Bürgermeisters Tochter - Tessa Hofreiter - E-Book

Bürgermeisters Tochter E-Book

Tessa Hofreiter

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Beschreibung

Dr. Brunner bewohnt mit seiner geliebten Frau Ulrike und einem Jagdhund namens Lump ein typisches Schwarzwaldhaus, in dem er auch seine Praxis betreibt. Ein Arzt für Leib und Seele. Die Serie zeichnet sich gegenüber dem Vorgänger durch ein völlig neues Konzept aus. Es wird noch größerer Wert auf Romantik, Spannung und sich weiterdichtende, zum Leben erwachende Romanfiguren, Charaktere und Typen gelegt. Eines darf verraten werden: Betörend schöne Frauen machen dem attraktiven Landdoktor schon bald den Hof. Und eine wirkliche Romanze beginnt... »Opa, die Oma hat sich aber wieder fein gemacht. Wohin geht sie denn?«, wollte Otto Talhuber wissen, der mit seinem Großvater auf der Bank neben dem Eingang zum Wohnhaus des Talhuberhofs saß. Das Haus hatte einen sonnengelben Anstrich, eine Tür aus massiver Eiche und einen Balkon aus dem gleichen Holz, der sich über die gesamte Vorderseite des zweistöckigen Gebäudes zog. Die L-förmig angeordneten Stallungen waren durch eine Kleewiese, auf der die weißbraun gefleckten Kühe grasten, vom Haus getrennt. Großvater und Enkel schauten der stattlichen Frau in dem leuchtend grünen Dirndl nach. Sie trug dunkelblaue Wildlederpumps und ein dunkelblaues Samtbändchen um den Hals. Erst vor zwei Tagen war Helga Talhuber beim Friseur gewesen und hatte die Blondfärbung ihres grauen Haares auffrischen lassen. Auch der Stufenschnitt war neu und ließ seine Frau um einige Jahre jünger aussehen, wie Xaver Talhuber erneut feststellte. »Deine Oma trifft sich mit ihren Freundinnen vom Landfrauenverein im Café in der Kreisstadt«, antwortete der Bürgermeister von Bergmoosbach seinem Enkel. In ein paar Tagen würde er seinen 65. Geburtstag feiern, und er ließ seine Amtsgeschäfte eine Weile ruhen, um sich an den Vorbereitungen für die große Feier zu beteiligen. So wie er es seiner Helga versprochen hatte. Dass sie ihn nun ständig allein ließ, hatte er nicht erwartet. »Du, Opa.« »Ja?« »Ist die Frau Kornhuber auch Omas Freundin? Und die Frau Draxler und die Traudel von unserem Doktor Seefeld?« Otto zupfte an den Trägern seiner kurzen Lederhose und wackelte mit den Beinchen. »Freilich sind sie ihre Freundinnen.« »Aber mit ihnen trifft sie sich heute gar nicht.« »Geh, Bub,

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Der neue Landdoktor – 64–

Bürgermeisters Tochter

Sie hielt ihren schrecklichen Verdacht geheim

Tessa Hofreiter

»Opa, die Oma hat sich aber wieder fein gemacht. Wohin geht sie denn?«, wollte Otto Talhuber wissen, der mit seinem Großvater auf der Bank neben dem Eingang zum Wohnhaus des Talhuberhofs saß.

Das Haus hatte einen sonnengelben Anstrich, eine Tür aus massiver Eiche und einen Balkon aus dem gleichen Holz, der sich über die gesamte Vorderseite des zweistöckigen Gebäudes zog. Die L-förmig angeordneten Stallungen waren durch eine Kleewiese, auf der die weißbraun gefleckten Kühe grasten, vom Haus getrennt.

Großvater und Enkel schauten der stattlichen Frau in dem leuchtend grünen Dirndl nach. Sie trug dunkelblaue Wildlederpumps und ein dunkelblaues Samtbändchen um den Hals. Erst vor zwei Tagen war Helga Talhuber beim Friseur gewesen und hatte die Blondfärbung ihres grauen Haares auffrischen lassen. Auch der Stufenschnitt war neu und ließ seine Frau um einige Jahre jünger aussehen, wie Xaver Talhuber erneut feststellte.

»Deine Oma trifft sich mit ihren Freundinnen vom Landfrauenverein im Café in der Kreisstadt«, antwortete der Bürgermeister von Bergmoosbach seinem Enkel. In ein paar Tagen würde er seinen 65. Geburtstag feiern, und er ließ seine Amtsgeschäfte eine Weile ruhen, um sich an den Vorbereitungen für die große Feier zu beteiligen. So wie er es seiner Helga versprochen hatte. Dass sie ihn nun ständig allein ließ, hatte er nicht erwartet.

»Du, Opa.«

»Ja?«

»Ist die Frau Kornhuber auch Omas Freundin? Und die Frau Draxler und die Traudel von unserem Doktor Seefeld?« Otto zupfte an den Trägern seiner kurzen Lederhose und wackelte mit den Beinchen.

»Freilich sind sie ihre Freundinnen.«

»Aber mit ihnen trifft sie sich heute gar nicht.«

»Geh, Bub, woher willst du das denn wissen?«

»Weil die Frau Draxler und die Traudel sich heute bei der Frau Kornhuber zu Hause zum Kaffee klatschen treffen.«

»Du meinst, zum Kaffeeklatsch.«

»Hab ich doch gesagt, Opa«, erklärte Otto und seine Stimme klang ein wenig genervt.

»Woher weißt du denn, dass die anderen nicht in die Kreisstadt fahren?«, wollte Xaver von seinem Enkel wissen.

»Weil der Julian mir das erzählt hat.«

»Vielleicht hast du etwas missverstanden.« Schließlich waren Otto und Julian erst sechs Jahre alt, da konnte es schon passieren, dass sie die Gespräche der Erwachsenen falsch deuteten, beruhigten, sich Xaver.

»Der Julian hat aber gesagt, dass die Rosi und er heute beim Kuchenbacken helfen und dass ihre Oma, also die Frau Kornhuber, ihnen sogar Muffins machen will. Die mit den Blaubeeren, wie sie die Emilia von unserem Doktor Seefeld manchmal mit zum Fußballtraining der Mädchen mitbringt. Die Rosi und die Emilia spielen doch in einer Mannschaft.«

»Ich weiß, Bub.«

»Der Julian hat gesagt, er backt auch einen Muffin für mich. Den bringt er morgen mit in die Schule«, erklärte Otto, rieb sich über sein Bäuchlein und sah den Großvater mit seinen großen blauen Kinderaugen an.

»Muffins backen sie also, aha«, murmelte Xaver. Das mit den Muffins hatte Julian sich bestimmt nicht einfach so ausgedacht. Das bedeutete, dass dieses Treffen bei Kornhubers tatsächlich stattfand.

»Du, Opa, wenn die Oma nicht zu diesen Freundinnen geht, mit welchen Freundinnen trifft sie sich denn dann?«, fragte Otto.

»Du weißt doch, Bub, deine Oma hat viele Freundinnen. Ich kenne sie nicht alle«, antwortete Xaver und versuchte, ruhig zu bleiben, obwohl es in ihm brodelte, weil seine Helga ihm offensichtlich verheimlichen wollte, mit wem sie sich wirklich traf. Sie hatten doch bisher nie Geheimnisse voreinander gehabt. Oder habe ich das vielleicht bisher einfach nur angenommen?, dachte Xaver und legte die Stirn in Falten.

Seit über vierzig Jahren waren er und Helga verheiratet. Vor zehn Jahren hatte ihn die Gemeinde zum ersten Mal zu ihrem Bürgermeister gewählt, ein Erfolg, den er auch Helgas liebevoller Unterstützung zu verdanken hatte. Um sich ganz der Politik zu widmen, hatte er den Hof, den er von seinen Eltern geerbt hatte, seinem Sohn Robert überschrieben. Er und seine Frau Lotta kümmerten sich seitdem um die Landwirtschaft und den Viehbestand. Da die ganze Familie zusammen in dem großen Bauernhaus auf der Hochwiese am Rande des Dorfes lebte, konnten sich die jungen Leute immer darauf verlassen, dass er und Helga ihnen beistanden, wenn sie Hilfe brauchten. Die Familie ist die verlässlichste Gemeinschaft überhaupt, dachte Xaver und schaute ins Tal hinunter.

Eingebettet in blühende Wiesen und fruchtbare Feldern am Fuße der Allgäuer Berge lag Bergmoosbach, das Dorf, in dem er geboren wurde, genau wie zuvor seine Eltern, seine Großeltern und alle Talhubers bis zurück ins 14. Jahrhundert, wie er vor einigen Monaten erst erfahren hatte, nachdem ein längst vergessenes Archiv unten im Dorf wieder entdeckt wurde.

Bergmoosbach war das schönste Dorf im ganzen Allgäu, hieß es zumindest bei den Einheimischen und Touristen, die in jedem Jahr ihren Urlaub in dieser Idylle verbrachten. Ein türkisfarbener See lud zum Schwimmen ein, es gab Ruderboote zu mieten, und vor Kurzem hatte der Gemeinderat auf seinen Vorschlag hin Kanufahrten im Wildbach erlaubt.

Rund um den Marktplatz gab es Geschäfte für den täglichen Bedarf, die auch von den Gästen der Hotels, Pensionen und Ferienwohnungen gern aufgesucht wurden. Auch im Krankheitsfall fühlten sich Einheimische wie Gäste bestens in Bergmoosbach aufgehoben. Sebastian Seefeld, der die Landarztpraxis seines Vaters übernommen hatte, besaß einen hervorragenden Ruf, nicht nur bei den Einheimischen.

»Opa, du siehst aber mächtig nachdenklich aus«, stellte Otto fest, der seinen Großvater von der Seite betrachtete.

»Ein Bürgermeister hat immer über vieles nachzudenken, Bub, das weißt du doch.«

»Freilich, das weiß ich, du musst ja auf alle Bergmoosbacher aufpassen.«

»Nun, aufpassen können sie schon auf sich allein, aber ich muss dafür sorgen, dass alles seine Ordnung hat.«

»Die Oma sagt immer, dass du ein ganz ein ausgezeichneter Bürgermeister bist, weil dir das Wohl deiner Bürger am Herzen liegt. Liegt dir mein Wohl auch am Herzen?«

»Geh, Bub, was ist das denn für eine Frage? Freilich liegt mir dein Wohl am Herzen, deines ganz besonders«, versicherte Xaver seinem Enkel und streichelte ihm über das kurze blonde Haar.

»Hallo, ihr beiden. Ihr seht aus, als würdet ihr auf jemanden warten«, sagte die junge Frau in dem weißem T-Shirt und der roten Latzhose, die aus dem Haus kam und in die grünen Gummistiefel schlüpfte, die neben der Tür standen.

»Nein, wir haben zugeguckt, wie die Oma fortgeht. Stell dir mal vor, Tante Silke, der Opa weiß nicht, mit welchen Freundinnen sie sich trifft«, antwortete Otto mit betroffener Miene.

»Ich dachte, sie sei zum Kaffeetrinken mit einigen Damen vom Landfrauenverein verabredet«, entgegnete Silke Talhuber, die Schwester von Ottos Vater. Sie hatte kürzlich ihr Studium der Politikwissenschaften abgeschlossen und inzwischen einige Bewerbungen verfasst. Solange sie auf die Antwortschreiben wartete, packte sie auf dem Hof mit an. So wie sie es seit ihrer Kindheit gewohnt war.

»Aber nicht mit der Frau Korn­huber, weil sie nämlich zu Hause Blaubeermuffins essen, und die Oma hat gesagt, sie fährt in die Kreisstadt«, erklärte Otto mit treuherzigem Blick.

»Mei, die Mama hat viele Freundinnen. Ist es denn so wichtig, dass ihr wisst, mit welchen sie sich trifft?«

»Geh, Madl, freilich nicht, wir haben uns nur gewundert, dass sie nicht zu Kornhubers geht, weil sie doch sonst immer bei diesen Treffen dabei ist. Vielleicht gibt es ja auch ein paar Unstimmigkeiten zwischen den Damen.«

»Das denke ich nicht, das hätte die Mama sicher erwähnt.«

»Ja, das hätte sie wohl«, gab Xaver seiner Tochter recht. »Und jetzt machen wir einen kleinen Ausflug«, sagte er und erhob sich von der Bank.

»Wer wir? Du und ich?«, fragte Otto erstaunt.

»Ja, Otto, wir beide.«

»Wohin gehen wir denn, Opa?«

»Erst einmal ins Dorf und dann sehen wir, wohin es uns führt. Bis später, Silke«, verabschiedete sich Xaver von seiner Tochter.

»Willst du dich nicht zuerst umziehen?«, fragte Silke und schaute auf die knielange Lederhose mit den Hosenträgern, die ihr Vater zu einem blauweiß kariertem Hemd, weißen Kniestrümpfen und zünftigen Wanderschuhen trug.

»Das passt schon«, erklärte Xaver und rückte den Lodenhut zurecht, den er auf seinem grauen schon leicht schütteren Haar trug.

»Das passt schon«, wiederholte Otto, der seine blauen Kniestrümpfe hochzog und danach seine Hand in die des Großvaters legte.

»Ist alles in Ordnung mit dir, Papa? Geht es dir gut?«, fragte Silke, weil sie plötzlich das Gefühl hatte, dass ihren Vater etwas bedrückte.

»Keine Sorge, mir fehlt nichts, Kind, bis später«, verabschiedete sich Xaver von seiner Tochter und marschierte mit Otto davon.

Silke war nicht so recht davon überzeugt, dass es ihrem Vater gut ging. Es war nicht das erste Mal in den letzten Tagen, dass er ihr derart nachdenklich erschien. Sie ging in die Scheune hinüber, in der ihr Bruder und seine Frau die Heuballen, die sie nach dem Trocknen im Freien vom Feld geholt hatten, vom Anhänger ihres Traktors luden.

Robert Talhuber, ein kräftiger junger Mann mit freundlichen hellen Augen, trug einen blauen Overall und Gummistiefel. Er stand auf dem Anhänger und warf die Heuballen herunter, die seine Frau Lotta an die Wand der Scheune rollte. Lotta, eine stämmige junge Frau mit dunklem kurzen Haar und strahlend blauen Augen, trug die gleiche rote Latzhose wie Silke und steckte bis zu den Knien in grünen Gummistiefeln.

»Ich denke, Papa geht es nicht gut«, erklärte Silke, als die beiden kurz mit ihrer Arbeit innehielten. Sie konnte ihre Sorge nicht länger für sich behalten.

»Wie kommst du darauf?«, fragte Robert. Er richtete sich auf, fuhr sich mit der Hand über seinen blonden Bürstenhaarschnitt und sah Silke abwartend an.

»Er ist oft so in sich gekehrt. So kennen wir ihn doch gar nicht. Wann hat er denn das letzte Mal herzlich gelacht, so wie es eigentlich seine Art ist?«

»Vielleicht ist es wegen seines Geburtstages. Ich meine, das Alter macht ihm sicher ein bissel Angst«, mutmaßte Lotta. Sie wischte sich das Heu, das an ihren Händen haftete, an ihrem Overall ab und trank ein paar Schlucke aus der Wasserflasche, die auf einem alten Holzschemel stand.

»Ich weiß nicht, ich befürchte, dass mehr dahintersteckt«, entgegnete Silke.

»Vielleicht bist auch du diejenige, die zu viel nachdenkt. Ich meine, du hast studiert, du hast gelernt, ständig über etwas nachzudenken, alles zu hinterfragen und zu analysieren.«

»Willst du mir damit sagen, dass ich zu viel nachdenke?«, fragte Silke uns sah ihren Bruder entrüstet an.

»Ja, genau das will ich sagen. Warum amüsierst du dich nicht ein bisschen, bevor es ernst für dich wird? Im Moment bist du noch frei, hab doch einfach mal Spaß«, erwiderte Robert und betrachtete seine Schwester mit einem liebevollen Lächeln.

»Ich habe Spaß. Ich bin gern hier auf dem Hof und ich helfe euch gern. Mir geht es wirklich gut«, versicherte sie Robert.

»Er meint, dass die Liebe bei dir zu kurz kommt«, mischte sich Lotta mit einem freundlichen Lächeln ein.

»Sie kommt bei ihr gar nicht vor«, erklärte Robert.

»Ich liebe meine Familie«, verteidigte sich Silke.

»Diese Liebe meine ich aber nicht.«

»Diese Liebe, von der du sprichst, lässt sich nicht erzwingen.« Silke schaute trotzig zu Boden. Es war doch nicht ihre Schuld, dass sie noch allein war.

»Neulich, während der Proben für das Sommertheater der Landfrauen, bist du doch mit Harald Baumann ausgegangen«, erinnerte Lotta sie an den Abend, an dem sie den Assistenten von Miriam Holzer, der Erbin des Bergmoosbacher Sägewerks, in die Bar des Hotels Sonnenblick begleitet hatte.

»Das hatte nichts zu bedeuten. Wir wissen alle, dass er nur Miriam liebt und nur mit anderen ausgeht, um ihr vorzugaukeln, dass er sich auch in eine andere verlieben könnte. Eine Taktik, mit der er offensichtlich Erfolg hat.«

»Könnte sein, sie waren gerade erst zusammen auf Jamaika«, stimmte Lotta ihr zu.

»Richtig. Wollen wir weitermachen oder wollen wir noch weiter darüber spekulieren, in wen ich mich irgendwann verlieben könnte?« Silke stemmte die Hände in die Hüften und sah zuerst ihren Bruder und danach Lotta an.

»Wie du willst, Schwesterchen, dann schieben wir die Liebe, zumindest was dich betrifft, erst einmal beiseite und widmen uns der Arbeit.«

Gleich darauf flogen die nächsten Heuballen vom Anhänger herunter, und Silke half ihrer Schwägerin, sie ordentlich an der Scheunenwand aufzureihen.

*

»Opa, wo ist denn dieses Es, das uns herumführt?«, fragte Otto, als er und sein Großvater über den Marktplatz von Bergmoosbach spazierten und Xaver ständig seinen Lodenhut lüftete, weil die Leute ihn überall freundlich begrüßten.

»Welches Es, Bub?«

»Du hast gesagt, wir gehen ins Dorf hinunter und dann sehen wir mal, wo Es uns hinführt.«

»Geh, Otto, du weißt doch, dass man das einfach nur so sagt«, entgegnete Xaver, während er die Hand seines Enkels fest umschlossen hielt.

»Warum sagen die Erwachsenen denn ständig so komische Sachen?«

»Das liegt wohl daran, dass sie nicht immer genau darüber nachdenken, was sie sagen.«

»Aber du denkst doch gerade ganz viel nach«, stellte Otto fest, als sie an den Tischen vorbeikamen, die unter dem Laubdach einer mächtigen Kastanie standen und zum Café Höfner gehörten.

»Über was muss denn dein Großvater nachdenken?«, wollte Ursel Wermig wissen. Die ältere Frau in dem honigfarbenen Dirndl gehörte zum Stammpersonal des Cafés und kreuzte mit einem Tablett voller Eisbecher ihren Weg.

»Über die Oma denkt er nach, weil sie so viele Freundinnen hat«, erklärte ihr Otto.

»Geh, was gibt es denn darüber nachzudenken? Die Damen in Bergmoosbach sind doch alle mehr oder weniger miteinander befreundet. Es ist doch etwas Gutes, wenn sich alle verstehen. So ist es doch, Bürgermeister«, wandte sie sich an Xaver.

»Freilich, es ist etwas Gutes, wenn sich alle verstehen. Es geht auch nicht unbedingt um ihre Freundinnen. Die Helga ist in letzter Zeit ein bissel arg verschlossen. Weißt du, ob da was ist, was sie vielleicht mit sich herumträgt und sich nicht traut auszusprechen?«

»Mir ist nichts aufgefallen. Wir haben uns gestern erst im Dorfgemeindehaus zum Landfrauentreffen gesehen, da war sie bester Laune und glücklich hat sie auch ausgeschaut.«

»Glücklich, aha, das ist schön«, murmelte Xaver.

»Du machst dir ganz bestimmt umsonst Sorgen«, versicherte ihm Ursel.

»Das hoffe ich, einen schönen Tag noch, Ursel«, verabschiedete sich Xaver und marschierte mit seinem Enkel an der Hand über den Marktplatz.

»Guck mal, Opa, da ist Doktor Seefeld, der Papa von unserem neuen Doktor Seefeld«, machte Otto seinen Großvater auf den sportlichen älteren Herrn aufmerksam, der aus einem weinroten Mercedes Cabriolet, einem Oldtimer aus den fünfziger Jahren, stieg.

»Grüß dich, Xaver, wie geht es deiner Frau?«, fragte Benedikt Seefeld.

»Ich denke, es geht ihr gut. Kommst du vom Golfplatz?«, fragte Xaver und schaute auf die helle Hose und den grünen Pulli des attraktiven Mannes, dessen dunkle Augen in einem aufregenden Kontrast zu seinem silbergrauen Haar standen.

»Nein, ich bin auf dem Weg dorthin. Ich wollte nur vorher das Waschpulver in der Drogerie abholen, das Traudel bestellt hat. Sie ist heute zum Kaffee bei Kornhubers, und diese Treffen dauern ja manchmal bis in die Abendstunden, wie du weißt«, entgegnete Benedikt augenzwinkernd. »Traudel hat sich gewundert, dass Helga so kurzfristig ihre Teilnahme am Nachmittagskaffee bei Kornhubers abgesagt hat. Deshalb wollte ich wissen, ob es ihr gut geht.«

»Sie ist in der Kreisstadt, etwas erledigen. Auf bald, Benedikt«, verabschiedete sich Xaver und versuchte, ruhig zu atmen, was ihm äußerst schwerfiel, da sein Herz auf einmal schneller schlug. »Weißt du was, Bub, jetzt holen wir uns ein bissel einen Kuchen im Café, den essen wir an einem ganz schönen Ort«, wandte er sich an seinen Enkel, nachdem Benedikt in die Drogerie gegangen war.

»Wo ist der Ort? Führt Es uns da wieder hin?«

»Nein, da führe ich uns hin«, erklärte Xaver lächelnd.

Zehn Minuten später liefen Großvater und Enkel in ihren Lederhosen und Kniestrümpfen die Steinstufen zum mächtigen Portal des Rathauses hinauf, durchquerten die große Halle mit den hohen Fenstern und stiegen die Holztreppe in den Rathausturm hoch.