Warum diese Missgunst? - Tessa Hofreiter - E-Book

Warum diese Missgunst? E-Book

Tessa Hofreiter

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Beschreibung

Dr. Brunner bewohnt mit seiner geliebten Frau Ulrike und einem Jagdhund namens Lump ein typisches Schwarzwaldhaus, in dem er auch seine Praxis betreibt. Ein Arzt für Leib und Seele. Die Serie zeichnet sich gegenüber dem Vorgänger durch ein völlig neues Konzept aus. Es wird noch größerer Wert auf Romantik, Spannung und sich weiterdichtende, zum Leben erwachende Romanfiguren, Charaktere und Typen gelegt. Eines darf verraten werden: Betörend schöne Frauen machen dem attraktiven Landdoktor schon bald den Hof. Und eine wirkliche Romanze beginnt... »Alles Liebe zu unserem Hochzeitstag, mein Schatz«, sagte Steffen Brandner zärtlich und zog seine junge Frau in eine Umarmung. Das liebevoll gedeckte Frühstückstablett hatte er auf dem Nachttisch abgestellt, um seiner Liebsten einen wunderschön gebundenen Strauß weißer und roséfarbener Rosen überreichen zu können. Rita Brandner schaute ihren Ehemann verliebt an. Ihre rötlich-blonden Haare, mit denen sie selbst gar nicht einverstanden war, waren vom Schlaf zerzaust und umspielten weich ihre etwas kantigen Gesichtszüge. Rita kuschelte sich in die Arme ihres Mannes und seufzte glücklich. »Steffen, wie wunderschön. Der Strauß sieht ja aus wie mein Brautstrauß.« Der Mann lachte leise und strich ihr eine wirre Haarsträhne aus der Stirn. »Natürlich«, antwortete er. »Ich weiß doch, wie schön du ihn gefunden hast, und deshalb habe ich mich von diesem tollen Blumengeschäft Edelweiß beraten lassen und ihn dort bestellt.« »Du bist nur wegen der Blumen extra von Oberstdorf nach Bergmoosbach gefahren? Steffen, wie süß ist das denn«, sagte Rita gerührt und küsste ihn. »Nun ja, nicht allein wegen des Straußes«, fuhr Steffen lächelnd fort. »Das war der eine Grund, aber der andere ist das Geschenk, um das ich mich in Bergmoosbach gekümmert habe.« Er deutete auf das Tablett und einen lavendelfarbenen Briefumschlag, der mit zarten, silbernen Ornamenten verziert war. »Oh, sieht der schön aus!«

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Der neue Landdoktor – 75–

Warum diese Missgunst?

Olivia hat eine gefährliche Widersacherin

Tessa Hofreiter

»Alles Liebe zu unserem Hochzeitstag, mein Schatz«, sagte Steffen Brandner zärtlich und zog seine junge Frau in eine Umarmung. Das liebevoll gedeckte Frühstückstablett hatte er auf dem Nachttisch abgestellt, um seiner Liebsten einen wunderschön gebundenen Strauß weißer und roséfarbener Rosen überreichen zu können.

Rita Brandner schaute ihren Ehemann verliebt an. Ihre rötlich-blonden Haare, mit denen sie selbst gar nicht einverstanden war, waren vom Schlaf zerzaust und umspielten weich ihre etwas kantigen Gesichtszüge. Rita kuschelte sich in die Arme ihres Mannes und seufzte glücklich. »Steffen, wie wunderschön. Der Strauß sieht ja aus wie mein Brautstrauß.«

Der Mann lachte leise und strich ihr eine wirre Haarsträhne aus der Stirn. »Natürlich«, antwortete er. »Ich weiß doch, wie schön du ihn gefunden hast, und deshalb habe ich mich von diesem tollen Blumengeschäft Edelweiß beraten lassen und ihn dort bestellt.«

»Du bist nur wegen der Blumen extra von Oberstdorf nach Bergmoosbach gefahren? Steffen, wie süß ist das denn«, sagte Rita gerührt und küsste ihn.

»Nun ja, nicht allein wegen des Straußes«, fuhr Steffen lächelnd fort. »Das war der eine Grund, aber der andere ist das Geschenk, um das ich mich in Bergmoosbach gekümmert habe.« Er deutete auf das Tablett und einen lavendelfarbenen Briefumschlag, der mit zarten, silbernen Ornamenten verziert war.

»Oh, sieht der schön aus!«, rief die junge Frau spontan aus. Vorsichtig öffnete sie den Umschlag und zog eine Karte hervor, auf der mit wenigen, gekonnten Strichen die Tür ihres Hauses skizziert war. Um die Tür herum war ein Rosenbogen gemalt und zwar so realistisch, dass man meinte, die einzelnen Blütenblätter zwischen den Fingerspitzen zu spüren. Ritas blaue Augen wurden riesengroß. »Das ist ja Lüftlmalerei und zwar die beste, die ich je gesehen habe«, sagte sie begeistert.

Steffen hatte sich inzwischen auf ihr Bett gesetzt, und gemeinsam bewunderte das junge Ehepaar die Karte.

Lüftlmalerei ist eine ganz besondere Art der Malerei, mit der Hausfassaden verziert werden. Dabei kommt es darauf an, nicht nur ein schönes Bild entstehen zu lassen, sondern es muss so aussehen, als sei der abgebildete Gegenstand tatsächlich dort vorhanden. Deshalb wird Lüftlmalerei auch oft Illusionsmalerei genannt.

»Du hast dir doch immer einen Rosenbogen um unsere Haustür gewünscht«, erwiderte ihr Mann. »Wieviel Mühe hast du dir gegeben, dort eine Kletterrose wachsen zu lassen, aber der Standort ist einfach falsch. Es lag nicht an dir und deiner Pflege, dass die Rosen immer wieder eingegangen sind. Wenn es dort auf natürlichem Weg nicht geht, schaffen wir die Illusion eines Rosenbogens. Und da wir heute das Fest unserer Rosenhochzeit feiern, dachte ich, es ist genau der richtige Zeitpunkt für die Lüftlmalerei um unsere Haustür.«

»Steffen, war für eine wundervolle Idee. Tausend Dank, mein Liebster, damit hast du mir eine Riesenfreude gemacht!«, rief Rita begeistert, schlang wieder die Arme um seinen Hals und küsste ihn ausgiebig.

Nach einer zauberhaften Weile, in der das Paar für nichts als aneinander Interesse gehabt hatte, tauchte Rita atemlos aus der Umarmung auf und nahm wieder die schöne Karte zur Hand. »Ich kann es kaum abwarten, nach einem guten Lüftlmaler zu suchen und den Auftrag zu besprechen«, sagte sie mit leuchtenden Augen.

»Das brauchst du nicht, denn ich habe bereits mit dem besten gesprochen und einen Termin abgemacht. Nächste Woche, wenn wir unsere große Feier hinter uns und wieder mehr Zeit haben, kommt er zum Vorgespräch her, und du kannst in Ruhe alle deine Wünsche besprechen.«

»Fantastisch!«, freute Rita sich. »Wer ist es denn?«

»Die Firma steht auf der Rückseite der Karte.«

Erwartungsvoll drehte Rita sie um und ihr freudiges Lächeln verrutschte. Die Karte war auf der Rückseite ebenso schön gestaltet wie der Umschlag. In geschwungenen silbernen Buchstaben standen dort die Kontaktdaten der Künstlerin und deren Name, Olivia Wamsler.

Rita holte tief Atem und versuchte, neutral zu klingen. »So, also Olivia aus Bergmoosbach«, sagte sie. »Ich freue mich riesig über dein Geschenk, Steffen, aber es wäre mir lieber, die Malerei von einem anderen Künstler anfertigen zu lassen.«

»Hm, wie bitte?«, erwiderte ihr Mann zerstreut. Er war gerade damit beschäftigt, den Kaffee einzuschenken und mit einem Sahnehäubchen zu versehen, deshalb war ihm Ritas Gesichtsausdruck entgangen. Als er sie nun anschaute, musste er überrascht auflachen. »Herzblatt, du bist doch nicht etwa eifersüchtig? Immer noch?«

Rita wusste, dass ihre alte Eifersucht albern und vor allem völlig unberechtigt war, aber sie konnte nichts dagegen tun. »Doch«, antwortete sie kläglich, »zumindest ein bisschen.«

Steffen bedachte seine Frau mit einem liebevollen Kopfschütteln. »Ich fass es nicht, das ist jetzt wie lange her? Fast fünfzehn Jahre? Und du bist immer noch eifersüchtig, weil ich damals mit Olivia zum Abtanzball gegangen bin und nicht mit dir?«

»Ich weiß ja selbst, wie dumm das klingt«, murmelte Rita verlegen. Sie zupfte nervös an der Serviette herum, die Steffen kunstvoll zu einer Blume gefaltet hatte. »Aber ich kann halt nichts dagegen tun. Egal, wie lange es her ist, die Vorstellung von euch beiden auf dem Abtanzball, die tut immer noch weh.«

»Rita, wir waren Jugendliche, und die Zeit liegt über fünfzehn Jahre zurück«, lachte Steffen unbekümmert. »Darf ich dich außerdem daran erinnern, dass ich dich geheiratet habe und nicht Olivia, und dass wir seit zehn Jahren ein glückliches Ehepaar sind?«

Rita seufzte. »Stimmt, aber Olivia ist immer viel schöner und begabter und beliebter gewesen als ich und …«

»Und ich liebe dich«, fiel Steffen ihr entschieden ins Wort. »Für mich bist du die schönste und liebenswerteste Frau der Welt, auch wenn du manchmal eine leicht spinnerte Kratzbürste sein kannst.«

»Ja, aber du bist extra nach Bergmoosbach gefahren, um Olivia den Auftrag zu geben, das ist doch …«, bohrte Rita hartnäckig weiter und wurde wieder von ihrem Mann unterbrochen.

»… das einzig Richtige gewesen«, vervollständigte Steffen ihren Satz. »Wenn wir uns schon für eine Lüftlmalerei entscheiden, dann soll sie vom besten Künstler gemacht werden, und das ist Olivia. Sie stammt aus einer angesehenen Handwerkerfamilie, die sich mit dieser besonderen Kunst hervorragend auskennt, und sie ist sehr begabt. Ich habe mich nicht aus sentimentalen Gründen für sie entschieden, sondern aus praktischen. Olivias Kunstfertigkeit hat einen tadellosen Ruf. Und jetzt lass uns nicht mehr davon sprechen; komm mit raus auf den Balkon, damit wir unser Frühstück genießen können.«

Rita wusste, dass ihr Mann recht hatte, und sie bemühte sich ehrlich, nicht mehr an die ewige Konkurrenz zu denken, die sie nicht nur damals gegenüber der schönen und beliebten Olivia empfunden hatte. Leicht fiel es ihr allerdings nicht, aber sie konzentrierte sich jetzt auf die alltäglichen Dinge.

»Wann musst du im Büro sein?«, fragte sie ihren Mann, der als Steuerberater in einer größeren Kanzlei arbeitete. Sie selbst war Friseurin und hatte die nächsten Tage frei genommen, um das Fest anlässlich ihres zehnten Hochzeitstages vorzubereiten.

»Heute Mittag«, antwortete Steffen, »leider kann ich nicht den ganzen Tag ausfallen lassen, aber wir hatten zumindest diesen Morgen für uns.«

»Und der war und ist sehr schön«, erwiderte Rita zufrieden.

»Was hast du heute noch vor?«, erkundigte sich ihr Mann.

»Ich muss unbedingt das Video für diese Fernsehsendung über Traditionelles aus Bayern drehen, mit den letzten drei bin ich überhaupt nicht zufrieden gewesen. Ich komme einfach nicht so lässig rüber, wie ich sein will«, erwiderte Rita, schon wieder leicht nervös.

Steffen griff nach ihrer Hand und küsste sie. »Entspann dich, mein Schatz. Du musst dich doch gar nicht bemühen, sei einfach du selbst. Und dein Böfflamott nach dem Rezept deiner Mama ist großartig und wird den Machern dieser Sendung bestimmt gefallen.«

»Na ja, Böfflamott kochen viele, das werde ich bestimmt nicht als einzige vorstellen, da muss ich mich schon ins Zeug legen«, antwortete Rita besorgt.

Steffen lächelte aufmunternd und schwieg. Er kannte seine Frau in- und­ auswendig und wusste, dass ihr geringes Selbstbewusstsein ihre Schwachstelle war. Rita fühlte sich sehr leicht unterlegen und versuchte, es mit übertrieben lustigem oder forschem Auftreten zu überspielen. Leider wirkte sie dadurch oft unsympathisch und sie strapazierte unnötig die Geduld ihrer Mitmenschen. »Bleib natürlich und so, wie ich dich kenne und liebe«, sagte er herzlich. »Dann wirst du den Fernsehleuten, die alle Einsendungen begutachten, gefallen.«

»Mei, das hängt doch sehr davon ab, wer sich sonst noch bewirbt. Das werden bestimmt sehr viele unterschiedliche Menschen mit interessanten Beiträgen sein«, seufzte sie pessimistisch.

*

Genau das hatten die Macher dieser Sendung beabsichtigt, und inzwischen waren schon viele Videos eingeschickt worden.

Auch im weißen Doktorhaus in Bergmoosbach war man auf die Sendung aufmerksam geworden, allerdings erst kurz vor Einsendeschluss. Familie Seefeld, die seit Jahrzehnten vom guten Geist des Hauses verwöhnt wurde, drängte Haushälterin Traudel zur Teilnahme. An diesem Morgen, als die Familie am Frühstückstisch saß, ging es um dieses Thema.

Emilia, die Teenagertochter Sebastian Seefelds, legte sich mächtig ins Zeug. »Nichts ist so gut wie deine Rohrnudeln mit Kirschen und Vanillesauce, wenn man mit einer verhauenen Klassenarbeit im Rucksack von der Schule nach Hause kommt«, sagte sie energisch.

»Als ob du jemals eine Klassenarbeit in den Sand gesetzt hättest«, erwiderte ihre Vize-Omi kopfschüttelnd.

»Na, dann eben als Belohnung oder als Muntermacher für mich, wenn ich müde von Hausbesuchen heimkomme«, sagte Sebastian.

»Oder ich nach einer durchwachten Nacht bei einer Geburt«, ergänzte seine Freundin Anna, die als Hebamme in der Region unterwegs war.

Benedikt Seefeld, der Senior der Familie, richtete seinen warmen, dunklen Blick auf die hübsche, ältere Frau und fügte hinzu: »Nicht nur damit hast du die Familie Seefeld im Sturm erobert.«

Traudel errötete. »Mei, es sind doch nur Rohrnudeln. Was glaubt denn ihr, wie viele Rezepte für Dampfnudeln und Germknödel vorgestellt werden?«

»Das sind aber alles keine Rohrnudeln«, stellte Emilia energisch fest und sprang auf. »Es sind Ferien, das heißt, wir haben genügend Zeit. Komm, Traudel, machen wir uns an die Arbeit. Du kochst, und ich filme dich dabei.« Sie zog ihre überraschte Vize-Omi vom Tisch hoch und drängte sie sanft hinüber zur Arbeitsfläche der gemütlichen Landhausküche.

»Aber doch nicht so, wie schaue ich denn aus!«, protestierte Traudel.

»Wunderhübsch!«, riefen vier Stimmen wie aus einem Mund.

Verlegen, aber auch von Herzen über die Begeisterung ihrer Familie erfreut, strich Traudel über die lavendelfarbene Schürze ihres hellgrünen Dirndls. Ihre dunklen Augen unter den braunen Locken, die von attraktiven Silberfäden durchzogen waren, funkelten unternehmungslustig. »In Ordnung, dann mache ich eben mit. Kamerafrau Emilia, du kannst dein Handy in Position bringen.« Die Familie applaudierte, Emilia suchte sich einen guten Platz, und Traudel begann mit dem Ansetzen des Hefeteigs.

Während der Teig aufging, stellte Emilia die Handykamera aus und ging kurz in ihr Zimmer hinauf. Außer Traudel und Benedikt war jetzt kein anderes Familienmitglied in der Küche. »Ich lasse mich auf diesen Zirkus nur Emilia zuliebe ein«, sagte Traudel vertraulich zum ehemaligen Landdoktor. »Es ist schön, dass ihr meine Rohrnudeln so gern mögt, aber es ist doch nur eine einfache Mehlspeise. Ich rechne nicht damit, dass sich in der Redaktion des Senders irgendjemand dafür interessiert.«

Benedikt schaute sie lächelnd an und wischte eine winzige Mehlspur von ihrer Wange. »Stell dein Licht nicht unter den Scheffel, liebe Traudel. Ich denke, du wirst eine Überraschung erleben.«

»Ach, heut ist doch schon Einsendeschluss. Wer weiß, ob sie sich Emilias Film überhaupt noch anschauen«, antwortete Traudel zerstreut.

»Natürlich tun sie das, sonst kriegen sie’s mit mir zu tun!«, rief Emilia, die eben wieder in die Küche trat, übermütig. Sie schnappte sich das Handy und deutete auf den Herd. »Und jetzt bitte auf zu Vanillesauce und Kirschkompott.«

Zwei Tage später kam der Anruf des Senders. Zu Traudels Riesenüberraschung hatte man unter allen kulinarischen Beiträgen tatsächlich ihren ausgesucht. Der zuständige Redakteur stellte sich als Martin Steiner vor und vereinbarte mit Traudel gleich für die nächste Woche den Termin, um die Dreharbeit zu besprechen.

»Mei, das geht aber fix«, sagte Traudel perplex. »Ich habe überhaupt nicht damit gerechnet, dass Sie sich für meinen Beitrag interessieren.«

»Doch, sogar sehr«, erwiderte Martin Steiner. »Wir haben viele Bewerbungsvideos bekommen, und Ihres ist uns sofort durch seine Natürlichkeit aufgefallen. Bei anderen sah man, dass die Leute unbedingt ins Fernsehen wollten; Sie wollten einfach nur kochen.«

»Aber genau darum geht es doch«, erwiderte Traudel.

Der Mann lachte. »Wenn das nur alle so sehen würden«, antwortete er. »Ich möchte Sie noch etwas fragen, was nichts mit der Sendung zu tun hat. Wenn ich zu Ihnen komme, habe ich meine kleine Tochter dabei. Es sind Sommerferien, und die wollen wir in Bergmoosbach verbringen. Ich konnte noch keine Betreuung organisieren; wäre es Ihnen recht, wenn ich das Kind zu unserem Termin mitbringe? Sie heißt Nellie und ist sieben Jahre alt.«

»Natürlich ist uns Nellie willkommen«, antwortete Traudel freundlich. »Sie werden gewiss eine schöne Ferienzeit in Bergmoosbach verbringen.«

»Vielen Dank, Frau Bruckner. Wir sehen uns dann also am Donnerstag nächster Woche«, verabschiedete Martin sich.

»Servus, Herr Steiner.« Immer noch ein wenig überrascht legte Traudel auf und machte sich dann auf die Suche nach der Familie, um ihnen die Neuigkeit zu erzählen.

»Ha!«, machte Emilia triumphierend und strahlte in die Runde. »Hab ich’s doch gewusst, dass sie dich haben wollen.«

»Dass dieses Kind auch immer das letzte Wort haben muss«, lachte Traudel und zauste ihrem geliebten Schützling spielerisch die glänzende Haarpracht. Die kluge und gestandene Frau hatte es nicht nötig, sich öffentliche Aufmerksamkeit zu verschaffen, trotzdem freute sie sich auf ihren Auftritt in einer ihrer Lieblingssendungen. »Ich bin auf das Gespräch mit diesem Martin Steiner gespannt. Vielleicht erzählt er ein wenig von den anderen Beiträgen, es geht ja nicht nur um typische Speisen aus Bayern, sondern auch um Kunst, Handwerk und Brauchtum.«

»Ob sich wohl auch Olivia Wamsler beworben hat?«, überlegte Benedikt laut. »Lüftlmalerei ist doch ein sehr passender Beitrag zu dieser Sendung, und Olivia stammt aus einer bergmoosbacher Familie, die seit drei Generationen dieses Kunsthandwerk ausübt.«

»Ich werde den Redakteur fragen. Falls es noch keinen Beitrag über Lüftlmalerei gibt, können wir ihn auf Olivia aufmerksam machen«, stimmte Traudel freundlich zu.

*

Nein, Olivia Wamsler hatte sich nicht um den Aufruf des Senders gekümmert. Ein Beitrag über sie und ihren Beruf wäre zwar eine fantastische Werbung gewesen, aber ihr fehlte die Zeit, sich darum zu kümmern. Olivia stammte aus einer alteingesessenen Handwerkerfamilie mit sehr gutem Ruf, aber sie hatte um ihre Existenz zu kämpfen. Ein guter Auftrag in Freising hatte sie beschäftigt, und Olivia wollte ihre Aufmerksamkeit nicht zwischen den Kundenwünschen und einem Bewerbungsvideo für den Sender teilen müssen. Es reichte ihr schon, dass während der Arbeit hin und wieder ihre Gedanken zu dem Termin bei Rita und Steffen Brandner abschweiften.

Natürlich freute die junge Frau sich über den neuen Auftrag, aber trotzdem sah sie ihm mit gemischten Gefühlen entgegen. Vor vielen Jahren waren Steffen und sie für kurze Zeit ein Pärchen gewesen, seitdem nichts als gute Freunde, die sich nur noch gelegentlich trafen.

Bei diesen Treffen machte Rita einen angespannten Eindruck, obwohl sie sich bemühte, nicht unfreundlich zu wirken. Olivia konnte es nicht verstehen, aber offensichtlich brannte in Rita immer noch die jugendliche Eifersucht von damals, als sie gemeinsam die Tanzstunde in der Kreisstadt besuchten.

Olivia stellte energisch ihren Kaffeebecher in die Spüle, schüttelte den Kopf und sagte zu ihrem Hund Emil: »Meine Güte, worüber ich mir Gedanken mache, das ist doch alles ziemlich albern, findest du nicht auch?«

Emil legte seinen Kopf mit den blanken Augen und den wuscheligen Knickohren schräg und gab seinem angebeteten Frauchen rundum recht.

»Fein«, lachte Olivia die schwarz-braune, abenteuerliche Promenadenmischung an. »Dann ab mit dir ins Auto und los. Das fehlte noch, dass wir ausgerechnet bei Rita zu spät kommen.«