

Manche Tage haben etwas zu verbergen, dachte Greta, als sie an diesem 23. Oktober auf dem Beifahrersitz neben ihrer Freundin Lissy saß und durch vorpommersche Dörfer auf der B 105 gefahren wurde. Auch wenn diese Dörfer noch so verlassen wirken – die Gardinen hinter den Alpenveilchen zittern, wenn jemand auf der Straße ist.

Der Tag hatte sonnig begonnen. Keine Wolke am Himmel, als sie mittags in Hamburg losgefahren waren. Sonne in Hamburg! Nun zeigte sich erstes Grau.

Ihr Ziel war das einstige Kaiserbad Binz auf der Insel Rügen, wo Gretas vor kurzem verstorbene Tante beerdigt werden sollte. Greta hatte sie kaum gekannt und freute sich auf die vor ihnen liegende Woche, weg, weit weg von der dröhnenden, stöhnenden Stadt. Nicht, dass sie je deren Trubel mit der Ruhe des Landes hätte tauschen wollen, aber kleine Fluchten taten gut. Sie lächelte, hob das Kinn und atmete tief in ihren Brustkorb hinein. Selbst Lissy, mürrisch von Geburt an, lächelte heute hin und wieder. Jetzt, als ein Traktor mit 30 km/h vor ihr auf die Straße bog, kniff sie allerdings Augen und Lippen zusammen.

»Autobahn würde viel schneller gehen«, sagte Lissy und schlenkerte mit dem V 70 so lange nach links und wieder zurück, bis endlich kein Auto mehr auf der Gegenspur zu sehen war und sie mit brüllendem Motor an dem großen und lauten Gefährt vorbeiziehen konnte.

»Wir haben keine Eile«, erwiderte Greta und stellte den CD-Player noch etwas lauter. Jazz und Sonne wärmten den Innenraum des Wagens.

»Eile ist dir ja grundsätzlich ein Fremdwort«, ereiferte sich Lissy.

»Das Leben erscheint einem länger, wenn man es nicht in Zeitscheiben einteilt.« Zufrieden legte sich Greta tiefer in den Sitz.

»Ich will das gar nicht verstehen.« Lissy schüttelte den Kopf und zog leicht die Brauen hoch.

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