Der Pfingstritt - Franz Braumann - E-Book

Der Pfingstritt E-Book

Franz Braumann

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Beschreibung

Voller Stolz sieht Kathrine, die Tochter des Hofbauern, beim Pfingstritt ihren Burschen, den Sohn des Ellenhubers, mit seinem prächtigen Pferdegespann vorbeiziehen, doch als Ambros sich beim anschließenden Tanz allzu ungestüm benimmt, entwindet sie sich seinem Zugriff. Da begegnet der junge Ellenhuber daheim Monika, dem armen Mädchen aus dem Sandnerhäusl, und fühlt sich sofort zu ihr hingezogen. Für welche dieser Frauen wird er sich aber entscheiden? Für die reiche Hoferbin, die vom Vater als Schwiegertochter ausersehen ist, oder für die mittellose unscheinbare Monika, der er zu nächtlicher Stunde seine Liebe gesteht? Der Alte vom Ellenhub freilich hat die Wahl für den Sohn schon längst getroffen und setzt, keinen Widerspruch duldend, den Hochzeitstermin mit Kathrine fest. Daran ändert sich auch nichts, als Monika ein Kind von Ambros erwartet.

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LESEPROBE ZU

Vollständige E-Book-Ausgabe der im Rosenheimer Verlagshaus erschienenen Originalausgabe 1977

© 2017 Rosenheimer Verlagshaus GmbH & Co. KG, Rosenheim

www.rosenheimer.com

Schutzumschlag: Barbara Köhler, Nußdorf

Foto: Robert Löbl, Bad Tölz

eISBN 978-3-475-54722-5 (epub)

Worum geht es im Buch?

Franz Braumann

Der Pfingstritt

Voller Stolz sieht Kathrine, die Tochter des Hofbauern, beim Pfingstritt ihren Burschen, den Sohn des Ellenhubers, mit seinem prächtigen Pferdegespann vorbeiziehen, doch als Ambros sich beim anschließenden Tanz allzu ungestüm benimmt, entwindet sie sich seinem Zugriff. Da begegnet der junge Ellenhuber daheim Monika, dem armen Mädchen aus dem Sandnerhäusl, und fühlt sich sofort zu ihr hingezogen. Für welche dieser Frauen wird er sich aber entscheiden? Für die reiche Hoferbin, die vom Vater als Schwiegertochter ausersehen ist, oder für die mittellose unscheinbare Monika, der er zu nächtlicher Stunde seine Liebe gesteht? Der Alte vom Ellenhub freilich hat die Wahl für den Sohn schon längst getroffen und setzt, keinen Widerspruch duldend, den Hochzeitstermin mit Kathrine fest. Daran ändert sich auch nichts, als Monika ein Kind von Ambros erwartet.

Tief an der fernen Himmelslinie wuchtet ein schwarzer Wolkenklotz. Er besitzt noch keine Gewalt über die breiten, fruchtbaren Wellen des blühenden Landes, das gegen Norden bis an die tiefen Wälder des Weilhartwaldes flutet. Die Luft rinnt schwelend hinab von den glühendheißen Kupferdächern der Kirchtürme zu Radegund. Die Kastanienbäume unter ihnen stehen unbeweglich und ohne Laut. Die ersten Blütenkerzen sind aufgebrochen, und wenn ein Lufthauch an sie rührt, verströmen sie wolkendicht ihren satten, süßen Duft.

Alle Fenster des Wirtshauses, das tief in den Schatten der Bäume gerückt ist, stehen offen. Aber auch das dichte Blätterdach bringt wenig Kühlung in den weiten Tanzboden. Die blinkenden Instrumente der Musikanten schimmern nur matt vom Hochsitz herein in den verqualmten Raum. Für einen Augenblick läßt das heiße, lachende Stimmengewirr nach, als in der Ferne ein dumpfer Donner aufrollt. Die Gäste, die näher an den Fenstern sitzen, horchen auf. Doch da wimmelt es schon wieder von den Tischen her, der Tanzboden füllt sich. Das Flügelhorn schmettert, die Klarinette fistelt darüber, vom Baßton dröhnen die Scheiben. Und als der Klang der Instrumente hart hereinschlägt in das wirre Lärmen, zeigt sich unversehens ihre leitende Kraft. Der Tanz hebt wieder an!

Die kräftigen Tänzer biegen und wiegen sich. Die Schuhe schleifen im Takt über den grauen, glänzenden Boden. Schneller und heißer drehen sich die Paare, hier zum Knäuel geballt, dort leicht und gelöst. Die Burschen haben lange schon die weißen Hemdärmel hochgekrempelt, ihre Hüte liegen irgendwo drüben an den Wandtischen zwischen den Bierkrügen. Die Gesichter glühen. Die Augen in stummer Lust leicht geschlossen, hängen die Mädchen in den Armen ihrer Tänzer und tanzen, tanzen, tanzen.

Als die Musik zu einer kleinen Atempause aussetzt, hebt wieder brausend derbes Singen und Lärmen an. Gegen die fensterlose Wandseite zu verlieren sich die Gesichter in qualmigem Dämmer. Die älteren Gäste sind schon nahe vor dem Aufbruch. Das heraufwachsende Gewitter spornt sie an, ihre Töchter und Söhne zu drängen. Dunkler glühen die Gesichter der Tanzenden, heißer reden die Burschen auf die Mädchen ein und drängen noch um einen Tanz, nur um ein »Gesätzel«, und können nach der mit stummem Nicken gewährten Runde immer noch nicht genug bekommen am wiegenden Schwingen und Drehen.

Da und dort aber löst sich ein Paar aus den Reihen der Tanzenden, ein Mädchen hastet durch die Tür hinaus, ein Bursche langt nach Rock und Hut.

Als der Donner zum dritten Male und schon näher aufbrummt, bricht die Kathrine vom Hofbauer am Buchberg ihren Tanz ab.

»Jetzt ist’s genug, Ambros!«

Der junge Ellenhuber lacht kurz und spöttisch auf.

»Jetzt mitten im Tanz willst du mich stehen lassen, Kathrine? Das ist doch nie der Brauch gewesen!«

Er faßt sie von neuem um die Mitte und wiegt seine Tänzerin im schwingenden Rhythmus der Musik. Im Tanzkreis entsteht ein Gedränge.

Ein leiser Hochmut überspannt das Gesicht Kathrines. So bestimmt und herrisch kann nur die Tochter des Hofbauern sagen: »Nein, genug ist’s, Ambros! Bring mich zum Tisch!«

Sie ist schon einen Schritt aus der Reihe. Das hat Ambros nicht erwartet. Sein Griff wird härter, er spielt die körperliche Überlegenheit des Mannes aus und will Kathrine mit Gewalt in den Kreis zwingen. Es ist kein Zorn, nur ein heißes Drängen in seiner unbeherrschten Kraft.

So kommt es, daß ihn Kathrine leise, aber bestimmt anherrscht: »Dann geh ich allein!«

Sie entwindet sich ärgerlich dem plumpen Zugriff.

Ambros hat eingesehen, daß er Kathrine nicht zwingen kann. Wenn es eine andere wäre, gäbe er nicht nach, aber Kathrine ist des Hofbauern Tochter und weiß das zu zeigen.

Ambros hat nicht erreicht, daß sie bleibt. Den ganzen Nachmittag hat er fast nur mit ihr getanzt. Es ist aufgefallen. Und es soll auch auffallen!

Da kommt ihm ein Einfall. Sie sind durch das Gedränge noch nicht bis zur Tür gekommen. »Kathrine, laß deinen Vater allein heimfahren. Du setzt dich zu mir auf meinen Kutschwagen, und ich bring’ dich heim. Meine Rosse laufen gut, die machen dir keine Schande!«

Kathrine ist schon wieder um einiges milder gestimmt. Es schmeichelt ihr, als sie hört, daß Ambros jetzt auch nicht mehr bleiben will. Aber dann schüttelt sie den Kopf.

Ambros nimmt sie an der Hand und bahnt sich einen Weg durchs Gedränge. Unmittelbar bei der Tür stehen draußen im Zwielicht des kommenden Gewitters ein paar Leute herum, aber Gang und Stiege sind menschenleer. Die Luft ist erdrückend schwül. Der Tanz und das Bier haben Ambros’ Überlegung aufgelöst und verwirrt. Er reißt Kathrine mit einem Griff an sich.

»Kathrin«, flüstert er, »so einfach gehen wir heute nicht auseinander! Du bist eine Stolze, aber ich frag’ nicht lang!«

Die Tochter des Hofbauern aber fährt nicht umsonst wochenlang mit dem schweren Traktor. Sie weiß sich zu wehren. Ambros stolpert über den Stufenabsatz und muß loslassen. Aus dem Düster blitzen ihm zornige Augen entgegen.

»So weit sind wir noch nicht. Du wirst warten können!«

Kathrine hat sich dabei unversehens eines Geheimnisses begeben. Denn sie weiß auch schon, was die Leute sagen: »Der Ambros und die Kathrine, ein prächtiges Paar!«

Aber dem jungen Bauern fällt das nicht auf. Er spürt in diesem Augenblick nur bitter die Schmach der Zurückweisung und wird auf einmal kalt und nüchtern.

»Komm!« sagt er nur und geht wortlos neben ihr die Stiege hinab. Vor dem Hause steht fahrbereit das Auto des Hofbauern. Er und seine Bäuerin warten schon auf Kathrine. Der Wirt steht noch bei ihnen und sagt anerkennend: »Ein sauberes Auto hast du, Hofbauer. Wer das nur so bei Glanz hält?«

Der alte Bauer lacht. »Gelt, da schaust! – Die Kathrine! Sie fährt auch die meiste Zeit den Traktor. Aber sie muß sich’s wohl bald abgewöhnen!«

»Ach, ich versteh’ schon«, zwinkert der Wirt, »natürlich, wenn eines bald selber Bäuerin sein kann ...«

Da redet die Hofbäuerin dazwischen: »Endlich bist du da, Kathrine! Wir warten schon lange Zeit. Daß du denn gar nicht genug tanzen kannst!«

Der Wirt lacht breit auf: »Das kommt auf den Tänzer an, den man hat! Stimmt’s, Kathrine?«

Die Bäuerin hat den Begleiter Kathrines bemerkt und ist zufrieden.

»Du tust ja allwissend, Wirt von Radegund. Wen meinst du damit?« fragt sie halb über die Schulter hin.

»Ja, schau nur selber, Bäuerin!«

Der junge Hoferbe von Ellenhub aber steht noch immer dort, wo er Kathrine allein hat gehen lassen. Er scheint die Hofbauernleute gar nicht zu sehen.

Der Hofbauer hat nur halb hingehört. So sagt er auch ohne Arg: »Ambros, fährst du nicht auch heim? Lang läßt dir das Wetter nimmer Zeit! Auf dein Rappengespann kannst du dir heut’ was einbilden!«

Aber der Donner, der aufs neue über den Himmel fährt, bricht die Unterhaltung ab. »Fahren wir, Vater!« mahnt Kathrine.

Das Auto dröhnt davon. Der Hofbauer grüßt noch einmal zu Ambros hin. Mutter und Tochter haben mitsammen zu reden, so übersehen sie, daß er immer noch unter der Tür steht.

Ambros sieht ihnen mit einem Spott auf den Lippen nach.

»Stolze Leute, die!«

Im Vorbeigehen stößt ihn Burgi, die braunäugige Hofbauernmagd an, die heute Kellnerindienste macht. Alle kennen Burgi als jung und sauber und leichtsinnig.

»Hast du was verloren, Ambros? Willst du nicht noch tanzen?«

»Ich hab’ genug – ich tanze nicht mehr!« brummt Ambros verstimmt und schüttelt den Kopf.

»Ach, schau dir den an – jetzt hat er auf einmal genug!« lacht die Kellnerin und tritt ganz nahe an den jungen Bauern heran. »Wer läßt sich auch so schnell kopfscheu machen! Es gibt noch mehr saubere Mädchen auf der Welt – meinst du nicht, Ambros?«

Sie streift ihn mit ihrem warmen, bloßen Arm. In der Hand hält sie fünf, sechs leere Biergläser. Ambros sieht auf, und die braunen Augen halten ihn fest.

»Wie meinst du das?« fragt er noch halb ablehnend.

Sie senkt ihre Stimme ein wenig. »Komm mit, dann sag’ ich dir’s!« Sie weist mit einem leichten Kopfnicken zu dem halbdunklen Schankraum, der in den hinteren Teil des Vorhauses mündet. Sie zapft jedesmal dort das Bier schäumend aus dem großen Faß, bevor sie es den durstigen Trinkern in der Gaststube bringt.

In Ambros ist noch alles Bitterkeit und Zorn. Er hört wieder das Wort Kathrines: » ... du wirst warten können!«

Nein, verdammt, nein – das kann er nicht und das will er nicht! Er ist an niemand gebunden, Herrgott, an niemand! Auch an die stolze Hofbauerntochter Kathrine nicht!

Er schiebt Burgi von sich. »Geh, ich komm’ nach!«

In dem Trubel und Lärmen, dem Kommen und Gehen ist diese Unterhaltung niemand aufgefallen. Ein Blitz funkelt in das düstere Vorhaus, das noch ohne Licht steht. Als der Donner wieder in die Musik schmettert, die aus dem Tanzboden von oben herab hallt, tritt er mit einigen raschen Schritten in das Gewölbe. Es ist fast dunkel. Vor dem großen Zehneimer-Faß bewegt sich eine Gestalt. Burgi läßt die Bierkrüge schäumend vollaufen und hört Ambros nicht eintreten. Er steht in der Tür noch einen Augenblick wartend.

Als er sich allein weiß, tritt er hinzu und faßt Burgi unter den Armen.

»Hast du mich erschreckt!« fährt sie empor. Sie dreht mit einem Griff die rinnende Messingpipe ab und stellt den Krug, über den der Bierschaum herabfließt, auf den nassen Schanktisch.

»Und was willst du?« fragt sie und macht einen geringer Versuch, sich aus seinem Arm zu befreien.

Ambros drückt die Kellnerin nur fester an sich und lacht halblaut. »Das fragst jetzt du mich, Burgi? Wer hat mich denn eingeladen: Komm, dann sag’ ich dir’s!«

»Ach so – das war nur ein Spaß, weil du dastandest, als hätten dir die Hühner das Brot weggefressen!« Aber sie wehrt sich nicht mehr in seinem pressenden Arm.

»So, nun willst du’s nicht sagen!« knurrt Ambros drohend. »Aber vielleicht sagst du’s jetzt?«

Sie sind sich so nahe, daß jedes des anderen Atem im Gesicht fühlt. Sein Blick wird böse, hart. Er küßt sie, wohin der Mund gerade trifft. Ihr Gesicht fühlt er heiß; sie stöhnt unter seiner Gewalttätigkeit.

»Nicht hier – es könnte jemand kommen!« flüstert sie schnell und macht sich mit einem Ruck frei.

»Ach, du!« brummt er ernüchtert. »Bist du auch so eine, die dann sagt: Du wirst warten können!«

»Wer hat so gesagt?« Dann blitzt ihr die Erkenntnis auf. Sie lacht leise. »Jetzt hast du dich verraten, Ambros! Du bist abgeblitzt bei der stolzen Hofbauerntochter. Jetzt hältst du dich schadlos bei mir!«

»Wer hat mich dazu eingeladen, he?« wehrt sich der Bursche.

»Aber nicht jetzt, Ambros!« Sie scheint zu überlegen. »Man kann sich ja auch besprechen, etwas abmachen – meinst du nicht?«

Ambros wird immer nüchterner. »Ja, abmachen. Aber ich bin nun einmal nicht fürs lange Herumreden!«

Als er sie noch einmal küßt, ist es nur noch die halbe Glut. Burgi fühlt es.

Sie sagt rasch: »Um Mitternacht mach’ ich Schluß mit der Aushilfe – dann bringst du mich heim!«

»Ich hab’ noch die Rosse da – sie müssen bis zur Abendfütterung daheim sein!« gibt er zu bedenken.

»Narr du!« lacht Burgi leise und läßt seine Hand nicht los. »Du hast doch ein Auto, fährst eben nachher noch von der Ellenhub herab zum Tanz!«

Ambros nickt.

Burgi flüstert rasch: »Zu Mitternacht geh’ ich allein fort vom Bühelwirt – du holst mich ein mit dem Wagen!«

Diese Anweisung ist ausführlich genug. Ambros dämmert es herauf, wie leicht es doch geht, ein Mädchen zu bekommen – wenn dieses nur will. Und er? Will er auch?

Der Eingang ins Gewölbe verdunkelt sich in diesem Augenblick noch mehr. Ambros wendet sich jäh um. Der Wirt steht in der Tür.

»Burgi, die Gäste warten schon!« sagt er mit gedämpftem Unmut. Er erkennt Ambros in dem Düster des Schankgewölbes. Wäre es ein anderer gewesen, ein Knecht oder sonst ein Arbeiter, hätte er ihn scharf aus dem Schankraum gewiesen. So aber hält er sich zurück und hat sich schon wieder abgewendet, bis Burgi kurz angebunden sagt: »Die Krüge sind voll – einen Augenblick wird jeder warten können!«

Die Kellnerinnen sind rar. Der Wirt schweigt und wendet sich ab ins Vorhaus. Burgi raunt Ambros noch zu: »Warte, bis ich über die Stiege oben bin. Und zur Mitternacht – du weißt es jetzt!«

Der junge Bauer konnte nicht ja und nicht nein mehr sagen zu dieser Aufforderung. Er steht noch benommen und horchend da. Als er glaubt, die Kellnerin sei bereits oben im Tanzsaal, verläßt er das Schankgewölbe. Vor dem Haustor draußen trifft er den Hausknecht.

»He, anspannen, ich will heimfahren!« befiehlt er kurz.

Während Ambros unter den stoßweise im Wind rauschenden Kastanienbäumen unruhig wartet, erlebt er noch einmal diesen Tag des Pfingstrittes:

Schon wie seine Hengste heute am Vormittag bei der Auffahrt von der Straße herauf Aufsehen machten, war die Vorbereitung zum Pfingstritt wert gewesen. Die Rapphengste trugen den Kopf hoch, daß die dunklen Mähnen flogen. Die roten, weißen und gelben Bänder, die eingeflochten waren, schwankten festlich flatternd mit im Trab. Die Flanken und Schenkel glänzten in der Sonne und waren ohne ein Stäubchen. Die Leute wichen zurück von der Straße, wenn die zwei Rappen hellauf wieherten. »Die Ellenhuberhengste, ja die!« hieß es.

Die Pferdepaare, die zum Pfingstritt angetreten waren, machten eine stattliche Zahl aus. Zwei und zwei standen längs der Waldstraße hintereinander in langer Reihe. Wenn ein Roß aufwieherte, schallte es fort die ganze Zeile lang. Die Körper waren auf Glanz gestriegelt und gebürstet, die Hufe gewaschen und glänzend gewichst. Die jungen Bauern saßen, wie sie es wochenlang zuvor schon eingeübt hatten, spreizbeinig auf den Pferden. Die breiten Rücken der Bauerngäule ließen nicht gut ein anderes Sitzen zu. Das grüne Rosmarinsträußel am Rockaufschlag und der Federflaum auf dem Hut waren die festlichen Zugaben am Gewand der Reiter. Das Zaumzeug war kurz geknebelt, die Kehlkette unter dem Kiefer der Pferde durchgezogen. Denn der Ritt war nicht alltäglich, und es kam vor, daß ein Roß scheute und ausbrach. Die Straße stand gesäumt voll Menschen, da konnte dann leicht ein Unglück geschehen.

Hinter den Reitgäulen standen gummibereifte Wagen, denen besonders reichgeschmückte Rosse vorgespannt waren. Auf ihnen schallte es von Lachen und Reden, denn darauf saßen die Töchter und Mägde der Dörfer im Umkreis, aufgeputzt zum Tanz, der nach dem Pfingstritt alle Jahre die Jugend beim Wirt von Radegund am Bühel zusammenzog.

Bumm! Ein Böllerschuß oben neben der weißen Kirche gab das Zeichen zum Beginn des Rittes.

»Hüh, hüh!«

Die Pferdemauer bekam Leben, die Zügel strafften sich, und das erste Paar ritt im Schritt den Hügel hinauf! In kleinem Abstand folgte das zweite, das nächste, bis der ganze Zug in langsamer, bald stockender, bald leicht trabender Bewegung war.

Ambros von Ellenhub ritt im zweiten Paar. Er übersah den ganzen langen Zug, er kannte all die Pferde, die angetreten waren. Sie zeigten den Reichtum des Bauernlandes im Umkreis. Die Schenkel der Rosse standen prall und glänzend, im Vorstrecken der Beine spannten und streckten sich die harten Muskel wie Bänder.

Von den Pferden glitt Ambros’ Blick auf die Leute neben dem Fahrweg, der kammlängs gerade hinaufführte zur weißen Wallfahrtskirche von Radegund. Da standen die alten Bauern, denen die Rosse gehörten und die nicht mehr selber ritten. Daneben in alten Trachtengewändern mit seidener Schürze ihre Bäuerinnen und manche saubere Tochter. Überhaupt säumte viel Jugend die Straße und wurde später auf Stunden im Umkreis der Verkünder, wer heute die schönsten Rosse zum Ritt geführt hatte.

In einer Gruppe nahe an der Kirche oben entdeckte Ambros die Hofbauernleute. Kathrine, ihre einzige Tochter, stand hinter ihnen, schaute wie die Alten auf die Rosse, die vorbeitrabten, und warf doch hin und wieder einen kurzen, abschätzenden Blick auf die Reiter der schmucken Gäule.

Auch den jungen Ellenhuber sah sie. Ambros spürte es und wandte den Blick zu ihr hin. Einen kurzen Augenblick lang maßen sich die Augen. Wenn sich auch kein Muskel in ihrem Gesicht verzog, er fühlte es: Er, der junge Reiter auf dem hochgehenden Rappen, gefiel ihr!

Ambros riß am Zügel, daß das Leitroß emporstieg und die Umstehenden erschreckt zurückwichen. Doch als er sich kurz darauf umsah, wanderte Kathrines Blick schon wieder gleichgültig über die folgenden Reiterpaare.

Er lächelte: Du Stolze, dich krieg’ ich schon!

Oben vor dem dunklen, hohen Kirchenportal vollzog sich der uralte Brauch des Pferdesegnens. Der Benefiziat der Kirche wartete im weißen Chorrock unterm Tor, die Meßbuben neben ihm hielten das Rauchfaß. Als das erste Pferdepaar im Schritt vorbeiritt, hob er die Hand und sprengte Weihwasser auf die prächtigen Körper. So tat er es bei jedem.

Nach sieben, acht Paaren hielt der lange Zug an. Die gesegneten Pferde aber setzten sich in Trab und ritten dreimal auf dem Rasen rund um die weiße Kirche. Hier galt es zu zeigen, wer reiten konnte. Die Zügel klatschten auf die Körper. Der Rasen flog unter den Hufen, die Funken stoben aus den Steinen. Und wer aus dem Sitz rutschte, für den gab es schallendes Gelächter. Man zog ihn rasch aus der Reitbahn weg. Hatte sich die erste Gruppe müde gehetzt, trabte eine neue heran und wiederholte das gleiche Spiel. Die Rosse wurden dann in den Stall gestellt und abgerieben. So füllten sich bald Ställe und Tennboden des Wirtsgutes mit ihnen. Als Ambros aus dem Stall trat, umringte ihn die Jugend der ganzen Gegend. »Deine Hengste sind die zwei besten im Ritt!«

Es ging von Mund zu Mund, es beherrschte das Gespräch: Die Ellenhuber Hengste sind die schönsten. Ambros nickte wohlgefällig zu diesem Empfang. Er hatte auch kein anderes Urteil erwartet.

Ambros machte sich bald aus dem Gedränge fort. Seine Augen suchten die Menge unter den blühenden Kastanien ab. Die Hofbauernleute fand er oben neben der Kirche, wo eben die Mädchen lachend von den geschmückten Wagen stiegen.

»Kathrine, gib mir den ersten Tanz!« sagte er.

Sie nickte nur, und ohne ein Wort zu sprechen, traten die beiden auf den Tanzboden.

Der Nachmittag brachte viele Tänze. Kathrine sprach wenig dabei, aber was sie sagte, hatte Gewicht und eine vertrauliche Bedeutung. Ambros fühlte es manchmal: Zum Nächstbesten spräche sie nicht so! Das machte ihn heißer und kühner, die Rede saß lockender, und der Stolz wuchs mächtig.

So traf ihn die höhnische Abwehr auf der Stiege zuletzt um so bitterer ins Fleisch. Ohne Abschied war sie fort, kein Wort hatte sie mehr übrig gehabt, die Stolze, die!

Bis jetzt die Hengste geschirrt vor dem leichten Kutschwagen standen, hatten sich viele Burschen und Mädchen vor dem Haus versammelt. Verschiedene Meinungen umschwirrten ihn, scheue Mädchenaugen streiften ihn. Hier und da flatterte ein böses, neidisches Wort auf aus einer bier- und sangrauhen Kehle. Ambros hatte kein Ohr dafür. Als der Hausknecht zurücktrat, warf er ihm ein Trinkgeld hin.

Im Stehen noch zog er die Zügel scharf an.

»Hüh, Hengste!«

Da fuhren die ausgeruhten Rappen auf, fielen in Trab, in Sprung und schleuderten den Wagen holpernd um die Ecke des Hauses.

Die Hengste spürten am harten Zügelriß die Verstimmung ihres Lenkers. Seine Unrast teilte sich ihnen mit, sie galoppierten ohne Halt den leicht geneigten Kammweg hinab zum Wald. Unter den Bäumen hallte jäh das Donnern der Räder wider. Das Geräusch verwirrte die Pferde, sie fielen in schärferen Gang.

Ambros lehnte mit unbewegtem Gesicht auf dem Kutschbock. Zwischen den dichten Stämmen des Nadelwaldes war es fast dunkel. Kein Lufthauch fiel kühlend in die Schwüle. Wenn einmal für einen Augenblick im dichten Baumdach ein Loch frei wurde, lastete schwarzes, drohendes Gewölk herein. Die Sträucher neben der Straße rauschten auf, wenn ein Pferd mit seinem Körper daran streifte. Als der Hohlweg sich verengte, schlugen die niederen Büsche Ambros brennendscharf ins Gesicht. Die Straße stieg ein wenig an, die Rappen verlangsamten den Lauf. Aber der junge Ellenhuber riß verbissen am Leitseil.

»Hüh, hüh!«

Der erste Peitschenhieb klatschte auf die blanken Rücken. Die Hengste gerieten jäh in Sprung, so daß sich Ambros festhalten mußte. Ein Blitz fiel in die Düsternis herein und füllte die Schatten mit Bläue. Kurz danach krachte es berstend in drohender Nähe.

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