Der neue Landdoktor 17 – Arztroman - Tessa Hofreiter - E-Book

Der neue Landdoktor 17 – Arztroman E-Book

Tessa Hofreiter

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Beschreibung

"Der neue Landdoktor" zeichnet sich gegenüber dem Vorgänger durch ein völlig neues Konzept aus. Es wird noch größerer Wert auf Romantik, Spannung und sich weiterdichtende, zum Leben erwachende Romanfiguren, Charaktere und Typen gelegt. Eines darf verraten werden: Betörend schöne Frauen machen dem attraktiven Landdoktor schon bald den Hof. Und eine wirkliche Romanze beginnt... Der Golfplatz lag ein Stück außerhalb von Bergmoosbach, dort wo ein Tunnel das Dorf mit dem Nachbartal verband. Jasmin hatte sich von ihrer Freundin Bernadette zu einer Partie Golf überreden lassen, obwohl sie viel lieber zu Hause geblieben wäre, um weiter darüber nachzudenken, ob es wirklich richtig war, sich mit Ludger zu verloben. Ludger, der das Bauunternehmen seiner Eltern geerbt hatte und mit der Bank, die Jasmins Familie gehörte, gute geschäftliche Beziehungen pflegte.

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Der neue Landdoktor –17–

Jasmin, dein Herz weiß es längst

Nun triff du die richtige Entscheidung

Roman von Tessa Hofreiter

Der Golfplatz lag ein Stück außerhalb von Bergmoosbach, dort wo ein Tunnel das Dorf mit dem Nachbartal verband. Jasmin hatte sich von ihrer Freundin Bernadette zu einer Partie Golf überreden lassen, obwohl sie viel lieber zu Hause geblieben wäre, um weiter darüber nachzudenken, ob es wirklich richtig war, sich mit Ludger zu verloben. Ludger, der das Bauunternehmen seiner Eltern geerbt hatte und mit der Bank, die Jasmins Familie gehörte, gute geschäftliche Beziehungen pflegte.

»Wenn du mit Ludger nicht glücklich bist, dann trenne dich von ihm«, sagte Bernadette, als sie auf dem Parkplatz vor dem Restaurant des Golfclubs aus Jasmins weißen Sportwagen stiegen.

»Das würde meinen Eltern das Herz brechen, für sie ist Ludger der ideale Schwiegersohn.«

»Klar. Jung, gut aussehend, reich, die ideale Kundschaft jeder Bank.«

»Ich weiß, das klingt nach einem Klischee«, seufzte Jasmin.

»Das du aber offensichtlich gern bedienst. Hör zu, Jasmin, bei einer Ehe geht es darum, dass die, die die Ehe schließen, glücklich miteinander sind, nicht die anderen.« Bernadette trat einen Schritt zurück und betrachtete die junge Frau in der weißen Leinenhose und dem gelben Seidenpulli, die vor ihr stand und gequält lächelte. »Du solltest mal wieder etwas richtiges Essen, du hast in den letzten Wochen ganz schön abgenommen«, stellte sie fest. »Ich meine, ich will damit nicht sagen, dass du mir nacheifern sollst. Das wäre die falsche Richtung. Aber so ein bisschen mehr auf den Rippen, das wäre schon gut.«

»Ich habe in letzter Zeit aber kaum Appetit«, entgegnete Jasmin und schaute Bernadette mit ihren hellen blauen Augen offen an, während sie mit dem Zopf spielte, zu dem sie ihr blondes seidiges Haar geflochten hatte.

»Dann sollten wir daran arbeiten, dass er zurückkehrt. Die beste Variante wäre, du isst immer die Hälfte von meiner Portion zusätzlich zu deiner, wenn wir zusammen unterwegs sind«, schlug Bernadette vor und klopfte auf ihre rundlichen Hüften, die sie unter der weiten Bluse verbarg, die sie über ihrer weißen Stretchjeans trug.

»Du bist schon in Ordnung, du bist ein niedliches Persönchen«, versicherte Jasmin der Freundin.

»Ein niedliches Persönchen, das klingt nicht gerade super gut«, seufzte Bernadette.

»Dein Mann liebt dich, deine Kinder lieben dich, deine Familie, deine Freunde …«

»Danke, ich habe es verstanden, ich gehöre bereits zur Kategorie, muss nicht mehr gut aussehen, muss nur noch nett sein. Aber weißt du was, ich bin tatsächlich sehr glücklich mit meinem Leben«, entgegnete Bernadette, strich das kinnlange schwarze Haar hinter ihre Ohren und sah Jasmin mit ihren dunklen Augen zufrieden an. »Es wäre schön, wenn du das auch von dir behaupten könntest, aber ich befürchte, das wird nicht passieren, solange du mit Ludger zusammen bist.«

»Vergessen wir ihn für eine Weile, lass uns einfach nur ein bisschen golfen«, sagte Jasmin und nahm ihre Golftasche aus dem Kofferraum.

»Was diese Golfanlage betrifft, da muss ich die Entscheidung deines Verlobten allerdings loben, auch wenn seine Motive wieder mal ausschließlich geschäftlicher Natur sind und nichts damit zu tun haben, dass er dir die lange Fahrt nach Garmisch zum Golfplatz ersparen will.«

»Ich weiß, er hat es getan, weil er im Tennisclub in Garmisch schon genügend einflussreiche Leute trifft und nun seinen Kundenstamm im weiteren Umkreis vergrößern möchte.«

»Der gute Ludger hat eben nie zuerst das Vergnügen im Sinn, obwohl, da ich dir hierher gefolgt bin, kann ich vielleicht auch ein paar neue Kunden für unsere Apotheke gewinnen.«

»Netti, darauf bist du nicht wirklich aus, eure Apotheke läuft prima und die Bergmoosbacher werden ihrer Apotheke vor Ort nicht untreu werden.«

»Also gut, ich gebe es zu. Ich bin hier, weil ich allein zu meinem Vergnügen spiele und das am liebsten mit meiner besten Freundin.«

»Worüber ich sehr froh bin. Und die Anlage ist ja wirklich schön«, stimmte Jasmin Bernadette zu.

Das weiße Vereinshaus mit seiner gelben Markise über der Terrasse, der Platz wie eine langgezogene Acht angelegt, umgeben von samtig grünen Hügeln mit Teichen und einem Bachlauf. Es war ein Ort, an dem man sich gern aufhielt.

Bevor sie aber auf den Golfplatz hinaus konnten, mussten sie sich im Clubhaus anmelden. Es war geschmackvoll eingerichtet mit hellem Parkett, aprikosenfarbenen Wänden, Kakteen, Palmen, weißen Korbstühlen und Tischen mit orangefarbenen Decken im Restaurant und auf der Terrasse. Da Jasmin und Bernadette erst seit zwei Wochen zum Bergmoosbacher Golfclub gehörten und noch nicht allen Angestellten bekannt waren, mussten sie an der Rezeption erst einmal ihre Mitgliedsausweise vorzeigen.

»Ich muss Sie darauf aufmerksam machen, dass Herr Sonne, unser Landschaftsgärtner, auf dem Platz unterwegs ist. Der Sturm vorgestern hat einigen Schaden bei uns angerichtet. Herr Sonne wird sicher noch ein paar Tage hier zu tun haben.«

»Müssen wir befürchten, dass wir von abgeknickten Ästen getroffen werden?«, fragte Bernadette.

»Nein, ganz bestimmt nicht, da können Sie ganz unbesorgt sein. Die Bäume hat Herr Sonne schon alle untersucht, da droht Ihnen keine Gefahr«, versicherte ihnen das junge Mädchen, das in einem eleganten Kostüm hinter dem Tresen stand. »Ich wollte Sie nur darauf vorbereiten, dass Sie unterwegs auf unseren Gärtner treffen könnten. Selbstverständlich wird er Sie nicht behindern und das Areal sofort freigeben, sobald Sie es nutzen möchten.«

»Wir sind flexibel, wir werden den Mann nicht bei seiner Arbeit stören«, sagte Bernadette.

»Ich danke Ihnen für Ihr Verständnis und wünsche Ihnen einen schönen Tag«, sagte das Mädchen und nickte Ihnen freundlich zu, bevor sie das Clubhaus durch die weiße Flügeltür verließen.

Jasmin und Bernadette packten ihre Golftaschen auf die Trolleys, über die die Clubmitglieder jederzeit verfügen durften, und spazierten über den Platz zum ersten Hindernis, einer geraden Sandbahn.

»Irgendwie ist es hier immer ein bisschen wärmer als im Nachbartal«, stellte Jasmin fest und schob die Ärmel ihres Pullis nach oben, als sie das zweite Hindernis, eine hüglige Teichanlage erreichten.

»Vielleicht liebt die Sonne diesen Ort ganz besonders.« Bernadette schaute auf das Dorf mit seinen Wiesen und Feldern, das umgeben von den Allgäuer Alpen im strahlenden Sonnenschein lag.

»Möglicherweise liegt es an den Menschen, die hier leben. Die, die wir bisher getroffen haben, waren alle sehr liebenswürdig.« Jasmin zog einen Schläger aus ihrer Golftasche, legte sich den Ball zurecht und postierte sich neben dem Abschlag.

»Besonders interessant scheint Sebastian Seefeld zu sein. Der junge Arzt, der seit einigen Monaten hier praktiziert. Er übernimmt hin und wieder den Notdienst bei der Bergwacht und neulich war eine junge Dame bei uns in der Apotheke, die vor Kurzem einen Kletterunfall hatte und von eben diesem Arzt geborgen wurde. Sie hatte noch immer glänzende Augen, als sie vom ihm sprach, und sie war nicht die erste, die mir von ihm vorgeschwärmt hat.«

»Bist du ihm schon begegnet?«, fragte Jasmin und holte mit ihrem Schläger aus, um den Ball über den kleinen Teich mit den blühenden Seerosen hinwegzuschlagen.

»Nein, ich hatte noch nicht das Vergnügen«, sagte Bernadette, während sie ihren Schläger in die Hand nahm, um sich nach Jasmin der zweiten Herausforderung auf dem Platz zu stellen.

»Vorsicht!«

»Was?!« Jasmin wollte gerade mit Schwung den Ball schlagen, als sie den Warnruf hörte. Sie fuhr erschrocken herum, trat dabei unbewusst auf den Rand des aufgeschütteten Walls, der den Teich einfasste, verlor das Gleichgewicht und landete in den Armen eines jungen Mannes.

»Guten Morgen, wir kennen uns noch nicht, glaube ich«, sagte er und fing ihren Blick auf.

»Jasmin Dering«, stellte sie sich vor.

»Nils Sonne«, antwortete er lächelnd.

»Danke, dass Sie mich vor einem Sturz bewahrt haben, aber Sie dürfen mich jetzt gern wieder loslassen.«

»Das mache ich.« Behutsam half er ihr auf den Boden zurück, war mit zwei langen Schritten oben auf dem Wall, beugte sich nach vorn und streckte ihr die Hand entgegen, um auch ihr nach oben zu helfen.

»Nochmals vielen Dank«, sagte sie, als sie gleich darauf neben ihm stand. »Sie haben schnell reagiert, ich hätte mir den Fuß brechen können.«

»Ich habe Sie zuvor erschreckt.«

»Ich nehme an, das war Notwehr, ich hatte Sie nicht gesehen und hätte Sie mit dem Ball treffen können.«

»Und so haben wir es verpasst, Doktor Seefeld kennenzulernen«, seufzte Bernadette.

»Nun, einen Doktor Seefeld können Sie durchaus kennenlernen, er und seine Enkelin sind drüben auf der Abschlagwiese«, entgegnete Nils.

»Sie sprechen von dem Vater«, sagte Bernadette, die wusste, dass Sebastian, der viele Jahre in Kanada gelebt hatte, nach Bergmoosbach zurückgekommen war, um die Praxis seines Vaters zu übernehmen.

»Benedikt Seefeld ist im Moment der einzige Arzt in Bergmoosbach. Sebastian ist für ein paar Tage verreist.«

»Auch ein attraktiver Mann«, stellte Bernadette fest, die Nils‘ Blick gefolgt war.

Sie schaute auf den sportlichen älteren Herrn in der weißen Hose und dem grün weißen Pullover, der einem jungen Mädchen in weißer Jeans und rosafarbenem Pullover gegenüberstand und zusah, wie es den nächsten Ball abschlug.

»Offensichtlich ist heute keine Sprechstunde«, sagte Jasmin und schaute ebenfalls in Richtung Clubhaus, dessen Terrasse an die Übungswiese stieß.

»Nein, samstags nie, es sei denn, es geht um einen Notfall«, erwiderte Nils.

»Stimmt, heute ist Samstag.« Jasmin fragte sich, warum sie gerade derart verwirrt war, dass sie vergessen hatte, welcher Wochentag war.

»Ich wünsche den Damen noch viel Spaß, ich werde eine Pause einlegen, bis Sie das Hindernis überwunden haben«, sagte Nils, als Jasmin an ihm vorbei sah, so als wäre die Unterhaltung für sie beendet.

»Sie sind der Gärtner?«, fragte sie und schaute auf die grünen Gummistiefel, die er zu seiner Jeans und dem Hemd mit den blauen und grünen Streifen trug.

»Ja, ich bin der Gärtner«, antwortete er.

»Ich bin übrigens Bernadette«, stellte sich Bernadette vor, als er sich unter eine stämmige Kastanie setzte, die neben der Teichanlage stand und sie mit ihrer weiten Krone beschattete.

»Es freut mich, Sie kennenzulernen«, antwortete er höflich.

»Die Anlage ist sehr gepflegt«, lobte sie seine Arbeit.

»Danke.«

»Wir machen dann mal weiter.«

»Sicher.« Nils nickte Bernadette zu und schaute zu Jasmin, die ihren Ball erneut auf den Abschlagspunkt gelegt hatte und so tat, als würde sie ihn nicht mehr wahrnehmen.

Jasmin gelang es, den Ball im ersten Anlauf über den Teich zu schlagen, und Bernadette tat es ihr gleich. Sie interessiert sich nicht für einen Gärtner, dachte Nils, als die beiden jungen Frauen mit ihren Trolleys weiterzogen und er der zierlichen Schönheit nachschaute, deren blondes Haar in der Sonne wie Gold glänzte.

Der Gärtner muss sich weiter seiner Arbeit widmen, dachte er und sprang schwungvoll auf. Bevor er sich aber wieder um die Bepflanzung der Teichanlage kümmerte, lief er an der Lorbeerhecke entlang, die den Golfplatz vom Übungsrasen hin trennte, und zog die Zweige heraus, die der Sturm von den Bäumen gefegt hatte und die sich in der Hecke verfangen hatten.

*

»Opa, ich möchte endlich auf den Platz, mir reicht es mit diesem langweiligen Abschlagen.« Emilia streifte ihr langes kastanienfarbenes Haar aus dem Gesicht und nahm zum gefühlten hundertsten Mal an diesem Morgen Aufstellung, um ihren Ballabschlag zu üben.

»Heute noch nicht, Kleines«, sagte Benedikt.

»Wann?«

»Am nächsten Wochenende.«

»Ganz bestimmt?«

»Versprochen, und nun peilst du die 200 – Meter – Marke an«, forderte Benedikt seine Enkelin mit einem aufmunternden Blick auf.

»Okay, das schaffe ich«, erklärte Emilia und schaute auf die Fahne mit der Zahl 200, die am Ende der Übungswiese im Rasen steckte. Sie legte den Ball auf den Abschlagspunkt, stellte sich genauso hin, wie ihr Großvater es ihr beigebracht hatte, atmete gleichmäßig, holte mit dem Schläger aus und traf den Ball. »Ich glaube, das Üben zahlt sich aus«, sagte sie, während sie zuschaute, wie der Ball durch die Luft sauste.

»Kompliment, das war eine Rakete«, stellte Benedikt anerkennend fest.

»Ich will wissen, wo genau der Ball aufgeschlagen ist«, sagte Emilia und stürmte über den Rasen.

»Beeindruckend«, sagte Nils, der den Flug des Golfballs verfolgt hatte.

»Hallo, Nils«, begrüßte Emilia den jungen Landschaftsgärtner, der genau wie die Seefelds zu den alteingesessenen Familien in Bergmoosbach gehörte. »190 Meter, das ist wirklich ziemlich gut«, stellte sie fest, als sie den Ball von der markierten Linie aufhob. »Opa hat mir versprochen, dass ich bald auf den Rasen darf«, verkündete sie stolz.

»Gratuliere, in deinem Großvater hast du auch einen hervorragenden Golflehrer.«

»Das weiß ich, als ich Traudel neulich bei der Hausarbeit geholfen habe, hat sie mir die ehrenvolle Aufgabe erteilt, seine Siegtrophäen, die in seinem Arbeitszimmer stehen, abzustauben. Der Wahnsinn, wie viele das sind.«

»Kann ich mir vorstellen«, entgegnete Nils und schaute wieder zu Jasmin, die am nächsten Hindernis, einer Sandkuhle, stehenblieb und sich den Ball zurechtlegte.

»Kennst du sie?«, fragte Emilia, als sie Nils‘ verträumten Blick bemerkte.

»Ihr Name ist Jasmin Dering, wir haben ein paar Worte gewechselt, als sie mir in die Arme fiel.«

»Aha.«

»Sie ist ausgerutscht. Ich stand am Teich und habe sie aufgefangen«, klärte er Emilia auf, als sie ihn erstaunt ansah.

»Alles klar, viel hattest du ja nicht zu halten, sie ist echt krass schmal.«

»Das ist allerdings wahr, sie ist schon recht zierlich«, stimmte er Emilia zu. »Aber gut, das geht uns beide nichts an. Sag, hast du etwas von Anna gehört?«, wechselte er das Thema.

»Papa meint, sie hat sich schon prächtig erholt. Ihre Eltern sind inzwischen auch in Lausanne eingetroffen. Sie wohnen im selben Hotel wie Papa, nur ein paar Minuten von der Kurklinik entfernt, in der Anna ist.«

»Ich dachte, Annas Eltern arbeiten als Entwicklungshelfer in Indien.«

»Schon, aber als sie erfuhren, dass Anna nach ihrem Unfall im Koma lag, haben sie sich sofort Urlaub genommen. Ich meine, Anna wäre ja beinahe gestorben.«

»Es ist vorbei, Emilia, es geht ihr wieder gut«, sagte Nils, als sich die Miene des Mädchens verfinsterte, so als erlebte es diesen Moment noch einmal, als sie mitansehen musste, wie Anna auf der Hauptstraße im Dorf von einem LKW gestreift wurde und danach tagelang in Lebensgefahr schwebte.

»Trotzdem, wenn ich daran denke, wird mir immer noch ganz mulmig. Aber was machst du eigentlich hier auf dem Golfplatz? Ich dachte, du nimmst an dem Schlossgartenwettbewerb teil und legst den Garten der Burgruine neu an.«

»Der Sturm vorgestern hat einige Spuren hinterlassen. Die Aufräumarbeiten im Tal können nicht endlos warten. Mit dem Garten oben an der Ruine liege ich außerdem gut in der Zeit.«

»Meine Freundinnen und ich treffen uns nächste Woche am Freitag zu einer Pyjamaparty in der Jugendherberge. Wir kommen dann mal vorbei und sehen uns den Garten an.«

»Das könnt ihr gern machen. Ich glaube, dein Großvater wartet schon sehnsüchtig auf dich«, machte er Emilia auf Benedikt aufmerksam, der zu ihnen herüberschaute.

»Okay, ich sollte ihn nicht so lange warten lassen, mach’s gut, Nils«, verabschiedete sich Emilia und rannte zurück zu Benedikt. »190 Meter«, verkündete sie mit einem glücklichen Lächeln und legte den Ball in seine Hand.

»Gut gemacht, Kleines«, lobte er sie und streichelte über ihr Haar.

»Opa, ich glaube, Nils verliebt sich gerade«, raunte Emilia ihrem Großvater zu.

»Wie kommst du denn darauf?«, fragte Benedikt verblüfft.

»So etwas merkt man doch.«

»Ehrlich gesagt, glaube ich das nicht, was du da gerade sagst, und auf keinen Fall solltest du das in Markus‘ Gegenwart wiederholen.«

»Was hat denn Markus damit zu tun?«

»Er ist dein Freund.«

»Oh Mann, Opa, ich habe doch nicht gemeint, dass Nils sich in mich verliebt hat«, entgegnete Emilia kichernd.

»Nicht?«

»Nein, natürlich nicht, also, Opa, wirklich.« Emilia küsste ihren Großvater auf die Wange, und dann mussten sie beide über das kleine Missverständnis lachen.

»Gut, dann kläre mich mal auf, in wen verliebt sich Nils denn gerade?«

»Siehst du die beiden jungen Frauen an der Sandkuhle?«

»Ja, sehe ich, welche ist es?«

»Die in dem gelben Pullover.«

»Ein schmales Persönchen.«

»Allerdings. In dem Krankenhaus, in dem Papa in Toronto gearbeitet hat, da gibt es eine Station, die sich um Leute mit Essstörungen kümmert. Er hatte dort auch einige Monate Dienst, und wenn ich ihn besucht habe, dann habe ich diese Frauen gesehen. Sie erinnert mich an sie.«

»Es gibt Menschen, die können essen, was sie wollen, ohne davon zuzunehmen.«

»Ja, ich weiß, Traudel würde gern zu ihnen gehören. Sie will unbedingt abnehmen.«

»Unsinn, das muss sie doch gar nicht.«